Protocol of the Session on December 5, 2002

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Weil ich weiß, dass der Minister nur noch wenig Zeit hat und der charmante Kollege Wirz gern noch zu seiner Mittelstandsförderung kommen möchte, will ich konsensfähige pädagogische Feststellungen heute weglassen, die Einleitung auch, und komme gleich zur Sache.

Zuerst einmal hat mich Herr Kollege Keller doch wieder einmal provoziert. Wenn Sie wirklich einmal zur Sache kämen und realistisch und praktisch wären, dann würden Sie einmal in die Mainzer Kindergärten schauen. Von der Universität wurde eine Erhebung vorgenommen. Danach leiden auch 20 % der deutschen Kinder, die sich in den Kindertagesstätten befinden, an Sprachstörungen. Dann schaue ich mir einmal Ihre anderen Anträge an. Dann ist es nicht mehr stimmig,

(Zuruf des Abg. Keller, CDU – Unruhe im Hause)

weil Sie auf der einen Seite – hallo, können Sie einmal gerade zuhören – fordern, dass wir möglichst zweisprachig auch im Kindertagesstättenbereich in den Grenzgebieten, zu Frankreich beispielsweise, fördern und dort die Zweisprachigkeit hochheben möchten, und am besten für alle. Da machen wir immer zu wenig. Wenn wir dann bei Zweisprachigkeit auf ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Sprachen, die Sie vielleicht nicht so mögen, kommen, dann sehen Sie die Sache gerade anders herum. Da finde ich es doch sehr schwierig. Da muss man differenzieren. Es gibt sicherlich auf beiden Seiten Sprachdefizite, auch bei den deutschen Kindern. Dies muss man sinnvoll und differenziert aufgreifen. Da finde ich diese Pauschalisierung nicht besonders günstig.

Die Landesregierung hat auf die PISA-Studie sehr umfassend reagiert. Im Übrigen, wenn wir dem CDU-Antrag gefolgt wären, dann hätten wir jetzt auch nicht mehr Geld, es sei denn, wir hätten den muttersprachlichen Unterricht abgeschafft und die Mittel in die Deutschförderung gesteckt. Das wollen wir eben nicht.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich versuche, in knappen Stichpunkten auf die Reaktion der Landesregierung einzugehen.

(Zuruf des Abg. Wirz, CDU)

Zum einen werden neue Bildungsstandards mit den Trägern für die Kindertagesstätten erarbeitet. Diese Bildungsstandards sollen auch besonders – – –

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich möchte die Stellungnahme der FDP-Fraktion, nicht der Landes- regierung hören!)

Die FDP-Fraktion begrüßt aber, was die Landesregierung in diesem Punkt macht.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Wir haben außerdem arbeitsteilig beschlossen, dass die Frau Kollegin Spurzem ihren Beitrag leistet und die Maßnahmen wegläßt, damit ich mich auf diese beschränken kann.

Ich denke, diese müssen deutlich gemacht werden, weil sie zeigen, dass in ihrem Antrag Dinge stehen, mit denen wir konform gehen und bei denen sich schon vieles im Fluss befindet.

Wir haben im Vorfeld gesagt, dass wir den Antrag nicht schlecht finden, aber es besteht das Problem der Haushaltsrelevanz, auf das ich später noch zu sprechen komme.

Die Erarbeitung neuer Bildungsstandards für den Kindertagesstättenbereich ist mit einem besonderen Akzent auf Sprachförderung im Gang.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Elternarbeit spielt bei den Verhandlungen der Landesregierung im Arbeitskreis mit den Trägerinnen und Trägern eine besondere Rolle.

Zum Dritten wird dabei ein besserer Übergang von der Kindertagesstätte in die Grundschule intensiv berücksichtigt. Es handelt sich um Punkte, die im Antrag stehen und die sicherlich für die regierungstragenden Fraktionen und für die Landesregierung von besonderer Bedeutung sind.

Es wird sicherlich Konsequenzen für die Aus- und Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern geben. Das ist in Ihrem Antrag so nicht enthalten. Dass wir diesbezüglich Konsequenzen ziehen müssen, glaube ich.

(Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Wir sind ebenfalls der Meinung, dass das Beherrschen der Muttersprache wichtig ist, es aber schon in den Kindertagesstätten darauf ankommt, dass erst einmal Deutsch gelernt werden muss,

(Zuruf des Abg. Keller, CDU)

weil sonst bei Eintritt in die Grundschule vielleicht keine oder nur sehr unzureichende Deutschkenntnisse vorhanden sind, weil die Kinder in der Kindertagesstätte zum Teil das erste Mal mit der deutschen Sprache konfrontiert werden, wenn sie in ihrer Ursprungsfamilie kein Deutsch gesprochen haben.

Deshalb gibt es dort einen besonderen Schwerpunkt mit mittlerweile 81 Deutschförderkursen und parallel dazu Elternkurse, wo es möglich ist.

