Weshalb können wir nicht mehr so tun, als könnte sich Deutschland oder als könnten wir uns insgesamt vor diesem Thema schützen oder drücken? Weltweit ist der Anbau – es gibt übrigens Erfahrungen mit dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen – beträchtlich. Der Anbau von Soja, Baumwolle oder Mais wird in vielen Teilen der Welt seit einigen Jahren praktiziert. Allein im Jahr 2002 wurden weltweit mehr als 58 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche vorwiegend in den USA, Argentinien, China und auch in Südafrika mit diesen Pflanzen bestellt.
Frau Kiltz, es ist nicht so, dass nur, wie Sie vermuten, die Großagrarindustrie, wie es sie in Nordamerika gibt, die Gentechnik anwendet, sondern es sind in vielen Ländern, gerade auch in Asien, kleine Bauern.
Die Flächen, die ich eben genannt habe, sind Realität. Die Flächen, die ich eben genannt habe, machen mehr als das Dreifache der gesamten deutschen Ackerbaufläche aus.
38 Millionen Tonnen Soja werden in die Europäische Union importiert. 60 % davon sind nicht gentechnikfrei. Nur 500.000 Tonnen sind gentechnikfrei. Wenn man das alles mit in Betracht zieht, muss es in der Debatte heute darum gehen, wie wir für die Verbraucherinnen und Verbraucher den größtmöglichen Schutz und eine größtmögliche Transparenz gewähren können und wie wir umgekehrt auch der Landwirtschaft die Entscheidungsfreiheit geben können, wie sie auf ihrem Eigentum und auf ihren Flächen in der Zukunft produzieren will.
Frau Kiltz, es gibt vieles, was ich in Ihrer Argumentation sympathisch finde. Ich gehöre auch nicht zu denjenigen, die die platte Botschaft – so hat es Herr Dr. Geisen sicherlich nicht gemeint – unterschreiben würden, dass mit der Gentechnologie der Hunger in der Welt behoben werden könnte. Hier stehen mehr die politischen Fragen als die der Gentechnologie im Mittelpunkt.
Frau Schneider, es ist nicht so, dass nur die Landesregierung eine Bringschuld hätte. Ich habe die herzliche
Bitte und einen Appell an die Wirtschaft, in ihrer eigenen Öffentlichkeitsarbeit mit seriösen Argumenten zu kommen und nicht mit Botschaften, die sehr schnell hinterfragt werden können und manchmal eher skeptisch machen, als dass sie wirklich aufklärend wirken.
Frau Kiltz, Sie kennen sich sehr gut aus und wissen, wie man argumentiert, um Ressentiments zu wecken. Ich kann Ihnen nicht bestätigen, dass sich das Versprechen nicht bewahrheitet hätte – ich habe es mitgeschrieben –, dass aufgrund von Gentechnologie weniger Pflanzenschutzmittel gebraucht würde. Ich verfolge diese Debatte auch wissenschaftlich sehr genau. Ich habe bei uns nachgefragt. Wir können dies aufgrund unserer Erkenntnisse nicht bestätigen.
Sie haben die Probleme der Allergien angesprochen. Ich habe den Eindruck – ich sage das auch als Medizinerin –, dass man immer mit Allergien kommt, wenn man einen Stoff nicht will.
Wir leben nun einmal in einer industrialisierten Gesellschaft. Wir diskutieren – teilweise zu Recht – genauso das Thema „Allergien“ bei konventionellen Pflanzenschutzmitteln, die nicht gentechnologisch hergestellt werden. Wenn Sie sagen, jetzt kommen die Allergien durch die Gentechnologie, ist das insofern nicht redlich, weil insgesamt jeder Stoff ein Potenzial hat, allergen zu wirken.
Redlich und richtig ist es, wenn Sie sagen, die Summe der Stoffe, denen der Mensch nun einmal ausgesetzt ist, führt dazu. Es gibt aber viele andere Faktoren, die auch dazu führen könnten.
Sie haben auch gesagt: „Wir wissen, dass Pollen weiter fliegen.“ – Ich finde, Frau Künast ist ehrlicher. Ich habe sie auf der Eröffnung der „Grünen Woche“ diesbezüglich gehört. Frau Künast sagt ganz klar: Wir sind mitten drin in einem Prozess und auf dem Weg, dass wir über Importe oder den Anbau grüne Gentechnik in Deutschland bekommen werden.
