Protocol of the Session on July 23, 2015

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in RheinlandPfalz haben wir ein gut ausgebautes Versorgungsnetz mit 35 ambulanten Hospiz- und Palliativberatungsdiensten, davon zwei ambulante Kinderhospize, sieben ambulante Hospizdienste, acht stationäre Hospize sowie ein Kinderhospiz und acht Teams, die eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung anbieten.

Der Ausbau geht stetig weiter. So habe ich in den letzten Wochen schriftliche Zusicherungen für den Ausbau von zwei weiteren Teams für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung erhalten, die nun in Gespräche mit den Kostenträgern einsteigen. Hierbei handelt es sich um Speyer mit einem großen Einzugsgebiet und Trier. Zudem will in der Westpfalz ein Initiator aus Homburg ein Versorgungsangebot aufbauen. Es ist mir als Landesministerin ganz wichtig, die lokalen Hospiz- und Palliativberatungsdienste einzubinden, weshalb wir diese drei Prozesse sehr eng begleiten und unterstützen werden.

Die Landschaft entwickelt sich meines Erachtens konsequent weiter. Für Ende des Jahres habe ich eine Einladung für die Einweihung eines stationären Hospizes in Bad Neuenahr-Ahrweiler erhalten. Ganz besonders wichtig ist, dass der Hospizverein in Mainz intensiv den Aufbau eines weiteren Teams in Rheinland-Pfalz anstrebt, um auch Kinder mit lebensverkürzenden Erkrankungen zu Hause hospizlich und umfassend palliativmedizinisch versorgen zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Ausbau und dieses Versorgungsnetz sind sehr wichtig; denn die Betreuungszahlen steigen ständig. Daher haben wir darüber hinaus eine Studie ausgeschrieben, in der es darum geht herauszufinden, was wir in Rheinland-Pfalz in Zukunft brauchen. Dabei geht es insbesondere um die Frage, wie die Angebote für die ländliche Versorgung zu organisieren sind. Selbstverständlich werden wir auch über die Ergebnisse dieser Studie, die zu Beginn des nächsten Jahres vorliegen sollen, berichten sowie darüber, welche weiteren

Maßnahmen die Landesregierung initiieren wird.

Die Bundesländer haben bereits viel für die Verankerung dieser Hospizkultur und auch den Ausbau der Palliativversorgung geleistet. Für mich ist aber ein Ergebnis der Anhörung und der Debatte in den letzten Monaten, dass die Landesregierung gemeinsam mit der Hospizbewegung und den Palliativmedizinern und Pflegekräften das Ziel verfolgt, die hospizliche Haltung nachhaltig zu fördern. Das hat viele Facetten. Ich möchte drei herausgreifen.

Zuerst nenne ich den Einsatz für eine gute Pflege, für die wir uns als Landesregierung seit Jahren intensiv einsetzen. Es gehört zweitens auch die Förderung des Ehrenamts in der Hospizarbeit dazu. Wir fördern hier mit 135.000 Euro jährlich. Drittens leisten auch die Krankenkassen einen großen Anteil im Ausbau des Hospiz- und Palliativberatungsangebots. Hierbei setzt der Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland in Zukunft noch einmal wichtige Impulse, die es zu nutzen gilt.

Ein ganz wichtiger Aspekt, der in der Vergangenheit meines Erachtens noch nicht ausreichend beachtet wurde, ist die umfassende Informations- und Öffentlichkeitsarbeit. Ich zitiere aus der Anhörung Herrn Skala vom Katholischen Büro in Mainz, der noch einmal darauf hingewiesen hat, dass sich 75 % der Menschen in Deutschland noch nicht ausreichend über die Themen Palliativversorgung und Sterbehilfe informiert fühlen.

Rheinland-Pfalz hat das erkannt und als eines der ersten Bundesländer die Charta zur Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen unterschrieben. Das ist eine sehr verbindliche Form der Öffentlichkeitsarbeit für das Anliegen der Hospizbewegung. Viele Institutionen und Träger sind dem gefolgt.

