Protocol of the Session on December 5, 2002

Oberstes Ziel unserer Offensive ist die qualitativ hochwertige, aber auch wirtschaftliche pflegerische Versorgung aller pflegebedürftigen Menschen in RheinlandPfalz. Als Reaktion auf die Erfahrungsberichte des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen hat der Landespflegeausschuss in einem ersten Schritt eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich unter Moderation meines Ministeriums mit den Ursachen der aufgezeigten Mängel befasst und Vorschläge entwickelt, wie diese zukünftig vermieden werden können.

Der Landespflegeausschuss – wir hatten heute Morgen schon einmal davon gesprochen – wird sich im Januar 2003 mit den Untersuchungsergebnissen der Arbeitsgruppe befassen und eine Handlungsempfehlung mit

Lösungsansätzen für die festgestellten Qualitätsmängel vorlegen. Gemeinsam mit dem Landespflegeausschuss entwickeln wir zurzeit Leitsätze für die Pflege in Rheinland-Pfalz. In diesen Leitsätzen soll ein gemeinsames Qualitätsverständnis aller Beteiligten zum Ausdruck kommen. Gleichzeitig sollen Wege für die dauerhafte Sicherung einer hochwertigen Pflege aufgezeigt werden.

Dabei geht es natürlich nicht darum, das, was in Gesetzen schon als Qualitätsanforderung festgeschrieben ist, zu wiederholen, sondern es geht darum, dass wir einen politischen Ausdruck gemeinsam dafür finden, was uns an der Pflege im Land wertvoll und wichtig ist und wie wir uns mit allen Beteiligten genau auf solche Grundsätze verständigen und einigen können.

Wir wissen, dass bereits heute viele Pflegeeinrichtungen eine hohe Qualität und Wirtschaftlichkeit auch bei hoher Zufriedenheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie der Kunden und Kundinnen erreichen. An diesen positiven Beispielen müssen wir uns orientieren. Das Ministerium wird deshalb gemeinsam mit den Einrichtungsträgern eine „Best-practice“-Konferenz konzipieren, in der sich beispielhaft ambulante und stationäre Einrichtungen sowohl privater als auch gemeinnütziger Träger präsentieren können. Mit dieser Konferenz, die voraussichtlich im Juni 2003 stattfinden wird, möchten wir allen die Möglichkeit geben, sich zu zeigen, aber auch voneinander zu lernen; denn wir haben sehr gute Beispiele hier im Land. Es kann für alle nur nützlich sein, wenn wir das auch in den entsprechenden Prozess integrieren.

(Beifall der SPD und der FDP)

An diese Konferenz soll sich dann ein „Best-practice“Prozess anschließen. Das heißt, in diesem Prozess sollen beispielhafte Strukturen und Prozesse in der Pflege herausgearbeitet werden und auch an andere Einrichtungen im Land weitergegeben werden. Eine Projektsteuerungsgruppe im Ministerium erarbeitet zurzeit die Ausgestaltung eines solchen Prozesses. Es soll also nicht nur bei der Präsentation der Projekte bleiben, sondern im Rahmen eines Prozesses sollen hilfreiche Unterstützungen dazu gegeben werden, wie man die eigene Einrichtung auch umorganisieren kann, um sie dann bestmöglichst zu führen.

Wenn ich über Qualität in der Pflege spreche, komme ich zwangsläufig auch zu dem Thema, über das man zurzeit in den Medien immer wieder liest, nämlich das Thema „Überbürokratisierung in der Pflege“. Dabei sind sich alle Beteiligten einig: Eine wirksame Qualitätssicherung ist immer mit gewissem administrativen Aufwand verbunden; denn sie erfordert Pflegeplanung, Pflegedokumentation und natürlich auch die Evaluation der Effektivität von Pflege.

Hinzu kommen noch administrative Tätigkeiten wie Betriebs- und Personalführung sowie Leistungsabrechnungen mit den Kostenträgern. Tendenzen zur Überbürokratisierung muss aber auch aus Sicht des Ministeriums entgegengewirkt werden. Es kann nicht in unserem Sinn sein, dass Menschen, die in der Pflege aktiv und tätig sind, sich am Schluss nur noch mit dem Dokumentieren befassen. Deshalb gibt es eine Arbeitsgruppe, die sich bereits damit auseinander setzt, welche Dokumentation

erforderlich und nützlich und welche vielleicht überflüssig und damit abschaffbar ist. Es ist auch unser Ziel, in der Art und Weise der Dokumentation, also wie sie geführt wird, praktische Hilfen und Unterstützung anzubieten.

