Protocol of the Session on August 30, 2007

Ich möchte sozusagen im Schlussplädoyer nicht noch einmal auf alle Punkte eingehen, die Sie gerade genannt haben, auf einzelne jedoch schon. Wir haben von Anfang an konstruktiv mitgearbeitet.

(Pörksen, SPD: Sie?)

Wir haben von Anfang an Vorschläge gemacht.

(Pörksen, SPD: Soll ich Ihnen Ihre Überschriften vorlesen?)

Wir haben von Anfang an Alternativen aufgezeigt.

(Pörksen, SPD: Welche? – Zuruf des Abg. Noss, SPD)

Herr Noss, Sie haben am 26. April noch wörtlich gesagt, das Kooperationsgebot sei absolut notwendig. Ihre Ministerialbeamten in der Regierung haben gesagt: Das haben wir so im Entwurf geschrieben, und das meinen wir auch so. – Daher stellt sich die Frage, wer wen beschuldigt. Da sollte man sehr aufpassen; denn der Bumerang könnte zu Ihnen zurückkommen.

Ich appelliere an Sie: Stellen Sie dieses Landesentwicklungsprogramm auf eine gute Basis, stellen Sie es vor allem auch auf eine gute handwerkliche Basis. Wir haben dazu das letzte Mal ausführlich gesprochen. Es geht um die Karten, die zu überarbeiten sind, um die verschiedenen Einstufungen, die zu überarbeiten sind, um die Ziele und Grundsätze, die in ihrer Rechtsart zu überarbeiten sind. Sind die Ziele wirklich alle rechtlich Ziele, oder sind sie nicht vielmehr Grundsätze? Dieses Mal haben wir 30 Ziele mehr. Da müsste man wirklich noch einmal genauer hinschauen. Dann geht es um die Frage, in welcher Art und Weise das nachher wirklich Auswirkungen und Vorwirkungen auf verschiedene Reformen in unserem Land hat.

(Pörksen, SPD: Jetzt fangen Sie langsam einmal damit an!)

Ich komme zum letzten Satz: Stimmen Sie dem Änderungsantrag zu, und stimmen Sie vor allem rechtzeitig zu, damit wir das LEP IV mit dem Vorbehalt des Plenums beschließen oder eben auch nicht beschließen. Es wäre schade, wenn Sie dies bis zum LEP V verzögern würden und der Eindruck entstünde, dass Sie das beim LEP IV noch nicht wollen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Es spricht Herr Kollege Noss.

Noch ein kurzer Hinweis zur Pressekonferenz: Liebe Frau Wopperer, das, was in der Presse wiedergegeben wird, beinhaltet nicht all das, was wir gesagt haben. Vor

der Pressekonferenz hatten wir eine Veranstaltung. Es konnte vom Fernsehen niemand gefunden werden, der sagte, dass es noch Bedenken gebe. Das nur zur Information.

Darüber hinaus stehe ich zum Z 81. Das Ziel 81 ist absolut notwendig. Wir haben uns aber dafür eingesetzt, dass es eine Öffnungsklausel gibt, sofern durch diese Öffnung der Mittelbereich in seiner Daseinsvorsorge nicht beeinträchtigt wird. Das steht auch so in der Presseerklärung vom 26.

(Beifall der SPD)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Innenausschuss – federführend – und an den Rechtsausschuss zu überweisen. Dem ist so.

Es wurde vereinbart, die Punkte 18 bis 20 der Tagesordnung gemeinsam aufzurufen. Ich rufe daher auf:

Patientenversorgung durch niedergelassene Ärzte in Rheinland-Pfalz Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der FDP – Drucksachen 15/876/1032/1208 –

Sicherstellung einer bedarfsgerechten ärztlichen Versorgung in Rheinland-Pfalz Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/1242 –

Ärztliche Versorgung in Rheinland-Pfalz für die Zukunft weiter stabilisieren Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der SPD – Drucksache 15/1269 –

Es wurde eine Grundredezeit von zehn Minuten vereinbart. Es spricht Herr Abgeordneter Dr. Schmitz.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage „Patientenversorgung durch niedergelassene Ärzte in Rheinland-Pfalz“ vom 24. April dieses Jahres steht in Tradition und Ergänzung Großer Anfragen zum gleichen Thema. Die letzte Große Anfrage wurde 2005 durch die SPD gestellt. Es ist sehr interessant zu sehen, inwieweit sich die Dinge in diesen zwei Jahren verändert haben.

