Meine Damen und Herren, es spricht schon Bände und wahrlich nicht für die Landesregierung, dass erst das Bundesverfassungsgericht kommen musste, um Ihnen deutlich zu machen, dass dieses Gesetz nicht verfassungskonform ist.
Wir müssen uns fragen, was bei der Entstehung und Entwicklung dieser POG-Änderung aus dem Ruder gelaufen ist. Wir haben im Ausschuss ausdrücklich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesnovellierung gestellt. Wir haben Herrn Mertin gefragt, ob im Bereich des Späh- und Lauschangriffs der Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit vor allem in Bezug auf das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung gewahrt ist.
Herr Mertin hat damals die Auffassung vertreten, dass die Regelung über den Großen Lauschangriff einer
verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten wird und besonders dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen würde. Er sagte sogar ganz klar in der schriftlichen Antwort: „Jede einzelne Befugnis des Gesetzentwurfs wurde auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft und diese bejaht.“
Meine Damen und Herren, es ist schon schlimm, dass dieser Justizminister, der über die Einhaltung der Verfassung und über unsere Grundrechte wachen soll, in seiner Einschätzung so versagt hat.
Da dieser Minister aus einer Partei kommt, die sich früher einmal Bürgerrechtspartei nannte, wird sehr deutlich, dass wir da nicht mehr auf die FDP zählen können. Da es dieser Regierung selbst nach ihren vielen Nachbesserungen nicht gelungen ist – es gab viele Nachbesserungen zu diesem Bereich –, das rheinland-pfälzische POG verfassungsfest zu machen, wird deutlich, dass der Schutz der Verfassung und der Grundrechte nicht in besonders guten Händen liegt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als wir den Antrag der GRÜNEN auf dem Tisch liegen sahen, wussten wir natürlich, welche Rede heute gehalten wird. Sie haben heute keine neue Rede gehalten, sondern diese Rede haben wir schon mehrfach gehört.
Frau Kollegin Grützmacher, es überrascht niemanden, dass Sie sich an Herrn Minister Mertin und insbesondere an der FDP abkämpfen.
Es ist auch nicht ganz neu, wie Sie mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umgehen. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie die 141 Seiten gelesen haben. Wer 141 Seiten schreibt, tut sich wirklich schwer mit der Entscheidung.
Das trifft auf die beiden abweichenden Voten nicht zu. Die benötigten zehn Seiten für die Begründung ihres
abweichenden Votums. Daher hat meiner Meinung nach das Bundesverfassungsgericht es sich nicht ganz einfach gemacht, die Entscheidung so zu treffen, wie es sie getroffen hat.
Man muss aber sagen, der Grundrechtseinschränkung in Artikel 13 Abs. 3 ist ausdrücklich die Verfassungsmäßigkeit bescheinigt worden. Man darf also grundsätzlich solche Überwachungsdinge machen.
Die Frage ist doch, ob die Ausführungsmittel so ausgefallen sind, dass nicht über das, was in der Verfassung bestimmt ist, hinausgegangen worden ist. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, dass es der Auffassung ist, dass man das gemacht hat.
Sie haben fast von einem Notstand gesprochen. Das Bundesverfassungsgericht ist ein weises Gericht. Es hat gesagt, bis zum 30. Juni 2005 muss der Bund – nicht die Länder, das vermischen Sie auch immer wieder – die Strafprozessordnung so ändern, damit sie den Anforderungen entspricht, die das Bundesverfassungsgericht an dieses Gesetz stellt. Insofern ist die Eilbedürftigkeit wohl nur begrenzt vorhanden. Wir haben wirklich Zeit, um uns in Ruhe mit der Frage zu beschäftigen, an welchen Stellen unser Gesetz, das vor wenigen Tagen in Kraft getreten ist, Probleme aufwirft, die aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts zu ändern sind.
