Herr Köbler überschüttet die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände in seinem Brief mit Beschimpfungen, die schlichtweg unterirdisch sind. Er wirft ihnen Populismus vor, unterstellt ihnen überhebliche und elitäre Attituden und ist sich auch nicht zu schade, so weit zu gehen, dass er ihnen anti-intellektuelle Ressentiments unterstellt, die Nährboden für PEGIDA, Rechtspopulismus und Co. seien.
Wissen Sie, Herr Köbler, aus diesem Brief geht jedenfalls eines hervor: Respektlosigkeit bis hin zur Unanständigkeit, wenn es Ihnen darum geht, ideologische Ideen umzusetzen.
Ich frage mich wirklich, was das für ein Umgang ist. Sie wollen Bürgerbeteiligung und Mitbestimmung, propagieren
dies für Ihre Partei, Sie wollen es für sich beanspruchen. Aber in Wirklichkeit praktizieren Sie Bestimmung von oben herab, und zwar ohne Einbindung der Praktiker vor Ort.
Wie haben Sie denn die Kommunen und die Gemeinderäte bei dem Entwurf eines solchen Gesetzes eingebunden? – Gar nicht. Sie stülpen ihnen einfach etwas über, weil Sie mit einem ideologisch eingeschränkten Blickfeld und mit einem unverrückbaren Sendungsbewusstsein unterwegs sind. Dann behaupten Sie auch noch – ebenfalls in diesem Brief –: Wir wissen, was die Bürgerinnen und Bürger sich wünschen.
Es sollen jetzt Quoren gesenkt werden, weil direktdemokratische Möglichkeiten nicht so stark genutzt werden, wie Sie es für richtig und wünschenswert halten. Ist Ihnen eventuell schon einmal der Gedanke gekommen, dass dieses Instrument deshalb nicht genutzt wird, weil es gar nicht erforderlich ist, weil die Bürgerinnen und Bürger merken, es läuft eigentlich ganz gut bei uns?
Wenn Ihnen der Gedanke noch nicht gekommen ist, wundert mich das, ehrlich gesagt, nicht sonderlich; denn Sie sind nicht unbedingt in allen Räten vertreten. Das heißt, von Realismus haben Sie, so möchte ich es einmal behaupten, im kommunalen Feld am wenigsten für sich zu beanspruchen, jedenfalls dann, wenn ich mir die Fraktionen hier im Landtag ansehe.
Ich sage einmal, die Erklärung könnte natürlich auch eine andere sein, nämlich die, dass es Ihnen einfach nicht so gut passt, dass es so gut läuft.
Deshalb versucht man einfach, neue Wege zu öffnen, auf denen man Minderheitenmeinungen durchsetzen kann. Das ist im Grunde genommen auch die Quintessenz des Ganzen. Sie wollen eine verhindernde Bürgerbeteiligung installieren,
die Mehrheitsbeschlüsse aushebeln kann, während überall im Land schon längst eine einbindende Bürgerbeteiligung praktiziert wird.
Wie läuft es in der Praxis? – Wir haben bekanntermaßen eine sehr kleinteilige Struktur in Rheinland-Pfalz. Das genau ist das Geheimnis, warum es zwischen Bürgern und Gemeinderäten, auch Bürgermeistern, so sehr gut läuft. Sowohl Bürgermeister als auch die Ratsmitglieder sind sehr nahe am Bürger dran. Die ganze Zeit befindet sich alles in einem Prozess des permanenten Austausches und Miteinanders, bis letztlich eine Entscheidung getroffen wird.
Lieber Herr Köbler, das ist eigentlich ein hervorragender Zustand; denn damit bekommt man wirklich Mehrheitsmeinungen auf die Reihe. Das ist die Praxis bei uns. Deswegen sage ich ganz deutlich, wir brauchen überhaupt keinen Paradigmenwechsel. Wir sehen die Bürgermeister und Gemeinderäte als Bürgeranwälte, als Partner der Bürger und eben nicht als Gegner.
(Hans Jürgen Noss, SPD, meldet sich zu Wort – Julia Klöckner, CDU: Herr Noss ist aber jetzt erschrocken! – Staatsminister Roger Lewentz: Pardon! Das war aber ein böser Blick!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was wir eben von Frau Beilstein erlebt haben, war ein Frontalangriff. Volle Kanne, so ungefähr wie ein Stier einen Torero auf die Schippe nimmt. Es war schon etwas daneben, würde ich sagen. Aber das mögen andere bewerten.
Die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben Wort gehalten und das Landesgesetz zur Verbesserung direktdemokratischer Beteiligungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene eingebracht. In der Plenarsitzung vom 24. September 2015 haben wir uns darüber zum ersten Mal ausgetauscht. Ich möchte dennoch betonen und an der Stelle deutlich sagen, dass wir die angedachten Änderungen, die in der Regel auf den Ergebnissen der EnqueteKommission 16/2 beruhen, in der auch Mitglieder der CDU und der kommunalen Spitzenverbände mitgewirkt haben,
(Marlies Kohnle-Gros, CDU: Aber das haben wir alles nicht besprochen, was dort drin steht! Das geben Sie zu! – Carsten Pörksen, SPD: Sie nicht! – Marlies Kohnle-Gros, CDU: Ihr auch nicht!)
