Protocol of the Session on November 11, 2011

(Frau Klöckner: Elektronisch?)

Nein, real.

(Zurufe von der CDU: Nein, nein!)

Das müssen Sie mit dem Parlament klären.

Das sind nicht 70 Stunden, sondern – wenn ich davon ausgehe, dass es um die Mittagszeit war – das sind 250 Stunden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Unruhe bei der CDU)

Ich sage das nicht als Vorwurf, sondern ich habe gesagt, wenn die Wahrnehmungen so unterschiedlich sind, muss man diesen Dingen nachgehen. Noch früher kann aber keine Regierung liefern, meine Damen und Herren. Ich wäre zu meiner Oppositionszeit sehr glücklich gewesen, wenn ich so viel Zeit im Vorfeld der ersten Haushaltsberatungen jemals zur Verfügung gehabt hätte.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich deutlich machen, dass wir nicht nur einen Haushalt für die kommenden zwei Jahre und nicht nur, wie dies üblicherweise der Fall ist, eine Finanzplanung für die kommenden fünf Jahre vorgelegt haben, sondern dass wir zum ersten Mal eine verbindliche Orientierung und Finanzplanung bis einschließlich dem Jahr 2020 vorgelegt haben, um zu belegen, dass die Entscheidungen, die wir Ihnen präsentieren und vorschlagen, nicht nur kurzfristiger, sondern langfristiger Natur sind, und dass mit diesen Zahlenwerken die sogenannte Schuldenbremse, die bis 2020 einzuhalten ist, eingehalten wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen, das Land Rheinland-Pfalz hat durch die Entscheidung dieses Parlaments die engste Schuldenbremse, die es in einem Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland gibt. Sie ist auch deutlich enger als die, die sich der Bund im Grundgesetz gegeben hat. Das ist so beschlossen worden und so einzuhalten, und das wird von uns auch eingehalten.

(Dr. Weiland, CDU: Schauen wir mal!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen auch, dass wir bis zum Eintreten dieser Schuldenbremse in ihrer vollen Wirkung die alte Verfassungsgrenze einzuhalten haben, wonach die Investitionen jeweils höher sein sollen als die Neuverschuldung. Erlauben Sie mir bitte noch einmal darauf hinzuweisen, dass dann, wenn man jemandem einen Kredit gibt, wenn man im Vorhinein eine Rücklage bildet, wie beispielsweise für den Pensionsfonds, dies nach den Gesetzen dieses Landes Rheinland-Pfalz – und nicht, weil die Landesregierung

so handeln wollte – wie Investitionen zu verbuchen ist. Vielleicht nehmen wir das einmal miteinander zur Kenntnis. Oder Sie fordern die Landesregierung auf, einen Gesetzesbruch vorzunehmen. Der Finanzminister hat absolut nach den Gesetzen dieses Landes etatisiert. Ich bestehe darauf, dass das endlich zur Kenntnis genommen wird, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Schreiner, CDU – Dr. Weiland, CDU: Dann würde sich der Rech- nungshof gesetzeswidrig verhalten!)

Die Gesetze gelten für alle, auch für Rechnungshöfe und all die, die die Formel beurteilen.

Meine sehr geehrte Damen und Herren, zum Zweiten will ich noch einmal auf einen weiteren Punkt hinweisen. Wenn Sie die Kreditaufnahmen, wenn Sie die Schulden, wenn Sie die unterschiedlichen Haushaltsdaten zwischen den Ländern vergleichen, müssen Sie natürlich, wenn ein Land wie Rheinland-Pfalz als einziges Vorsorge für die Pensionslasten in kommenden Jahrzehnten trifft und Sie die Daten der Ausgaben und der Kreditaufnahme mit anderen Ländern vergleichen, die das nicht tun, logischerweise diese Rücklage herausrechnen, weil Sie sonst immer bei denen, die eine Rücklage bilden, eine höhere Ausgabe haben. Das ist aber Vorsorge für die Zukunft. Das ist eine andere Art der Kreditvermeidung von morgen und übermorgen, meine Damen und Herren. Vielleicht lässt sich das begreifen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dann ist gesagt worden, der Finanzminister, der dies sowohl in den Vorberichten zu diesem Haushaltsentwurf als auch in seiner Rede ausführlich und sehr schlüssig begründet hat, habe darauf hingewiesen, dass man nicht ausschließen könne, dass wir in eine Situation der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts kommen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Verlaub, Frau Klöckner hat teilweise aus dem Gutachten der Sachverständigen zitiert. Wenn sie weiter zitiert hätte, wäre sie dazu gekommen, dass dann gesagt wird, die Risiken – – –

(Dr. Weiland, CDU: Hat sie vorgetragen!)

