Protocol of the Session on July 9, 2003

Bad Kreuznach und Mitglieder des Gemeinderats Mündersbach. Herzlich willkommen im rheinlandpfälzischen Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Staatsminister Professor Dr. Zöllner das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Diskussion über Reformen steht auf der Tagesordnung, sei es die Rentenreform, sei es die Reform des Gesundheitswesen oder sei es die Reform der Arbeitsmarktpolitik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, all dies ist ohne Zweifel notwendig, damit wir mit den Problemen, die wir heute ohne Zweifel haben, fertig werden. Wir werden nach meiner festen Überzeugung die Probleme der Zukunft aber nicht bewältigen, wenn wir die Gesellschaft nicht dahin gehend zukunftsfähig machen, dass die Bereiche von Bildung und Wissenschaft, die letztlich dafür sorgen, dass die Probleme von morgen effektiv und besser gelöst werden, entsprechend ausgebaut werden. Deshalb ist es so wichtig, dass wir eine Diskussion führen, wie wir sie heute führen, nämlich über die Struktur des Hochschulsystems, das letztlich über die Struktur unserer gesamten Gesellschaft in der Zukunft entscheiden wird.

Wenn die Hochschulen und die Wissenschaft diese Aufgabe erfüllen können, müssen sie in ihren Strukturen dahin gehend weiterentwickelt werden, dass sie – wie von allen letztlich gesagt – handlungsfähiger werden, aber dass sie letztlich dabei auch die andere Seite der Medaille mit übernehmen, nämlich die Verantwortung für die Entscheidungen, die sie für sich selbst und die gesamte Gesellschaft treffen. Das ist das, was man allgemein als Weiterentwicklung der Autonomie der Hochschulen bezeichnet.

Zum Zweiten darf kein Zweifel daran bestehen, dass sie ihre Aufgaben in einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung erfüllen. Wir haben nicht Hochschulen um ihrer selbst willen, sondern wir brauchen diese Hochschulen für die Gesellschaft.

Zum Dritten muss klar werden, dass der zentrale Bereich von Lehre und Studium sowohl in Verantwortung der Studierenden als auch der Lehrenden ernster genommen werden muss, als das heute der Fall ist.

Unter diesen Leitlinien hat die Landesregierung eine Novelle des Hochschulgesetzes vorgelegt. Ich bin tatsächlich der festen Überzeugung, dass wir letztlich auch durch die Diskussion in diesem Parlament einen qualitativen Sprung in all diesen drei Bereichen nach vorn getan haben.

Ich will jetzt nicht noch einmal nummerisch alle Änderungen, die sich unter diesen Überschriften zusammen

fassen lassen würden, aufzählen. Das ist zumindest der erste Fall, dass ich Applaus bekommen könnte.

(Beifall der SPD, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Zurufe von der CDU)

Ich will aber zumindest zwei oder drei Beispiele nennen, um bewusst zu machen, um was es geht. Hochschulen, die in Zukunft Eigenbetriebe bilden können, Hochschulen, deren Haushalt aus dem Landeshaushalt ausgegliedert werden können, Hochschulen, in denen Präsidenten Leitungsverantwortung tragen, die eben nicht nur auf Beschluss des Senats, sondern in Eigenverantwortung die Verantwortung für die Mittel tragen und die in der Lage sind, das Einkommen von Professoren zu beeinflussen,

(Beifall der SPD)

werden andere Hochschulen sein.

Ich bin der festen Überzeugung, dass dies notwendig ist.

Meine Damen und Herren, Hochschulen, in denen Leistungsverantwortungsträger auch abgewählt werden können, werden andere Hochschulen wie die bisherigen sein. Dieses gehört auch zur Seite der Medaille, Verantwortung zu übernehmen.

Meine Damen und Herren, es werden andere Hochschulen sein, in denen nicht derjenige zum Dekan gewählt wird, der als Letzter berufen wurde, weil er noch nicht einmal die Geschäftsgänge kennt und damit die Kreise der Kolleginnen und Kollegen nicht stören kann, und die Universitäts- und Fachhochschulleitung Einfluss auf diejenigen nehmen kann, die ausgewählt werden.

Es werden andere Hochschulen sein, in denen es nicht mehr möglich ist, dass derjenige zum Präsidenten gewählt wird, der verspricht, in Zukunft möglichst viel in seinem Forschungsfach zu verbleiben und sich möglichst wenig um übergeordnete Leitungsverantwortung insgesamt zu kümmern.