Im vergangenen Jahr gab es den ersten landesweiten Hospiztag. Auf Anregung von Rheinland-Pfalz haben wir unter meinem Vorsitz einen einstimmigen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz gefasst und die Bundesregierung aufgefordert, eine umfassende Aufklärungskampagne über die Möglichkeiten und Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung zu starten, die Beratung der Menschen in verschiedenen Stufen anzubieten und die Öffentlichkeitsarbeit für die besonderen Angebote am Lebensende zu stärken. Wir haben darüber hinaus zu dem Gesetzentwurf im Bundesrat beantragt, dass die Krankenkassen diese neue Aufgabe der Beratung – diese sollte im Fokus stehen – und Hilfestellung für ihre Patientinnen und Patienten in der Frage der Hospiz- und Palliativversorgung auf Pflegestützpunkte übertragen können, die bei uns in Rheinland-Pfalz bekanntermaßen sehr gut ausgebaut sind. Ich denke, es ist sinnvoll, bereits vorhandene Kompetenzen zu nutzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es um die Aufklärungsarbeit geht, möchte ich noch einen Aspekt herausgreifen, der auch diskutiert wurde, nämlich die notwendige Aufklärungsarbeit für das Krankheitsbild Depression; denn das ist durch die Anhörung auch noch einmal betont worden. Insbesondere Menschen mit einer schweren Depression äußern Suizidwünsche. Das betrifft auch, aber nicht nur alte Menschen. Rheinland-Pfalz leistet für dieses

Krankheitsbild seit Jahren bundesweit vorbildlich mit Unterstützung der Landeszentrale für Gesundheitsförderung Aufklärungs- und Informationsarbeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jeder Mensch mit einer schweren lebensbegrenzenden Erkrankung muss sich darauf verlassen können, im Krankenhaus, im Hospiz, in einer stationären Pflegeeinrichtung und zu Hause Zugang zu einer allgemeinen oder spezialisierten Palliativversorgung zu haben, wann immer er diese im Laufe seiner Erkrankung benötigt. Das erfordert eine konsequente Orientierung an den Wünschen des Einzelnen und die schon zitierte hospizliche Haltung überall dort, wo gestorben wird.

Zum Abschluss möchte ich einfach noch einmal meinen Dank aussprechen und all denjenigen danken, die für sterbende Menschen sorgen. Mein Dank richtet sich an die Familienangehörigen, die Pflegekräfte und die Medizinerinnen und Mediziner sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hospizdiensten; denn allen gemeinsam gelingt es, eine Kultur des Umsorgens zu leben. Mein ganz besonderer Dank gilt der Hospizbewegung, die diese Sorgekultur auch in das öffentliche Bewusstsein gebracht hat.

Bei Ihnen bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und die Debatte.

Danke schön.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Ganster.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns als CDUFraktion in den letzten Wochen sehr intensiv mit dem Thema Sterbebegleitung beschäftigt. Dabei haben wir bereits im Vorfeld der Orientierungsdebatte das Thema mit Experten aus der Hospiz- und Palliativversorgung, mit Ärzten, Professoren, aber auch Ehrenamtlichen besprochen. Auch die Anhörung und Auswertung im Landtag waren für uns sehr ertragreich. So stelle ich Ihnen heute die ethischen und religiösen Beweggründe für eine entschiedene Ablehnung einer organisierten, geschäftsmäßigen oder durch Vereine organisierten Sterbehilfe vor.

Keine Krankheit, kein Leid und auch kein Sterbeprozess können einem Menschen seine Würde nehmen. Jedem Menschen kommt seine je eigene Würde zu, von Beginn des Lebens an bis zu seinem letzten Atemzug. Im jüdischchristlichen Kontext ist uns dabei auch der Gedanke wichtig, dass wir uns als Geschöpfe Gottes begreifen und das Geschenk des Lebens als unverfügbares Gut wertschätzen, das vor jedem Übergriff von außen zu schützen ist. Damit stehen wir Seite an Seite mit allen Religionen. Keine Religion spricht sich für eine aktive Sterbehilfe aus.

Auch losgelöst von jeder religiösen Prägung können wir als ethische Maxime die Würde des Menschen und den

Schutz des Lebens quasi als Prämisse in diesem Diskurs voraussetzen. Eine andere Frage ist es, wie Menschen in Würde sterben können. Hier sind wir als Gesellschaft gefragt. Für uns steht klar der Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung gerade in den ländlichen Regionen im Vordergrund.

