Protocol of the Session on December 17, 2015

Vielen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Wilke.

Herzlichen Dank. Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach den Ausführungen unserer sozialpolitischen Experten Frau Kollegin Thelen und Herr Kollege Enders seien mir noch einige Ausführungen zum Maßregelvollzugsgesetz erlaubt. Wir hatten als CDU-Fraktion schon bei der ersten Lesung in diesem Parlament verdeutlicht, dass wir das Grundanliegen und die Grundlinien des von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurfs mittragen und unterstützen; denn dieser Gesetzentwurf leistet einen wichtigen Beitrag für einen modernen zielorientierten Behandlungsvollzug für nach dem Strafgesetzbuch untergebrachte Personen.

Dass diese Personen wieder in Freiheit entlassen werden können, dort leben und ein normales Leben leben können, ohne eine Gefahr für unsere Gesellschaft darzustellen, muss unser aller Ziel sein. Das neu gestaltete Maßregelvollzugsgesetz bietet dafür zweifelsohne bessere Bedingungen als das bisherige.

Wir haben im Sozialpolitischen Ausschuss eine Anhörung von Experten dazu durchgeführt, die uns gerade in ihrer Unterschiedlichkeit ein sehr gutes Bild von der Praxis des Maßregelvollzugs vermittelt haben, der sich doch sehr weit weg vom normalen Leben bewegt.

(Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Die meisten Experten haben es begrüßt, erinnern Sie sich?)

Ja genau, und auf die Details komme ich noch zu sprechen, Frau Kollegin Anklam-Trapp.

Es ist wichtig, einfach einmal zu sehen, was dort wirklich abgeht und konkret passiert. Dies in unsere Gesetzgebung einfließen zu lassen, war ein wichtiges Anliegen, denke ich.

Das waren gute Experten in ihrer Vielgestaltigkeit, und ich glaube, wir haben davon alle, auch Sie, Frau Anklam-Trapp, profitieren können.

(Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Selbst ich!)

Die Regierungsfraktionen und wir haben aus diesen Erkenntnissen dieser Anhörung jeweils Änderungsanträge erarbeitet, die heute zur Beschlussfassung anstehen und immerhin in einem Punkt deckungsgleich sind; denn dass die Einschränkung der Religionsausübung – sowohl Sie als auch wir wollen das – nur aus zwingenden Gründen in Maßregelvollzugseinrichtungen erlaubt sein soll, ist ein Gebot der Verfassung. Das haben wir alle zusammen feststellen müssen und dürfen. Ganz generell gilt – ich denke, das ist die Haupterkenntnis der Überlegungen in der Expertenanhörung gewesen –, Grundrechtseingriffe, die es im Maßregelvollzug in häufigerer Zahl geben kann, müssen sich immer strikt am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen.

(Beifall bei der CDU)

An diesem Punkt hatte der Regierungsentwurf – das haben wir festgestellt – noch ein bisschen Luft nach oben, wie man landläufig sagt. Besonders gilt das aus unserer Sicht auch für den gravierendsten Eingriff in die persönliche Bewegungsfreiheit, die mechanische Fixierung. Auch Sie von den Koalitionsfraktionen haben hier nun eine Verschärfung der Anforderungen vorgesehen. Da sind wir im Grundsatz mit Ihnen einig. Nur bei Gefahr für Leib und Leben entweder des Untergebrachten selbst oder anderer Personen soll diese allereinschneidendste Maßnahme überhaupt nur in Betracht kommen.

Wir allerdings wollen – das unterscheidet uns dann voneinander – diese strikte Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch verfahrensmäßig besonders absichern, indem wir sagen, bevor eine solche Maßnahme durchgeführt werden soll, soll die Strafvollstreckungskammer angehört und eingebunden werden bzw., wenn das aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist, muss es zumindest die Möglichkeit geben, dass der Untergebrachte diese einschneidende Maßnahme hinterher gerichtlich auf ihre Zulässigkeit überprüfen kann. Das hat uns bisher gefehlt.

(Beifall bei der CDU)

Zu Ihren sonstigen Änderungsvorschlägen in Ihrem Änderungsantrag will ich jetzt nicht viel ausführen, nur, dass wir kein Verständnis dafür haben, dass Sie jetzt komplett die sogenannten förderlichen Bezugspersonen aus dem Gesetz gestrichen haben. Nur noch nahestehende Personen werden von Ihnen eingebunden. Sonstige, auch aus der Sicht der Maßregelvollzugseinrichtung förderliche Personen bleiben vor der Tür. Das halten wir nicht für zielführend; denn unser Ziel ist ja, wie wir den Untergebrachten bestmöglich helfen, sie wieder in ein normales Leben zurückzuführen. Ihre Änderung an dieser Stelle schadet dem Behandlungsziel.