(Beifall der SPD und der FDP)

Dieses ist in Rheinland-Pfalz nicht vorgekommen und wird nicht vorkommen. Ich habe mir sagen lassen, dass es im Prinzip denkbar ist. Das sind nur wenige Beispiele, die diesen Paradigmenwechsel verdeutlichen.

Im zweiten Bereich der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung lässt sich ein Punkt aufzeigen, der in der öffentlichen Diskussion aus meiner Sicht leider fast keine Rolle gespielt hat. Er bedeutet eine völlig veränderte Welt in Bezug auf die Verantwortung, die Hochschulen in der Gesellschaft haben, und zwar die Etablierung von dualen Studiengängen als gleichberechtigtes Studienangebot neben Bachelor und Master. Zum ersten Mal wird den Hochschulen klar vorgegeben, dass sie in Abstimmung mit Außenstehenden, mit Vertretern aus der Wirtschaft, seien es Gewerkschaften oder Unter

nehmer, für die Abnehmerseite Studiengänge zu konstruieren und vorzulegen haben.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Einverstanden! Einverstanden!)

Meine Damen und Herren, es ist im klassischen Sinn des Autonomieverständnisses der Hochschule ein Unding, dass die Entscheidungen über die Einrichtung dieser Studiengänge und ihre Ausgestaltung praktisch zur Hälfte von Leuten getroffen werden, die nicht den Hochschulen angehören. Dieses ist eine neue Welt gesamtgesellschaftlicher Verantwortung.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich wähle ganz bewusst das in der Öffentlichkeit strittige Vorhaben der Studienkonten, und zwar als Beleg dafür, dass es ein Weg ist, verantwortungsvoll den Stellenwert von Lehre zu erhöhen und letzten Endes die Verantwortlichkeit der beiden daran Beteiligten, nämlich der Studierenden und der Professorinnen und Professoren, zu steigern. Es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass es einen großen Konsens – möglicherweise nicht bei allen – gibt, dass wir ein Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss ohne die Risiken der Belastung durch Zahlungen gewährleisten müssen.

Meine Damen und Herren, wir wissen, dass es Studierende gibt, die Plätze belegen, letztendlich nicht studieren und sie dadurch den anderen wegnehmen. Wir wissen auch, dass es die Aufnahmekapazitäten für Studiengänge gibt, in denen nur 40 junge Menschen den Studiengang antreten dürfen. Nach 14 Tagen sind nur noch 14 Studierende im Kurs. Die anderen stehen leer, weil man es sich leisten kann zu sagen: Vielleicht oder vielleicht auch nicht. Einmal komme ich, einmal komme ich nicht. – Dieses ist kein verantwortungsvolles Umgehen mit der Möglichkeit, die der Staat jungen Menschen gibt, eine Erstausbildung von hoher Qualifikation zu bekommen. Dieses müssen wir regeln.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir müssen es genauso regeln wie die Verantwortlichkeit von Professorinnen und Professoren, die deswegen an einer Hochschule sind, weil sie zu 50 % lehren sollen, sonst könnten sie an ein Max-Planck-Institut gehen. Sie müssen es ernst nehmen, den Studiengang vernünftig zu organisieren, und dürfen das Geld zum Betrieb ihrer Einheit nur dann bekommen, wenn sie es letzten Endes gut getan haben. Dieses erreichen wir über Studienkonten.

Frau Thomas, Sie wissen, dass es so ist und es keine Alternative gibt. Sie sollten dann auch den letzten Schritt tun und sich dazu bekennen und nicht darin zu flüchten, im Prinzip ja und nur wegen irgendwelcher Detailvorschriften nicht.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich bin froh und sage ohne Polemik, dass offensichtlich dieser Wechsel, der in Rheinland-Pfalz nicht erfunden worden ist – es wird aber versucht, diesen im Sinn der

Weiterentwicklung konsequent zu gehen –, in diesem Parlament auf eine breite Zustimmung stößt.

