Protocol of the Session on October 6, 2010

und II mit einem Mix aus Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen beschlossen. Ende 2009 wurde dann, konjunkturpolitisch zweifelhaft und zeitlich verspätet, das umstrittene Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschlossen. In der Summe kann man sagen, der fiskalische, der quantitative Schwerpunkt der expansiven staatlichen Anreize lag insgesamt eindeutig auf der Einnahmenseite, also auf der steuerlichen Seite.

Entscheidend für die heutige und leider auch für die zukünftige Situation der öffentlichen Haushalte ist die Art, wie man die Konjunkturprogramme ausgestaltet hat.

Die auf der Ausgabenseite beschlossenen Maßnahmen, wie das Zukunftsinvestitionsgesetz oder die Kurzarbeiterregelung, wurden ganz überwiegend zeitlich befristet. Die ursprünglich für 2009 geplanten Mehrausgaben von 18 Milliarden Euro bzw. 13,6 Milliarden Euro im Jahr 2010 werden sich zwar im Bereich der Investitionen noch in das Jahr 2011 hineinziehen, danach aber entfällt diese Ausgabenposition. Das ist nicht nur konjunkturpolitisch geboten, sondern auch unter Einsparungsgesichtspunkten klug.

Die seit Ende 2008 verabschiedeten Steuersenkungen dagegen belasteten die öffentlichen Haushalte 2009 mit 19 Milliarden Euro, 2010 mit 24 Milliarden Euro, 2011 mit 39 Milliarden Euro und dauerhaft mit 36 Milliarden Euro Mindereinnahmen.

Meine Damen und Herren, dies ist nicht nur konjunkturpolitisch falsch, sondern das können wir uns auch schlichtweg nicht leisten, wenn wir ernsthaft konsolidieren wollen.

(Beifall der SPD)

Innerhalb eines Jahres wurde eine der größten Steuersenkungen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beschlossen, ohne dass dies von der Öffentlichkeit offensichtlich in ihrer vollen Konsequenz wahrgenommen wurde.

Zum Vergleich, die große Steuerreform der Jahre 2001, 2004 und 2005 entlastete Bürger und Unternehmen in der Endstufe um 32 Milliarden Euro. 2005 konstatierte man vonseiten der Bundesregierung – damals die Große Koalition – in deren Folge eine Schieflage der öffentlichen Finanzen und erhöhte deshalb, um diese zu korrigieren, die Mehrwertsteuer.

Die volkswirtschaftliche Steuerquote, also der Anteil der Steuern am Bruttoinlandsprodukt, liegt 2011 mit 20,5 % wieder auf dem unauskömmlichen Niveau des Jahres 2005. Im Jahr 2008, also vor der Krise und ein Jahr nach der Anhebung der Umsatzsteuer, wurde eine Steuerquote von 22,5 % erreicht. Die Steuerquote ist also innerhalb von drei Jahren um zwei Prozentpunkte oder um 10 % abgesenkt worden.

2008 hatten wir ein Bruttoinlandsprodukt von ziemlich genau 2,5 Billionen Euro, mit anderen Worten, eine Absenkung der Steuerquote um zwei Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts entspricht 50 Milliarden Euro weniger Steuern. Davon, und das ist das eigentlich Besorgniserregende, lassen sich 36 Milliarden Euro oder

72 % auf dauerhafte Steuersenkungen zurückführen, das heißt, es refinanziert sich nicht, wenn die Wirtschaft wieder in eine Aufschwungphase gerät.

Festzuhalten bleibt, die konjunkturell motivierten Steuersenkungen wurden überwiegend nicht mit einem Verfallsdatum versehen, wie dies bei konjunkturellen Stützungsmaßnahmen – so ist dies in jedem Lehrbuch nachzulesen – eigentlich der Fall sein sollte.

Die in diesem Kontext vollkommen irrealen Steuersenkungsversprechungen der Koalitionsparteien in Berlin vor der Bundestagswahl im letzten Jahr verhinderten bislang eine rationale Diskussion über das dauerhaft angestrebte Steuerniveau, das eine ordentliche Erfüllung der verfassungsgemäßen Aufgaben von Bund, Ländern und Kommunen erlaubt.

Meine Damen und Herren, ich finde, es ist die vornehmste Aufgabe dieser Bundesregierung, diese Diskussion endlich zu führen.

(Beifall der SPD)

Ich sage auch, dass ideologiegetränkte und klientelverseuchte Erwägungen hierbei einmal hintanstehen sollten. Ich glaube, das würde manches einfacher machen.

(Beifall der SPD – Bracht, CDU: Fangen Sie mal an damit! – Weitere Zurufe von der CDU)

Leider liefert diese Bundesregierung bislang nur das Gegenteil einer solchen Politik. Steuergeschenke für Hoteliers, gleichzeitig sparen beim Wohngeld, das ist die soziale Schieflage, die mittlerweile auch von der Wirtschaftspresse massiv gegenüber dieser Bundesregierung kritisiert wird.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, ich komme zu unserer Haushaltsaufstellung 2011.

(Wirz, CDU: Wird auch langsam Zeit!)

Herr Baldauf, man muss schon die Rahmenbedingungen verstehen, damit es im Kontext richtig ist.

