Protocol of the Session on December 16, 2015

Bis heute markiert den traurigen Höhepunkt immer noch das böse Wort von Kurt Beck von der Justiz als nachgeordneter Behörde. Ich frage Sie hier und heute: Hat sich jemals ein namhafter Vertreter der Regierungskoalition von diesem Satz distanziert? – Nicht, dass ich mich erinnern könnte. Im Gegenteil, Justizvertreter, die den Mut haben, Missstände offen anzusprechen, werden ins Ministerium einbestellt.

Aber auch sonst ist die SPD nicht gerade schonend mit der Justiz umgegangen. Denken wir nur einmal an das zurück, was die Justizangehörigen in den letzten Jahren unter SPD-verantworteter Justizpolitik alles ertragen mussten. Personalentscheidungen, die als rechts-, teilweise sogar als verfassungswidrig einkassiert wurden, Gedankenspiele zu einem Freiraum für Scharia-Justiz durch islamische Friedensrichter in unserem Land, eine völlig unnötige Diskussion um die Zusammenlegung der Sozialen Dienste in der Justiz, die quasi erst in letzter Minute gestoppt werden konnte, und am Anfang dieser Wahlperiode die verrückte Idee, die Landesfinanzen mit einer Auflösung von Oberlandesgericht und Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz sanieren zu können.

Es gab massive Bürgerproteste, und eine bis dahin nicht gekannte Solidarisierung der Bevölkerung mit der Justiz hat Ihnen, Rot-Grün, damals die rote Karte gezeigt.

Was ist aus der Justizreform geworden, die das Ministerium nach der OLG-Pleite mittels justizinterner Arbeitsgruppen auf den Weg bringen wollte? Bis heute nahezu nichts. War schon der Vorschlagskatalog, der aus diesen Beratungen hervorgegangen ist, ziemlich bescheiden, so ist das Meiste und Wichtigste davon immer noch Gegenstand interner Beratungen. Herr Minister Robbers, ist es denn nicht bezeichnend, dass Sie in der Grundsatzrede, die Sie vor einigen Wochen in Koblenz gehalten haben, gleich einmal die Begriffe zurechtrückten? Von Justizreform wollen Sie schon gar nicht mehr reden, sondern nur noch von Justizstrukturplanung.

Dasselbe hat man auch schon von Ihrem Vorgänger gehört. Ergebnisse lassen auf sich warten. Wir warten jedenfalls immer noch darauf, was da tatsächlich an Umsetzung kommen wird.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ein schwaches Bild, Herr Minister. Erst alle gegen einen aufbringen, dann nichts zu Ende bringen, das ist die

Bilanz von fünf Jahren Justizstrukturentwicklung unter rotgrüner Verantwortung. Es ist ein Trauerspiel. Anders kann man das als Landtagsopposition wirklich nicht bezeichnen.

(Beifall bei der CDU)

Liegen geblieben sind darüber andere Themen, vielleicht in der Gesamtbetrachtung nicht ganz so bedeutende wie die Bürokostenentschädigung der Gerichtsvollzieher, eine ungelöste Baustelle seit über zehn Jahren und in jeder meiner Haushaltsreden ein Thema.

Es sind aber auch ganz wichtige Themen wie E-Justice zu nennen. Baden-Württemberg implementiert schon seit mehreren Jahren das elektronische Grundbuch. In Rheinland-Pfalz wird nun gerade einmal an drei Amtsgerichten der Testbetrieb vorbereitet. Für das Datenbankgrundbuch kündigen Sie, Herr Minister, einen Probebetrieb im Jahre 2019 an. Zum Thema elektronische Eingänge bei den Gerichten hören wir von Ihnen in Koblenz den bemerkenswerten Satz, dass es ab 1. Januar 2018 bei allen Gerichten außer Strafgerichten verbindlich möglich sein muss, dass Schriftsätze elektronisch eingereicht werden. Da sagen Sie, da macht Rheinland-Pfalz mit. Was denn sonst, frage ich Sie, wenn es doch verbindlich ist? Wie können Sie das dann als eine besonders reife Leistung verkaufen, Herr Minister? Die Frage darf man doch zu Recht stellen.

(Beifall bei der CDU)

In dem heute zu beschließenden Haushalt jedenfalls treffen Sie kaum Vorsorge für eine zügige Einführung der E-Justice. Dort sind die EDV-Mittel statt ausgebaut sogar gekürzt.

Vieles von dem, was Sie gemacht oder auch nicht gemacht haben, könnte man Ihnen noch verzeihen, wenn Sie wenigstens in der Zeit haushalterisch die Justiz pfleglich behandelt hätten. Aber auch davon sind wir im Jahr 2015 weit entfernt.

Um es klar zu sagen, die rheinland-pfälzische Justiz des Jahres 2015 steht schlechter da als die des Jahres 2006, ein für die CDU unhaltbarer Zustand.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Jeder weiß, wie knapp bemessen die Personalausstattung der Justiz und des Justizvollzugs schon immer war.

(Zuruf des Abg. Carsten Pörksen, SPD)

Die heben sich das auf für später, wenn die richtig harten Dinger kommen.