Von dieser Enquete-Kommission geht der Ruf an die Bürgerinnen und Bürger aus: Beteiligt euch, mischt euch ein. Macht eure Interessen deutlich. Versucht, eure Interessen zu vertreten. – Das ist auch gut so. Wir wollen eine Bürgerschaft, die mitarbeitet und versucht, ihre Interessen entsprechend deutlich darzustellen.
Mit dem Gesetz werden die direktdemokratischen Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger eine wichtige Stärkung erfahren. Wir sind fest davon überzeugt, dass die vorgesehe
nen Änderungen unserem demokratischen System guttun und keineswegs den Weg in eine Nein-Sager-Demokratie darstellen, wie von den kommunalen Spitzenverbänden und auch Frau Beilstein in ihrer Presseerklärung geäußert wurde.
Ganz im Gegenteil, der vorliegende Gesetzentwurf wird die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger maßlos erweitern.
Maßvoll! Er dürfte daher zu einer erhöhten Bereitschaft führen, sich in der Kommunalpolitik konstruktiv einzusetzen.
Was die Erhöhung der Wahlbeteiligung betrifft, hoffen wir, dass wir davon auch entsprechend profitieren werden. Es ist sicherlich nicht opportun und wäre auch grundlegend falsch, ein Mehr an Bürgermitwirkung als etwas Schlechtes oder Schädliches darzustellen, was aber wohl auch von niemandem so beabsichtigt ist. Wichtig ist, eine richtige Balance zwischen den Räten und den interessierten Bürgern darzustellen. Ich glaube, dass mit diesem Gesetz eine richtige Balance gefunden wurde und wir darauf aufbauen können.
Wir müssen einfach auch begreifen, dass sich die Bürgerinnen und Bürgern einmischen wollen und sie nicht mehr bereit sind, alles und jedes, was ein Rat beschließt, einfach so zu akzeptieren. Wenn wir das in unsere Überlegungen mit einbeziehen, ist es sehr gut, wenn wir die Möglichkeiten, sich einzumischen und einzugreifen, auch erhöhen.
Wenn aber Frau Beilstein als kommunalpolitische Sprecherin der CDU das Mehr an Bürgerbeteiligung, das durch dieses Gesetz erreicht werden soll, in ihrer Presseerklärung vom 26. Oktober 2015 als rot-grüne Ideologie gegen ehrenamtliche Ratsmitglieder, die ohne Rücksicht auf Verluste umgesetzt werden soll, bezeichnet, ist dies schon bemerkenswert und wirft Fragen auf.
Ich möchte in diesem Zusammenhang erwähnen, was vielleicht nicht ganz uninteressant ist, dass auch die CDU Rheinland-Pfalz vor der letzten Wahl ein Sechs-PunkteProgramm für direkte Bürgerbeteiligung aufgestellt hat, dass sie sich für mehr Bürgerbeteiligung im demokratischen Willensbildungsprozess einsetzt. Bloß, was ist davon übrig geblieben? Der damalige Beschluss der CDU war dann wohl eher auch ein ideologisch motiviertes Vorgehen.
Nun aber ganz kurz zu den wesentlichen Änderungen. Frau Beilstein, Sie könnten vielleicht erläutern, was Ihrer Meinung nach davon eine rot-grüne Ideologie gegen ehrenamtliche Ratsmitglieder darstellt. Beim Einwohnerantrag wird der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand zwischen zwei dieselbe Angelegenheit betreffenden Einwohneranträgen de facto von bisher fünf auf zwei Jahre gekürzt. Das ist in Ordnung. Nach dem Gesetzentwurf wird das Mindestalter für einen Einwohnerantrag von bisher 16 Jahre auf 14 Jahre herabgesetzt. Das finde ich ausge
sprochen richtig; denn Jugendliche lernen in der Schule Demokratie, lernen, wie ein Staatsgebilde funktioniert, und beteiligen sich auch bereits in der Jugendvertretung in ihrem Ort innerhalb irgendwelchen Jugendhäusern, die dort gegründet wurden. Von daher sollte man ihnen auch durchaus das Recht einräumen, dass sie sich am politischen Geschehen beteiligen können.
Das für einen Einwohnerantrag erforderliche Quorum wurde maßvoll reduziert. Bei Bürgerbegehren wird das Antragsquorum ebenfalls maßvoll reduziert. Was ist daran schädlich? Was ist daran schlecht? Darin einen Angriff auf die Ratsmitglieder zu sehen, ist wirklich total am Thema vorbeigeschossen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene ist – das wissen wir doch alle – ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Gestaltung des direkten Lebensumfeldes der Bevölkerung. Deswegen will ich im Namen der Landesregierung zunächst einmal über 30.000 Frauen und Männern ganz herzlich danken, die im Ehrenamt, als Ausschussmitglieder, als Ratsmitglieder, als ehrenamtliche Ortsbürgermeisterin, als ehrenamtlicher Ortsbürgermeister oder Stadtbürgermeister tätig sind.