Bereits heute sind 230 Erzieherinnen und Erzieher ausländischer Herkunft oder Aussiedler in den Kindertages

stätten angestellt, um interkulturelles Lernen zu fördern. Das ist schon ein Datum. Auf diesem Weg wollen wir weitergehen.

Man sieht dabei, dass wir nicht weit auseinander liegen. Diese werden mit einem erhöhten Zuschuss aus Landesmitteln gefördert. Ich denke, das wissen sie alles.

Wir möchten diese Ansätze fortführen. Die FDP-Fraktion hat eine Große Anfrage zum Thema „Sprachförderung“ eingebracht, gerade im Hinblick auf Migration. Uns ist dieses Thema sehr wichtig.

Wir wollen systematisch wissen, wie es von der Kindertagesstätte nach oben weitergeht, wie die Eltern mit einbezogen werden, wie man künftig die Schnittstellen und die Übergänge von einer Schule in die andere oder von der Kindertagesstätte in die Schule optimieren kann.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wir müssen diesen Antrag leider ablehnen, weil uns die Systematik und das systematische Herangehen wichtiger ist.

Sie wissen, dass wir bei dem Nachtragshaushalt, der jetzt in Planung ist, nicht an den Bildungsetat herangegangen sind. Wir können das Geld auch nicht übermäßig vermehren und schon gar nichts fordern, was mit einem finanziellen Mehrbedarf verbunden ist. Deshalb müssen wir den Antrag leider ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und der SPD)

Für die Landesregierung hat Herr Staatssekretär Professor Dr. Hofmann-Göttig das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bekenne freimütig, dass ich Herrn Keller immer sehr gern reden höre, weil es einen hohen Unterhaltungswert hat

(Lelle, CDU: Und weil er Recht hat! – Zuruf von der CDU: Ein netter Staatssekretär!)

und ich immer wieder neidvoll zur Kenntnis nehme, wie er es schafft, mit einer inneren Überzeugungskraft aufzutreten, dass alle Probleme gelöst wären, wenn man es nur so gemacht hätte, wie er es vor einem Jahr schon einmal vorgeschlagen hat.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Herr Keller, im vorliegenden Fall sind Sie mit dieser Strategie, jedenfalls mit dem Vorwurf, wir hätten keine Konsequenzen aus PISA gezogen, allerdings auf dem falschen Bein erwischt worden.

Der entscheidende Punkt im Kindergartenbereich besteht darin, dass wir nicht notwendigerweise in den letzten 12 Monaten etwas unternehmen mussten, weil wir in den letzten Jahren reichlich gehandelt haben.

(Beifall der SPD und der FDP – Lelle, CDU: So heil ist die Welt in Rheinland-Pfalz auch nicht!)

Herr Keller, ich habe Verständnis dafür, dass die Opposition die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen zu kritisieren hat. Es ist aber eine Tatsache, dass wir 1991 zugegebenerweise ein gutes Gesetz zur Kindertagesstättenverordnung vorgefunden hatten, daraus aber in den letzten 11 Jahren das Entscheidende erst gemacht wurde mit der Situation, dass wir heute neben Baden-Württemberg das einzige Bundesland im Westen sind, das eine Vollversorgung gewährleistet hat. Das ist doch wohl eine Tatsache.

(Beifall der SPD und der FDP)

Herr Keller, wenn Sie sich bei der Gelegenheit ironisch auf die Schulter klopfen, will ich nur sagen, das ist alles andere als eine Bagatelle. Diesbezüglich haben die Kommunen, die freien Träger, aber auch mit Verlaub das Land unheimlich viel Geld in die Hand genommen, um so weit zu kommen, wie wir heute gekommen sind. Das verdient auch Anerkennung und Respekt, wie ich meine.

(Beifall der SPD und der FDP – Pörksen, SPD: Wie wahr! – Wirz, CDU: Das hat aber mit der Lufthoheit über den Kinder- betten nichts zu tun?)

Wir haben auch vor PISA bereits im Landtagswahlkampf erklärt, dass unser zentrales Projekt für die nun laufende Legislaturperiode der Ausbau der Ganztagsbetreuung, und zwar sowohl in der Schule als auch im Kindergartenbereich sein wird.

Nach PISA ist das in aller Munde. Wir sind in der glücklichen Lage, die Veränderung des Kindertagesstättengesetzes zwischenzeitlich nicht nur auf den Weg, sondern zur Rechtskraft gebracht zu haben. Seit dem 1. August dieses Jahres haben wir verstärkt materielle Anreize für mehr Ganztagsbetreuung auch im Kindergartenbereich.

Nach den Daten, die wir haben, können wir davon ausgehen, dass wir unser Ziel, zur Verdoppelung der Ganztagsplätze auch im Kindergartenbereich zu kommen, in dieser Legislaturperiode schaffen können.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)