Vor allem das Problem der völligen Überlastung des gehobenen Dienstes, der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, hat sich immer weiter zugespitzt, bis es irgendwann in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gedrungen ist. Erst dann haben Sie gehandelt und im laufenden Haushalt angefangen, mit der Ausweisung neuer Anwärterstellen gegenzusteuern. Ein richtiger Schritt, zweifellos.

Aber wie Sie ihn verkaufen, Herr Minister, ist hochgradig

unseriös. Immer wieder sprechen Sie

(Christian Baldauf, CDU: Das ist ein Rechenkünstler!)

von 49,5 neuen Stellen für Rechtspfleger. Sie sprechen von neuen Stellen für Rechtspfleger. Ich kann es nicht anders sagen, das ist eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit. Ich sage Ihnen auch, warum. Ein Teil dieser sogenannten neuen Stellen sind nur weggefallene kw-Vermerke. Inhaber dieser Stellen wurden also bei der Berechnung des bestehenden PEBB§Y-Deckungsgrades mitgerechnet, weil diese Stellen besetzt waren. Werden solche Stellen nun entgegen ursprünglicher Planung doch nicht gestrichen, sondern wiederbesetzt, dann ist für den PEBB§YDeckungsgrad nur insoweit etwas gewonnen, als dieser sich nicht von gerade einmal 70 % noch weiter verschlechtert. Von einer Verbesserung, die Sie der Öffentlichkeit und der Bevölkerung schuldig wären, sind wir damit weit entfernt.

(Beifall bei der CDU)

Für eine echte Verbesserung dürfen Sie nämlich nur die Stellen rechnen, die zusätzlich zum gegenwärtigen Bestand hinzukommen. Das sind nur die 25 Anwärterstellen. Von denen sind aber auch nur 15 in 2016 wirklich neu, weil die anderen bereits im laufenden Haushaltsvollzug 2015 geschaffen und natürlich auch schon PR-mäßig verkauft wurden. Um es also klar zu sagen, so ehrenwert Ihr Engagement für die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sein mag, Sie schmücken sich bei diesem Thema wirklich mit einer Menge Federn, die Sie nicht verdient haben.

(Beifall bei der CDU)

Hochgradig unseriös war leider auch Ihr Versuch, Herr Minister, eine haushaltsinterne Gegenfinanzierung auf die Beine zu stellen. Acht R1-Stellen wollten Sie sparen. So stand es im ursprünglichen Haushaltsentwurf. Es war Ihr fester Wille auch noch vor drei Wochen, als Sie Ihre Rede in Koblenz hielten.

(Vizepräsidentin Frau Schleicher-Rothmund übernimmt den Vorsitz)

Als ob der höhere Justizdienst nicht auch unterversorgt wäre, zwar nicht ganz so schlimm wie der gehobene Dienst, aber von einer 100 %igen PEBB§YDeckungsgradversorgung sind wir auch im höheren Dienst bei Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten weit entfernt. Enger zusammenrücken nannten Sie das verniedlichend bei verschiedenen Gelegenheiten.

Dass das ein völliger Irrweg war, hat die Regierungskoalition inzwischen aber auch erkannt. Bemerkenswert finde ich aber die Chronologie, meine Damen und Herren. Erst entdecken Sie, Herr Minister, am Tag nach den Anschlägen von Paris plötzlich Bedarf für drei Staatsanwälte, zwei für Staatsschutzsachen und einer bei der Zentralstelle Cybercrime. Dabei haben Sie, Herr Minister Robbers, nur eine ungefähre Vorstellung von dem, was diese Zentralstelle eigentlich genau macht; denn nach Ihrer Ankündigung soll diese Maßnahme auch die Bekämpfung von HassPostings im Internet verbessern. Genau dafür ist sie aber

eigentlich gar nicht da.

Nun, um noch einen draufzusetzen, fünf Tage vor dieser Haushaltsdebatte legen die Koalitionsfraktionen ein neues Haushaltsdeckblatt vor, mit dem auch die Einsparung der restlichen fünf R1-Stellen rückgängig gemacht wird. Dazu gibt es einen Haushaltsbegleitantrag, der das mit warmen Worten als zielführende Justizpolitik verkaufen will.

(Christian Baldauf, CDU: Da fragst du dich, was vorher war!)

Genau. Herr Kollege Baldauf, danke für das Stichwort. Warum, frage ich die Regierungskoalitionen, haben Sie denn eigentlich unseren Plenarantrag auf Aufstockung des Personals für Cybercrime im Juli noch abgelehnt, wenn Sie es jetzt machen? Das verstehe, wer will.

(Beifall bei der CDU)

Warum kommt der Verzicht auf die Einsparung der Richterund Staatsanwaltsstellen erst jetzt, fünf Tage vor dieser Haushaltsdebatte? Das ist doch pure Panik und hat mit berechenbarer Politik überhaupt nichts zu tun. So darf man mit Justiz nicht umgehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wir, die CDU-Fraktion dieses Landtags, haben Ihre Einsparvorschläge von vornherein als indiskutabel abgelehnt. Wie recht wir hatten, zeigt auch die riesige Personalnot bei den Strafkammern, vor allem, aber nicht nur beim Landgericht Koblenz. Drogendealer müssen aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil ihr Prozess nicht terminiert werden kann. Genau davor haben wir, und nicht nur wir, sondern auch der Richterbund, schon länger gewarnt.