Nein, das hat sie nicht mehr vorgetragen.

(Dr. Weiland, CDU: Doch, das hat sie vorgetragen!)

Ich habe genau zugehört.

(Dr. Weiland, CDU: Ich auch!)

Lesen Sie es nach. Wir müssen darüber nicht streiten; denn es gibt ein Protokoll.

Meine Damen und Herren, wenn nicht, ist das egal. Ich will es aber noch einmal in Erinnerung rufen. Ihre Schlussfolgerungen wären noch falscher, wenn sie es vorgetragen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will noch einmal darauf hinweisen: Die Sachverständigen haben gesagt, sie könnten bei entsprechenden Auswirkungen der drohenden Risiken nicht ausschließen, dass statt der 0,9 % Wirtschaftswachstum – die Bundesregierung sagt 1 %, die wir uns zu eigen gemacht haben – das Wirtschaftswachstum bei einem entsprechenden Risiko auf 0,4 % zurückfallen könnte oder gar eine Rezession drohe. (Dr. Weiland, CDU: Nein!)

Lesen Sie es nach.

Wenn wir Ihnen einen Haushalt für die Jahre 2012/2013 und eine Finanzplanung, die bis 2020 reicht, vorlegen und diese Entwicklungen nicht als denkbares Szenario in unsere Überlegungen mit einbezögen, dann wären wir eine schlechte Landesregierung. Aber dieser Finanzminister ist nicht dafür zu kritisieren, dass er Realitäten in seine Überlegungen mit einbezieht. Vielleicht denken Sie einmal darüber nach.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Pörksen, SPD: Das ist aber jetzt eine Peinlichkeit!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir jetzt alles andere als sorgenfrei mit den Haushaltszahlen in Bund, Ländern und Gemeinden für die kommenden Jahre umgehen können, ist doch wohl nachvollziehbar; denn das, was wir alltäglich an den Finanzmärkten, und zwar nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten erleben – übrigens ein wichtiger Absatzmarkt für die überdurchschnittlich exportorientierte Wirtschaft in Rheinland-Pfalz –, muss uns doch besorgt machen.

Wir haben 2008 erlebt, dass wir alle – ich nehme mich überhaupt nicht aus –, auch die Bundesregierung, damals die Hoffnung gehabt haben, die Verwerfungen an den Finanzmärkten würden nicht auf die Realmärkte durchschlagen. Wir sind auf bittere Weise eines anderen belehrt worden. Ich hoffe, dass es nicht so kommt. Es ist auch nicht selbstverständlich, dass GRÜNE und Sozialdemokraten als Opposition auf der Bundesebene die Politik der Bundesregierung unterstützt und ihr zugestimmt haben.

Das ist geschehen, weil diese Sorge da ist, dass wir handeln müssen, um dieses Durchschlagen der finanzpolitischen Verwerfungen auf die Realwirtschaft nach Möglichkeit zu vermeiden und dafür zu sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht noch mehr verunsichert sind, als sie es ohnehin schon sind. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, mir auf jeden Fall geht es fast tagtäglich so, wenn ich irgendwo hinkomme, dass mich Menschen fragen: Ist denn das bisschen Geld, das ich mir für das Alter zurückgelegt habe, noch sicher? Was soll ich machen? Soll ich Gold kaufen? Soll ich meine Lebensversicherung auflösen? – Das alles treibt die Menschen um.

(Bracht, CDU: Das leistet aber keinen Beitrag zur Sicherheit! – Pörksen, SPD: Nicht antworten, es lohnt sich nicht!)

Das war der Herr Bracht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das alles muss uns doch bewegen, ein Optimum an Gemeinsamkeit bei den Grundorientierungen der finanzpolitischen Linien in dieser Republik zu erreichen. Zu der gehören eben auch die 16 Länder und die Kommunen und – wie Frau Klöckner zu Recht gesagt hat – auch die Sozialversicherungssysteme.

Das ist überhaupt keine Frage. Insoweit stellt unser Verhalten, das Verhalten der Landesregierung, eine verantwortliche Handlungsweise dar. Sie ist als aktive Beteiligung an der Bundespolitik über den Bundesrat zu werten. Wir waren nicht nur Zuhörer.

