Protocol of the Session on July 23, 2015

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kollege Schlagwein das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist auch mir zunächst ein Bedürfnis, meinen Respekt den Kolleginnen und Kollegen, aber auch den Sachverständigen, nicht zuletzt dem Wissenschaftlichen Dienst und den Ministerien zu bekunden, die alle zusammen in den letzten Tagen und Wochen jene 34 Sitzungen aus vier Jahren in diesem Abschlussbericht zusammengefasst haben, die überhaupt die Grundlagen für diesen Abschlussbericht in diesen vier Jahren gelegt haben.

Die Gnade des späten Nachrückers ermöglicht mir nun, mich sozusagen ins gemachte Nest der Ergebnisse Ihrer Bemühungen zu setzen.

Herr Kollege Henter hat mir einen plastischen Eindruck von dem gegeben, was ich in den vier Jahren alles verpasst habe.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Abschlussbericht ist umfangreich. Auch da hat Herr Kollege Henter kurz und knapp wenigstens einen Eindruck gegeben, wie umfangreich er ist. Weil er so umfangreich ist, wird er natürlich seinen Nutzen und seine Wirkung auch nicht heute in diesem Plenum und auch nicht in den nächsten Wochen, sondern erst nach und nach entwickeln. Er ist in seiner Zusammenstellung eine sehr umfängliche und kompakte Dokumentation, nicht nur in seinen Empfehlungen und Stellungnahmen, sondern auch in seinen Darstellungen der Verfahrensgänge, der Anhörungen, der Analysen, der Bestandsaufnahme, der ganzen Materialien, die angefügt sind.

Die Enquete hat sich nicht nur mit der kommunalen Finanzsituation im engeren Sinne befasst, sondern auch mit vielen, vielen, ungefähr einem Dutzend Einzelthemen von der Doppik über Benchmarking, über die Varianten der Kreditfinanzierung, die Finanzierung der Kinderbetreuung und so weiter und so fort.

Die Enquete-Kommission ist nun abgeschlossen. Das Thema der Kommunalfinanzen wird uns erhalten bleiben. Das ist keine Frage. Der aktuelle Kommunalbericht des Landesrechnungshofes macht das deutlich. Das sehen aber auch SPD und GRÜNE so, wenn Sie unter dem Abschnitt B – Sie können das auf Seite 26 nachlesen – empfehlen, der Landtag möge – Frau Präsidentin, ich darf zitieren – „bei den Beratungen zum Landeshaushalt der kommunalen Finanzsituation besondere Beachtung schenken und nach Möglichkeit eine weitere Stärkung des kommunalen

Finanzausgleichs umsetzen, ohne den Landeshaushalt zu gefährden.“

Ohnehin – es wurde gesagt – ist ein Evaluieren des kommunalen Finanzausgleichs bis 2017 vorgesehen, etwa unter dem Aspekt der vertikalen und der horizontalen Wirkungen der neuen Schlüsselzuweisung C. Aber noch einmal, ohne den Landeshaushalt zu gefährden, das heißt, auch ohne die Schuldenbremse zu gefährden. Das zeigt den Rahmen, der uns allen hier gesteckt ist.

Frau Ministerin Ahnen hat gestern im Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt, aber auch die Ministerpräsidentin gestern Abend beim Parlamentarischen Abend der kommunalen Spitzenverbände noch einmal die Anstrengungen deutlich gemacht, die das Land innerhalb dieses Rahmens und in Abstimmung mit den Kommunen unternommen hat, unternimmt und weiter unternehmen wird.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, darüber hinaus haben die Beratungen der Enquete-Kommission aber auch eines deutlich gemacht, der Bund muss einen dauerhaften und strukturellen Beitrag zur Verbesserung der Kommunalfinanzen leisten, einen dauerhaften und strukturellen, und sich eben nicht nur auf sporadische Finanzzuweisungen beschränken.

Weil ich eben das Wort von der Vorab-Milliarde gehört habe, es war nach dem Eindruck vieler Kommunen in Rheinland-Pfalz eher eine Kommt-Noch-Milliarde als eine Vorab-Milliarde.

