Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Ziel des EU-Entwicklungsjahres 2015 steht unter dem Motto „Unsere Welt, unsere Würde, unsere Zukunft“. Die Bürgerinnen und Bürger sollen über die Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklungshilfe, der EU sowie der einzelnen Mitgliedsstaaten informiert und einbezogen werden. Auch soll das Bewusstsein für den Nutzen der Entwicklungsarbeit geschärft werden.
Die Aktualität dieses Entwicklungsjahres der EU hat uns sehr schnell eingeholt. Die vielen Menschen, die auf der Flucht sind und die um ihr Leben fürchten, oder die, die aus wirtschaftlichen Nöten ihre Heimat verlassen, stellen die Entwicklungshilfe vor ganz neue riesengroße Herausforderungen.
Wir müssen uns die Frage stellen, ob die Arbeit der vergangenen Jahre und der vergangenen Jahrzehnte in die richtige Richtung ging oder ob neue Ansätze verfolgt werden müssen, um den Menschen in ihrer Heimat wieder eine sichere und vernünftige Lebensgrundlage bieten zu können. Da uns allen bewusst ist, dass auch ein noch so reiches Europa nicht alle Menschen aufnehmen kann, ist es daher dringend geboten, die Entwicklungshilfe in den ärmeren Ländern unseres Kontinents auszubauen und neu zu organisieren.
Nicht nur Rheinland-Pfalz und Deutschland, sondern vor allem die EU stehen vor einer großen Aufgabe. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was das Bundesland Rheinland-Pfalz hierzu beitragen kann.
Das Bewusstsein der Menschen in unserem Land, den vielen Flüchtlingen helfen zu wollen, ist vorhanden. Das sehen wir durch die vielen freiwilligen Helfer, die Organisationen, die sich derzeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen engagieren und auch vor Ort in unseren Gemeinden und Städten. Die Hilfsbereitschaft ist immens groß. Ich erlebe das auch jeden Tag als Bürgermeister. Viele Bürgerinnen und Bürger fragen nach, wo und wie sie helfen können.
In diesem Zusammenhang wird immer wieder darüber diskutiert, dass im Bereich der Entwicklungshilfe mehr getan werden muss. Vor diesem Hintergrund ist es richtig und auch wichtig, die Menschen zu informieren, das Bewusstsein zu stärken und den Nutzen der Entwicklungshilfe in den Vordergrund zu stellen.
Unsere Kernziele und die Möglichkeiten, die wir sehen, haben wir in unserem Alternativantrag deutlich formuliert. Leider fehlt uns bei Ihrem Antrag noch der Hinweis darauf, dass gerade bei der Entwicklungspolitik die Zusammenarbeit der Bundesländer mit dem zuständigen Bundesministerium und mit Europa besonders wichtig ist.
Neben der Unterstützung von ELAN, die wir begrüßen, müssen wir auch die Kirchen und die vielen anderen Partnerschaften nennen, die ebenfalls im Bereich der Entwicklungshilfe hervorragende Arbeit leisten. Dass die Kommunen rechtssicher in die Lage versetzt werden sollen, Grabsteine auf kommunalen Friedhöfen nur noch zulassen zu können, wenn die ILO-Kernarbeitsnormen eingehalten werden, um somit Kinderarbeit zu verhindern, begrüßen
Leider müssen wir feststellen, dass es derzeit noch kein hinreichendes Zertifizierungssystem hierfür gibt. Daher halten wir es für zielführender zu prüfen, ob ein genereller Einfuhrstopp für Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit möglich ist.
Ihre Forderung der Einführung einer Einhaltung sämtlicher ILO-Kernarbeitsnormen, dass diese verbindlich vorgeschrieben werden sollen, muss sicher auch vor dem Hintergrund überprüft werden, welche zusätzlichen Kosten unseren ohnehin klammen Kommunen hierdurch entstehen können.
Die Beratungsstelle für soziale und ökologische Beschaffung: Der Sinn einer solchen Stelle ist für uns fraglich. Diese Beratungsstellen müssen auch wieder mit Personal besetzt werden. Das ist kostenintensiv, und wir haben in den vergangenen zwei Tagen schon über den Haushalt und die Rahmenbedingungen diskutiert.