(Beifall der SPD und der FDP)

Der Landesregierung ist bewusst, dass ein durchgehend hohes Qualitätsniveau nur mithilfe qualifizierter und motivierter Pflegekräfte erreicht werden kann. Deshalb richten wir unsere Qualitätsoffensive auch auf die beruflich tätigen Pflegekräfte aus.

Das Ministerium beobachtet die Fachkräftesituation in der Alten- und Krankenpflege schon seit langem sehr intensiv. Mit Ausnahme des Raums Ludwigshafen – darauf wurde heute Morgen schon hingewiesen – gab es bisher keinen ausgewiesenen Fachkräftemangel in der Pflege. Nun ist allerdings festzustellen, dass sich auch in anderen Landesteilen die Fachkräftesituation anspannt, insbesondere in den Einrichtungen der Altenpflege und bei den ambulanten Diensten.

Die Ursachen für den Fachkräftemangel in den Pflegeberufen sind sehr vielfältig: zum einen eine zu geringe gesellschaftliche Anerkennung der Tätigkeit von Altenpflegekräften, zum anderen die oftmals schwierige Arbeitssituation des Pflegepersonals, das erheblichen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt ist, schließlich eine zu undifferenzierte und nicht leistungsgerechte Vergütung der Pflegekräfte, die reformbedürftige Lage in der Ausbildung der Pflege, zu geringe bzw. nicht ausreichend bekannte Möglichkeiten zum beruflichen Aufstieg und zur persönlichen Weiterentwicklung. Auch der Mangel an fachpraktischen Ausbildungsplätzen in der Altenpflege und an Praktikaplätzen in der Pflege generell sind Ursachen und Gründe dafür, warum sich in der Pflegeausbildung ein geringeres Interesse entwickelt hat und wir in diesem Bereich sozusagen nicht wirklich mit dem Blick nach vorn orientiert sind. Deshalb ist es wichtig, dass wir diesem Bereich ein ganz besonderes Augenmerk widmen.

Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass die Landespflegekonferenz ein umfassendes Bildungs- und Fachkräfteoffensivpaket mit kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Maßnahmen entwickelt hat, um genau auf diese unterschiedlichen Ursachen Anworten zu finden. In diesem Sinn konzentrieren sich mehr als 20 Einzelmaßnahmen der Bildungs- und Fachkräfteoffensive insbesondere darauf, das Ausbildungssystem in der Pflege weiterzuentwickeln. Dazu gehören solche Punkte wie Neuordnung der Krankenpflegeausbildung, die Umsetzung des Altenpflegegesetzes, aber auch Modellprojekte wie wir sie jüngst eröffnet haben, zum Beispiel in Simmern und Bendorf.

Wir konzentrieren uns darauf, die Zahl der Praktika- und Ausbildungsplätze sowie der Schülerinnen und Schüler in der Pflege zu erhöhen. Dazu gehört zum Beispiel auch das Thema „Refinanzierung der Ausbildung im ambulanten Bereich“. Wir konzentrieren uns weiter in dieser Offensive, die Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte zu verbessern. Dazu zählt beispielsweise die Studie zur Arbeitssituation in der Pflege, die in Auftrag gegeben worden ist und von der wir heute Morgen ge

sprochen haben. Schließlich wollen wir die bestehenden Fachkräfteressourcen in Zukunft besser nutzen, das heißt, wir wollen Berufsrückkehrerinnen motivieren, wieder in die Pflege zurückzukehren. Wir wollen ausländische Pflegekräfte unterstützen, hier Arbeitsplätze zu finden. Wir wollen beispielsweise das Thema „Wie können Hauswirtschafterinnen stärker in den Pflegebereich integriert werden?“ aufgreifen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Neben diesem Schwerpunkt bildet ein weiterer Schwerpunkt der Qualitätsoffensive das Thema „Bessere Hilfen für Menschen mit Demenzerkrankungen“. Demenz ist die häufigste und folgenreichste psychiatrische Erkrankung im Alter. Das ist inzwischen bekannt. Die Zahl der hochaltrigen Menschen in Deutschland wird in den nächsten Jahren erheblich ansteigen und zunehmen und damit die Anzahl derjenigen, die an einer Demenzerkrankung leiden. Das gilt auch für Rheinland-Pfalz.

