Protocol of the Session on June 25, 2009

(Heiterkeit bei der FDP)

Wir müssen schauen, ob wir tatsächlich – Frau Pepper, Sie sagten es richtig, wir hätten viele Fragen – – –

(Ministerpräsident Beck: Alles hängt mit allem zusammen!)

Sie haben recht, Herr Ministerpräsident. Vieles hängt mit allem zusammen.

Wir befassen uns jetzt ganz konkret mit dem Umgang mit den modernen neuen Medien.

Für mich war heute Morgen bei der Debatte um Google schon hochinteressant und spannend und gleichzeitig auch faszinierend, was man alles bis hin in die privaten Sphären hinein mit diesen modernen Medien tun, machen oder auch lassen kann. Man kann es ja auch lassen, man muss es nicht machen.

Wir stehen vor der schwierigen Frage einerseits des Rechts auf Informationsfreiheit, andererseits des Rechts auf Informationen, auch des Nutzers, und wiederum andererseits auch des verantwortlichen Umgangs mit diesen neuen Medien.

Frau Kollegin Pepper, Frau Kollegin Kohnle-Gros, wir sehen an dem Beispiel sehr deutlich, dass wir politisch den Rahmen schon nicht mehr so schnell setzen können, wie die modernen neuen Medien mittlerweile voranschreiten und wie sich neue technische Möglichkeiten ergeben. Es könnten morgen welche in Kraft treten, die wir heute noch nicht kennen.

Was den gesetzlichen Rahmen angeht, so ist die Politik ein Stück in der Hinterhand, und zwar schuldlos in der Hinterhand, weil einfach die Technik so schnell abläuft, wie sie abläuft und teilweise immer noch an Geschwindigkeit gewinnt.

Fragen zu beantworten, das wird schwer sein. Ich sage auch, es befindet sich – wie Sie richtig sagen – nicht im rechtsfreien Raum. Gleichzeitig ist es sehr schwer, einen Rechtsrahmen zu setzen, weil man immer in dem Konflikt steht, Informationsfreiheit ja und die Informationsfreiheit unter Umständen einzuschränken.

Dann ist es wichtig – das muss man in aller Nüchternheit sehen – zu überlegen, wie weit man dabei geht. Wie weit will man gehen, und wie weit kann man gehen, um dieses eine hohe Recht, die Informationsfreiheit, nicht einzuschränken?

Wir haben heute Morgen über eine Demonstration diskutiert. Auch dabei stellte sich die spannende Frage: Wie weit kann man gehen? Ist die Verhältnismäßigkeit gegeben? – Die Verhältnismäßigkeit bei der Demonstration war gegeben; denn das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit hat natürlich einen höheren Wert, das ist gar keine Frage.

In dieser Debatte hat aber auch das Recht auf Informationsfreiheit einen sehr hohen Wert. Deshalb ist es gut, wenn dies in einer Enquete-Kommission gründlich beleuchtet wird. Man muss sehen: Wo finden sich Ansätze, wo finden sich keine Ansätze? Wie kann man durch Information dazu beitragen, einen verantwortlichen Umgang mit diesen Medien herzustellen? –

Ich bleibe dabei – ich glaube, ich habe es schon einmal gesagt –, entscheidend wird sein, wie wir an die Eltern der jungen Generation herankommen, um sie entsprechend zu informieren. Es macht keinen Sinn, lediglich denjenigen zu informieren, der schon vollends mit dem Umgang dieser Medien vertraut ist, sondern es macht Sinn, die Eltern zu informieren, wie weit man dabei gehen kann und darf. Deshalb halte ich die Einsetzung dieser Enquete-Kommission für richtig und wichtig.

Dabei wird man sich auch externen Sachverstandes bedienen können und auch bedienen müssen – das haben Enquete-Kommissionen so an sich –, und dann wird man sehen, welche Meinung die Experten vertreten, immer vor dem Hintergrund der Informationsfreiheit, die dabei einen hohen Stellenwert haben muss, sowie auch vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, die anderen Informationen, die über die modernen Medien verfügbar sind – ich spreche ganz bewusst in diesem Zusammenhang von anderen Informationen; man könnte dies sehr viel härter fassen und könnte es sehr viel klarer sagen, das möchte ich mir aber ersparen –, entsprechend einzuschränken. Dies wird das Ziel sein müssen, und darauf müssen wir in der Enquete-Kommission hinarbeiten.