Wir können es nicht verbieten. Deswegen setzt sie sich sehr konsequent in dem Gesetzentwurf mit den dafür notwendigen Regelungen auseinander. Indem man hier suggeriert, man müsste die Gentechnik ablehnen, weil der Pollenflug weiter als gedacht ist, ist das Thema nicht abgehakt. Natürlich wissen wir das. Ich weiß, dass Sie zum Beispiel auch den Raps ansprechen. Das Problem ist nicht die Tatsache, dass die Pollen weiter fliegen, sondern dass wir bis heute keine Koexistenzregelungen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will das mit einer klaren Botschaft verbinden. Die Landesregierung unterstützt die Novellierung des Gentechnikgeset
zes, weil sie ganz wesentliche Fragen, die in diesem Zusammenhang angesprochen worden sind, wie zum Beispiel den Verbraucherschutz, die Transparenz, die Koexistenz und die Haftungsregeln, meines Erachtens vom Grundsatz her auch ausgewogen regelt.
Wenn man genau liest, lässt sich ein Widerspruch zwischen dem Antrag der GRÜNEN und Frau Künast feststellen. Auch der Gesetzentwurf der Regierung sieht als Gesetzeszweck die Förderung der Gentechnik vor. Das wissen Sie.
Doch, die Förderung der Gentechnik steht drin. Frau Künast hat diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir müssen deutlich machen, dass es an der Stelle nicht nur darum geht, potenziellen Risiken rechtzeitig zu begegnen und klare Vorschriften zu entwerfen, was notwendig ist, bevor ein Produkt eingeführt werden kann – das ist der Hintergrund und das Ziel des Gesetzes –, sondern auch die Chancen nicht aus dem Auge zu verlieren. Es ist so, dass Frau Künast das wesentlich realistischer sieht, als das hier diskutiert wird.
Man mag über gentechnikfreie Zonen im Rahmen der Koexistenz diskutieren. Selbst ein Verzicht auf gentechnisch veränderte Pflanzen in Deutschland würde nichts daran ändern, dass heute nach Erkenntnissen des BMVEL – das ist das Verbraucherministerium – bereits schätzungsweise 60 % bis 70 % der Lebensmittel auf unterschiedliche Art und Weise mit der Gentechnik in Berührung kommen. Es ist ein Gebot der Ehrlichkeit, auf diesen Umstand hinzuweisen und keine unrealisierbaren Hoffnungen zu wecken.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung verfolgt das Ziel, eine sichere Koexistenz zu ermöglichen, aber auch die Chancen der Gentechnik im Auge zu behalten. Unser Anliegen ist, die Sicherheit und Verträglichkeit der konventionellen, ökologischen und gentechnischen Kulturformen soweit wie möglich zu gewährleisten.
Dies bedeutet, die Trennung der Anbauformen mit Blick auf das in der Praxis Mögliche zu organisieren. Dies wird eine Herausforderung darstellen; denn je nach Kulturpflanze und Vermehrungsverhalten – das ist der Unterschied zu der allgemeinen Behauptung, die Pollen würden weiter fliegen – müssen artspezifische Betrachtungsweisen zugrunde gelegt werden. Ich plädiere in dieser Diskussion auch dafür, die potenziellen Chancen nicht aus dem Auge zu verlieren oder sie von vornherein auszuschließen.
Es ist vorstellbar, dass eine bessere Anpassung von Nutzpflanzen an regionale Klimabedingungen, die sich momentan dramatisch ändern, versalzte und trockene Böden möglich ist. Auch eine verbesserte Resistenz gegen Schädlinge und die Einsparung von Pflanzenschutzmitteln ist zu nennen. Sie wissen doch sogar selbst – Sie sind doch fit –, dass auch im ökologischen Landbau Fungizide eingesetzt werden und werden müssen, weil es gar nicht anders geht. Auch dort könnte
Denken Sie an die Produktion wertvoller natürlicher Substanzen und Wirkstoffe, die auf andere Weise nicht in ausreichender Masse zugänglich sind. Dazu gehören zum Beispiel die Omega-3-Fettsäuren, die heute zu einer Ernährung gehören und die Herz-KreislaufErkrankungen vorbeugen. Heute sind sie nur begrenzt zur Verfügung zu stellen. Sie werden aus Fischöl gewonnen. Außerdem zählen dazu viele Vitamine, für die ein wachsender Bedarf besteht.