SPD und GRÜNE haben in ihrer gemeinsamen Stellungnahme darauf hingewiesen – auch das können Sie auf Seite 47 nachlesen; ich zitiere noch einmal mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „(...) alle staatlichen Ebenen – neben dem Land und den Kommunen vor allem auch der Bund – ihren Beitrag leisten müssen, um die Finanzausstattung der Kommunen auf (...) ein angemessenes Niveau zu heben.“

Auch der Kommunalbericht des Landesrechnungshofs drückt das ähnlich aus, wenn er sagt, wenn er darauf hinweist, es ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, die nur im Zusammenwirken aller drei Ebenen, also unter Einbeziehung des Bundes, zu lösen ist. Da zeigen die Finger eben nicht nur in eine Richtung, sondern in alle drei Richtungen, aber eben auch einbezogen den Bund. Deshalb haben SPD und GRÜNE die Forderungen an den Bund adressiert, unter anderem die Forderung, eine Verbesserung der Gemeindeanteile an der Einkommensteuer und an der Umsatzsteuer. Offen ist auch noch die Frage eines Bundesteilhabegesetzes, das Thema der Eingliederungshilfe, das in meinem Landkreis und in vielen anderen Ihrer Haushalte vor Ort eine sehr große Rolle spielt und nach wie vor einer der großen Posten ist.

Mit Blick auf die kommunale Ebene in Rheinland-Pfalz ist aber auch festzustellen – wer Landespezifisches hören will, der möge dann an der Stelle zuhören –, im Bundesvergleich sind die kommunalen Hebesätze in RheinlandPfalz immer noch unter dem Durchschnitt. Auch das stellt der Rechnungshof fest. Wir stellen fest, die kommunale Gebietsreform muss in Rheinland-Pfalz ihre Fortsetzung finden. Wir brauchen Kostentransparenz zum Bei

spiel durch den Aufbau eines Benchmarking-Systems – es wurde kurz angesprochen –, um einen kommunalen Leistungsvergleich zu ermöglichen. Es gibt Felder, die sich da regelrecht aufdrängen, zum Beispiel ein kommunales Energie-Controlling. Herr Landrat Bertram Fleck hat dazu seine Ausführungen gemacht.

Um am Schluss an dieser Stelle noch ein ganz konkretes Vorhaben zu nennen, auch im Hinblick auf die Transparenz von Kosten. Die Enquete-Kommission hat empfohlen, ein wissenschaftliches Verfahren aufzusetzen, um zum Beispiel die tatsächlichen Kosten der Kindertagesstätten vor Ort einmal transparent zu machen.

Bis dahin. Vielleicht komme ich noch einmal wieder.

Danke schön.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Hans Jürgen Noss.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausführungen der von mir sehr geschätzten Kollegin Frau Beilstein schreien förmlich nach Entgegnung, und zwar sind da einige Fakten festgehalten, die sich streng an statistischen Zahlen orientieren. Ich werde jetzt das Gleiche machen, und dann werden wir feststellen, was dabei herauskommt, nämlich einmal die Beteiligung der drei Säulen, die von Ihnen angesprochen wurden.

Da haben wir zunächst einmal die Steuereinnahmen der Kommunen in Rheinland-Pfalz: Je Einwohner 287 Euro weniger als im Bundesdurchschnitt, Ausgaben ebenfalls 187 Euro weniger, sprich also Unterdeckung von 100 Millionen Euro. Das ergibt bei etwa 4 Millionen Einwohnern allein etwa 400 Millionen Euro, die die Kommunen weniger an Steuereinnahmen haben als Kommunen im sonstigen Bundesgebiet. Das heißt, das würde bereits das jährliche Defizit weit übertreffen.

Dann gehen wir gleich zu den Realsteuern. Das sind bei uns pro Kopf 590 Euro, im Bundesdurchschnitt 678 Euro. Das heißt also, 88 Euro je Einwohner weniger Realsteuern werden bei uns aufgrund niedrigerer Hebesätze erhoben als im übrigen Bundesgebiet. Auch das würde in aller Regel ausreichen, das Defizit abzudecken. Damit könnte man im Prinzip sagen, okay, dann wissen wir, woran es liegt. Wir können aufhören. Dem ist natürlich nicht so. Wir haben eine Finanzierungslücke. Die ist gegeben. Ansonsten muss ich ganz klar konstatieren.

