Protocol of the Session on December 17, 2015

Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/5953 –

Es wurde eine Grundredezeit von 20 Minuten vereinbart.

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich Gäste bei uns in Mainz begrüßen: Schülerinnen und Schüler der Hermann-Gmeiner-Realschule plus Daaden, Flüchtlingshelferinnen und Flüchtlingshelfer aus Weisenheim am Berg mit syrischen Gästen – ahlan wa sahlan almanya –, SPD-Ortsverein aus Gleiszellen-Gleishorbach, ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger aus Alzey und den ehemaligen Minister und Vorsitzenden der Vereinigung ehemaliger Abgeordneter, Herr Dr. Alfred Beth. Ihnen allen ein herzliches Willkommen in Mainz!

(Beifall im Hause)

Frau Thelen, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im letzten Jahr haben wir uns im Landtag sehr intensiv mit der schwierigen Frage zum Umgang mit der Sterbehilfe auseinandergesetzt, parallel zur Debatte im Deutschen Bundestag – von Ihnen, Herr Schweitzer, angeregt – ohne Koalitionszwang, eine offene Grundsatzdebatte, an der sich viele Abgeordnete und auch die Regierung beteiligten.

Eine umfangreiche Anhörung im Plenarsaal sowie eine große Abschlussdebatte folgten. Trotz unterschiedlicher Auffassungen zu der Frage, ob Sterbehilfe erlaubt werden sollte, waren wir uns alle einig, dass wir in Rheinland-Pfalz mehr für eine gute Begleitung sterbender Menschen tun müssen.

Dank einer Großen Anfrage von uns, der CDU-Fraktion, wussten wir, dass die Situation im Land nicht befriedigend ist und die Versorgungslücken leider noch groß sind.

Sehr geehrte Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler, umso mehr hat es uns enttäuscht, dass Sie in Ihrem Regierungsentwurf keinen einzigen Euro mehr für den Ausbau der ambulanten und stationären hospizlichen und palliativen Versorgung für die Begleitung sterbender Menschen in Rheinland-Pfalz vorgesehen hatten.

(Beifall bei der CDU)

Nachdem ich unser Unverständnis für dieses Vorgehen deutlich im Haushalts- und Finanzausschuss angesprochen hatte, haben SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit entsprechenden Änderungsanträgen reagiert.

(Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Ach du liebe Zeit!)

Mein Kollege Herr Dr. Enders wird später noch im Detail auf unsere Anträge eingehen.

Im März 2015 legte uns der Chef der Staatskanzlei den turnusmäßigen Armuts- und Reichtumsbericht vor, ein 600 Seiten starkes, inhaltsschweres und teures Werk, das Auskunft über die Lage insbesondere der armen Bevölkerung in unserem Land gibt.

Trotz der vielen Millionen, die Rot-Grün, diese Landesregierung, seit vielen Jahren für soziale Projekte ausgibt, mussten die Wissenschaftler feststellen, dass es Personengruppen in unserem Land gibt, deren Armut und Armutsrisiko trotz allem sogar gestiegen ist. Es sind dies junge Erwachsene, Alleinerziehende und kinderreiche Familien.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Bericht war der Landesregierung schon lange bekannt.

Auch hier konnte ich Ihrem Haushaltsentwurf keinerlei Konsequenz entnehmen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das ist nicht nur enttäuschend für die betroffenen Menschen, das ist weder sozial noch gerecht.

Ich erinnere an den Bericht des Rechnungshofs, der erhebliche Beanstandungen an der Arbeit des Landesamts für Soziales, Jugend und Versorgung beschrieben hat: pauschale Fortschreibungen von Zahlungen in erheblicher Höhe, ohne Vergewisserung, ob die einmal unterstellten Aufwendungen überhaupt noch gegeben sind. Ein gesetzlich seit fast 20 Jahren geforderter Rahmenvertrag mit den Leistungsträgern, dem Land und den Kommunen auf der

einen Seite und den Leistungserbringern, den Wohlfahrtsverbänden, auf der anderen Seite, besteht bis heute nicht.

