Protocol of the Session on July 23, 2015

Herr Kollege Guth, der letzte Spiegelstrich besagt, „den

Landtag zeitnah über Einschätzungen und den aktuellen Stand der Verhandlungen zu unterrichten.“ Sie haben den Antrag nicht gelesen.

(Beifall der CDU – Jens Guth, SPD: Doch!)

Ich hoffe einmal, dass ihn die anderen Kollegen der SPD gelesen haben und sie einen vernünftigen Antrag, der der rheinland-pfälzischen Wirtschaft wirklich hilft, auch unterstützen können.

Danke schön.

(Beifall der CDU – Dr. Adolf Weiland, CDU: Zumal er in leicht verständlicher Sprache ist!)

Frau Ministerin Lemke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Schmitt, natürlich informiert die Landesregierung gern, und das tue ich natürlich auch heute. Ich informiere gern über das, was wir wissen, aber ich glaube, der Abgeordnete Guth hat natürlich auch etwas ganz Entscheidendes gesagt. Herr Lammert hat sogar etwas sehr Bedeutendes gesagt, genau wie der Abgeordnete Guth es soeben getan hat.

Was hat Herr Lammert gesagt? – Immerhin gehört er auch Ihrer Partei an.

Er hat ein Protestschreiben an die US-Regierung gerichtet, in dem er um Einblick in die Verhandlungsdokumente für deutsche Abgeordnete bittet. Dies ist öffentlich am 20. Juli vermeldet worden.

Warum hat er das getan? – Er hat es getan, und wir müssen uns darüber wundern, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht einmal Einsicht erhalten dürfen und sich der Bundestagspräsident damit an die USRegierung wendet und nicht an die EU-Kommission; denn die EU-Kommission lässt diese Unterlagen nämlich auch nicht den Abgeordneten des Deutschen Bundestages zukommen.

Sie erwarten in Ihrem Antrag von uns, dass wir auf die Bundesregierung Einfluss nehmen und positiv bewirken, dass darüber verhandelt werden soll. Das ist vor diesem Hintergrund schon völlig unmöglich, und das sagen auch Ihr prominentester Parteivertreter im Deutschen Bundestag sowie der Präsident des Deutschen Bundestages in der Meldung vom 20. Juli ganz deutlich. Daher ist natürlich Ihr Antrag an dieser Stelle leider nicht ernst zu nehmen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte nun nicht zwischen Sprühsahne und Chlorhühnchen hin- und herdiskutieren. Sie erwarten schließlich

eine seriöse Debatte, und ich möchte sie seriös führen. Ich möchte ganz deutlich sagen, diese Landesregierung steht für Demokratie, Und diese Landesregierung steht auch für Handel und Freihandel; denn beides sind – genau wie die Freizügigkeit innerhalb Europas – Grundlagen für eine beständige, nachhaltige und gute Entwicklung für die hier lebenden Menschen.

Für mich stellt sich die Frage, wie Handel und Freihandel entwickelt werden können, wenn natürlich das Primat der Demokratie über allem steht. Diese Überprüfung muss vorgenommen werden. Das bedeutet eine seriöse Politik an dieser Stelle.

Deswegen – um noch einmal auf Herrn Lammert zu sprechen zu kommen – ist der erste Grund, diese Landesregierung würde niemals ein Abkommen ratifizieren, das sie nicht kennt. Das ist nicht seriös, Herr Schmitt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das steht auch sinnbildlich dafür, wie undemokratisch das ganze Verfahren aufgestellt ist, mit dem TTIP verhandelt wird. Wenn Sie in diesem Zusammenhang nach der Rolle fragen, die die Landesregierung einnimmt, sage ich Ihnen, unsere Rolle besteht auch darin, darauf zu achten, dass wir in ein demokratisches Verfahren hineinkommen, in dem wir nämlich noch längst nicht sind. Deswegen kann ich Ihnen auch jetzt schon sagen, TTIP ist für diese Landesregierung überhaupt nicht zustimmungswürdig, allein schon aufgrund des nicht demokratischen Verfahrens.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Marlies Kohnle-Gros, CDU: Oh, mein Gott!)

Ich will es deutlich machen. Die EU-Kommissarin hat sogar ziemlich eindeutig gesagt, sie möchte nicht, dass der Deutsche Bundesrat darüber abstimmt. Daher frage ich wieder mit Blick auf Ihren Antrag: Wie sollen wir es denn dann machen? – Auch an dieser Stelle ist es überhaupt nicht demokratisch legitimiert.

Also, Sie sollten Ihren Antrag wirklich einmal daraufhin überprüfen, ob er so haltbar ist. Ich sehe, er ist so überhaupt nicht haltbar, und vor diesem Hintergrund möchte ich sehr gern noch einige weitere Betrachtungen mit Ihnen unternehmen, auf die Sie in Ihrem Antrag eingehen.

Sie gehen ein auf Standards. Sie gehen darauf ein, dass Bürgerinnen und Bürger und zivilgesellschaftliche Akteure befürchten, dass ihre über Generationen mühsam erstrittenen Standards durch TTIP abgesenkt werden – und ich sage Ihnen, sie müssen es zu Recht befürchten.

Warum müssen sie es zu Recht befürchten? – Weil dieses Aushöhlen von Umweltnormen bereits durch den USAgrarminister bestätigt wurde, indem dieser ununterbrochen öffentlich äußert, dass es bei Beibehaltung der EUStandards kaum zu einem TTIP-Abschluss kommen wird. Dies nährt doch die berechtigte Befürchtung, dass die Standards nicht zu halten sind, und das ist ein weiterer Grund zu sagen, so nicht.

Ich möchte Ihnen noch ein weiteres Argument nennen. Freihandel ist keine Einbahnstraße.