Ich jedenfalls glaube, dass auch die Einsetzung dieser – nach meinem Gefühl etwas schmalen – EnqueteKommission insofern sinnvoll ist, als wir diese Probleme einer Lösung zuführen können und wir entsprechende Informationen darüber erhalten, wie man mit dieser technischen Geschwindigkeit umgehen kann.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP)

Vielen Dank.

Ich darf weitere Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis TrierSaarburg. Seien Sie herzlich willkommen in Mainz!

(Beifall im Hause)

Für die Landesregierung hat nun Herr Staatssekretär Stadelmaier das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung begrüßt die Einsetzung dieser Enquete-Kommission. Ich möchte zunächst einmal an den Ausgangspunkt dieser Diskussion erinnern, die mit den schrecklichen Ereignissen, dem Amoklauf in Winnenden begann, wo sich neben der Frage des Waffenrechts vor allen Dingen auch die Frage der Verantwortung gestellt hat, die sich aus der Nutzung des Internets und auch bestimmter Online-Spiele ergibt.

Nun werden wir dies vor allen Dingen mit Blick auf den Täter nur individualpsychologisch erklären können. Aber im Zusammenhang mit dieser Enquete-Kommission stellt sich die Frage, wie viel Gewaltdarstellung in den Medien sich diese Gesellschaft eigentlich leisten will. Es gilt, sich immer wieder neu darauf zu verständigen – und deshalb ist aus unserer Sicht diese EnqueteKommission so wichtig –, wie viel Entwürdigung, wie viel Selbstentblößung, wie viel Menschenverachtung und wie viel Gewaltdarstellung wir eigentlich in den Medien zulassen wollen.

Es hat eine Entwicklung gegeben, die viele von uns in diesem Raum bewegt und bei der sich viele fragen: Sind unsere Maßstäbe eigentlich noch richtig, die Maßstäbe, an denen wir den Jugendschutz, die Eingriffschwellen für Menschenwürde und viele andere Dinge in den Medien orientieren, und dies vor einem europäischen und weltweiten Hintergrund, den das Internet erst eröffnet?

Das Thema der Enquete-Kommission umfasst alle Medien, aber ich glaube, im Kern das Internet. Lassen Sie mich dazu eine Vorbemerkung machen, die man auch in Anbetracht des Textes des Einsetzungsbeschlusses machen muss, ohne dass ich ihn kritisieren will. Ich möchte damit nicht missverstanden werden.

Das Internet bedeutet einen gewaltigen Umbruch. Die Menschen erlangen durch das Internet eine neue Souveränität. Es bedeutet große wirtschaftliche und kommunikative Chancen, es bedeutet eine neue Form der Meinungsbildung und auch der freien Meinungsbildung über Grenzen hinweg.

Es ist ein Metamedium: Es vereinigt nämlich etwas, was bisher nicht miteinander zu vereinen war, und dies bedeutet eine neue Qualität. – Es vereinigt Wort, Ton und Bild in einer ungeheuren Beschleunigung, in einer Intensität, die vor allen Dingen mehr Wissen bedeutet als jemals in der Menschheitsgeschichte zuvor, und – dies

führt dann schon zum Teil in die Problematik ein, die wir zu diskutieren haben – es kostet nichts oder fast nichts, zumindest in weiten Bereichen der dargestellten Kommunikation. Ich möchte, dass dies bei all dem, was wir auch an Risiken zu diskutieren haben und berechtigterweise zu diskutieren haben, nicht vergessen wird.