Es gibt erhebliche Zweifel, ob diese enormen Ausgaben in diesem Bereich auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage erfolgen. Es führt zu Unklarheiten auf beiden Seiten und verhindert wegen der fehlenden Maßstäbe eine sorgfältige Prüfung der Leistungserbringung durch das Landesamt, was dieses auch ausdrücklich selbst vorgetragen hat.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, diese dauerhafte Missachtung gesetzlicher Erfordernisse hat mit verantwortungsvollem Handeln nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Ich nenne diese drei Beispiele am Anfang, weil sie zeigen, wie wenig Sie bereit sind, Ihre Sozialpolitik zu hinterfragen, auf neue Herausforderungen und Erkenntnisse zu reagieren und dort, wo es zwingend erforderlich und geboten wäre, umzusteuern und für klare Rechtsgrundlagen zu sorgen. Sie kennen nur einen Weg, weiter so und immer mehr ausgegeben. Dabei geht es uns doch relativ gut. Das hat Herr Köbler gestern hier noch mit großer Begeisterung geschildert. Trotzdem, obwohl wir keine Wirtschaftskrise mehr haben, obwohl sich die Arbeitslosenzahlen positiv entwickeln, obwohl das Bruttoinlandsprodukt steigt, steigen die Ausgaben in Ihrem Sozialetat, Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler, von einer 1,872 Milliarden Euro im Jahr 2015 um weitere 113 Millionen Euro auf insgesamt 1,985 Millionen Euro im Jahr 2016.

Wie der Armutsbericht belegt, verfehlen Sie mit Ihrer Arbeitsweise wesentliche Ziele einer guten und vernünftigen Sozialpolitik. Das tut den Menschen in Not und unserem Land nicht gut. Das ist Sozialpolitik vorbei an den Bedürfnissen vieler Menschen in unserem Land.

(Beifall bei der CDU)

Und – was aus meiner Sicht genauso schlimm ist – das ist eine Sozialpolitik, die auch die Ansprüche derer außen vor lässt, die mit ihren Steuergeldern erst die Leistungen ermöglichen.

Wir wollen mit unseren Anträgen einen Weg in die richtige Richtung weisen. Aus dem Armuts- und Reichtumsbericht ist eine politische Schlussfolgerung zwingend, die Zweckmäßigkeit der Arbeitsmarktmittel muss dringend evaluiert werden. Das Ziel muss sein, die Mittel wirtschaftlich, effizient und nachhaltig einzusetzen. Dies setzt eine gute Evaluation voraus. Deshalb halten wir die Reduzierung des Titels um 4 Millionen Euro für sinnvoll.

Unsere Devise lautet, lieber weniger Mittel zielgerichtet und tatsächlich helfend einzusetzen, als mit der traditionellen Gießkanne wirkungslos über das Land zu gehen.

Ja, Herr Schweitzer, wir halten in diesem umfangreichen Sozialetat – er ist jetzt gerade zumindest für mich nicht sichtbar – mit fast 2 Milliarden Euro Ausgaben eine globale Minderausgabe für gerechtfertigt und machbar.

(Zuruf von der SPD)

Die von uns vorgesehenen 22,7 Millionen Euro reduzieren den Ausgabenanstieg, also die Mehrkosten, die ausgegeben werden sollen, von den eben schon genannten 113,7 Millionen Euro auf immerhin noch 91 Millionen Euro. Es sind gerade einmal 1,1 % der Gesamtausgaben des Sozialetats.

Sehr geehrter Herr Schweitzer, gestern hier so zu tun, als hätte die Regierung selbst noch nie globale Minderausgaben veranschlagt, war mehr als dreist. Auch im Sozialetat gab es sie schon auf Vorschlag der Regierung. Wer so überzeugt ist wie Sie, dass es unserem Land und den Menschen doch gutgeht, dürfte mit Einsparungen von 1 % im Sozialetat keine Probleme haben. Wir jedenfalls hätten sie nicht.