Meine Damen und Herren, weshalb ist es wichtig, in vergleichsweise engem Abstand genauer darauf zu schauen, wie es um die Versorgung mit niedergelassenen Ärzten in Rheinland-Pfalz bestellt ist? Das ist deshalb so wichtig, weil eine zunehmend ältere Bevölkerung – eine Situation, die wir ausdrücklich begrüßen – einen immer höheren ärztlichen Versorgungsbedarf hat und weil darüber hinaus die Möglichkeiten der Medizin, der

medizinische Fortschritt, ebenfalls intensivere medizinische Behandlungen möglich machen und nahelegen.

Wenn wir vor zwei Jahren noch gehört haben, dass die Probleme, die es bei der ärztlichen Versorgung im niedergelassenen Bereich in Deutschland gibt, vor allem in den östlichen Bundesländern anzusiedeln sind, erfahren wir jetzt, dass wir, wenn auch nicht statistisch – dazu komme ich später –, immerhin Rückgänge bei der Versorgung auch in Rheinland-Pfalz konstatieren müssen. Beispielsweise ist im Bereich Ahrweiler die Versorgung, die noch im Jahr 2001 mit 110 % an der Überversorgungsgrenze lag, jetzt unter die 100 %-Marke gerutscht. Statistisch gesehen ist die Welt natürlich noch in Ordnung.

Das wundert aber nicht, wenn wir Unterversorgung so definieren, dass beispielsweise im fachärztlichen Bereich eine Unterversorgung erst dann festgestellt wird, wenn nur noch 50 % der Fachärzte in einem Planungsbereich niedergelassen sind. Das sind statistische Probleme, die dringend behoben werden müssen. Ich weiß, dass in dieser Hinsicht von der Landesregierung auch einiges auf den Weg gebracht wird. Das ist sehr vernünftig.

Wir dürfen uns also nicht von einer Statistik irremachen lassen. Unterversorgungen gibt es auch heute schon in Rheinland-Pfalz. Ich nenne den Bereich Bitburg-Prüm, ich nannte schon Ahrweiler, und ich nenne die Versorgung im Donnersbergkreis mit Hausärzten.

Diese Unterversorgung wäre nicht so schlimm, wenn man konzeptionell darauf hoffen könnte, dass es sich um eine einmalige Delle handelt. Während aber bis zum Jahr 2005 die Zahl der niedergelassenen Ärzte – auch wieder statistisch problematisch durch das Hinzuzählen der Psychotherapeuten, die früher nicht zur Ärzteschaft zählten – Jahr für Jahr zugenommen hat, was durch die Regierung auch in den Vordergrund gestellt wurde, ist erstmalig im Jahr 2006 die Zahl der niedergelassenen Ärzte, wenn auch nicht in großer Zahl, aber doch zurückgegangen. Das sind Veränderungen, die wir früher nicht kannten. Jahr für Jahr gab es mehr niedergelassene Ärzte. Diesmal sind es zum ersten Mal weniger. Das ist das Problem Nummer 1.

Nun zum Problem Nummer 2. Nur noch ca. 60 % der Medizinstudienabsolventen gehen in die direkte ärztliche Versorgung. Das lässt alle Alarmglocken klingeln. Das wird verstärkt, wenn man sich anschaut, dass sich 89 % der Medizinstudenten – 89 % der Medizinstudenten! – für sich persönlich und konkret nach dem Studium eine Auslandstätigkeit vorstellen könnten.

Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Zusammenhang nicht nur ein Problem, nicht nur das Problem des mangelnden Nachwuchses, sondern wir haben ein weiteres Problem. Durch die Antwort auf die Große Anfrage wird das sehr deutlich. Wir haben ein sehr stark unterschiedliches Niederlassungsverhalten in Ballungsgebieten und im flachen Land. Das ist nach Lage der Dinge heute nur symptomatisch zu verändern, aber nicht grundsätzlich, weil wir natürlich in die Niederlassungsfreiheit nicht eingreifen wollen.