Die Schulden haben Sie vorhin deutlich gemacht. Die Zahlen stimmen übrigens auch. Nur Ihrer letztendlichen Feststellung möchte ich etwas widersprechen, nämlich der Frage, wie sieht es aus, wie werden die Liquiditätsschulden der Kommunen sich entwickeln. Ich muss sagen, wir haben den KEF eingesetzt. Von dem haben Sie natürlich

nichts erzählt. Aber durch den KEF, der von Ihnen immer so dargestellt wurde, er bringt nichts, aber er hat immerhin in den drei Jahren, in denen er besteht, insgesamt eine Verminderung der Liquiditätsschulden der Kommunen von 617 Millionen erbracht. Ich glaube, da kann man sagen, das ist schon einmal eine gute Leistung. Ohne die hätten wir nämlich noch mehr. Von daher gesehen ist diese Aussage von Ihnen nicht richtig.

Dann möchte ich fragen, wie sehen Sie eigentlich Ihre Rolle im gesamtstaatlichen Bereich. Gestern hat der Herr Schreiner mit pathosbelegter Stimme die Verschuldung des Landes angeprangert. Heute werden wir damit konfrontiert, dass immer mehr – nämlich 900 Millionen Euro sind genannt worden, um das strukturelle Defizit zu verhindern – Geld vom Land für die Kommunen gefordert wird.

Dann müssen Sie mir beantworten, wie wollen Sie die Schuldenbremse erfüllen, die Schuldenbremse, die ganz klar sagt, 2020 keinerlei Neuaufnahmen von Schulden. Die haben Sie mitgetragen, die haben wir mitgetragen, sie hat Verfassungscharakter. Von daher gesehen, mit dem, was Sie für die Kommunen fordern, bei allem Verständnis dafür, dass Sie das fordern, muss ich sagen, machen Sie einen Eiertanz.

Sie können nicht an einem Tag sagen, wie schlimm die Welt im Land Rheinland-Pfalz ist, weil wir dort Schulden haben, mehr Schulden eventuell, und dann gleichzeitig am nächsten Tag Mehrausgaben fordern. Das hat übrigens auch heute Herr Kollege Licht für Straßen gefordert. Das sei ihm alles unbenommen. Bloß dann gehört zu der Grundehrlichkeit, die man unbedingt verlangen muss, auch das, dass man sagt, Moment einmal, jawohl, wir wissen, wir wollen mehr haben, dafür sind wir bereit, in dem Bereich, in dem Bereich, in dem Bereich Kürzungen hinzunehmen. Das erklären Sie uns nicht. Mit globalen Minderausgaben lässt sich das Rätsel nicht auflösen.

Daher muss man dort schon eine gesamtstaatliche Verpflichtung an den Tag legen und diese auch deutlich machen. Ansonsten ist das zu einfach und zu leicht zu durchschauen.

Wir haben sowohl vertikal als auch horizontal dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rechnung getragen. Wir haben darüber hinaus ergänzt durch Bundeszuweisungen, die in gutem Maße geflossen sind, die Finanzausstattung der Kommunen weiter verbessert. Man kann immer sagen, das ist zu wenig – das mag sein –, aber sich hinzustellen und zu sagen, es geht den Kommunen schlechter als vorher, trifft den Kern der Sache mit Sicherheit nicht.

Wir haben auch niemals einen Regierungsverteidigungsmodus eingestellt – den gibt es gar nicht, den kenne ich gar nicht –, sondern wir haben lediglich eines gemacht, wir haben nämlich einen Haushaltsverteidigungsmodus, einen gesamtstaatlichen Modus eingeschaltet, der mithelfen soll, das Ganze und nicht nur einen Teil zu betrachten. Daher haben wir genau das Richtige gemacht.

Sie mögen es so sehen, dass die Transparenz beim kommunalen Finanzausgleich verlorengeht, wenn man jetzt alles vor die Klammer zieht. Ich sehe das nicht so.