(Beifall bei der CDU)

Wir selbst haben aus der Anhörung noch zwei Änderungsbedürfnisse mitgenommen, die mir wichtig genug sind, hier heute noch einmal ausdrücklich anzusprechen:

1. Ein rechtsverbindlicher Anspruch auf Beschäftigung der Untergebrachten ist schwer umsetzbar. So sagen es uns

die Praktiker. Deswegen unsere Abänderung in eine reine Sollvorschrift. –

2. Das ist dann der Hauptgrund dafür, dass wir den Gesetzentwurf heute leider ablehnen werde: Die geschlechterparitätische Besetzung der Fachkommission zur Überprüfung der Maßregelvollzugseinrichtungen. Ich hatte das schon in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs gesagt, wieder einmal siegt Ideologie über Sachkompetenz. Kein – ich wiederhole „kein“ – einziger Sachverständiger in der Anhörung hat das gelobt. Keiner! Stattdessen gab es ziemlich ordentliche Kritik dafür, vor allem – das fand ich bemerkenswert – von dem Vertreter der Organisation der Psychiatrieerfahrenen, der – das sollten Sie sich wirklich einmal hinter die Ohren schreiben – gesagt hat, 95 % der Untergebrachten sind Männer, und 5 % sind Frauen. Was da eine geschlechterparitätische Besetzung der Fachkommission bringen soll, außer ein ideologisches Ziel umzusetzen, weil man es unbedingt machen will, sehen wir nicht ein. Von daher rechtfertigt allein dies, dass wir am Ende des Tages – so leid es uns tut, weil viele, viele gute Ansätze im Gesetzentwurf drin sind –, dieses Gesetz ablehnen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Ein letzter Punkt: In der Anhörung – das hat jetzt weniger mit dem Gesetz als mit seinem Vollzug zu tun – wurde mehr als deutlich, dass die in der Gesetzesbegründung angesetzten Mehrkosten von ca. 200.000 Euro im Jahr weit neben der Wahrheit liegen. Wenn wir ehrlich miteinander umgehen – das haben uns die Experten deutlich gemacht –, müssen wir eher in den Bereich von 1 Million Euro Mehrkosten im Jahr denken. Das muss aus Sicht der CDU – da knüpfe ich an die Ausführungen der Kollegin Thelen in ihrer Rede vorhin an –, wirklich Anlass sein, nach Effizienzsteigerungspotenzialen in den Anstalten zu schauen. So wie es aussieht, gibt es diese Potenziale. Die müssen dringend gehoben werden, dass uns die Kosten schließlich nicht noch weiter davonlaufen. Es ist in vielen Ansätzen ein gutes Gesetz, aber am Ende des Tages müssen wir es leider trotzdem ablehnen. Das ist dann eben so.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU – Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Sehr bedauerlich!)

Ich möchte als Gäste bei uns in Mainz Schülerinnen und Schüler der Hermann-Gmeiner Realschule plus aus Daaden, Schülerinnen und Schüler der Realschule plus und Fachoberschule aus Konz und Mitglieder des Turnvereins 1901 aus Nierstein am Rhein begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen in Mainz!

(Beifall im Hause)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Kollegen Dr. Konrad das Wort.

Ich möchte die Beratungen nicht unnötig aufhalten, aber Herr Wilke, Sie haben jetzt tatsächlich

(Carsten Pörksen, SPD: Na, na, na!)

na ja, vielleicht doch, mal sehen – noch eine Interpretation des Wortes „förderlich“ ins Spiel gebracht, dass nämlich damit – so habe ich das noch nicht gehört – sozusagen der Weg eröffnet werden soll, anderen als Bezugs- oder Vertrauenspersonen oder nahestehenden Personen die Möglichkeit der Einbindung in diesen Prozess zu geben, was meiner Ansicht nach seitens der Einrichtung ohnehin gegeben ist, so etwas vorzuschlagen.

Alle anderen, die damit bisher mit mir gemeinsam befasst waren, haben diesen Begriff „förderlich“ nicht als Erweiterung, sondern als Einschränkung des Personenkreises interpretiert, dass also auch nahestehende Bezugs- oder Vertrauenspersonen nur dann zugelassen werden können, wenn sie aus Sicht des Behandlungsteams als förderlich angesehen werden.

