Protocol of the Session on December 4, 2002

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Nicht so hart“ hat mein Fraktionsvorsitzender mir gesagt. Dazu bin ich jetzt langsam auch zu müde.

Ich denke, wir haben den Amoklauf von Erfurt im Anschluss an dieses Geschehen hier diskutiert und waren sicherlich alle erschüttert und auch aufgerüttelt. Das Gesetz hat auch etwas damit zu tun, aber gerade den Beteiligten, die eben gesagt haben, wir würden hier vorgaukeln, dass wir Patentlösungen hätten, kann ich nur sagen, dass wir diesen Vorfall damals viel umfassender diskutiert haben und natürlich gesellschaftlich, schulisch und noch einiges andere dazugehört, um darauf zu achten, dass so etwas nicht passiert.

Ich finde es nicht ganz fair, jetzt so zu tun, als sei das unser Patentrezept dafür; denn wir wissen alle, es gibt kein Patentrezept.

(Beifall der FDP und der SPD – Kuhn, FDP: Richtig!)

Das Problem bei solchen Taten ist, dass selbst Forscher, die sich nur mit Amokläufern beschäftigen, nicht

genau wissen, was letztlich zum Amoklauf führt. Es sind wohl seelische Umstände.

Ich muss dem Kollegen Wiechmann Recht geben. Das müssen seelische Umstände in einem Ausmaß und in einer Summierung sein, die wir selbst gar nicht erfassen und beurteilen können. Genau deshalb wird es auch keine Patentrezepte für solche Vorfälle geben.

Eins war jedoch sehr deutlich sichtbar. Das wurde auch damals im Haus so umfassend gesehen, nämlich dass offensichtlich niemand das wirkliche Ausmaß des ps ychischen Zustands dieses Täters bemerkt hat und es offensichtlich unter den verschiedenen Kontaktpersonen, seien es außerschulische Kontaktpersonen, Freunde aber auch die Schule und die Eltern, keine wirkliche Kommunikation gegeben hat und man das nicht gemeinsam in der Summe absehen konnte.

Genau um diesen Punkt handelt es sich auch, wenn wir über eine solche Gesetzesinitiative diskutieren. Wir waren uns auch einig, dass wir zusammenrücken müssen, gerade wenn es um junge Menschen und seelische Notlagen von jungen Menschen geht und wir Möglichkeiten schaffen müssen, damit das Umfeld dieser jungen Menschen kooperativ versucht, deren Probleme zu lösen, vor allem dann, wenn es sich um sehr schwerwiegende Probleme handelt.

In diesem Fall ging es um eine existenzielle Krise. Ich denke, man muss berücksichtigen, es geht nicht um die Volljährigkeit. Es geht darum, gerade im Jugendstrafrecht machen Sie keinen Unterschied, dass junge Menschen nicht von heute auf morgen erwachsen werden.

Für mich bestand damals kein großer Unterschied, als ich an einem Tag noch 17 und am nächsten Tag 18 Jahre war, und dann sollte alles anders sein. Das können Sie vielleicht auch noch nachvollziehen.

(Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, das ändert auch nicht die Möglichkeiten von Jugendlichen und jungen Menschen, mit ihren Problemen von heute auf morgen ganz anders umzugehen, und schon gar nicht, wenn eine solche Krise vorliegt, weil es sich dann um Menschen handelt, die Hilfe brauchen.

Wir begrüßen den Gesetzentwurf der Landesregierung gerade aufgrund der dort genannten Tatbestände; denn diese Tatbestände zeigen auf, dass es nichts ist, von dem man lapidar sagt, man geht über die informationelle Selbstbestimmung hinweg und informiert wegen jeder Kleinigkeit die Eltern, sondern es geht darum, dass man existenzielle Krisen gemeinsam aufgreift und gemeinsam daran arbeitet.

Was ich weder bei der Landesschülerinnenvertretung, da verstehe ich es noch eher, da sie sich noch im pubertierenden Prozess befinden, offensichtlich hat er sie noch nicht verlassen, – – – Natürlich war mir das früher auch nicht recht, wenn man meine Eltern informiert hätte, wenn etwas nicht so gut lief, obwohl ich einen guten Kontakt zu ihnen hatte.

