Protocol of the Session on October 6, 2015

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Kollegen Blatzheim-Roegler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn es heute in diesem Gesetzentwurf in einem Abschnitt um Fremdenverkehrsgemeinden geht, stehe ich heute hier aber nicht für den Verkehr, sondern als tourismuspolitische Sprecherin. Ich freue mich, auch zu diesem Feld einmal etwas sagen zu können.

Früher fuhr man gerne in Kur. Dies geschah aus unterschiedlichen Gründen. Das diente der Stärkung der geschwächten Gesundheit oder der Gesundheit allgemein oder der Unterstützung der Genesung bei Krankheiten und Leiden verschiedener Art. Das berühmteste Werk über einen Kuraufenthalt ist nach meiner Ansicht „Der Zauber

berg“ von Thomas Mann, der durch den Kuraufenthalt seiner Frau Katja im Waldsanatorium in Davos im Jahr 1912 zu diesem Werk der Weltliteratur inspiriert wurde.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Hauptprotagonist des Buches, Hans Castorp, begegnet während eines siebenjährigen freiwilligen Aufenthalts in der abgeschlossenen Welt einer Heilanstalt, eines Sanatoriums im Hochgebirge einer ganz eigenen Welt, in die er, obwohl er eigentlich körperlich gesund ist, quasi eingesogen wird. Ein äußerst spannendes Buch, das auf jeden Fall nicht nur für einen Kuraufenthalt zu empfehlen ist, obwohl es etwas braucht, um es zu lesen.

In den 50er- bis hinein in die 80er-Jahre hatten Kuren, die damals von den Krankenkassen großzügig gewährt wurden, sicherlich Hochkonjunktur. Das geltende Gesetz ist nun 37 Jahre alt. 1978 war tatsächlich das Jahr, in dem ich von Bad Godesberg nach Bernkastel-Kues gezogen bin. Das geltende Gesetz ist also 37 Jahre alt. In dieser Zeit hat sich natürlich einiges gewandelt.

Den Älteren unter uns dürften vielleicht noch ein paar Begriffe präsent sein. Man sprach vom Kurschatten.

(Carsten Pörksen, SPD: Na, na! – Weitere Zurufe: Oh, oh!)

War man in einem Kurort, musste selbstverständlich Kurtaxe bezahlt werden. Unvergessen sind sicher auch Kurkonzerte.

Rheinland-Pfalz ist reich an Kurorten. Sie teilen sich ein in verschiedene Heilbäder, in Radon-Heilbäder, in FelkeHeilbäder, oder einen Gruß an meinen Kollegen Wolfgang Schlagwein, der in seiner Heimatstadt Bad NeuenahrAhrweiler, sicher dem mondänsten Kurort in RheinlandPfalz, ein Mineralheilbad hat.

Mein eigener Wohnort Bernkastel-Kues ist ein heilklimatischer Luftkurort. Das heißt, Bernkastel-Kues ist eigentlich eine Tourismushochburg, aber oben auf dem Plateau ist die gute Luft. Deswegen dürfen wir uns so nennen.

Die von der Krankenkasse verschriebenen Kuren sind längst dem Rotstift zum Opfer gefallen. Viele Gemeinden in Rheinland-Pfalz nutzen heute aber den Trend des steigenden Interesses an einem Gesundheitsurlaub. Auch die medizinische Rehabilitation hat in einigen Orten eine– auch wirtschaftliche – Bedeutung.

Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich aus den jüngsten Statistischen Monatsheften zur Stadt Bernkastel-Kues:

(Alexander Schweitzer, SPD: Wie viele Kurschatten pro Kur!)

„Auch die Stadt Bernkastel-Kues erfreute sich großer Beliebtheit. Bedingt durch den Kurbetrieb in den Vorsorgeund Rehabilitationskliniken verweilten die Gäste (...) im Jahr 2014 hier allerdings deutlich länger (...) als in Trier.“ Die Stadt Trier hat natürlich entlang der Mosel die meisten

Übernachtungen zu verzeichnen. Damit zeigt sich aber auch, dass gute und gut geführte Kur- und Rehabilitationsbetriebe wie in Bernkastel für das Land Rheinland-Pfalz eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung haben.

