Protocol of the Session on June 4, 2003

Danke schön.

(Beifall bei SPD und FDP)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Huth-Haage das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen seit Jahren mehr Chancengleichheit und versuchen jetzt, mit Gender Mainstreaming einen Prozess zu verankern, der sicherstellt, dass wir bei allen politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Vorhaben von vornherein den unterschiedlichen Lebenssituationen von Männern und Frauen Rechnung tragen. Also raus aus der Frauenecke, rein in die ganze Politik.

Gender Mainstreaming wird gern als Schlagwort benutzt, manchmal auch ein bisschen belächelt, so nach dem Motto: Heute schon gegendert? – Wir alle müssen dafür Sorge tragen, dass Gender Mainstreaming aber nicht zu einem Modewort verkommt. Es muss vielmehr deutlich werden, dass wir eine Kultur anstreben, bei der die Berücksichtigung der geschlechterspezifischen Interessen im Handeln so selbstverständlich und intuitiv erfolgt wie beispielsweise der Schaltvorgang beim Autofahren. So verstanden handelt es sich um ein gewaltiges Culturechange-Projekt, das, richtig umgesetzt, wesentlich besser funktionieren kann als die klassische Männer- und Frauenpolitik, die erst dann auf den Plan tritt, wenn es darum geht, bereits erfolgte Benachteiligungen abzubauen.

(Beifall bei der CDU)

Den Weg, den wir mit Gender Mainstreaming in Rheinland-Pfalz bislang gegangen sind, halten wir im Großen und Ganzen für gut und richtig.

(Beifall bei der SPD)

Schulung und Sensibilisierung der Führungskräfte sowie die Bestellung von Gender-Beauftragten zur Koordination verschiedener Aktivitäten sind sicherlich erste richtige Maßnahmen. Der sehr unterschiedliche Stand der Umsetzung in den verschiedenen Ressorts ist jedoch erklärungsbedürftig. Während nach Ihrem ausführlichen Bericht das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit noch daran arbeitet, den Aspekt „Gender Mainstreaming“ in das Leitbild zu integrieren, gibt es in anderen Ministerien bereits konkrete Handlungsanleitungen und Beauftragte. Etwas Schatten auf dem sonst so glänzenden Umsetzungsbericht der Landesregierung

wirft bei mir auch das Vorgehen der Landesregierung bei der Agrarverwaltungsreform, das nicht unbedingt mit der Philosophie von Gender Mainstreaming zu vereinbaren ist.

(Beifall bei der CDU)

Beginnen wir mit der Analyse der Situation. Befragt wurden offensichtlich die Betriebsleiter, überwiegend Männer, bezüglich ihrer Einschätzung der Arbeit der hauswirtschaftlichen Abteilung der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalten. Basierend auf dieser Umfrage wurden im Fachbereich „Ernährung und Hauswirtschaft“ 60 Stellen von Frauen gestrichen. Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, das Umfrageergebnis wäre anders ausgefallen, hätte man zusätzlich zu den Betriebsleitern auch diejenigen, die in den Kursen sind, die die Weiterbildung bei dieser Stelle wahrnehmen, befragt. Wir hätten sicherlich ein anderes Ergebnis bekommen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bei der Umsetzung von Gender Mainstreaming muss die Landesregierung mit gutem Beispiel vorangehen, auch bei den Reformen; denn es zählen nicht nur die Worte, sondern auch die Taten. Die Agrarverwaltungsreform ist in diesem Aspekt entweder ein Negativbeispiel, vielleicht zeigt sie uns auch die Grenzen von Gender Mainstreaming auf, was ich persönlich nicht hoffe.

Richtig ist, dass die Ressorts die modellhafte Umsetzung von Gender Mainstreaming in ausgewählten Projekten vorantreiben, um weitere Erfahrungen zu sammeln, zum Beispiel im Rahmen des Projekts „Zukunftsträume“, bei dem es darum geht, dass Jugendliche an den kommunalen Planungsprozessen, die sie unmittelbar betreffen, beteiligt werden. Es gibt auch das „Gendertraining-Projekt, Bausteine für ein Management betrieblicher Gleichstellungspolitik“. Das sind alles sicher sinnvolle Sachen.

Ich will mich an dieser Stelle aber nicht weiter mit den einzelnen Modellprojekten auseinander setzen, von denen aber auch das eine oder andere durchaus streitbar ist. Entscheidend finde ich die Frage, wie wir einen für alle merklichen Implementierungsfortschritt erreichen können. Das habe ich in Ihrem Bericht, Frau Ministerin Ahnen, zumindest als Ausblick ein bisschen vermisst. Die Umsetzung von Gender Mainstreaming ist für mich erst dann erfolgreich, wenn wir mit dieser Kultur Landesund Kommunalverwaltung vor Ort durchdringen und auch tief in den Bauch dieser Organisationen durchstoßen. Gerade die Verwaltungen vor Ort bestimmen unser Lebensumfeld.

