Protocol of the Session on July 22, 2015

(Beifall der SPD)

Die SPD-Fraktion begrüßt natürlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches das zum 1. August 2013 eingeführte Betreuungsgeld für nichtig erklärt. Ja, dem Bund fehlt die Gesetzgebungskompetenz. Da waren wir uns als SPD von Anfang an sicher und haben noch vor der Verabschiedung angekündigt: Wir werden jeden Gang gehen, auch den bis zum Bundesverfassungsgericht, um das Ganze wieder zu kippen.

Dieses Betreuungsgeld steht für eine absolut verfehlte Familienpolitik der CDU, wobei ich sagen muss, nicht der CDU. Das wäre nicht fair. Denn viele Frauen in der CDU haben genau wie wir und wie die GRÜNEN vehement gegen die Einführung des Betreuungsgeldes gekämpft.

(Carsten Pörksen, SPD: So ist es! Genau so!)

Wir fühlen uns da in einem Boot mit Frau Lohse, Vorsitzende des Städtetages, um das an die Adresse der CDU weiterzugeben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also, auch rheinland-pfälzische Frauen der CDU trauen sich, klar und deutlich zu sagen, was sie von Familienpolitik halten, wie sie sich die vorstellen und dass das Betreuungsgeld eben nicht dazugehört. Es geht bisher mit den

Namen Merkel und Seehofer einher. Frau Klöckner, wenn Sie sich da noch einreihen wollen, viel Spaß dabei. Damit haben wir überhaupt kein Problem.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Wir sind uns sicher, dass unsere selbstbewussten Eltern die Wahlfreiheit nicht von 150 Euro monatlich abhängig machen, denn das ist keine Anerkennung einer Erziehungsleistung; das ist reiner Hohn. Es ist auch nicht für diejenigen gedacht, die entsprechend ganz geringe Einkommen haben und Transferleistungen bekommen. Noch einmal: Das wird sich bei den Eltern nicht ändern. Ja, das unterstützen wir. Es werden auch nicht für 100 % aller Kinder Kindertagesstättenplätze angeboten. Aber Wahlfreiheit heißt: Wer sie haben möchte, der bekommt sie auch, und der bekommt sie auch, beste Frau Klöckner, gebührenfrei.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder wollen Sie jetzt den kleinen Kunstgriff anwenden – ich habe einmal etwas vom Perpetuum mobile gelesen; ich glaube, es war bei „Lukas, der Lokomotivführer“ –, dass Sie mit dem Landesfamiliengeld, das Sie hier fordern, einmal unauffällig Ihre „Klöckner-Steuer“, also die Kita-Gebühren, finanzieren? Das wäre natürlich ein toller Kunstgriff, um zu zeigen, hier ist alles wunderbar neutral. Das ist mit uns nicht zu machen. Wir reden von echter Wahlfreiheit, und wir reden von echten gebührenfreien Kindertagesstätten.

Ihre wohlgesetzen Worte täuschen einfach nicht darüber hinweg, dass Sie sich hier völlig verrannt haben und diese Familienpolitik, die Sie meinen, betreiben zu müssen, nicht der richtige Weg ist. Wir erwarten allerdings den Vertrauensschutz derjenigen, die auch im Hinblick auf die 150 Euro einen Antrag gestellt haben.

(Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Das ist doch wohl ganz klar. Unabhängig von der Summe, auch wenn es nur 5,50 Euro wären, erwarten wir, dass diejenigen,

(Christian Baldauf, CDU: Da bleibt Ihnen aber nichts übrig! – Zuruf des Abg. Carsten Pörksen, SPD)

die im Bezug sind, natürlich weiterhin das Geld bekommen. Wie sind Sie denn hier unterwegs? Sollen die Eltern jetzt, nachdem das Bundesgeld gekippt wurde, sagen, na, dumm gelaufen? Ab morgen gibt es die 150 Euro oder die 300 Euro für zwei Kinder nicht mehr. Da schauen wir einmal, ob wir noch irgendwo einen Kita-Platz finden.

So können wir doch mit den Menschen nicht umgehen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Herr Baldauf, Sie leisten einen wunderbaren Beitrag mit Ihrem Zwischenruf zur Politikverdrossenheit. Wir als SPD

Fraktion erwarten, dass selbstverständlich das Vertrauen der Eltern gerechtfertigt wird, dass diejenigen, die in Bezug sind, natürlich auch weiterhin die Gelder bekommen, so lange, wie sie es erwartet haben, und auch eine Regelung auf Bundesebene, werte Frau Klöckner und Herr Baldauf, gefunden wird, wie mit den Anträgen umgegangen wird. Denn es gehört auch zur Wahlfreiheit und Lebensplanung, dass diese Menschen sich bereits entschieden haben, wie sie damit umgehen, und dieser Entscheidung wollen wir Rechnung tragen. Da ist der Bund gefordert, hier entsprechend finanziell mit Regelungen unterstützt.

Ansonsten sind wir mit unserem grünen Partner völlig einig, die im Haushalt des Bundes eingeplanten Gelder gehören in die Kitas. Da haben wir Chancengleichheit, da haben wir Bildung von Anfang an. Genau deshalb muss das Geld dorthin.

(Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Das ist nicht gegen Familienbildung. Das ist doch Unfug. Versuchen Sie das hier doch nicht immer wieder.

Schönen Dank. Bis gleich.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin Alt, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, gestern war ein guter Tag für Deutschland. Das Bundesverfassungsgericht hat das Betreuungsgeld als verfassungswidrig und nichtig verworfen.

(Marlies Kohnle-Gros, CDU: Wie kann eine Familienministerin so etwas sagen?)