Nichtsdestotrotz, der Begriff Kur und alles was damit zu tun hat, ist in die Jahre gekommen, wie im Übrigen auch mancher Beherbergungsbetrieb, und es ist Zeit für einen Relaunch. Deswegen ist es aus unserer Sicht auch nötig, das Gesetz anzupassen und die bundeseinheitlichen Begriffsbestimmungen des Deutschen Heilbäderverbandes zu beachten. Damit geht auch einher, dass die staatlich anerkannte Fremdenverkehrsgemeinde – ein Unikum in der Bundesrepublik, das es nur in Rheinland-Pfalz gibt – prädikatsmäßig so nicht mehr aufgeführt werden wird.

Eine weitere Änderung im Gesetzesvorhaben erstreckt sich – man hat es schon erwähnt – auf den Begriff „Bad“. Hier werden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, dass Bäder, die mindestens 20 Jahre dieses Prädikat schon haben, diese Bezeichnung weiterführen.

Noch etwas aus meiner Jugend: In dem gesunden rostbraunen, manganhaltigen Wasser von Bad Bodendorf habe ich als Kind oft gebadet. Das hat mir nicht geschadet.

(Glocke der Präsidentin)

Ein Bad Bodendorf ohne „Bad“ wäre für mich ein No-Go.

(Zurufe: Uui!)

Ich hoffe, dass wir mit dieser Vorlage einen Gesetzentwurf haben, dem alle Fraktionen in diesem Hause zustimmen können. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf „Landesgesetz zur Änderung des Kurortegesetzes“ an den Innenausschuss – federführend – und an den Rechtsausschuss sowie den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. – Dann werden wir so verfahren.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Rheinland-Pfalz leistet seinen Beitrag zum Europäischen Jahr für Entwicklung 2015 – Durch nachhaltiges Handeln auf dem Weg zur sozialer und globaler Gerechtigkeit Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/5355 –

Das Europäische Jahr der Entwicklung 2015 – Die Menschen informieren, einbeziehen, das Bewusstsein stärken und zum Mitgestalten auffordern Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU – Drucksache 16/5617 –

Es wurde eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart. Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Klöckner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor 15 Jahren hat die Weltgemeinschaft die Milleniumsentwicklungsziele beschlossen, unter anderem eine Halbierung der weltweiten Armut. Nicht alle gesteckten Ziele wurden erreicht. Es ist aber eine deutliche Verbesserung in vielen Bereichen eingetreten.

62 rheinland-pfälzische Städte und Gemeinden haben sich zu Milleniumskommunen erklärt und setzen sich für die Umsetzung der Entwicklungsziele ein. Ausgerechnet kurz vor dem Ablauf dieser Milleniumsentwicklungsziele hat das EU-Parlament 2015 zum „Europäischen Jahr der Entwicklung“ erklärt. Einen passenderen Zeitpunkt kann es nicht geben.

Derzeit sind 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Viele suchen und finden Aufnahme in unserem Land. Neben den Menschen, die vor Kriegen und Bürgerkriegen flüchten, entflieht ein Großteil vor Hunger, Armut, Elend und inhumanen Lebensverhältnissen. Diese Frauen, Männer und Kinder würden wohl niemals ihre Heimat verlassen, wenn sie menschenwürdige Bedingungen zu Hause vorfinden würden. Deshalb ist eine gezielte Entwicklungspolitik wichtiger denn je. Diese Meinung vertritt auch eine klare Mehrheit in der europäischen Bevölkerung.

Im September 2014 hat Eurobarometer eine Umfrage durchgeführt. Danach sind 67 % der Befragten für eine Erhöhung der Entwicklungshilfe.

(Vizepräsident Dr. Bernhard Braun übernimmt den Vorsitz)

Die Selbstverpflichtung der EU-Staaten, bis 2015 0,7 % des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungshilfe einzusetzen, haben bisher nur vier der 28 erfüllt, und zwar Dänemark, Luxemburg, Niederlande und Schweden. Deutschland gehört mit gerade einmal 0,37 % nicht dazu.

