und lieber etwas später, aber dafür einen etwas durchdachteren Kompromiss oder Vorschlag vorlegen wird. Wir sind gespannt, wann wir ihn erhalten, und wir sind gern auch zu weiteren Diskussionen bereit.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Pflege brennt es, und deswegen ist Handeln angesagt, und dies sehr schnell. Verehrte Frau Kollegin Thelen, Sie sagten, es drängt in der Bundesregierung, aber dann muss man auch handeln. Herr Minister Rösler hat im letzten Jahr das Jahr der Pflege ausgerufen – Herr Kollege Dr. Konrad hat es gesagt – und hat es im April noch einmal bekräftigt. Er hat, sehr populistisch, Hausbesuche gemacht, weil er wohl glaubte, damit punkten zu können.
Aber was ist passiert? – Wir haben bereits Mitte September. Es ist angekündigt, nur bis jetzt ist absolut nichts passiert. Die Forderungen unserer Gesundheitsministerin Malu Dreyer, dass sich die Fachminister der Länder schnellstens zusammensetzen und gemeinsam zu Lösungen beitragen müssen, sind bisher nicht umgesetzt worden. Das Treffen kam bislang nicht zustande. Das ist sehr bedauerlich; denn es wäre sicherlich ein sehr fruchtbarer Beitrag gewesen.
Nach dem Ministerwechsel, der dann eingetreten ist, hat man den Eindruck, dass Herr Minister Bahr bei diesem Punkt sehr zurückhaltend ist und mehr politischen Sprengstoff in den Themen vermutet als sein Vorgänger.
Sie haben die Betreuungsleistungen für Demenzkranke angesprochen. Das ist ein wichtiges Thema, aber demenzkranke Menschen sollen laut den Plänen der CSU überhaupt nicht in der Pflegeversicherung erscheinen. Sie sollen völlig außen vor gelassen werden. Behinderte Menschen sollen aus einem eigenen Gesetz finanziert werden, das noch zu beschließen ist, und zwar aus Steuermitteln.
Was sagt uns diese Haltung? – Ich möchte jetzt nicht wiederholen, was sich Teile der Berliner Koalition bei der Debatte über die Gesundheitsreform an den Kopf geworfen haben; ansonsten würde ich mir sicherlich eine Rüge abholen, und das möchte ich mir ersparen. Aber man hat schon den Eindruck, dass man in der Diskussion eher an Senkungen von Beiträgen als an einer ehrlichen Finanzierung, die auch vielseitige Ideen zulässt, interessiert ist. Ich glaube, das erschreckt eher. Wir brauchen aber dringend diese Pflegereform.
Es muss sichergestellt sein, dass älter werdende, hoch betagte Menschen in Würde, nach ihrem Willen und ihren Gepflogenheiten sowie unter Beibehaltung von eigenen Traditionen leben dürfen. Die Pflegereform muss sich mit der Pflegeversicherung an der größer werdenden Gruppe der demenzkranken Menschen orientieren und sie annehmen. Es ist nicht richtig, dass die Betreuung und Behandlung von dementen Menschen nur unter sogenannten somatischen, körperlichen Gesichtspunkten aufgenommen wird. Es muss endlich auch ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff in der Pflegeversicherung eingeführt werden, der allerdings schon einmal von einer Expertengruppe noch unter der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt erarbeitet wurde. Er ist aber noch nicht in die Pflegeversicherung aufgenommen worden. – Passiert ist nichts.
Wenn man Verlautbarungen der drei Koalitionsfraktionen aus Berlin liest, die nicht unterschiedlicher sein können, kommen einem erhebliche Zweifel, ob man in Berlin überhaupt den Mut hat, dieses wichtige Thema der Zukunft anzugehen. Ich meine, es ist eines der wichtigsten Themen der Zukunft, auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, weil es sehr viele Menschen und vielleicht auch einmal uns selbst betrifft. Ich wünsche Herrn Seehofer nicht, dass er irgendwann einmal dement wird und dann von dem eingeholt wird, was er heute fordert. Es kann und darf nicht sein, dass demente Menschen aus der Pflegeversicherung herausfallen.
Die Zahl der Pflegebedürftigen ist seit der Einführung der Pflegeversicherung kontinuierlich gestiegen. Frau Kollegin Thelen hat einige Zahlen genannt. Im Jahr 2009 waren es 2,27 Millionen Menschen, die pflegebedürftig waren, für das Jahr 2030 werden 3,27 Millionen Menschen prognostiziert und für das Jahr 2050 sogar 4,36 Millionen Menschen. Dieser wachsenden Zahl von Pflegebedürftigen steht aber leider auch eine beachtliche Zahl von Fachkräften gegenüber, die uns fehlen. Auch in diesem Bereich müssen wir aktiv und kreativ werden. Man muss die größte Aufmerksamkeit der größten Pflegegruppe, den Familienangehörigen, aber auch den Berufsgruppen schenken.