Hierzu zwei konkrete Vorschläge:

Erstens. Die Modellprojekte aus möglichst vielen unterschiedlichen Bereichen müssten als einfache kurze Fallbeispiele aufgearbeitet werden, sodass man den Prozess „Gender Mainstreaming“ auch vor Ort vermitteln kann. Ganz wichtig fände ich in diesem Zusammenhang auch – der Kollege hat es eben angesprochen – Fallbeispiele zur Haushaltsfestlegung, Stichwort „Gender Budgeting“; denn viele Haushaltsentscheidungen, die auf

den ersten Blick neutral erscheinen, bekommen beim näheren Hinsehen ein Geschlecht. In Zeiten knapper Mittel werden häufig gestellte Fragen im Rahmen einer Gender-Budgeting-Analyse sein: Wer trägt denn die Lasten einer Einsparung? Sind es die Mädchen, sind es mehr die Jungen, die Männer oder die Frauen? – Wenn wir in Rheinland-Pfalz auf gender-gerechte Haushalte hinarbeiten, erreichen wir einen wichtigen Meilenstein beim Gender Mainstreaming, nämlich Chancengleichheit in wichtigen Lebensbereichen würde für einen Großteil der Menschen sichtbar gemacht. Bei der Erstellung eines gender-gerechten Haushalts würden alle Ressorts in den Prozess „Gender Mainstreaming“ einbezogen.

Meine Damen und Herren, durch Aufbereiten von Fallbeispielen durch entsprechende Broschüren und dem bisherigen „Top-down“-Vorgehen allein werden wir die Umsetzung aber nicht schaffen können. Für unser Projekt „Gender Mainstreaming“ können wir auch von den Erfahrungen von Unternehmen lernen. Viele Unternehmensinitiativen, beispielsweise Restrukturierungen oder Wachstumsprojekte, sind oder waren ausschließlich „Top-down“ angelegt. Das Ergebnis ist in vielen Fällen: Die Programme fanden keine Akzeptanz beim mittleren Management und bei den Mitarbeitern. Die Folge: Die Veränderungen wurden nicht gelebt, die Prozesse oftmals boykottiert. Vielen Unternehmen ist inzwischen klar: Die ehrgeizigen Ziele eines langfristig erfolgreichen Projekts können nur dann erreicht werden, wenn Führungskräfte und Mitarbeiter das nicht nur akzeptieren, sondern mit ihrer Energie und mit ihren Ideen auch dieses Projekt aktiv unterstützen.

Meine Damen und Herren, daher könnte ich mir zweitens ganz gut vorstellen, dass wir es ähnlich, wie es in vielen Bereichen bei der Qualitätssicherung praktiziert wird, eine Art Botschafter installieren, der den Kulturwandel in die einzelnen Organisationen und Verwaltungen trägt und im Rahmen von Workshops anhand der vorgenannten Fallbeispiele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Prozess „Gender Mainstreaming“ vertraut macht.

Sie könnten so einen Prozess in Gang setzen, bei dem die Mitarbeiter aktiv und selbstständig ihr Handeln an Gender Mainstreaming ausrichten.

Bei dieser Botschaft handelt es sich aber keineswegs um neu zu schaffende Stellen, sondern es sind motivierte Entscheidungsträger aus den Verwaltungen der Städte, Landkreise und Verbandsgemeinden, die diese neue Rolle als Teil ihrer Aufgabe begreifen.

Daneben gebe es eine weitere zentrale Instanz, zum Beispiel die Gleichstellungsbeauftragte, die auf die Qualität dieser Umsetzung ein Auge haben könnte. Ich denke, es ist aber ganz wichtig, diese Aufgabe nicht bei der Gleichstellungsbeauftragten zu installieren, weil das Ganze dann in eine gewisse Schublade gesteckt würde.

(Beifall der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssten lediglich in ein Schulungsprogramm für Botschafter investieren. Ich denke, das wäre eine gute Möglichkeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Verpflichtung zum Gender Mainstreaming haben wir eine gewaltige Aufgabe übernommen, die nur dann erfolgreich bewältigt werden kann, wenn wir einmal unkonventionelle Wege gehen, zumindest für politische Begriffe unkonventionell.

Wir sind als CDU-Fraktion dazu gern bereit, gemeinsam mit Ihnen diesen Weg zu gehen. Ich bin sicher, wenn wir unsere Ideen bündeln, dann kann Rheinland-Pfalz eine gute Rolle bei der Umsetzung von Gender Mainstreaming erreichen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall im Hause)

Es spricht Frau Abgeordnete Morsblech.

(Beifall der FDP)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich dachte eigentlich, ich könnte meinen Fraktionsvorsitzenden gendern und ihn zu dem Thema sprechen lassen, aber er hat sich letztlich doch nicht getraut.