(Christian Baldauf, CDU: Hat er sich dafür schon entschuldigt?)

Ein dramatischer Vorgang, der dadurch vollends zum Skandal geworden ist, weil Sie, Herr Minister, uns das im Rechtsausschuss am letzten Donnerstag einfach verschwiegen haben. Am Freitag stand es dann in der Presse. Übermorgen erwarten wir in einer Sondersitzung des Rechtsausschusses dazu eine schlüssige Erklärung, Herr Minister.

(Carsten Pörksen, SPD: Völlig überflüssig!)

Kein Abbau von Richtern und Staatsanwälten. Das war unser Credo von Anfang an. Aber wir gehen sogar noch einen Schritt weiter.

Erst durch unsere Hartnäckigkeit im Rechtsausschuss wurde deutlich, wie verheerend die personelle Situation bei den Amtsanwältinnen und Amtsanwälten ist. Seit Jahren hat das SPD-geführte Justizministerium diese Entwicklung verschlafen. Statt damals, als durch den Rechnungshof ein Überhang bei den Grundbuchämtern diagnostiziert wurde, zu sagen, in Ordnung, wenn wir dort gezwungen sind, Stellen zu streichen, dann übernehmen wir die abzubauenden Stellen in die Amtsanwaltschaft, haben Sie zugesehen, wie die personelle Versorgung dort immer weiter in den Keller ging.

Nun wird es Jahre dauern, bis Menschen, die heute Rechtspflegeranwärter sind, als Amtsanwälte eingesetzt werden können. Die Situation ist nun so gravierend, dass immer öfter Staatsanwälte die Arbeit von Amtsanwälten mit erledigen müssen, was auf Dauer nicht ohne Auswirkungen auf deren eigene Dezernatsarbeit bleiben kann.

In dieser schwierigen Situation – Frau Klöckner hat es schon ausgeführt – halten wir es für vertretbar, ausnahmsweise auch Bewerber mit zweitem juristischen Staatsexamen auf Amtsanwaltsstellen einzustellen. Mit den von uns vorgesehenen fünf zusätzlichen Stellen können sehr schnell die größten Lücken geschlossen werden. Ich fordere die Koalitionsfraktionen hiermit auf, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Justizvollzug. Wir haben uns auch in Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren gesetzgeberisch und im Verwaltungsvollzug der Herausforderung eines modernen Behandlungsvollzugs gestellt. Vor allen Dingen bei der Sicherungsverwahrung war das nicht leicht. In der Gesetzgebung sehen wir schon jetzt Handlungsbedarf. Aber das ist ein Thema der neuen Wahlperiode. Not am Mann und Not an der Frau herrscht aber im Strafvollzug auch bei der Personalausstattung. Das duldet keinen Aufschub bis nach der Wahl.

Deutlich höhere Personalanforderungen in der Sicherungsverwahrung hat Rot-Grün haushaltsneutral durch Umschichtung aus dem allgemeinen Vollzugsdienst des normalen Strafvollzugs auffangen wollen. Dieses Experiment kann man nur als gescheitert bezeichnen.

Schauen Sie einmal nach Baden-Württemberg. Der dortige Justizminister schafft 36 neue Stellen im Strafvollzug, um unter anderem dem Problem zunehmend psychisch schwieriger Gefangener begegnen zu können. In Rheinland-Pfalz sind unsere Verhältnisse wirklich nicht anders als in Baden-Württemberg. Deswegen unser Antrag: Schaffen wir zehn neue Anwärterstellen im allgemeinen Vollzugsdienst, um dort eine bessere Personalausstattung gewährleisten zu können. Das wäre wichtig für die Sicherheit unseres Landes.

Herr Minister, schließen möchte ich nochmals mit einem Bezug zu Ihrer Koblenzer Rede. Dort haben Sie schön formuliert – ich darf zitieren –: Da, das heißt im Grundgesetz, heißt es, die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut. Das ist der einzige Ort, an dem unsere Verfassung von Vertrauen spricht. Dieses Vertrauen gilt der Justiz allgemein, den Richterinnen und Richtern, Rechtspflegern, Amtsanwälten, Staatsanwälten, Servicebereich, Wachtmeisterinnen und Wachtmeistern, Anwaltschaft, allen. Es begründet den Respekt, der der gesamten Justiz geschuldet ist, den Respekt, den die gesamte Justiz verdient, in all ihren Facetten und Bereichen. –

Herr Minister, aus Ihrem Mund klingt das nach allem, was ich heute hier ausgeführt habe, doch sehr nach Sonntagsrede. Für uns, die CDU-Landtagsfraktion, ist das aber Leitfaden und Richtschnur unserer Arbeit und wird es auch künftig bleiben.