Am 1. Januar 2002 ist bereits das PflegeleistungsErgänzungsgesetz in Kraft getreten. Damit ist die Möglichkeit eröffnet worden, dass niedrigschwellige Angebote, aber auch die private Unterstützung von Demenzkranken finanziell gefördert wird. Darüber hinaus will das Ministerium die Situation demenzkranker Menschen und ihrer Angehörigen mit einem Aktionsprogramm verbessern, das im Frühjahr 2003 mit einer Fachkonferenz starten wird.

Bei den weiteren Maßnahmen, die im Rahmen des Aktionsprogramms geplant sind, geht es darum, Hilfestellungen für die Pflege und Betreuung in der Familie zu geben; denn immer noch ist es so, dass die meisten Demenzkranken zu Hause gepflegt und unterstützt werden, das heißt, das Thema „Angehörigenunterstützung, Angehörigenentlastung“ wird das Thema sein, um auch in Zukunft eine vernünftige Struktur in Rheinland-Pfalz im Altenpflegebereich zu haben.

Wir werden weiterhin die stationären Einrichtungen darin unterstützen, sich besser auf die Versorgung, auch auf die Anzahl der zu versorgenden Personen von Menschen mit Demenzerkrankungen auszurichten und vorzubereiten. Das beginnt mit kleinen banalen Dingen, nämlich damit, dass die Einrichtungen baulich oder räumlich anders gestaltet werden müssen, man Orientierungshilfen gibt, dass Demenzkranke sich in stationären Einrichtungen besser bewegen können, und es endet damit, dass man auch mit dem Pflegepersonal besondere Qualifizierungen durchzuführen hat. Wir wollen Ärzte und Ärztinnen sowie Pflegekräfte stärker sensibilisieren und für die Früherkennung, Behandlung und Versorgung dieser Personengruppe qualifizieren. Die Altenhilfe muss an diesem Punkt viel stärker mit dem Gesundheitswesen verknüpft werden.

(Beifall der SPD und der FDP)

Im Rahmen der vierten Säule der Qualitätsoffensive „Menschen pflegen“ geht es um die Mitsprache und die Mitwirkungsmöglichkeiten der pflegebedürftigen Menschen und ihrer Angehörigen im Sinn des Verbraucherschutzes in der Pflege. Die mit der jüngsten Novellierung der Heimmitwirkungsverordnung und des Heimgesetzes

erweiterte Mitwirkung von Heimbeiräten ermöglicht beispielsweise eine bessere Interessenvertretung von Menschen, die in Heimen leben, das heißt, noch einmal übersetzt, dass wir inzwischen eine gesetzliche Grundlage dafür haben, dass die Heimbeiräte ein größeres Mitspracherecht in den stationären Einrichtungen haben. Als Land unterstützen wir diese Interessenvertretung dadurch, dass wir Tutoren für die Beratung von Heimbeiräten ausbilden, damit diese in der Lage sind, ihre Rechte und das, was sie wünschen, in eine Einrichtung einzubringen und mitzubestimmen.

Seit September 2000 gibt es bei der Verbraucherzentrale in Mainz ein „Beschwerdetelefon für die Pflege“. Das ist ein Projekt in Zusammenarbeit von Verbraucherschutzzentrale und Beratungs- und Koordinierungsstellen in Mainz. Dieses Projekt hat sich mehr als bewährt, weil wir damit das Thema „Verbraucherschutz in der Pflege“ gestärkt haben, das heißt, Menschen, die an dem Punkt unsicher waren, ob ihre Verträge mit den ambulanten Pflegediensten in Ordnung sind, Menschen die nicht genau wussten, ob das, was an Leistungserbringung tatsächlich geleistet wird, auch das ist, was sie letztendlich bezahlen, ob sie andere Erwartungen stellen dürfen. All diese Punkte werden am Beschwerdetelefon sozusagen aufgenommen und von der Verbraucherschutzzentrale rechtlich überprüft.

Wir wollen dieses Projekt landesweit ausweiten. Wir haben inzwischen auch eine Konstruktion gefunden, die kostensparend umgesetzt werden kann, sodass es im neuen Jahr im Land Rheinland-Pfalz flächendeckend ein Beschwerdetelefon in der Pflege geben wird.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es wird nicht einfach werden – das sage ich an diesem Punkt –, die Rahmenbedingungen und die Strukturen in der Pflege so weiterzuentwickeln, wie man dies jetzt hier in dieser kurzen Zeit nur andeuten konnte; denn auch im Altenhilfebereich – da hat es sich noch nicht so ganz herumgesprochen wie zum Beispiel im Gesundheitsbereich – stehen die Interessen der Leistungsanbieter, der Kostenträger und auch der Pflegenden nicht immer in Übereinstimmung, um es vielleicht einmal gelinde auszudrücken. Aber dennoch bin ich davon überzeugt, dass wir mit unserer Qualitätsoffensive „Menschen pflegen“ ein wirkungsvolles Paket geschnürt haben, mit dem wir die Situation sowohl der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen als auch der Pflegenden in Rheinland-Pfalz mittelfristig spürbar verbessern können.