Sie stellen Eltern, Lehrerinnen und Lehrer so dar, dass Lehrerinnen und Lehrer petzen und Eltern dies negativ aufgreifen. (Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das finde ich eigentlich sehr schade, und es zeigt ein sehr seltsames und misstrauisches Verhältnis zu Lehrkräften und Erziehenden in diesem Land.

(Beifall der FDP)

Natürlich ist in Skandinavien alles besser. Das wissen wir spätestens nach PISA. Dazu passen Ihre Bemerkungen, da Sie offensichtlich nicht sehen, dass man auch in Rheinland-Pfalz individuell um das Wohl der Kinder und Jugendlichen in den Schulen bemüht ist, und zwar nicht nur die Schulpsychologen, die Sie gestärkt haben wollen, und nicht nur die Schulsozialarbeiter, sondern auch Lehrerinnen und Lehrer, die sich in diesem Fall gemeinsam mit den Eltern um ein Problem kümmern können, wenn es vorhanden ist.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Die misstrauische Atmosphäre, die Sie aufbauen, ist mir nicht ganz klar. Ich würde aber auch nicht so weit gehen wie der Kollege Schreiner, der sagt, man sollte grundsätzlich in bestimmten Fällen an der Volljährigkeit rütteln und sie auf 21 heraufsetzen.

Eine solche juristische Debatte brauchen wir nicht zu führen; damit gehen wir einige Jahrzehnte zurück. Das finde ich in diesem Fall auch nicht sehr hilfreich. Es geht, wie die Kollegin Brede-Hoffmann gesagt hat, um die Möglichkeit, gemeinsam beratend, sich gegenseitig beratend, tätig zu werden zwischen Schule, Pädagogen und Eltern.

Es geht nicht um die grundsätzliche Abschaffung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Wenn man sich ansieht, zu welchen Konsequenzen eine Krise führen kann, muss ich sagen, Erfurt war nicht der einzige Fall. Es gibt noch andere Schulen bei uns, an denen schlimme Dinge geschehen sind.

Wenn man sich diese Fälle ansieht, muss man sagen, es ist klar, dass die Schule eine öffentliche Einrichtung ist und der Schutz der Öffentlichkeit, das öffentliche Interesse in diesem Fall im Vordergrund stehen kann.

Ich glaube schon, dass unsere Lehrkräfte so verantwortungsbewusst sind abzuwägen, wann es wirklich nötig ist. Im Übrigen haben Sie darauf verwiesen, dass der Absatz 4 so schwammig formuliert ist, dass sich keine Lehrkraft daran orientieren könne.

Eine Orientierung für Sie als Abgeordneter stellt die Begründung B zu den Bestimmungen dar. § 1 c Abs. 4 sieht die Möglichkeit der Elterninformation vor, wenn schwerwiegende Sachverhalte wie etwa Kriminalität, Anzeichen für eine Selbst- und Drittgefährdung – – –

(Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie können mir nicht weismachen, dass ein Pädagoge nicht erkennen kann, wenn Anzeichen auf eine Gefährdung dritter Schülerinnen oder Schüler oder Anzeichen dafür vorhanden sind, dass der Schüler sich möglicherweise selbst etwas antut oder jemand kriminell wird. Diese schwerwiegenden Dinge kann man schon von den weniger wichtigen unterscheiden.

Ich denke, man sollte mit diesen Vorurteilen Schluss machen. Sie wollen dieses Gesetz ablehnen, weil Sie von Misstrauen gegenüber handelnden Personen geprägt sind. Es ist in Ihrer Partei ideologisch öfter üblich, dass die Politik durch Misstrauen bestimmt wird. Wir wollen das nicht.

(Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, dieses Gesetz ist ein guter Schritt, um zu einer besseren Kommunikation und zu Möglichkeiten zu

einer Zusammenarbeit von Eltern, Lehrerinnen und Lehrern zu kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Kolleginnen und Kollegen, es wird noch weiterhin Gelegenheit geben, über dieses Gesetz zu reden. Es wird an den Ausschuss für Bildung und Jugend – federführend – und an den Rechtsausschuss überwiesen.

Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich wünsche allen einen angenehmen Abend und lade Sie für morgen früh um 9:30 Uhr zur nächsten Plenarsitzung ein.

E n d e d e r S i t z u n g: 19:07 Uhr.