Sie können davon ausgehen, dass diese Landesregierung, nicht nur weil sie eine Koordinierungsfunktion für die Länder hat, sondern auch, weil sie die Brücke zu den CDU-geführten Ländern schlägt, durch aktives Mitmachen versucht hat, durch ihre jeweiligen Parteien bzw. Fraktionen auf Bundesebene einen konstruktiven Beitrag auf Bundesebene zu leisten.

Ich denke, wir müssen versuchen, diesen Weg über eine Reihe von Jahren hinweg miteinander zu gehen. Wir befinden uns mit anderthalb Füßen über dem Abgrund. Es müssen deshalb alle daran mitwirken, dass nicht geschubst, sondern nach hinten gezogen wird, sodass wir wieder vom Abgrund wegkommen. Dazu bekenne ich mich ausdrücklich, auch namens dieser Landesregierung.

Ich bin deshalb dankbar dafür, dass sowohl der Finanzminister gestern als auch der Kollege Hering und der Kollege Köbler vorhin diese verantwortliche Verhaltensweise angesprochen haben. Wir können deshalb von einer klaren Mehrheit in diesem Haus ausgehen, zu der beizutragen ich die Opposition ausdrücklich einlade.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dazu gehört aber auch, dass wir uns auf der Einnahmeseite nicht durch politische Entscheidungen Einnahmelöcher hineinholen, die wir durch Sparen nicht ausgleichen können.

Sie wissen – der Herr Finanzminister hat Ihnen die Zahlen im Detail vorgetragen, wenn Sie wollen, wiederhole ich Sie gern noch einmal –, dass wir in einer Größenordnung von mehr als 200 Millionen Euro per anno Einsparungen vornehmen müssen, und zwar bis zum Jahr 2020.

Weil wir in der Vergangenheit nicht nur Steuermindereinnahmen durch die Rezession, sondern auch durch Steuersenkungen von gigantischem Ausmaß hatten, sind wir nicht in der Lage, weitere Steuersenkungen zu verkraften, unabhängig davon, ob wir das politisch für richtig oder falsch halten. Es ist schlicht und einfach nicht mehr zu schaffen.

Bitte zeigen Sie mir Größenordnungen auf, wie wir für das Land und die Kommunen zusätzlich 100 Millionen

Euro pro Jahr noch dauerhaft obendrauf einsparen können. (Frau Schmitt, SPD: Richtig!)

Bitte zeigen Sie mir nur einen Schritt dazu auf. Ich bin gern bereit, darüber zu reden und darauf zu hören. Aber Sie werden sehr schnell sehen, wenn Sie sich mit den Zahlen jetzt nicht nur plakativ politisch – was ich Ihnen nicht vorwerfe, das gehört zum politischen Geschäft dazu –, sondern wirklich vertieft auseinandersetzen, dass das schlicht unmöglich ist, es sei denn, wir greifen in substanzielle Aufgaben ein, die dieser Staat im Bereich der sozialen Gerechtigkeit, der Bildung oder im Bereich wichtiger künftiger Weichenstellungen, wie der Infrastruktur oder der neuen Energieorientierung, hat. Das können wir uns überhaupt nicht leisten, weil wir dann selbst unsere Wirtschaft, die Nachfrage und die Zukunftsfähigkeit mehr als nur infrage stellen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Deshalb meine herzliche Bitte – wir alle haben schon in Koalitionen gearbeitet, auch auf Bundesebene –: Es bedarf der gegenseitigen Rücksichtnahme. Diese Operation, die derzeit durchgeführt werden soll und mit am Ende 6 Milliarden Euro Steuersenkungen angekündigt worden ist, ist in der Sache falsch und haushaltspolitisch nicht verantwortbar, weder beim Bund noch bei den Ländern noch bei den Kommunen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Erlauben Sie mir, dass ich das Folgende noch hinzufüge: Es wird gefragt: Kann denn die Sozialdemokratie die Entlastung der kleinen Leute verantworten? Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich beziehe mich selten auf den sogenannten Bund der Steuerzahler, mich vertritt er nicht.

(Pörksen, SPD: Das ist auch besser so! – Dr. Weiland, CDU: Das würde ich an Ihrer Stelle auch nicht, weil sich das nicht mit Ihrer Politik verträgt!)