Wir bedauern, dass es anscheinend leider nicht möglich – oder auch nicht gewollt – von Rot-Grün war, dass wir bei diesem wichtigen Thema einen gemeinsamen Antrag formulieren. Die Tatsache, dass Sie Ihren Antrag schon am 27. Juli 2015, also in den Ferien, eingebracht haben, macht uns deutlich, dass es eigentlich keinen echten Willen zur Zusammenarbeit gab. Das bedauern wir sehr.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, inhaltlich sind wir näher beieinander, als ich das in einigen Punkten erwartet hätte. Das freut mich sehr. Herr Kollege Seekatz, ich glaube aber, dass der Seitenhieb, den Sie am Schluss versucht haben, uns zu versetzen, völlig ins Leere geht, weil jeder, der sich mit der Materie beschäftigt, weiß, dass wir über Wochen und Monate immer wieder um Rückmeldung bei der CDU-Fraktion gebeten haben: Was wollt ihr denn noch verändern? Wir haben eine Vorlage gemacht, leider ist über Wochen und Monate bei Ihnen nichts passiert.
Ich möchte jetzt aber inhaltlich diskutieren, weil ich glaube, dass das der wichtigere Punkt heute ist. Das Europäische Jahr für Entwicklung ist schon fast vorbei. Aus unserer Sicht ist es aber nie zu spät, um trotzdem im Parlament
noch einmal darüber zu diskutieren, welches unser Beitrag zu mehr nachhaltigem Handel und mehr sozialer und globaler Gerechtigkeit ist.
Der Ursprungsantrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN war bereits im Januar dieses Jahres Gegenstand der Plenardebatte. Wir haben uns im Ausschuss für Europafragen und Eine Welt mehrfach, auch mit einer umfassenden Anhörung, mit dieser Thematik beschäftigt. Wir haben diese Anhörung ausgewertet. Das hat uns letztendlich dazu bewogen, den Antrag nochmals an einigen Stellen nachzuschärfen. So sehen Sie heute in unserem vorgelegten Antrag das Ergebnis der jetzt fast neunmonatigen Debatte. Es ist gut, dass wir uns intensiv damit beschäftigt haben, weil wir das Europäische Jahr für Entwicklung auch für uns selbst genutzt haben, um uns mit dieser Materie sehr tiefgehend zu beschäftigen.
Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit sind Gott sei Dank schon lange keine Nischenthemen mehr. Einmal mehr hat auch der Nachhaltigkeitsgipfel, der in der vergangenen Woche in New York stattgefunden hat, entwicklungspolitisch sehr, sehr kritisch bilanziert und zusätzlich neue Ziele für mehr globale Nachhaltigkeit verabschiedet.
Bei der Betrachtung der Milleniumsentwicklungsziele, die in diesem Jahr eigentlich alle erfüllt sein sollten – das war der Plan –, muss man doch eine eher zwiespältige Bilanz ziehen. Zwar haben es einige Staaten erreicht, die Zahl der in Armut lebenden Menschen drastisch zu reduzieren, und gerade auch im Bereich der Bildung und Gesundheitsversorgung wurden teilweise gute Fortschritte erzielt. Wenn wir uns aber diesen gesamten Zeitraum vom Jahr 2000 bis heute ansehen, wissen wir auch, dass die Kluft zwischen Arm und Reich leider noch weiter gewachsen ist und auch heute noch viele Millionen Menschen in bitterer Armut und ohne Lebensperspektive leben. Auch das sind Gründe für die Situation, wie wir sie in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten häufig diskutiert haben. Vermehrte gewaltsame Konflikte und der Klimawandel verschärfen die Situation vieler Menschen in den letzten Jahren noch zunehmend.