Wir stehen vor einer riesigen Herausforderung, und diese Herausforderung ist im Land Rheinland-Pfalz allein nicht zu bewältigen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Herren und Damen Abgeordnete! Bereits im Februar dieses Jahres wurde von der FDP, die damals noch im Landtag vertreten war, ein Antrag auf eine Aktuelle Stunde zu den Reformkonzepten der Bundesregierung zum Thema „Pflege“ eingebracht. Damals war festzustellen, dass wir das nicht bewerten konnten, weil es damals noch keine Reformkonzepte gab. Bedauerlicherweise stimmt diese Aussage auch heute noch. Es gibt nach wie vor keine Reformkonzepte der Bundesregierung, und das ist extrem schlimm, man muss sogar sagen, es ist eigentlich sogar eine Katastrophe.
Frau Thelen, natürlich ist es angemessen, auch im rheinland-pfälzischen Landtag zumindest über die Diskussion um die Diskussion über eine mögliche Pflegereform, wann auch immer sie vielleicht kommt, zu sprechen.
Natürlich müssen wir dies tun; denn es ist überhaupt nicht wortlos hinzunehmen, dass wir ein Jahr der Pflege haben und nichts passiert. Ich sage es so, wie es tatsächlich ist. Die Pflegeversicherung bestimmt einen Großteil des Geschehens im Bereich der Pflege. Es sind die Rahmenbedingungen schlechthin, die sehr viel beeinflussen. Deshalb ist es natürlich wichtig, dass die Pflegeversicherung auch regelmäßig den Bedürfnissen unserer Realität angepasst wird.
Es ist vieles schon gesagt worden. Es ist auch richtig, was Kollege Konrad und Frau Ebli eben zu diesen ganzen Abläufen gesagt haben, die wir zurzeit auf der Bundesebene verfolgen müssen. Offenbar ist die inhaltliche Leere bei dem Minister manchmal so groß, dass sogar CDU-Abgeordnete Konzepte vorlegen. Wann hatte man das schon einmal in der Regierungskoalition, dass ein Teil in der Koalition Konzepte vorlegt, wie eine Pflegereform aussehen soll? Dann gibt es wiederum Gerüchte, dass man die Reform am besten auf die lange Bank schiebt. Dann kommt der nächste Vorschlag von Herrn Seehofer – auch Regierungsbeteiligung –, der ein anderes Konzept vorlegt. So viel Chaos hatten wir noch nie in diesem Bereich. Das muss man deutlich auch in einem Parlament sagen.
Es ist ein großes Trauerspiel. Ich gehe sogar so weit, dass ich sage, wir hatten noch nie eine Bundesregierung, die gesundheits- und sozialpolitisch inhaltlich so wenig zustande gebracht hat wie diese CDU/FDPBundesregierung, die wir zurzeit haben.
Für die Pflegebedürftigen ist das schlimm. Ich darf auch sagen – das wissen Sie alle –, wenn wir keine Änderungen erwirken, werden es letztendlich die Dementen sein, die unter die Räder geraten; denn diese Gruppe ist die stark steigende Gruppe in der Pflege, die auch in erheblichem Maße Unterstützung braucht und in der Pflegeversicherung nicht entsprechend abgebildet ist. Deshalb ist diese Reform auch außerordentlich eilbedürftig.
Natürlich habe ich Verständnis dafür, wenn eine Regierung neu ist, aber dass die Pflegebedürftigen jetzt auch noch zu verantworten haben, dass innerhalb kürzester Zeit ein Ministerwechsel stattgefunden hat und der neue Minister nicht in der Lage ist, das, was vorher im Ministerium erarbeitet worden ist, dann als Reform auf den Weg zu bringen, kann man, glaube ich, von der Gesellschaft nicht verlangen. Sie hat ein Recht darauf, dass wir in der Pflegereform weiterkommen. Deshalb fordern wir diese auch sehr lautstark ein.
Meine sehr verehrten Herren und Damen, ich möchte ein paar Dinge zum Inhalt sagen, bei denen ich denke, es ist unbedingt erforderlich, dass wir in diesem Bereich ein Stück weiterkommen. Ein wichtiger Punkt, der genannt ist, ist der Pflegebedürftigkeitsbegriff. Er ist einfach das zentrale Reformelement. Es ist auch das Reformelement, vor dem der Minister meines Erachtens am allermeisten Angst hat. Es ist nicht leicht, diesen Begriff umzusetzen. Wir haben leider zwei Jahre verloren.