In Kombination mit weniger Nachwuchs und der Konzentration auf Ballungsgebiete, sprich da, wo eine ausreichende Anzahl von Privatversicherten ein wirtschaftliches Arbeiten zulasten der ländlichen Regionen, wo dies umgekehrt ist, sicherstellt, ergibt sich eine brisante Mischung. Das erkennen Sie – ich möchte Sie nicht mit Zahlen überhäufen – an einer Zahl, die die Nachwuchssituation leider Gottes sehr transparent darstellt. Wenn Sie sich zwei Fünfjahreszeiträume anschauen, nämlich die 60- bis 65-Jährigen und die 35- bis 40-Jährigen, und betrachten, wie viele Ärzte aus der Niederlassung gehen und wie viele Ärzte nachkommen, können Sie feststellen, dass in den nächsten fünf Jahren absehbar 748 niedergelassene Ärzte in Rente gehen – statistisch betrachtet – und nur 309 im jüngeren Alterssegment nachfolgen werden.

Die Landesregierung sagt, das hängt damit zusammen, dass die Ausbildungszeiten immer länger dauern. Der Altersdurchschnitt liegt inzwischen bei fast 42 Jahren. Liebe Landesregierung, das macht die Sache doch nicht leichter. Das ist ein zusätzliches Problem. Es ist vielleicht eine Erklärung, aber doch kein Lösungsansatz,

(Beifall der FDP)

wenn ich sage, die Ärzte gehen immer weniger in die Praxis, sie gehen immer weniger auf das flache Land, sie gehen immer später in den Beruf, sie gehen immer früher aus dem Beruf, und sie gehen in zunehmender Zahl ins Ausland.

Wer dann nicht versteht, dass wir vor einem sich zusammenbrauenden Problem stehen, der reagiert wie der berühmte Vogel Strauß.

(Beifall der FDP)

Meine Damen und Herren, verantwortlich für diese Entwicklung ist selbstverständlich nicht die Kassenärztliche Vereinigung, die – zu Recht von der Landesregierung benannt – formal den Sicherstellungsauftrag hat. Politisch verantwortlich ist die Politik. Politisch verantwortlich sind die Regierung in Rheinland-Pfalz und die Bundesregierung in Berlin.

Wenn wir uns nämlich überlegen, weshalb Ärzte nicht mehr in den früher so attraktiven Beruf wollen, dann kommen wir sehr schnell auf Grundbedingungen, die durch die letzten beiden bundesgesetzlichen Maßnahmen nicht geändert wurden.

Das sind bürokratische Überforderungen. Das ist das Gefühl, in einem System von Planwirtschaft und Mangelverwaltung zwanghaft eingebunden zu sein, und zwar durchaus auch in Konflikten mit dem ärztlichen Ethos. Das ist selbstverständlich auch die wirtschaftliche Situation, bei der viele sagen, in Relation zu dem, was ich arbeite und welche Verantwortung ich trage, bin ich nicht bereit, für dieses Geld zuarbeiten.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung versucht zu reagieren, und zwar in einer Art und Weise, die

typisch für politische Konzepte ist, die auf Zentralismus, Technokratie und Dirigismus setzen.

(Beifall der FDP)

Sie versucht zu reagieren, indem sie das, was ich eben beschrieben habe, nämlich was junge Ärzte abhält, in Praxen zu gehen, negiert und stattdessen weiche Themen aufruft, hinter denen wir selbstverständlich auch stehen, wie zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und dass wieder mehr Ärzte aus der Familie zurück in die Praxis gehen.

Das sind alles gute Programme, die aber – auch das weist die Große Anfrage aus – dazu führen, dass wir vom Bild der Freiberuflichkeit und des Arztes gerade auf dem flachen Land Abschied nehmen müssen, der seine Patientinnen und Patienten und die Familie über Generationen kennt, Tag und Nacht ansprechbar ist und das darstellt, was sich viele unter einem Arzt vorstellen, nämlich keinen Zeitjobber.

(Beifall der FDP)

Das, was hier als Erfolg beschrieben wird, nämlich die Zunahme von Teilzeitärzten und angestellten Ärzten, ist weiße Salbe, mit der man die Statistik schönt, aber das Problem nicht löst.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, was müsste geschehen, und welche Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch? Das sind zwei Anträge der CDU und der SPD, die beide – mir läuft die Zeit davon, um detaillierter damit umzugehen – versuchen, die kleinen Krücken, die die Landespolitik hat, durch andere Krücken in der Hoffnung zu ergänzen und zu ersetzen, dass man mit diesen kleinen Mitteln dieses große Problem wird lösen können. Man wird mit diesen Mitteln zwangsläufig scheitern müssen, wenn man es nicht schafft, auf Bundesebene eine Gesundheitspolitik zu machen, mit der man die Attraktivität dieses Berufsstands tatsächlich wieder gewinnt.