Die spannende Frage der Enquete-Kommission in diesem Zusammenhang ist die Frage nach der Verantwortung. Was heißt eigentlich in diesem Bereich Verantwortung, und für wen? – Ich glaube, dies wird eine der Fragen sein, die wir zu klären haben und auf die ich an einigen Beispielen gleich noch einmal zurückkommen möchte. Es geht also darum: Ergeben sich aus dem, was sich dort entwickelt, Risiken für die Gesellschaft und gegebenenfalls auch ein Handlungsbedarf für den Gesetzgeber?

Ich möchte nun nicht auf Fragen zurückkommen, die dankenswerterweise meine Vorrednerinnen und Herr Bauckhage schon angesprochen haben, aber da ist zum einen die Frage des Urheberrechts und des geistigen Eigentums. Dies ist eine ganz zentrale Frage, und zwar vor dem Hintergrund der heute Morgen diskutierten gewaltigen Konzentrationsprozesse, die hinter der Kleinteiligkeit des Internets stehen. Wir haben in fast jedem Bereich des Internets – ob bei den Providern oder bei denjenigen, die Foren auflegen – große wirtschaftliche Interessensverflechtungen, große Unternehmen, die zum Teil monopolartig bestimmte Bereiche beherrschen. Google ist eines dieser Unternehmen, und in die Frage des Urheberrechts fließt diese Frage ganz entscheidend mit ein, und wir werden genau hinschauen müssen.

Ich halte es für sehr wichtig, dass beispielsweise die Verleger, die Autoren und Journalisten im Heidelberger Appell versucht haben, ihre Forderungen für diesen Bereich zu konkretisieren, da dies eine weitgehende Bedeutung für die Art und Weise hat, wie wir Qualitätsjournalismus noch organisieren können, ob man Geld dafür bekommt, ob die Leistung eines Autors noch honoriert wird und nicht beispielsweise in einem Verfahren geregelt wird, wo letztlich Google bestimmt, wie es die Bücher dieser Welt einstellt und wie es sie nutzbar macht, welchen Preis es dafür nimmt und wo es sie kostenlos zur Verfügung stellt, obwohl es das geistige Eigentum eines anderen ist.

(Beifall der SPD und der FDP – Bauckhage, FDP: Sehr richtig!)

Ein zweites Thema ist aus meiner Sicht, sehr vorsichtig abwägend und sehr klug, bezogen auf das, was Herr Bauckhage soeben genannt hat, die enorme Geschwindigkeit der technischen Entwicklung. Ich möchte in diesem Zusammenhang den BGH und sein Urteil über die Internetplattform „spickmich“ nennen, das in den letzten Tagen in der Diskussion war. Es stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die Meinungsfreiheit auf der einen Seite und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf der anderen Seite stehen. In welchem Verhältnis stehen diese Komponenten zur Beurteilung, die in dieser Gesellschaft üblich geworden ist, mit der wir

uns in der Politik in einer besonderen Weise auseinanderzusetzen haben?

(Ministerpräsident Beck: Ranking über alles!)

Wir haben es jeden Tag mit Rankings, Beurteilungen und anderen Dingen zu tun. Nun sind die Lehrer davon ergriffen worden. Manche freuen sich natürlich darüber, dass die Lehrer davon betroffen sind, aber trotzdem beschleicht uns ein Gefühl, dass dadurch eventuell Maßstäbe verrückt werden, und darüber müssen wir reden.

Wenn wir als Arbeitgeber Beurteilungen vornehmen und sie niederlegen, müssen wir Begründungen für diese Beurteilungen haben. Wir haben einen bestimmten Kanon von Dingen, die wir beachten müssen. Wir dürfen diese Beurteilungen zum Teil nicht zu den Akten nehmen oder bestimmte Verfahrensschritte einleiten.

Dort aber werden Beurteilungen in einem freien Raum vorgenommen, die sich natürlich von dem unterscheiden, was man früher in der Schülerzeitung gemacht hat; denn sie sind weltweit und auf Dauer eingestellt. Wir werden uns überlegen müssen, ob wir an dieser Stelle einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf haben. Dies wäre genauso zu diskutieren wie die Frage: Sind diese Beurteilungen beispielsweise genügend gegen Fakeaccounts gesichert? Ist die Manipulationsmöglichkeit mit den Möglichkeiten, die das Web bietet, nicht so hoch, dass man sich auch einmal überlegen muss, wie man dem Einhalt gebieten kann?