Nachdem das Gericht die Entscheidung verkündet hat, haben wir sofort den Wissenschaftlichen Dienst beauftragt, uns eine Expertise darüber vorzulegen, an welchen Punkten nach seiner Auffassung das Gesetz zu ändern sei. Es sind nur ganz wenige Punkte betroffen. Sie blasen das als ein Ding auf, dass es schon fast lächerlich ist.
Das sind wichtige Punkte. Es geht aber gar nicht um das ganze Gesetz, sondern es geht um einen Paragraphen, nämlich um den § 29, und dabei im Grunde genommen um drei Fragen.
Ja, die §§ 28 und 29. Dabei geht es im Grunde genommen um drei Fragenbereiche. Es geht darum, ob in diesen Paragraphen der vom Bundesverfassungsgericht angesprochene Kernbereich, in den durch Abhöraktionen nicht eingegriffen werden kann – das stimmt auch nicht ganz –, bei uns in ausreichender Weise geschützt ist. Dahinter kann man sicherlich ein Fragezeichen setzen. Für Personen mit besonderen Amts- und Berufsgeheimnissen haben wir diesen absoluten Schutz geschaffen. Dies werden wir wohl auch für den Bereich der Familienangehörigen übernehmen müssen. Das Bundesverfassungsgericht sagt nicht, dass die Wohnung sakrosankt ist,
sondern es sagt nur, dass beispielsweise Familien die Möglichkeit haben müssen, sich in einem Bereich zu unterhalten, der nicht von Lauschaktionen erfasst wird. Das gilt aber dann nicht, wenn Verbrechen verabredet werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gesagt. Das erwähnen Sie aber überhaupt nicht. Das ist ganz typisch für Sie.
Frau Kollegin Grützmacher, es geht doch nicht darum, dass wir als Parlament das belauschen wollen, was die Menschen offen in ihren Zimmern besprechen. Uns geht es darum, dass dort keine schweren Verbrechen verabredet werden.
Damit bin ich beim nächsten Punkt angekommen. Das Bundesverfassungsgericht hat einen Katalog von Bereichen aufgelistet, in denen diese Abhörmaßnahmen zulässig sein sollen. Es sagt, die Höchststrafe muss mehr als fünf Jahre betragen. Das ist die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts.
Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, ob das in gleicher Weise gelten muss, wenn man vorbeugend tätig wird.
Man muss natürlich darüber nachdenken, ob dann die gleichen Maßnahmen gelten oder ob dann nicht ein anderer Maßstab gilt; denn dort geht es um die Verhütung von Schaden an Leib und Leben von Menschen. Das ist möglicherweise ein höheres Rechtsgut als die Strafverfolgung durch den Staat.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es kommt nicht so oft vor, dass Herr Pörksen und ich deckungsgleich argumentieren, aber ich kann all das, was er gesagt hat, unterstreichen. Ich unterstütze auch das Vorgehen, das noch einmal überprüfen zu lassen, weil es wirklich um Detailregelungen geht.
Ich muss es ernsthaft verurteilen, wenn man eine solche Rede zu einem Gesetz hält, das wir gemeinsam mit großer Mehrheit verabschiedet haben, und wenn man
Ich habe Ihnen schon in den Beratungen zum POG vorgeworfen, dass Sie die Gutachten, die Sie beantragen, auch lesen sollten und richtig sagen müssen, was in ihnen steht.
In Ergänzung dessen, was Herr Pörksen gesagt hat, will ich nur noch eine Sache anführen. Sie haben im Rechtsausschuss ein Gutachten beantragt, über das Sie den Justizminister zum Zusammenspiel der Staatsanwaltschaften und der Polizei in bestimmten Bereichen befragt haben. Da ist es insbesondere um die Prävention gegangen. Generalstaatsanwältin Reichling, die in diesem Zusammenhang unverdächtig ist, hat darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Prävention – beim POG geht es um die Prävention – sagt, dass das ein Rechtsgut im Sinne der Verfassung ist, das höher zu bewerten ist als zum Beispiel ein Grundrechtseingriff, wie er in diesem Fall zur Debatte steht.