Vor allem kirchliche Einrichtungen, aber auch viele freie Träger nehmen sich alter, kranker, behinderter oder sterbender Menschen in besonderer Weise an. Die Sterbebegleitung findet durch diese Dienste stationär, aber überwiegend ambulant statt. Hier setzt die Aufgabe der Politik an. Diese Dienste müssen wir in Rheinland-Pfalz stärken, besser vernetzen und publik machen; denn viele Menschen beschäftigen sich mit den Fragen der häuslichen Pflege oder eben auch mit den Fragen der Sterbebegleitung erst dann, wenn ein Angehöriger möglicherweise austherapiert nach Hause entlassen wird. Welche Anlaufstellen, Hilfen und Möglichkeiten der Begleitung es aber konkret gibt, ist oft unbekannt.

Wenn es um die Frage der Sterbebegleitung und auch der Sterbehilfe geht, dann wird oft die Frage nach der Selbstbestimmung gestellt.

Habe ich als Person nicht etwa das Recht, selbst zu entscheiden, wann und wie ich mein Leben beenden will? – Hier müssen wir kritisch zurückfragen, wie frei eine Entscheidung zur Selbsttötung überhaupt sein kann, wenn man in einer besonderen Situation ist, wenn man alt, alleine, krank, behindert oder etwa mittellos ist. Würde dann eine Änderung der Gesetzeslage für die aktive Sterbehilfe gerade auf solche Menschen nicht einen enormen Druck ausüben? Entspräche das wirklich unserem Verständnis von Selbstbestimmung? Wäre es dann wirklich eine freie Entscheidung, wenn sich jemand der auf Hilfe und Pflege angewiesen ist, zum Beispiel für einen assistierten Freitod entscheidet, nur weil er seinem Partner, seinen Kindern oder Angehörigen nicht länger zur Last fallen möchte? Wie hoch wäre der Druck auf Menschen in einer solchen Situation, wenn aktive Sterbehilfe eine legale und frei zu wählende Option neben weiteren aufwendigen, kostspieligen, lediglich lebensverlängernden Maßnahmen wäre? Würde das nicht eine Schleuse öffnen, die die aktive Sterbehilfe quasi als eine Therapieoption anbietet?

Meine Damen und Herren, ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der eine solche Möglichkeit den Druck auf kranke, pflegebedürftige, behinderte oder sterbende Menschen ausübt.

In der Anhörung haben wir von Beispielen aus Belgien und den Niederlanden gehört,

(Glocke des Präsidenten)

wo selbst an Demenzkranken, ja sogar Kindern nach dem Gesetz aktive Sterbehilfe angewandt werden kann, und das hat für uns nichts mehr mit Selbstbestimmung zu tun.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Kollegen Sippel das Wort. Danach hat

die CDU-Fraktion wieder das Wort, und dann die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Würde leben, in Würde sterben. – Dieser Leitspruch muss für unsere freiheitliche humane Gesellschaft uneingeschränkt gelten. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie hängt nicht von seinen Fähigkeiten, seiner Gesundheit oder Lebenssituation ab. Was bedeutet das aber für unseren Rechtsrahmen, den der Staat zu setzen hat, wenn es um das Recht des Einzelnen geht, frei über die letzte Phase des Lebens zu bestimmen? Inwieweit kann das Recht auf Selbstbestimmung mit der Verpflichtung des Staates, Leben zu schützen und die körperliche Unversehrtheit zu gewährleisten, in Einklang gebracht werden?

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass wir es mit dem Recht allein nicht schaffen, eine befriedigende Antwort auf ein Sterben in Würde zu geben.

Menschen in der letzten Lebensphase brauchen vor allem Zuwendung, Begleitung, Schmerzlinderung und Trost. Deshalb finde ich es persönlich sehr folgerichtig, dass die beiden vorliegenden Anträge sich zuallererst mit diesem Aspekt, konkret mit der Verbesserung der palliativen Versorgung und Hospizarbeit befassen. Die Erfahrung zeigt doch aus vielen Studien, dass eine gute Versorgung die Angst der Menschen mildern kann und den Suizidwunsch in vielen Fällen entkräftet. Darum muss es gehen.

Ich halte den aktuellen Rechtsrahmen in unserem Land für gut ausgeprägt und ausgewogen. In § 216 des Strafgesetzbuches ist das Töten auf Verlangen – das haben Sie soeben angesprochen – unter Strafe gestellt. Es gibt einen breiten gesellschaftlichen Konsens hierüber, dass die aktive Sterbehilfe auch künftig verboten bleiben muss.

Die passive und indirekte Sterbehilfe steht dagegen nicht unter Strafe. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat in sehr wegweisenden Urteilen den Rahmen hierzu gesetzt.