Der Bund hätte laut Bundesverfassungsgericht das Gesetz gar nicht erst erlassen dürfen – das wissen wir heute –, da ihm hierfür die Gesetzgebungszuständigkeit fehlt. Das heißt ganz klar, die Familienpolitik der Bundes-CDU, aber insbesondere der CSU, ist an diesem Punkt eindeutig gescheitert, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD )

Von großer Bedeutung ist die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, dass die Förderung des Kita-Ausbaus keinen Ausgleichsanspruch für die Kinderbetreuung zu Hause begründe. Das Gericht sagt: Es gibt in der Familienpolitik keinen Anspruch auf alternative staatliche Leistungen; denn unsere Kindertagesstätten stehen allen Eltern offen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Nehmen sie diese nicht in Anspruch, verzichten sie freiwillig, ohne dass dies eine staatliche Pflicht auslöst, diesen

Verzicht zu kompensieren. Das Gericht hat klargestellt, dass es sich nicht inhaltlich-materiell zum Betreuungsgeld äußert, weil es bereits formal verfassungswidrig ist.

Jetzt fragen wir uns, was dieses Urteil für Mütter und Väter bedeutet, die jetzt Betreuungsgeld beziehen. Es ist wichtig zu sagen, dass sie ihr Betreuungsgeld nicht zurückzahlen müssen. Die Bundesregierung wird am 13. August entscheiden, was mit den laufenden Leistungen geschieht. Ich begrüße es sehr, dass Bundesfamilienministerin Schwesig bereits angekündigt hat, nach einer Lösung zu suchen, nach der Eltern das Betreuungsgeld bis zum Ende beziehen können. Es ist fair, dass man hier einen Vertrauensschutz für die Eltern gewährleistet. Das ist mir und der Landesregierung ganz besonders wichtig.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Mittlerweile ist es unumstritten, dass das Betreuungsgeld alte Rollenmuster verfestigt und Frauen vom Berufsleben fernhält; denn zu über 90 % beantragen die Frauen das Betreuungsgeld. Das Betreuungsgeld bietet einen Anreiz, dass Frauen die Familienpause nach der Geburt möglichst lange ausdehnen. Das erschwert den Wiedereinstieg in den Beruf. Deshalb ist das Betreuungsgeld aus frauenpolitischer Sicht schädlich.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es ist mittlerweile ebenso unumstritten, dass das Betreuungsgeld auch Kinder mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Elternhäusern von der Kita fernhält, und das, obwohl sie von der Sprachförderung in der Kita am stärksten profitieren und obwohl wir wissen, dass gerade diese Kinder von jedem zusätzlichen Jahr in der Kita für ihr ganzes Leben profitieren. Deshalb ist das Betreuungsgeld auch aus integrationspolitischer Sicht schädlich.

Allein im vergangenen Jahr hat das Betreuungsgeld mehr als 400 Millionen Euro gekostet. Die vorgesehenen Gelder müssen nun den Kindertagesstätten zugute kommen, und zwar dem Kita-Ausbau, aber vor allen Dingen der KitaQualität.

(Vereinzelt Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Carsten Pörksen, SPD: Sehr richtig!)

Wenn wir 900 Millionen Euro nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilen, dann könnten wir in unserem Land in allen Gruppen in den Kindergärten den Personalschlüssel von 1,75 auf 2,0 erhöhen. Das wäre super. Damit könnten wir eine Forderung der Erzieherinnen und Erzieher und der Eltern erfüllen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich freue mich an dieser Stelle sehr, dass wir Unterstützung haben und sich der Gemeinde- und Städtebund, der Landeselternausschuss (LEA), der Verband für Alleinerziehende Mütter und Väter (VAMV), die Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU), der Verband für Familienpolitik – Zukunftsforum Familie und 24 hoch

rangige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Universitäten alle gemeinsam auch dafür ausgesprochen haben, die frei gewordenen Gelder in den Kita-Ausbau und vor allen Dingen in die Kita-Qualität zu investieren.

Das wäre sinnvoll und nachhaltig. Das würde den Familien in unserem Land wirklich etwas nützen; denn jeder KitaPlatz bietet Eltern ein Stück mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Jeder Kita-Platz bietet Kindern frühkindliche Bildung. Die frühkindliche Bildung ist die Grundlage für einen erfolgreichen Lebensweg. Deshalb investieren wir pro Jahr mehr als eine halbe Milliarde Euro in den Kita-Bereich, um die Zukunft unserer Kinder zu stärken. Jeder weitere Euro, den wir investieren, stärkt die Zukunft unserer Kinder noch mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will abschließend sagen, dass ich im letzten Jahr als Vorsitzende der Jugend- und Familienministerkonferenz mit allen Bundesländern gemeinsam mit der Bundesfamilienministerin eine Bund-Länder-Initiative ergriffen und einen KitaQualitätsgipfel durchgeführt habe, um die Qualität in den Kindertagesstätten nach vorne zu bringen. Wir wollen für Deutschland mittelfristig ein gemeinsames Verständnis von Qualität in den Einrichtungen absprechen. Das braucht eine solide Finanzierungsgrundlage. Angesichts der Finanzsituation in den Kommunen und den Ländern muss sich der Bund viel stärker engagieren als bisher. Die nun frei gewordenen Gelder bieten hierfür eine sehr gute Möglichkeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, für mich ist es ganz klar, dass diese Gelder in die Qualität der Kindertagesstätten und nicht in ein Landesbetreuungsgeld und auch nicht in ein völlig unausgegorenes Landesfamiliengeld fließen müssen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Carsten Pörksen, SPD: Sehr richtig!)