Entwicklungshilfe ist nicht nur eine nationalstaatliche Aufgabe. Gerade die Länder und Kommunen sind aufgerufen, ihren Teil dazu beizutragen. Was können Land und Kommunen tun? Wie sieht eine solche Arbeit in der Praxis aus?

In Rheinland-Pfalz geschieht in diesem Bereich schon viel. Ein Alleinstellungsmerkmal ist zweifelsohne die Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda. Seit über 30 Jahren sind im Rahmen dieser Graswurzelpartnerschaft bis jetzt rund 72 Millionen Euro in rund 1.900 Projekte geflossen. Ein Fünftel der Finanzen haben die rheinlandpfälzischen Bürgerinnen und Bürger durch Spenden aufgebracht, darunter 49 Kommunen, 54 Vereine, Stiftungen

und Organisationen, 15 Pfarreien, vier Hochschulen und über 200 Schulen.

Die Entwicklungshilfe ist nicht auf Ruanda beschränkt. In den vergangenen fünf Jahren hat das Innenministerium insgesamt 237 zivilgesellschaftliche Projekte in Asien, Afrika und Lateinamerika unterstützt. Gemeinsam mit ELAN, ENGAGEMENT GLOBAL und in Kooperation mit den kommunalen Spitzenverbänden hat das Innenministerium landesweite Schulungen für kommunale Beschafferinnen und Beschaffer angeboten. Hier werden Wissen und Kompetenz vermittelt, um soziale und ökologische Aspekte in öffentliche Vergabeverfahren einzubeziehen.

Nun spreche ich eine der wichtigsten Möglichkeiten an, um als Land bzw. Kommune entwicklungspolitische Akzente für mehr soziale Gerechtigkeit in dieser „Einen Welt“ zu setzen. Das jährliche Volumen der Vergabe öffentlicher Aufträge in Bund, Ländern und Kommunen beträgt sage und schreibe 360 Milliarden Euro – europaweit sind es 2 Billionen Euro –, davon 60 % in den Kommunen. Im Jahr 2009 beschloss der Landtag die Vermeidung von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit im öffentlichen Beschaffungswesen. Das wurde damals von ELAN angeregt. 13 Kommunen haben bis heute einen entsprechenden Ratsbeschluss herbeigeführt.

Wir fordern darüber hinaus eine Regelung, die verbindlich die Einhaltung aller ILO-Kernarbeitsnormen beinhaltet. Bei einer Anhörung haben unisono die Anzuhörenden die Einrichtung einer Beratungs- und Servicestelle für soziale und ökologische Beschaffung gefordert, und zwar aus dem kommunalen Bereich Klaus Jensen, langjähriger Oberbürgermeister von Trier, eine Senatsvertreterin von Bremen, ELAN und andere.

Wir machen uns diese Forderung zu eigen. Eine besondere Bedeutung kommt dem Eine-Welt-FachpromotorInnenprogramm zu, das von Bund und Land finanziert wird. Hier fordern wir eine Aufstockung und entsprechende Erhöhung der Mittel. Auch die Unterstützung von ELAN sowie den Welt-Läden und Fair-Handels-Arbeitsgruppen muss fortgesetzt werden. Ganz wichtig ist für uns eine baldmögliche gesetzliche Regelung für die rheinland-pfälzischen Kommunen, auch für Grabsteine auf kommunalen Friedhöfen die Einhaltung sämtlicher ILO-Kernarbeitsnormen zu verlangen.

(Glocke des Präsidenten)

Mit diesen Maßnahmen leisten wir in Rheinland-Pfalz unseren Beitrag zur Umsetzung des Mottos „Unsere Welt, unsere Würde, unsere Zukunft“. Ich bitte Sie, dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Seekatz das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Ziel des EU-Entwicklungsjahres 2015 steht unter dem Motto „Unsere Welt, unsere Würde, unsere Zukunft“. Die Bürgerinnen und Bürger sollen über die Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklungshilfe, der EU sowie der einzelnen Mitgliedsstaaten informiert und einbezogen werden. Auch soll das Bewusstsein für den Nutzen der Entwicklungsarbeit geschärft werden.