Sie haben hier eben Beispiele aus der Nahrungsmittelindustrie geschildert. Man kann sich noch darüber streiten, ob hochwertige gegen nicht hochwertige Agrarprodukte verhandelt werden sollen, wie zum Beispiel die von Ihnen genannten Milcherzeugnisse oder bei Wein oder Wurstwaren. Ja, da gibt es sehr viel.

(Zuruf des Abg. Arnold Schmitt, CDU)

Da gibt es natürlich auch Rindfleisch und den amerikanischen Weizen, der hier natürlich dann auch auf den Markt kommt und unsere Situation nicht wettbewerbsfähiger macht, oder es geht oft um regionale Kennzeichen, ob es nun der Moselwein oder das Kölsch aus Köln oder der Parmaschinken aus Parma ist. All dies ist momentan absolut infrage gestellt und soll auegehöhlt werden.

Ich kann Ihnen jetzt nur sagen, die Grundlage, die sich die Landesregierung heranzieht, ist das ifo-Gutachten. Das Institut hat festgestellt, dass es entgegen Ihrer Behauptung, Herr Schmitt, nicht zu einer Mehrung von Wachstum und mehr Handel kommt, sondern auch insbesondere im Bereich der Landwirtschaft zu einer Minderung von 0,7 %.

Das beinhaltet noch nicht einmal die von Ihnen beabsichtigten abgeschafften Zölle, die natürlich zu einer Mindereinnahme bei der EU führen und dazu, dass die Kommission überlegen muss, wie sie die Haushaltslücke wieder schließt. Es ist so ziemlich die einzige Einnahme, die die EU selbst hat, autonom. Das sind die Zölle. Sie dürfen aufgrund der Finanzsituation der EU davon ausgehen, dass das kompensiert werden muss.

(Marlies Kohnle-Gros, CDU: Deswegen lassen wir sie bestehen! Das ist ein gutes Argument!)

Ob das dann insgesamt noch der Bringer ist, sei einmal vor dem Hintergrund des ifo Gutachtens absolut zu bezweifeln. Das müssen wir natürlich auch in Betracht ziehen. Das heißt, wir können hier nicht davon ausgehen – so einfach, wie Sie das sagen –, dass es dem Mittelstand dient.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich will deswegen wiederholen, was der Abgeordnete Guth gesagt hat. Er hat eben Herrn Ohoven vom Bundesverband mittelständischer Wirtschaft und des europäischen Mittelstandsverbandes zitiert, also des europäischen Mittelstandsverbandes und nicht nur des rheinland-pfälzischen oder des deutschen, nein, des europäischen Mittelstandsverbandes.

Er hat sämtliche Verfahrenskosten angesetzt und gesagt, das macht allein 8 Millionen Dollar für den Mittelstand aus. Das kann sich kein Mittelständler mehr leisten. TTIP können sich die Mittelständler nicht leisten. Wenn das Mittelständler sagen, dann frage ich mich, wo da der Bringer ist. Wo ist da die Wachstumsquote? Wo ist da der Nutzen für die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz, auch und natürlich für die europäische Wirtschaft?

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

An dieser Stelle möchte ich jetzt ganz gerne wieder eine Kollegin Ihrer Partei zitieren, die dann auch noch die kommunalen Spitzenverbände vertritt und natürlich aus dieser Sicht den Blick auf den Investorenschutz hat. Wenn sich der Städtetag dazu äußert und sagt, das bringt uns nichts, TTIP ist auch für die Städte eine Gefahr, dann ist das ein gewichtiges Wort.

Da möchte ich auch noch einmal Sie, liebe CDU, ansprechen und sagen, die Kommunen sind doch für uns wie für Sie sehr wichtig. Aber wenn wir so eindeutig von den Städten hören, so geht das nicht, und auch von Ihren Parteikollegen, dann muss Sie das definitiv nachdenklich stimmen.

(Zurufe von der CDU)

Ich möchte Ihnen auch gerne sagen, warum. Wir hatten gerade in der EU einen großen Streit um die Privatisierung der Wasserrechte. Dieser Streit wurde beigelegt, weil die Bürgerinnen und Bürger genauso wie bei TTIP mit großen Einwendungen vorangeschritten sind und gesagt haben: Nehmt uns nicht das Recht auf Wasser.

(Zurufe von der CDU: Oh je!)

Wenn die Privaten kommen, dann zocken sie uns mit dem Wasser ab. – Wasser wird die nächste Ressource sein, um die Krieg geführt wird. Dann dürfen wir dies nicht zulassen, und dann müssen wir das Wasser wahren.

(Dr. Adolf Weiland, CDU: Das ist der blanke Unsinn! – Weitere Zurufe von der CDU – Glocke des Präsidenten)

Deswegen sind kommunale Wasserrechte bedroht.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie können es nicht ignorieren. Das ist der Grund, warum die Städte und die öffentliche Hand an der Stelle sagen, das geht nicht.

(Weitere Zurufe von der CDU)

Also auch da ist TTIP eine Gefahr für die Grundlagen der Bürger in diesem Land.

(Alexander Licht, CDU: Meine lieben Sozialdemokraten! Das ist die Wirtschaftsministerin von Rheinland-Pfalz! Denkt einmal darüber nach! Die Wirtschaftsministerin von Rheinland-Pfalz! – Alexander Schweitzer, SPD: Ja!)

Es kann sein, dass es Ihnen nicht gefällt, aber es ist nun einmal so. Nein, Sie müssen das nur zur Kenntnis nehmen. Sie müssen Frau Lohse da auch zur Kenntnis nehmen.

(Weitere Zurufe von der CDU)

Ich komme zum nächsten Thema, zum öffentlichen Beschaffungswesen.