Frau Kohnle-Gros, es ist offensichtlich so, dass Sie diese eigentlich wichtigen Dinge, die ich aufgezählt habe, entweder für richtig erachten oder aber keine Alternative haben. Sie haben keinen dieser Punkte angesprochen oder eine Alternative genannt. Sie konzentrieren sich darauf, dass möglicherweise etwas mehr im Gesetz geregelt werden sollte. Ich darf Ihnen versichern, dass wir der festen Überzeugung sind, dass sowohl das eine als auch das andere verfassungsmäßig zulässig ist. Ich meine aber – deswegen war der Vorschlag der Landesregierung so, wie er war –, dass wir auf der einen Seite nicht dauernd über die Jahrmärkte laufen und sagen können, unser Staat leidet daran, dass wir zu viel gesetzlich geregelt haben und völlig immobil sind, und auf der anderen Seite, wenn es konkret wird, immer die konkreten gesetzlichen Regelungen fordern.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Lassen Sie mich auf einen zweiten Punkt eingehen, den Sie mit der Kostenneutralität angesprochen haben. Auch dies ist kein inhaltlicher Punkt. Wir wissen genau, wie die Sache ist und um was es geht. Das wird keine Kosten verursachen. Zu den Studienkonten haben die Präsidenten etwas gesagt. Tatsache ist, dass die Studenten beraten werden müssen. Das war bisher schon die Aufgabe der Professoren. Ich gehe davon aus, dass sie es gemacht haben. Die Professoren müssen in Zukunft nachweisen, ob sie tatsächlich die Lehrveranstaltung gehalten haben. Das wird wohl nicht mehr Geld kosten, wenn sie ihre Arbeit verrichten.

(Beifall der SPD und der FDP)

Die Universitäten werden zum ersten Mal in diesem Land – möglicherweise in der Bundesrepublik – verpflichtet, wissenschaftliches Fehlverhalten, soweit sie es können, systematisch zu verhindern und dafür Regelungen zu treffen, wie es verhindert werden kann. Das ist keine Kostenbelastung, sondern aus meiner Sicht eine Selbstverständlichkeit, die sie mit den Ressourcen, die sie bisher schon gehabt haben, auch in Zukunft ohne weiteres tun können.

(Beifall der SPD und der FDP)

Lassen Sie mich zu dem einzigen inhaltlichen Punkt etwas sagen, den Sie vonseiten der CDU angesprochen haben. Sie wissen, dass mir gar keine andere Möglichkeit bleibt, wenn ich die Juniorprofessur einführen und den Weg in voller Überzeugung gehen will, die Habilitation nicht zu verbieten. Ich muss den Vorgaben des HRG folgen, obwohl auch ich in der Öffentlichkeit gesagt habe, dass ich darüber nicht glücklich bin. Ich halte es nicht für richtig, die Habilitation zu verbieten. Ich bin der Meinung, dass es Sache der Hochschulen ist, wie sie ihr System organisieren, die internen Qualifikationen zu zertifizieren. Wir können nicht sagen, der Staat soll sich überall zurückziehen, und in diesem Bereich machen wir Vorschriften.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Wenn ich diesen zentralen Punkt mache, muss ich in dem Detailpunkt der Juniorprofessur den Vorgaben des HRG folgen. Ich hätte nur die Möglichkeit gehabt, entweder das HRG nicht oder so wie in Niedersachsen umzusetzen, die die Regelung über Juniorprofessuren und Habilitation nicht gebraucht haben, weil sie die Habilitation generell verboten haben, was ich in diesem Land nicht machen wollte.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Bayern hat das HRG nicht umgesetzt. Es hat überhaupt keine Juniorprofessoren und nichts dergleichen. Bayern wird irgendwann vor diesem Problem stehen.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Frau Thomas, gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu einem Problembereich, von dem ich den Eindruck habe, dass wir tatsächlich unterschiedlicher Ansicht sind. Das ist der Bereich der Fachhochschulen. Ich darf Ihnen sagen, dass Sie mit Recht zitiert haben, dass ich mit den Empfehlungen des Wissenschaftsrats etwas zu tun habe. Ich darf Ihnen absolut versichern, dass der Wissenschaftsrat nicht das empfohlen hat, was Sie letztendlich tun, nämlich über die Hintertür das Promotionsrecht der Fachhochschulen einzuführen. Er hat nicht empfohlen, dass die wissenschaftlichen Mitarbeiter an den Fachhochschulen mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern an den Universitäten identisch sind, weil diese eine ganz andere Aufgabe an den Fachhochschulen haben. Er hat auch nicht empfohlen, vertiefende Studien für den wissenschaftlichen Nachwuchs und wissenschaftliche Mitarbeiter anzubieten.

Das heißt, dass man es so machen kann, wie Sie wollen. Dann müsste man aber ehrlicherweise sagen, dass man die Aufgabenteilung im deutschen Hochschulsystem an Fachhochschulen und Universitäten abschafft und nur noch einen Hochschultypus hat. Ich meine, das ist falsch. Deshalb müssen wir die Andersartigkeit auch beibehalten.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ein letztes Wort zu den Veränderungen, den Diskussionen und der Anzahl der Anträge auf den verschiedenen Entwicklungsstufen.

Frau Kohnle-Gros und Frau Thomas, das mag man alles so sehen, wie Sie das sehen.