(Heiterkeit im Hause)

Die Gründe lasse ich einmal dahingestellt.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gender Mainstreaming hat mittlerweile auf allen Ebenen Einzug gehalten. Der Bericht der Landesregierung hat beispielhaft klar gemacht, wie breit gefächert das Engagement im Gender Mainstreaming mittlerweile zur Anwendung kommt, aber auch, wie breit Probeläufe in bestimmten Modellen stattfinden. Die modellhaften Initiativen fand ich besonders spannend. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

Ich empfinde es immer noch als sehr diskrepant, wenn man sich mit Bürgerinnen und Bürgern unterhält, wie viele Initiativen es mittlerweile gibt und sich alle Ebenen damit beschäftigen, aber wenn Sie einmal jemanden außerhalb des Bereichs der betroffenen Beamtinnen und Beamten sowie Politikerinnen und Politiker fragen, dann wird es schon sehr eng mit denjenigen, die das Konzept des Gender Mainstreamings kennen, und denjenigen, denen man das nicht mehr erklären muss.

Ich denke, da haben wir nach wie vor noch ein Stück Arbeit vor uns, den Menschen das näherzubringen. Das mag aber auch nach wie vor immer noch am sperrigen Begriff liegen.

Positiv dabei finde ich besonders den Ansatz, zur Herstellung der Chancengleichheit nicht die Frau als förderungswürdige Person oder die Frauen als förderungswürdige Personengruppe in den Vordergrund zu stellen,

sondern Chancengleichheit in ihrer Breite zu sehen und präventiv Beratungen, Programme und Maßnahmen auf ihre Chancengerechtigkeit gegenüber Männern und Frauen zu überprüfen.

Wenn ich den Bericht im Umsetzungsstand November 2002 mit dem vergleiche, was zwei Jahre vorher ungefähr als Ziel gesetzt wurde, dann hat sich zentral für mich noch eines gezeigt, was ich sehr überraschend fand: Dass es tatsächlich auch dazu beiträgt, dass wir Bereiche aufdecken, in denen es Ungerechtigkeiten gibt, die wir vielleicht ohne das Gender Mainstreaming in dieser Form nicht erkannt hätten. – Das halte ich für eine sehr positive Entwicklung.

(Beifall der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, der Bericht der Landesregierung hat gezeigt, dass sich offensichtlich alle Ministerien und die Staatskanzlei, die Koordinierung zur Chefsache gemacht hat, auf den Weg gemacht haben, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit diesem neuen Instrument vertraut zu machen und zahlreiche Maßnahmen konkret einzuleiten.

Die Überprüfung neuer Maßnahmen und Gesetze auf ihre Geschlechterrelevanz und die Ausrichtung des Berichtswesens und der Sammlung von Datenmaterial auf das Gender Mainstreaming sind dabei sicherlich auch im Vordergrund stehende Aspekte, die zunächst einmal eingeführt werden mussten und die auch in die bisher üblichen Handlungsabläufe integriert werden müssen.

Selbstverständlich ist Gender Mainstreaming offensichtlich auch in den Bereichen, in denen EU-Mittel fließen, weil man in diesen sehr viel früher angefangen hat, Gender Mainstreaming an die Förderabläufe zu koppeln. Daran sieht man, dass es offensichtlich funktioniert.

Man sollte dabei nur darauf achten, dass es zielgerichtet und effizient im Verwaltungsablauf vonstatten gehen muss, damit es sich irgendwann selbstverständlich in Arbeitsabläufe integrieren lässt, sich um einen integrierten Bestandteil handelt und nicht um einen zusätzlichen bürokratischen Sonderaufwand, der immer wieder mit Widerwillen wahrgenommen wird. Ich denke, es ist wichtig, dass man das bei der Umsetzung nach wie vor beachtet.

Es ist deshalb ein guter Ansatz, der sich im Bericht gezeigt hat, dass die einzelne Maßnahme zur Verankerung des Gender Mainstreamings in den Ressorts sehr unterschiedlich aussehen kann, um dort – je nachdem – zentral oder dezentral den Ansatz an den Aufgaben und an den Strukturen des jeweiligen Hauses orientiert möglichst praktisch zu verankern. Ich denke, man ist den richtigen Weg gegangen.

Meiner Meinung nach vermittelt der Bericht insgesamt einen guten Eindruck. Ich würde gern noch auf einzelne modellhafte und innovative Ansätze eingehen.

Ich fand es beispielhaft, sich die Beurteilungskriterien bei den Beamtinnen und Beamten anzusehen, und zwar in Hinsicht darauf, ob man Menschen, die in einer Teilzeit

stellung arbeiten, bei den Bewertungskriterien, bei den Beurteilungskriterien hinterher diskriminiert. Ich denke, das sind Ansätze, die lassen sich vielleicht hinterher in dem einen oder anderen Fall auf andere Bereiche und vor allem auf die Wirtschaft übertragen.