Dass die Flüchtlinge im Land Mehrkosten mit sich bringen, weiß jeder von uns. Diese Mehrkosten müssen auch getragen werden. Hier ist natürlich in erster Linie der Bund gefordert, entsprechende Gelder einzubringen. Ich glaube, das Land hat hierzu seinen Beitrag geleistet. Die Kommunen im Übrigen auch. Das sei also unbenommen.

Ich sage insgesamt, wir haben durch die EnqueteKommission wichtige Informationen gewonnen. Wir werden diese Informationen bearbeiten. 2017 wird eine Evaluation stattfinden. Ganz wichtig ist die Frage – das ist von der Enquete-Kommission gefordert worden –,

(Glocke der Präsidentin)

wie wir mit den Einnahmen der Kommunen im Bereich der Windkraft umgehen; denn in dem Bereich ist wirklich einiges zu bearbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für eine Kurzintervention erteile ich Frau Kollegin Beilstein das Wort.

Lieber Herr Kollege Noss, Sie haben hier Rechnungen nach dem Motto „Hätte, hätte, Fahrradkette“ aufgemacht. Was wäre, wenn die rheinland-pfälzischen Kommunen, so wie in allen anderen usw., die Hebesätze anheben würden? Sie kamen da auf eine Summe von 400 Millionen Euro. Das ist so ähnlich, als wenn ich fragen würde, was wäre, wenn wir in Rheinland-Pfalz nur Landkreise wie MainzBingen hätten. Dann hätten wir nämlich das Problem nicht.

Das ist genau der Punkt. Sie müssen sich schon an den Gegebenheiten in diesem Land orientieren. Wenn sowohl die Experten sagen und auch im Rechnungshofbericht gesagt wird, na ja, durch eine Anhebung der Hebesätze kann man vielleicht 100 Millionen Euro heben, ist das nun einmal so. Dann kann man nicht sagen, wenn, wenn, dann hätten wir 400 und 500 Millionen Euro und nicht das Problem.

Zum Zweiten verweisen Sie auf die Schuldenbremse. Hierzu stellt das VGH-Urteil eines ganz klar: Das Land ist zunächst einmal gegenüber seinen Kommunen verpflichtet und hat im Zusammenhang mit dieser Verpflichtung auch noch die Schuldenbremse einzuhalten. Es kann sich aber nicht hinstellen und sagen, wir müssen die Schuldenbremse einhalten, weshalb wir alles nach unten weitergeben. So geht es nicht.

Wenn das Land die Schuldenbremse einhalten möchte, wüsste ich da einen sehr guten Weg, nämlich Einsparungen vorzunehmen. Zuerst die Pflicht, dann die Kür. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin mir sicher, dann bleibt genügend für die Kommunen übrig.

(Thorsten Wehner, SPD: Wo denn?)

Wo denn? Lieber Herr Wehner, Sie sind alle bei Ausgabepositionen und bei Wahlgeschenken sehr findig. Es wäre schön, wenn Sie auch so findig wären, diese wieder einzusammeln.

(Beifall der CDU – Unruhe bei der SPD)

Zur Erwiderung erteile ich Herrn Kollegen Noss das Wort.

Frau Kollegin, Sie haben genauso wie ich Probleme aufgezeigt, die auftreten können. Es ist natürlich klar, das sind Zahlen, die nicht unbedingt verifiziert werden können. Gleichzeitig müssen wir aber feststellen, die Kommunen haben erhöht. Allerdings haben die Kommunen in anderen Ländern mehr erhöht. Wir haben also im Bereich der Realsteuern nicht den Abstand verringert, sondern erweitert. Das muss ganz klar gesagt werden.

Was die Vergleichbarkeit und die Schuldenbremse betrifft, sind die Dinge klar geregelt. Ich erwarte von der CDUFraktion, dass Sie sich nicht hierher stellen und an einem Tag Mehrausgaben in horrendem Umfang fordern, aber am nächsten Tag die Schuldenbelastung des Landes angreifen.

(Beifall der SPD)