Mit der Verabschiedung der Nachhaltigkeitsentwicklungsziele wurden die Milleniumsentwicklungsziele nun aufgelöst, und es wurden jetzt für alle Länder geltende globale Zielvorgaben zur ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit bis zum Jahr 2030 festgelegt. Diese Nachhaltigkeitsentwicklungsziele verbinden wirtschaftliche, soziale und ökologische Fragen, und sie unterstützen auch die Mitgliedstaaten bei einer kohärenten und nachhaltigen Zukunftspolitik.
Auch wir in Rheinland-Pfalz müssen uns natürlich fragen, welchen Beitrag wir zur Umsetzung dieser Sustainable Development Goals leisten können. Wir müssen wissen, dass sie tatsächlich auch an uns gerichtet sind. Ich will nur einige der Forderungen aus unserem Antrag noch einmal kurz wiederholen, weil sie uns besonders wichtig sind.
Wir werden auch zukünftig die zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verbände wie das Entwicklungspolitische Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz sowie die Weltläden und die Transferhandelsaktionsgruppen stärken, und wir müs
Wir müssen unsere entwicklungspolitischen Leitlinien überarbeiten und ständig, auch im Dialog mit den Nichtregierungsorganisationen, weiterentwickeln. Wir brauchen einen Nachhaltigkeitsbeirat, damit auch das Land zukünftig fachkundige Unterstützung bei der Ausgestaltung seiner Nachhaltigkeitspolitik erfährt, und – das ist eine ganz praktische Sache, Herr Kollege Klöckner hat es schon angesprochen – wir brauchen ganz praktisch eine Unterstützung bei der gesetzlichen und verbindlichen Umsetzung der ILOKernarbeitsnormen.
Wir haben viel zu tun. Ich glaube, wir haben in diesem Jahr, auch was Öffentlichkeitsarbeit angeht, viel erreicht. Wir sind aber noch lange nicht am Ziel.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben es heute schon des Öfteren gehört: Das Europäische Parlament hatte das Jahr 2015 zum Europäischen Jahr für Entwicklung erklärt. In diesem Jahr laufen die Milleniumsentwicklungsziele aus, die die Vereinten Nationen vor rund 15 Jahren beschlossen hatten. Es war das erste Mal in der Geschichte der UN, dass konkrete nachprüfbare Ziele zur weltweiten Halbierung von Armut formuliert worden sind. Was wir heute auch schon gehört haben, ist, dass die Bilanz dieser Ziele gemischt ausgefallen ist.
Es gab einige Bereiche, zum Beispiel bei der Einschulung von Kindern, aber auch einzelne Staaten, die deutlich ihr Ziel erreicht haben. Es gibt aber auch weiterhin das Problem, dass 1,3 Milliarden Menschen in extremer Armut leben. Das hat sich nicht geändert.
Die Anzahl der Menschen, die ihre Heimat verlassen – das war heute auch schon Thema – wächst rapide, und die Folgen des Klimawandels sind auch immer noch zu spüren.
Am 25. September 2015 haben die Vereinten Nationen nun die Folgeziele beschlossen, die sogenannten globalen Nachhaltigkeitsentwicklungsziele. Sie sollen bis 2030 umgesetzt werden. Diese Ziele greifen eine Erkenntnis auf, die sich jetzt bei vielen Menschen im Norden und Süden durchsetzt, nämlich die Erkenntnis, dass die klassische Entwicklungshilfe, wie wir sie bisher gekannt haben, keine
wirkliche Verbesserung für die Menschen in den Entwicklungsländern bewirkt. Die gerade dramatisch steigende Anzahl von Flüchtlingen, die nach Europa kommen, zeigt es sehr deutlich: Wenn Menschen ihrer Lebensgrundlage beraubt werden, sie hungern und keine Perspektive mehr sehen, verlassen sie ihre Heimat und suchen eine bessere Zukunft in Europa.
Es ist daher Zeit für weltweite Veränderungen. Es ist Zeit für einen Paradigmentwechsel in der internationalen Entwicklungspolitik. Auch die Industrieländer sind gefordert – gerade die Industrieländer sind gefordert –, neue Weichen zu stellen. Nur eine global gerechtere Ausgestaltung der Handelsstrukturen kann die nachhaltige Entwicklung in Ländern des Südens und des Nordens vorantreiben. Genau das wird in den Nachhaltigkeitszielen der UN festgelegt.