Das ist natürlich eine Form von Ermessen, die sehr weit interpretierbar wäre, wobei wir dann aus dem eigentlichen Ansatz dieses Gesetzes, dass nämlich gemeinsam ein Behandlungsprozess strukturiert wird und die Mitarbeit der untergebrachten Person das Ziel ist, genau das dadurch eingeschränkt wird, dass sozusagen die letztendliche Entscheidung, welche Person da jetzt zugelassen werden kann, unabhängig davon ist, ob es sich um erhebliche Sicherheitsbedenken oder andere erhebliche Bedenken seitens des Behandlungsfortschritts handelt oder ob man eben sagt, so richtig förderlich ist die nicht.

Um das umzukehren, ist das Wort „förderlich“ verschwunden und an der einen oder anderen Stelle dadurch ersetzt, dass dann eine Person hinzugezogen werden kann, wenn keine erheblichen Sicherheitsbedenken oder eine Gefährdung des Behandlungserfolges dadurch bedingt seien könnten. Deshalb ist das, was Sie eben gesagt haben, für mich persönlich ganz neu gewesen. Ich wollte es für das Protokoll dann entsprechend richtiggestellt haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Zu einer Erwiderung erteile ich Herrn Dr. Wilke das Wort.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Das ist jetzt einmal richtig klasse. So ist Juristerei: Auslegung von Normen. Wie versteht man etwas? – Ich habe es anders verstanden. Wir haben eine klare Aussage, was die Ziele dieses Behandlungsvollzuges in Maßregeleinrichtungen sind. Es muss gefördert werden, das Leben in Freiheit ohne eine Gefährdung für die Allgemeinheit darzustellen. Für mich war ganz klar, es gibt die nahestehenden Personen und andere förderliche Personen. Jeder, der etwas Gutes

dazu beitragen kann, dass derjenige, der untergebracht ist, wieder in die Freiheit entlassen werden kann und dort frei leben kann, soll eigentlich einbezogen werden. Das spielt beim Behandlungsplan eine Rolle. Das spielt schon beim Aufnahmegespräch eine Rolle. Das spielt in vielen anderen Bestimmungen des Gesetzes eine Rolle.

Wenn wir uns an dem Punkt einig sind, dann kann irgendwann vielleicht einmal ein Gericht in die Materialien der Gesetzgebung, nämlich diese Debatte heute, in die Protokolle reinschauen und fragen: Was haben die sich damals denn dabei gedacht? – Da scheinen wir eigentlich einer Meinung zu sein, dass jeder, aber wirklich jede Person, die dazu dient, die befördern kann, dass derjenige künftig straffrei und ohne eine Gefährdung darzustellen, leben kann, hinzugezogen werden soll. Ich glaube, an dem Punkt sind wir uns alle einig.

(Beifall der CDU – Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Stimmt ihr jetzt zu?)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin BätzingLichtenthäler.

Ganz herzlichen Dank.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der von der Landesregierung vorgelegte Haushalt des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie sichert den rheinland-pfälzischen Bürgerinnen und Bürgern mit einem Volumen von fast 2 Milliarden Euro eine gerechte und solidarische Sozialpolitik. Selbstbestimmung und Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger sind unsere zentralen Leitlinien. Wir wollen, dass Menschen, egal, ob jung oder alt, ob sie gesundheitlich beeinträchtigt, behindert oder pflegebedürftig sind oder nur über wenig eigene finanzielle Mittel verfügen, ein Leben in Würde führen können und die für sie richtige Unterstützung bekommen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen, dass sie am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und selbst bestimmen können, wie und wo sie leben und welche Hilfe sie in Anspruch nehmen möchten.

Wir wollen, dass Menschen, die arbeitslos sind, den Weg in den Arbeitsmarkt finden und junge Menschen nicht bereits zu Beginn ihres Berufslebens in die Arbeitslosigkeit abrutschen. Das ist unsere Vorstellung von einer gerechten Sozialpolitik. Genau das drückt dieser Haushalt aus.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er bringt aber auch zum Ausdruck, dass der Sozialhaushalt angesichts der Schuldenbremse von Einsparungen nicht ausgenommen bleiben kann. Im Haushalt 2016 setzen wir

deshalb die vorsorgende und verantwortliche Sozialpolitik bei gleichzeitiger Haushaltskonsolidierung fort.