Auch da stellt sich die Frage der Verantwortung. Wer hat denn hier eigentlich Verantwortung?

(Creutzmann, FDP: So ist es!)

Sind das Sie als Gesetzgeber, sind das wir als Regierung? Sind das die Unternehmen, die überhaupt ermöglichen, dass das geht – es ist dankenswerterweise auf die Diskussion um Internetsperren verwiesen worden – und die sich dem zum Teil aus wirtschaftlichen Gründen, aber natürlich zum Teil aus Gründen der rechtlichen Sicherheit entziehen?

Das führt mich zu dem Thema der Internetsperre unter einem anderen Aspekt. Ich möchte zum einen noch einmal deutlich sagen, wir haben einen beachtlichen Jugendmedienschutz und einen beachtlichen Jugendschutz entwickelt, vor allem vor dem Hintergrund, dass vor zehn Jahren eine rechtliche Regulierung dieser Bereiche für unmöglich gehalten worden ist. Es ist beachtlich, was wir heute machen können, obwohl vieles noch im Netz ist und in das Netz gebracht wird, was wir uns alle gemeinsam nicht wünschen.

Frau Pepper hat darauf verwiesen, dass das schon eine bizarre Diskussion ist, und zwar unter dem politischen Gesichtspunkt, bedauerlicherweise nicht über die Frage, wie dieses Gesetz gemacht wird. Da hätte ich persönlich auch erhebliche Zweifel, ob der Weg, wie es mit dem Eingriff über das BKA organisiert wird, der richtige ist.

(Beifall des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Dort wird die Frage diskutiert: Handelt es sich um Zensur, und ist sozusagen Jugendpornografie etwas, was man in diesem Netz durchaus dulden kann und dort mit eingebracht wird, weil das Gefühl dafür verloren gegangen ist, dass es Dinge gibt, die wir gesellschaftlich für nicht erwünscht halten?

(Beifall bei SPD und FDP)

Stattdessen wird die Diskussion darüber geführt, ob das Weiterungen hat.

Wir werden uns dem also im Sinne einer sorgfältigen Diskussion stellen müssen, was Rechtsumsetzung in diesen Räumen eigentlich bedeutet und wie wir das großartig Neue dieses Netzes erhalten, nämlich wirklich freie Meinungen auch verbreiten zu können im Verhältnis zu dem, was wir für kriminelles Verhalten auf den verschiedenen Gebieten ansehen.

Es ist die Frage – das ist ein Teil unserer Schwierigkeiten, die wir alle zusammen haben –, wie wir Bewährtes auf diese neue digitale Welt übertragen können, sodass es effizient und angemessen ist. Das ist ein Teil der Schwierigkeiten. Wir wissen nicht genau, wie das in der digitalen Welt funktioniert, sondern wir haben nur die Sicherheit, wie es in der anderen alten Welt funktioniert hat, und müssen versuchen, es zu transformieren, sodass es unter rechtlichen und unter vielen anderen Gesichtspunkten funktioniert.

Lassen Sie mich zu einem letzten Punkt kommen, den ich für erörternswert halte und dem wir, glaube ich, begegnen werden und der schon angesprochen worden ist. Durchaus auch gleichwertig verstanden sind das die Fragen des Verbraucher- und Datenschutzes. Es gibt fast kein Projekt innerhalb des Verbraucherschutzes der Landesregierung und der Verbraucherschutzzentrale, das derart nachgefragt wird wie das Projekt „Verbraucherschutz im Internet“ und der Schutz vor unlauteren Geschäften, so möchte ich sie einmal kurz nennen. Diese Fragen des Verbraucher- und Datenschutzes sind eng mit der Frage der Medienkompetenz verbunden. Diese kann man anregen. Sie besteht in einem ganz hohen Maß an Eigenverantwortlichkeit.