Mit dem Patientenverfügungsgesetz aus dem Jahr 2009 wurde darüber hinaus das Recht auf Selbstbestimmung gestärkt. Der Bundesgerichtshof hat mehrfach darüber geurteilt, dass der verfügte oder der gesicherte und mutmaßliche Wille des Patienten zu achten ist.

Die Möglichkeiten der Vorsorgevollmacht und der Patientenverfügung sind aus meiner Sicht immer noch nicht hinreichend bekannt, und es gibt nach wie vor in der Bevölkerung Rechtsunsicherheit, wie diese wasserdicht erstellt werden können.

Darüber hinaus ist vielfach auch nicht bekannt, dass eine Patientenverfügung sehr individuell ausgestaltet werden kann und es deshalb nicht sein muss, nur ein Formular anzukreuzen, sondern man sehr klar seine eigenen Wünsche darin formulieren kann. Das gilt auch für die Angehörigen, die Bedenken haben, ob sie den mutmaßlichen Willen in einem konkreten Fall zweifelsfrei durchsetzen können. Hier gilt es aus meiner Sicht, mehr Information und mehr Beratung anzubieten.

Meine Damen und Herren, die Beihilfe zum Suizid steht genauso wie der Suizidversuch nicht unter Strafe, soweit die Tatherrschaft bei dem Sterbenden verbleibt, er also die Verantwortung für seinen Tod selbst in der Hand behält.

Zu begrüßen ist es, dass sich das ärztliche Standesrecht in Rheinland-Pfalz nicht über die gesetzliche Realität erhebt und hinwegsetzt und damit Ärztinnen und Ärzte in eine Zwangslage bringt.

Fazit also, um den Menschen die Angst vor einem würdelosen Sterben zu nehmen, sollten wir mehr auf Hilfe setzen, weniger auf die Verschärfung des Strafrechts.

In einem Fall halte ich persönlich eine Anpassung des Strafrechts für geboten, und zwar im Hinblick auf die geschäftsmäßige und organisierte Förderung der Selbsttötung. Mit der Würde des Sterbens ist eine geschäftsmäßige Organisation, die dann quasi zur Normalität des assistierten Suizids beitragen würde, aus meiner Überzeugung heraus nicht vereinbart. Die Suizidbeihilfe muss sich auf tragische Ausnahmefälle beschränken. Die Gefahr der Normalisierung könnte Menschen unter Druck setzen, die sich als Last für andere empfinden und deshalb ihrem Leben ein Ende setzen wollen, weil sie eben nicht die Kraft dazu haben, ihr selbstbestimmtes Recht durchzusetzen.

Insoweit habe ich persönlich große Sympathie für den fraktionsübergreifenden Gruppenantrag der Abgeordneten Kerstin Griese und Michael Brand, der von 210 Abgeordneten im Deutschen Bundestag unterstützt wird. Er gilt als Weg der Mitte, der so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig an der momentanen Rechtslage ändert.

Meine Damen und Herren, ich bin dankbar, dass wir diese Debatte in diesem Hause führen konnten. Wenn wir es geschafft haben, einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, das Thema Sterben etwas aus der Tabuzone zu holen und Wege für mehr Mitmenschlichkeit in einer sorgenden Gesellschaft aufzuzeigen, dann glaube ich, hat sich diese Debatte allemal gelohnt.

Danke schön.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Enders, Sie haben das Wort. – Dann Herr Kollege Konrad.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Vorsitzender des federführenden Ausschusses in der Gesamtdebatte beteilige ich mich heute sehr gerne an dieser Schlussbesprechung. Ich war bei allen Veranstaltungen sehr positiv beeindruckt genauso wie im Deutschen Bundestag, mit welcher Disziplin und mit welchem persönlichen Respekt gegenüber der Meinung anderer wir hier fraktionsübergreifend die Debatte geführt haben. Das ist ein gutes Beispiel, das auch in anderen Debatten Nachahmung finden kann.

Die Anhörung im Plenarsaal war sehr umfänglich, sehr ausführlich mit unterschiedlichen Meinungen und einer großen Bandbreite. Bei einigen Anzuhörenden fand ich mich wieder, bei anderen gar nicht. Trotzdem war es eine ausgeglichene Veranstaltung, in der jeder zu Wort kam und ungestört seine Meinung artikulieren konnte.