Ich möchte nur diese paar Produkte nennen, weil man durchaus ernsthaft überlegen muss, ob man nicht vor dem Hintergrund vernünftiger Anbaubedingungen über die Gentechnologie und die grüne Gentechnologie zu solchen Produkten kommen kann.
Meine Damen und Herren, es geht auch um die Wahlfreiheit für Verbraucher und Verbraucherinnen. Ab April gelten Kennzeichnungsbestimmungen. Sie werden damit diese Grundlage haben.
Lassen Sie mich zu einigen Punkten des Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch etwas sagen. Wir beginnen mit dieser Thematik nicht erst heute.
Frau Schneider, es ist nicht redlich, die Landesregierung anzugreifen, wir hätten nichts getan. Es ist schon mehrmals von Herrn Bauckhage in der Debatte auf die Anstrengungen des Zentrums für grüne Gentechnik in Neustadt hingewiesen worden. Es ist in vielen Bereichen beraten worden. Außerdem finden Gespräche mit der Landwirtschaft statt. Es ist nicht so, als würden wir erst heute mit der Überwachung beginnen, wie Sie es in einer Nummer – ich glaube es ist die Nummer 7 – dargestellt haben.
Wir haben im Übrigen gerade vor kurzem gentechnologisch veränderte Papayafrüche entdeckt und auch vom Markt genommen.
Ich will noch etwas zur Forderung, den Dialog zu führen, sagen. Wir sind gerade vor dem Hintergrund der Diskussion über die richtigen gesetzlichen und Verordnungsregelungen dabei, mit allen Verbänden Gespräche zu führen. Das findet zurzeit statt. Es sind natürlich auch Industrieverbände, Bauern- und Winzerverbände, Gewerkschaften, Naturschutz- und Verbraucherverbände. Wir werden diesen Dialog fortsetzen.
Noch etwas zu der Forderung nach gentechnologisch freien Zonen. Es ist vollkommen klar, auf freiwilliger Basis – das habe ich auch auf eine Anfrage von Ihnen
dargestellt – ist das durchaus möglich. Das entspricht im Übrigen auch dem Recht, über sein Eigentum zu verfügen und auch selbst zu entscheiden, was man anbaut. Es ist vollkommen klar, dass es auch Zusammenschlüsse privater und freiwilliger Art geben kann, sodass man auch zu gentechnologisch freien Zonen kommen kann. Die Landesregierung wird auch sicherlich – das wird auch über die Dienstleistungszentren ländlicher Raum passieren – eine Beratung vor Ort vorgeben. Es wird niemanden in der Landesregierung geben, der so etwas unterbindet. Es ist auch mit Herrn Kollege Bauckhage abgestimmt, dass man auch die Landwirte, wenn sie dies wollen, beraten wird. Hier gibt es kein Vertun.
Es ist aber ein Unterschied, ob Sie unter Nummer 9 wieder fordern, dass man gentechnologisch freie Zonen auf dem Verordnungsweg oder politisch festlegen sollte. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: das wird rechtlich nicht möglich sein. Das ist EU-rechtlich heute nicht mehr möglich.
Frau Künast weiß es auch. Deswegen legt sie auch einen anderen Gesetzentwurf in dieser Hinsicht vor. Nichts gegen freiwillige Zusammenschlüsse, weil dies auch aus Sicht der Landwirte ein Angebot an die Verbraucher und Verbraucherinnen sein kann, mit bestimmten Produkten auch den Markt zu bewerben. Dies ist zulässig und wird von uns sicher nicht unterbunden. Eine Beratung wird stattfinden.
Frau Schäfer, zweimal. Dafür bitte ich um Entschuldigung. Ich habe Sie schon zweimal mit „Frau Schneider“ angesprochen.
Frau Schäfer, es gibt keinen Dissens in der Landesregierung zwischen Landwirtschaftsministerium und Umweltministerium. Auch die Ausführungen, die ich zum Gesetzentwurf der Bundesregierung in diesem Punkt gesagt habe, dürften Ihnen das noch einmal belegen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen, dass es ein sehr sensibles Thema für Verbraucherinnen und Verbraucher ist. Es ist auch ein ökonomisch wichtiges Thema für die Landwirtschaft. Insofern ist auch in dieser Debatte jede Sensibilität vonnöten.