(Zurufe von der CDU)

Der Regierungsentwurf für den Haushalt 2011 steht im Spannungsfeld zwischen den dargelegten aktuellen konjunkturpolitischen Erfordernissen und den langfristigen Konsolidierungsnotwendigkeiten.

Der Haushalt 2011 ist der erste konjunkturverträgliche Schritt der rheinland-pfälzischen Landesregierung, um bis 2020 eine strukturelle Neuverschuldung von null zu erreichen.

Zunächst zur Ausgabenseite des Haushalts. Wir haben die Ausgabenansätze der Fachressorts um 70 Millionen Euro gegenüber dem anerkannten Bedarf in Form globaler Minderausgaben reduziert. Diese Einsparungen entsprechen den in unserer langfristigen Konsolidie

rungsplanung ausgewiesenen jährlichen Einsparungen im Bereich der Sachausgaben, Investitionen, Zuweisungen und Zuschüsse.

Die in unserem Konsolidierungsszenario dargestellte Aufteilung der notwendigen Konsolidierungsbeiträge auf Einnahmen- und Ausgabengruppen stellt zwar noch eine unverbindliche Orientierung dar, gleichwohl haben wir im aktuellen Haushalt bereits den ersten Schritt getan. Wahltaktische Beliebigkeit in schwierigen Konsolidierungsfragen überlassen wir anderen.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der CDU – Zurufe von der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir streichen die Haushaltsansätze für die Konjunkturprogramme, das heißt, sie laufen Ende des Jahres 2010 aus. Die Ausfinanzierung aller bis Ende dieses Jahres begonnenen Maßnahmen ist allerdings – das sagen wir zu – sicher.

Daneben hat das Kabinett die Kürzung der Verfügungsmittel für Minister und Staatssekretäre um 10 % und eine Absenkung der Öffentlichkeitsmittel um eine Million Euro verabredet. (Zurufe von der CDU: Oh! – Eymael, FDP: Bravo!)

Herr Eymael, ich werde das mit den Öffentlichkeitsmitteln nachher noch in Zusammenhang stellen.

Herr Baldauf, wenn Sie meinen, das sei ein zu geringes Symbol, die Verfügungsmittel um 10 % zu streichen, dann gehen Sie einmal zu Frau Klöckner und fragen sie, ob es in Ordnung ist, wenn sie für nächstes Jahr für ihren Reptilienfonds die Mittel um 20 % streicht. Da könnten Sie ein Symbol setzen.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, diese Kürzungen sind haushaltspolitisch keine Größenordnung, die ins Gewicht fällt. Aber beim Sparen geht es immer auch um die richtigen Signale, und die Landesregierung legt Wert darauf, deutlich zu machen, dass in Rheinland-Pfalz die Treppe von oben gekehrt wird.

Die in den nächsten Jahren zu meisternden Einschnitte werden von uns allen Opfer verlangen. Dies kann nur gelingen, wenn alle ihren Beitrag leisten, und ich finde, da hilft es, wenn man mit gutem Beispiel vorangeht.

(Beifall der SPD – Bracht, CDU: Gucken Sie sich mal all das an, was Sie in den letzten Jahren aufgestockt haben!)

Weiterhin ist vorgesehen, das Personal in den Ministerien und bei den Mittelinstanzen um 200 Stellen zu reduzieren. Diese Vorgabe ist innerhalb der nächsten 3 Jahre zu realisieren. Auch hier haben wir bewusst entschieden, zunächst ein Zeichen dort zu setzen, wo die Landesregierung unmittelbar betroffen ist.

Bei jeder Haushaltsaufstellung kommt es zu Mehr- oder Minderbedarfen, die der Entwicklung gesamtwirtschaftli

cher Parameter oder gesetzlichen Zwangsläufigkeiten geschuldet sind.

Infolge der konjunkturellen Schieflage ist das Zinsniveau zurzeit sehr niedrig. Hier fahren wir quasi eine Krisendividende ein. Dagegen führt die Rezession beispielsweise zu erheblichen Mehrbedarfen bei der Sozialhilfe und dem Wohngeld.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Diese Mehrausgaben bei der Sozialhilfe und dem Wohngeld sind Ausdruck der Solidarität mit den Bedürftigen in unserer Gesellschaft. Sie sind notwendig und deshalb nicht zu beklagen.

(Beifall der SPD)

Andere Etatisierungen wie die Umschuldung der Altverbindlichkeiten der Nürburgring GmbH beim Land erhöhen zwar die Ausgabensteigerungsrate und die Nettokreditaufnahme des Haushalts 2011,

(Heiterkeit des Abg. Dr. Mittrücker, CDU)

sie beeinträchtigen nicht aber das für die neue Schuldenbremse maßgebliche strukturelle Defizit.

Meine Damen und Herren, Entschuldung ist ein Gebot der Generationengerechtigkeit.

(Schreiner, CDU: Eben!)

Generationengerechtigkeit heißt aber auch, Vorsorge für zukünftige Lasten der heutigen Generation zu treffen, und Generationengerechtigkeit heißt faire Bildungschancen für die heute junge Generation, damit sie die Herausforderungen der Zukunft bestehen kann.

(Beifall der SPD)