(Zuruf des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Haushaltsstelle Sozialhilfe mit Kostenbeteiligung sowie beschützendes und betreutes Wohnen, in der allein – also in dieser einzigen Haushaltsstelle – Ausgaben von fast 1 Milliarde Euro veranschlagt sind, steigen die Mittel in dem Untertitel der Eingliederungshilfe um fast 4,5 %. Vor dem Hintergrund der vom Rechnungshof aufgeführten Einsparpotenziale und auch in der Erwartung zielgenauerer Hilfeleistungen durch den Abschluss der seit Jahrzehnten fehlenden Rahmenvereinbarung ist eine Reduzierung der geplanten Mehrausgaben um die Hälfte vertretbar. Dabei erinnere ich die frühere Sozialministerin Dreyer an ihre Aussage, dass die Ambulantisierung der Eingliederungshilfe zwar vorübergehend zu Mehrkosten führen würde, aber grundsätzlich kostengünstiger sei. Ich frage mich, ob Sie das selbst noch glauben.

Bei den Beratungen im Haushaltsausschuss haben wir festgestellt, wie unterschiedlich in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs die Kosten pro Patient und pro Jahr sind. Auch vor dem Hintergrund des heute noch zu verabschiedenden Maßregelvollzugsgesetzes mit umfangreichen Änderungen ist es unseres Erachtens erforderlich, die offensichtlich bestehenden Effizienzpotenziale zu realisieren.

(Beifall bei der CDU)

Zu dem Gesetz selbst wird später noch der Kollege Axel Wilke sprechen.

Schwerstkranke und pflegebedürftige Kinder und Jugendliche und deren Familien brauchen dringend eine bessere Unterstützung. Deshalb wollen wir 140.000 Euro zusätzlich für ein Modellprojekt zur Erprobung eines gezielten Unterstützungsangebotes in Form eines spezialisierten Pflegestützpunktes für die betroffenen Familien zur Verfügung stellen.

(Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Das gibt es doch schon!)

Zum Abschluss möchte ich noch auf die zu beratenden Gesetze eingehen. Die CDU-Fraktion hat vorgeschlagen, das Landestariftreuegesetz aufzuheben. Wir haben zwischenzeitlich einen einheitlichen bundesweiten Mindestlohn. Es war immer auch der ausdrückliche Wunsch der

SPD gewesen: Bundesweit ein einheitlicher Mindestlohn. Konsequenterweise macht es aus unserer Sicht wenig Sinn, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einen eigenen leicht höheren Mindestlohn zu fordern. Deshalb soll dieser quasi zusätzliche Landesmindestlohn wegfallen, womit wir uns Doppelstrukturen, die eigene Kommission und zusätzliche Bürokratie sparen können. Die Tarifbindung für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge ist durch das Entsendegesetz eindeutig geregelt. Eine zusätzliche rheinland-pfälzische Regelung ist daher entbehrlich.

Was bleibt, sind die Tarifregelungen für den ÖPNV und den Schienenpersonennahverkehr, den SPNV. Diese Punkte haben wir im Anhörverfahren bei der Auswertung des Landestariftreuegesetzes intensiv diskutiert und erkennen an, dass es dieser Regelungen bedarf. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt, der die Doppelstrukturen von Mindestlohn und Allgemeinverbindlichkeit ausmerzt, der aber weiterhin den Anforderungen des ÖPNV und des SPNV gerecht wird.

(Beifall bei der CDU)

Für das Landesgesetz zur Weiterentwicklung der Beratungs- und Koordinierungsarbeit in Pflegestützpunkten haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt. Wir schlagen eine inhaltliche Ergänzung vor, mit der die besonderen Bedürfnisse sterbender Menschen besser berücksichtigt werden sollen. Darüber hinaus muss die Erstattung der Sachkostenpauschale an die Kommunen dynamisiert werden, um diese nicht weiter mit zusätzlichen Kosten zu belasten und damit mittelbar die Arbeitsgrundlagen der Pflegestützpunkte zu sichern.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Anklam-Trapp.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Der Haushalt im Haushaltsplan Rheinland-Pfalz für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie – und eben Soziales – umfasst 90 % gebundene Ausgaben, und mit diesen gebundenen Ausgaben schaffen wir es durch besondere Akzente in der Politik dennoch, wirklich eine soziale Handschrift in diesem Land Rheinland-Pfalz zu haben, und das gerade oder weil wir die Schuldenbremse einhalten und damit heute einen soliden Haushalt vorlegen können.