Frau Ebli hat es gesagt, im Mai 2009 sind anerkannte konkrete Berichte von Expertinnen und Experten vorgelegt worden. Wir brauchen auch Zeit für die Umsetzung. Die Umsetzung ist aber leider auf die lange Bank ge
Der zweite wichtige Punkt aus meiner Sicht ist, dass wir zu einer Flexibilisierung der Leistungen kommen. Natürlich muss das Leistungsrecht angepasst werden. Die Sachleistungen bei häuslicher Pflege müssen künftig viel flexibler nutzbar sein, zum Beispiel auch bei der Betreuung von Menschen mit Demenz. Wenn man den Pflegebedürftigkeitsbegriff verändert, ist auch klar, dass das Leistungsrecht entsprechend angepasst werden muss.
Der dritte wesentliche Punkt – ich nenne die Punkte nur ganz grob – ist, es gibt ein umfassendes Konzept, das ich vielleicht am Rande noch erwähnen möchte, das wir als Rheinland-Pfälzer, aber auch andere SPD-geführte Länder gemeinsam entwickelt haben, das wir auch in die Gesundheitsministerkonferenz einbringen, das wir gerne in der beantragten Sonderarbeits- und Sozialministerkonferenz diskutiert hätten, die aber aufgrund des Widerstandes der B-Seite nicht zustande gekommen ist.
Nachdem jetzt das Konzept der CSU vorliegt, ist auch klar, warum das nicht zustande gekommen ist. Es gibt auch auf der B-Länderseite keine Einigkeit mehr zu diesem Thema, was im Übrigen auch ein echtes Novum ist; denn wir waren uns inhaltlich in all diesen Punkten immer absolut einig.
Die Entlastung pflegender Angehöriger ist der dritte wirklich wichtige Punkt. Ich möchte dazu nicht viel sagen. Wir wissen, was vorhin auch dargestellt wurde, dass in Rheinland-Pfalz 70 % der Menschen nach wie vor zu Hause gepflegt werden. Wir werden diesen größten Pflegedienst der Nation auch in Zukunft brauchen, Familien, Freunde und Nachbarn, damit wir die Pflege wirklich stemmen können.
Ich möchte ein Wort zur Finanzierung sagen, damit dies auch nicht so im Raum steht. Die Pflege der Zukunft wird mehr Geld kosten. Jeder, der etwas anderes sagt, sagt natürlich nicht die Wahrheit. Das hat hier im Landtag keiner behauptet. Aber natürlich brauchen wir mehr Geld für die Pflege. Wir haben in der Zukunft komplexere Leistungsansprüche zu erfüllen, allein wenn man an das Thema „Demenz“ denkt, aber wir haben auch eine wachsende ältere Bevölkerung. Deshalb müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie die Finanzierung der Pflegeversicherung aussieht.
Da ist unser Modell glasklar. Wir wollen die Bürgerversicherung, ganz einfach. Ich möchte es am Beispiel der Pflege noch einmal deutlich machen, weil es leichter zu begreifen ist als bei der Krankenversicherung, wie unsinnig es ist, dass wir in Deutschland zwei Versicherungsmärkte haben.
Die Pflegeversicherung erbringt exakt die gleiche Leistung, egal, ob man privat pflegeversichert oder gesetzlich pflegeversichert ist. Trotzdem gibt es bei der privaten Pflegeversicherung inzwischen 21 Milliarden Euro Rücklagen, weil dieses Geld bei gleicher Leistung nicht ausgegeben werden konnte. Es gibt uns einfach in unserer Argumentation recht, dass die besser Versicherten, die Gesünderen und Jüngeren, bei der privaten Pflegeversicherung sind. Deshalb gibt es eigentlich nur einen
einzigen Weg, aus diesem Finanzierungsdilemma herauszukommen, indem man nämlich die Versicherungsmärkte zusammenlegt und dieses viele Geld möglichst auch investiert, damit alle Menschen davon profitieren können.
Das Thema „Kapitaldeckung“ ist angesprochen worden. Es ist einfach unsinnig, und zwar überhaupt unsinnig, aber noch unsinniger im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung darüber zu diskutieren, da man eine Ewigkeit braucht, um überhaupt einen Kapitalstock aufzubauen. Wir brauchen aber eigentlich Entlastungen in der Zukunft in den nächsten 20 bis 30 Jahren. Wenn man wirklich den Beitragssatz stützen will, dann kann man darüber nachdenken, dass man innerhalb der Pflegeversicherung eine Rücklage für diese Zeit aufbaut. Aber einen Kapitalstock aufzubauen, ist einfach völlig nebendran. Ehrlich gesagt muss ich manchmal auch ein bisschen grinsen, bei dem Vertrauen, das wir derzeit in unsere Kapitalmärkte haben, ernsthaft Überlegungen anzustellen, unsere sozialen Sicherungssysteme auf dem Kapitalmarkt zu organisieren.