Die neuen Ziele sollen für Rheinland-Pfalz Anlass zum Umdenken sein. Die klassischen Entwicklungsprojekte leisten punktuell wertvolle Hilfe. Das gilt insbesondere – wir haben es schon gehört – für die Partnerschaft zu unserem Partnerland Ruanda, aber auch für die vielen anderen Initiativen, die im Laufe der letzten Jahre in vielen Bereichen das Leben der Menschen verbessert haben.
Ich möchte nur die 7.000 Einzelprojekte im Bereich Ruanda nennen, insbesondere der Bau von Schulen, von Krankenstationen, aber auch von Brunnen. Hier wurde eine nachhaltige Verbesserung erreicht.
Wir müssen bei all dem, was erzielt worden ist, aber eines klar machen, wir müssen uns klar machen, dass unsere eigene Lebensweise, unser tägliches Konsumverhalten, unser Energieverbrauch, unsere Exportwirtschaft und unsere Subventionspolitik die Lebens- und die Wirtschaftsgrundlage vieler Menschen in den Entwicklungsländern negativ beeinflusst. Stellen wir uns einfach einmal die Frage, was eigentlich eine Näherin in Bangladesch verdienen kann, wenn wir hier ein T-Shirt für 2,50 Euro kaufen. Hat dann die Familie genug zu essen, oder müssen nicht vielleicht sogar die Kinder von vornherein mitarbeiten und können eben nicht in die Schule gehen? – Ich denke, die Fragen müssen wir uns jetzt stellen, die Fragen sollen wir aber auch aktiv mit den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land diskutieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielen Menschen ist noch viel zu wenig bewusst, wie sehr wir in einer globalisierten Welt voneinander abhängen und wie stark die gegenseitigen Wechselwirkungen sind. Deswegen müssen wir stärker, als es bisher der Fall ist, die globale nachhaltige Entwicklung an alle Menschen vermitteln. In RheinlandPfalz gibt es eine Vielzahl von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Netzwerken, die kompetent und engagiert entwicklungspolitische Bildungsarbeit leisten. Wir unterstützen die Organisationen nach Kräften, und wir setzen auch eigene Bildungsprogramme um.
Das Jahr 2015, das Europäische Jahr für Entwicklung, haben wir aktiv genutzt. Wir haben es genutzt, um mit den verschiedenen Kooperationspartnern eine Reihe von Veranstaltungen zu dem Thema Entwicklungspolitik durchzuführen. Wir werden noch in diesem Jahr die entwicklungspolitischen Leitlinien des Landes fortschreiben. Die
Überarbeitung ist übrigens in enger Kooperation mit den anderen Ressorts und den zivilgesellschaftlichen Gruppen im Land erfolgt. Und diese entwicklungspolitischen Leitlinien werden auch zukünftig die politischen Rahmenbedingungen für die Entwicklungspolitik der Landesregierung festlegen.
Themenschwerpunkt war auch in diesem Jahr die nachhaltige Beschaffung. Derzeit erarbeiten wir ein Konzept, um bei allen Beschaffungsvorgängen der Landesregierung die Kernarbeitsnorm der Internationalen Arbeitsorganisation zu gewährleisten. Wir möchten hier noch verstärkt die Kommunen mit ins Boot holen und bereiten zum Beispiel umfassende neue Projekte zur Schulung kommunaler Beschafferinnen und Beschaffer vor.
In dem Zusammenhang möchte ich eines betonen, weil es mehrfach hinterfragt worden ist, nämlich dass das Ganze für die Kommunen nicht zu nennenswerten Mehrkosten führt. Das ist einfach dadurch begründet, dass eben die Produkte, die aus den Ländern Asiens, aus den Ländern Afrikas kommen, bei der öffentlichen Beschaffung vor Ort nur einen relativ geringen Bestandteil ausmachen. Aber wenn alle nachhaltig beschaffen, kann das zu nachhaltigen Verbesserungen in den Ländern Afrikas und Asiens führen.