Unsere Bemühungen um eine qualitativ hochwertige Pflege sind dabei mit den zurzeit laufenden und den geplanten Maßnahmen keineswegs abgeschlossen. Wir verstehen die Qualitätsoffensive „Menschen pflegen“ als einen offenen Prozess, den wir gemeinsam mit unseren Partnern in der Pflege ständig weiterentwickeln und fortführen werden. Etwas anderes ist auch gar nicht möglich, weil sich das Pflegebedürfnis natürlich perm anent mit dem Wandel der Gesellschaft ändert, sodass eine solche Offensive immer nur als Prozess angelegt werden kann.

Die Pflege ist ein Thema, das die Menschen in Rheinland-Pfalz und die Landesregierung in Zukunft beschäf

tigen wird. Ich denke, auch dieses Parlament wird sich noch öfter um dieses Thema kümmern.

Ich danke Ihnen sehr herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltend starker Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, bevor wir in die Aussprache eintreten, entschuldige ich Herrn Ministerpräsidenten Beck für die heutige Sitzung.

Als Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüße ich Mitglieder der Versehrtensportgruppe Kirchen sowie Technische Auszubildende der Firma Thyssen-KruppBielstein aus Mandern. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben sich auf eine Redezeit von zehn Minuten geeinigt. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Rosenbauer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Ministerin Dreyer! Ich möchte Ihnen für die heutige Regierungserklärung zur Qualitätsoffensive „Menschen pflegen“ ganz herzlich gratulieren und dafür danken. Sie haben mit Ihrer heutigen Regierungserklärung den bescheidenen Stellenwert der Pflege in dieser Landesregierung dokumentiert, den wir als CDU seit Jahren beanstanden.

(Beifall bei der CDU – Mertes, SPD: Dann sind wir uns wenigstens einig!)

Mein erster Gedanke beim Durchlesen der Regierungserklärung war: Mann, ist die dünn, Mann. – Die Regierungserklärung spiegelt genau meinen Eindruck der bisherigen Pflegepolitik der Regierung Beck wieder. Dies möchte ich an wenigen Beispielen herausarbeiten.

Weshalb findet heute überhaupt kurzfristig eine Regierungserklärung zur Pflege statt? Antwort: Die Landesregierung wollte zu diesem Thema auch einmal Stellung nehmen. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass die Regierungserklärung wenige Tage, nachdem im Ausschuss eine Anhörung zu einem Antrag der CDUFraktion stattgefunden hat, erfolgt. Ohne dass wir im Ausschuss über die Anhörung geredet haben, findet heute eine Regierungserklärung statt. Die Vorgehensweise ist schon sehr verwunderlich.

(Mertes, SPD: Das sind Formalismen!)

Zum Inhalt: Was gibt es denn Neues von der Landesregierung? – Antwort: Nichts. – Beim Durchlesen der Re

gierungserklärung kamen mir viele Formulierungen sehr bekannt vor.

(Mertes, SPD: Aus dem CDU-Programm!)

Als ich die Regierungserklärung neben die Texte gelegt habe, die im Internet zu der damaligen Einsetzung der Pflegeoffensive stehen, stellte ich fest, dass ungefähr 80 % des Textes gleich sind. Dann frage ich mich, weshalb heute eine Regierungserklärung abgegeben wird. Das ist eindeutig. Da das damals kaum jemand wahrgenommen hat, wollte man einen Ort finden, um diesem Konzept Raum zu verschaffen.

(Pörksen, SPD: Können Sie langsam zum Inhalt kommen?)

In Bezug auf Vorschläge sind keine Neuigkeiten dabei. Sie beschränken sich auf die Einberufung von Konferenztischen und Plattitüden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Hat die Landesregierung wirklich neue Themenfelder entdeckt? Antwort: Nein. – Viel schlimmer ist, dass in dieser Regierungserklärung Punkte als neue Erfindungen der Landesregierung gepriesen werden, die vor Jahr und Tag von der CDU-Fraktion in den Landtag eingebracht worden sind.