Das halte ich wirklich für vollkommen nebendran. Wir konnten in der Krise froh sein, dass wir ein anderes System hatten.
Ein letzter Satz von mir. Ich glaube, wir müssen ein bisschen aufpassen. Wir haben sicherlich in Zukunft große Herausforderungen zu stemmen, aber wir brauchen auch keine Angst vor diesen Herausforderungen zu haben. Wir müssen einfach unsere Hausaufgaben machen. Diese müssen wir ordentlich machen. Zwei Jahre beim Thema „Pflege“ zu verschlafen, sind einfach zwei Jahre zu viel. Eigentlich können wir uns das überhaupt nicht leisten. Die Koalition ist in sich selbst gefangen. Das ist die Antwort auf all das, warum nichts läuft. Es ist noch nicht einmal der Ministerwechsel.
Die Koalition ist in sich gefangen. Die CSU will absolut keine Beitragsanhebung. Die FDP und die CDU wollen das Geschäftsmodell der privaten Pflegeversicherung aufrechterhalten. Natürlich stellt sich dann schon die Frage, wie es diese Koalition finanzieren will, wenn man den Pflegebedürftigkeitsbegriff umsetzt.
Diese Antwort ist dermaßen ein Streitpunkt innerhalb der Koalition auf der Bundesebene, dass es auch nicht zu inhaltlichen Einigungen kommt. Diejenigen, die auf der Strecke bleiben, sind die Älteren, die im Moment Hilfe bräuchten. Das kann man nicht verantworten. Das kritisieren wir umfänglich. Deswegen ist übrigens auch ein Landtag da.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Dr. Konrad das Wort. Sie haben noch eine Redezeit von zwei Minuten.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Thelen, Sie haben richtig dargestellt, die Belastungen der Pflegeversicherung werden zunehmen. Sie werden Gott sei Dank zunehmen; denn Sie und ich, wir alle, die wir hier sind, wollen alle alt werden. Weil ganz viele Menschen alt werden wollen, werden auch viele Menschen in hohem Alter sein. Das ist oft mit Pflegebedürftigkeit verbunden.
Wir dürfen dabei aber nicht verkennen, dass die Hauptlasten in der Gesundheitspolitik und in der Pflegeversicherung dadurch entstehen, dass die Leute bereits sehr lange vor ihrem Tod sehr viel Hilfe brauchen. Dafür bräuchten wir eine Prävention. Es wird schon seit Jahren gesagt, dass wir ein Präventionsgesetz machen. Auch da sind wir in Rheinland-Pfalz darauf angewiesen, dass bundesgesetzlich eine Vorlage gegeben wird. Da wären Steuermittel tatsächlich vernünftig eingesetzt. Da könnte man dann auch darüber sprechen, welche Steuermittel zu generieren wären, um diese Lasten zu verteilen. Ich denke da auch an die Vermögensteuer oder Erbschaftsteuer oder Ähnliches, was man durchaus diskutieren könnte, nicht zuletzt wegen der Redundanz, die damit verbunden wäre. Aber darüber muss man in anderem Zusammenhang noch sprechen.
Für Rheinland-Pfalz heißt das, wir müssen Angehörige stützen. Wir müssen die Freunde stützen – da haben Sie ganz recht –, diese engen sozialen Beziehungen, die verbessert werden müssen. Dazu gehört aber auch, dass wir ehrlich sind und sehen, es wird immer Menschen geben, die nicht nur auf professionelle Hilfe zu Hause, sondern auch in stationären Einrichtungen angewiesen sein werden. Dafür brauchen wir eine Vorgabe, wie viel Geld in diese Einrichtungen kommt. Können wir das, was wir alle wollen, umsetzen, nämlich kleine sozial und räumlich integrierte Einrichtungen anstreben, damit die Menschen im Quartier leben können und innerhalb des Quartiers auch ihren Lebensabend verbringen können, auch wenn sie schwer pflegebedürftig werden und in eine Einrichtung zur Pflege müssen?
Dafür brauchen wir diese Vorgaben. Hat die Pflegeversicherung auch in Zukunft das Geld, um das zu finanzieren? Das braucht man auf der Landesebene, weil dort die stationäre Pflege organisiert, geplant und genehmigt werden muss.