Meine Damen und Herren, wenn die Aktivitäten dieser einzelnen Ressorts nicht koordiniert werden, nicht eine schonungslose Bestandsaufnahme gemacht wird und die Defizite nicht benannt werden, können die an sich schon knappen Mittel nicht effektiv eingesetzt werden. Dann besteht die Gefahr der Doppelarbeit, wenn keine Transparenz vorhanden ist.
Meine Damen und Herren, auch wenn wir anerkennen, dass die Landesregierung die Notwendigkeit zum Ausbau der Integrationsanstrengungen erkennt, so kritisieren wir doch die halbherzige Umsetzung dieser richtigen Einsicht. Es kann nicht sein, dass es die Landesregierung vor dem Hintergrund des oben beschriebenen Paradigmenwechsels in der Integrationspolitik einfach dabei belässt, von dem Gleichen nur etwas mehr zu machen.
Meine Damen und Herren, die neu geschaffene Stabsstelle für Integration und Zuwanderung ist ein Beispiel von ein bisschen Mehr in den alten Strukturen. Das wird der Herausforderung, die die Integration in den nächsten Jahren an uns stellt, nicht gerecht.
Meine Damen und Herren, ein wichtiger Schritt der Landesregierung ist die Einrichtung des „Arbeitskreises Rheinland-Pfalz – Initiative für Integration“, kurz RIFI genannt. Hier können die Erfahrungen, die die Initiativen seit vielen Jahren in der Arbeit mit Flüchtlingen und
Migrantinnen gemacht haben, nutzbar gemacht werden. Auch das ist etwas, was wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Rheinland-Pfalz schon lange gefordert haben.
Meine Damen und Herren, es gilt übrigens auch für das Parlament, dass die Integrationsaufgaben an einer Stelle gebündelt werden müssen. Darum hatten wir am Anfang der Legislaturperiode einen Ausschuss für Migrationsfragen gefordert, wie er zum Beispiel schon in Nordrhein-Westfalen besteht.
Wie notwendig das ist, möchte ich an einem kurzen Beispiel zeigen. Wir wollten im Innenausschuss eine Reise nach Holland machen, um uns dort die recht fortschrittlichen Integrationsregelungen anzusehen. Da diese aber nicht im Innenressort angesiedelt, sondern über viele Ressorts verstreut sind, kam der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass dies nicht seine originäre Aufgabe ist. Insofern wurde diese Reise nicht durchgeführt. Auch das ist eine typische Folge von den zersplitterten Zuständigkeiten. Am Schluss ist niemand mehr zuständig. Das muss geändert werden.
Wir sind der Meinung, dass die Bündelung aller Integrationsaufgaben auf Regierungsseite in einer „Leitstelle für Integration und Zuwanderungsfragen“ erfolgen muss. Hier sollen ressortübergreifende Konzepte für integrationspolitische Schwerpunkte, wie Spracherwerb, interkulturelle Bildung, Verbesserung der Beschäftigung von Ausländerinnen im öffentlichen Dienst, Unterstützung von Selbstorganisationen und Teilhabe von Migrantinnen, entwickelt und evaluiert werden.
Vordringlichste Aufgabe der Leitstelle muss die Erarbeitung eines integrationspolitischen Gesamtkonzepts unter Beteiligung der Fachressorts, aber auch der Kommunen sowie den Migranten- und Flüchtlingsorganisationen sein. Diese Konzeption muss eine umfassende Bestandsaufnahme vornehmen, diese bewerten und Perspektiven für die Zukunft aufzeigen. Dabei – das ist ganz wichtig; das fehlt bisher – muss auch die Unterscheidung von Flüchtlingen und vor allem von Ausländerinnen und Aussiedlerinnen endlich wegfallen; denn in der Realität stehen alle diese Gruppierungen vor den gleichen Problemen.
Es ist aber auch wichtig, erst einmal festzustellen, wie hoch der Förderbedarf bei Migrantinnen und Aussiedlerinnen tatsächlich ist; denn nur so bekommt man eine wirksame Grundlage für eine gute Integrationspolitik. Hier liegen leider noch keine Grundlagen vor, wie wir in unserer Kleinen Anfrage zur Integrationsförderung nach dem Zuwanderungsgesetz in Rheinland-Pfalz erkennen konnten. Auf unsere Frage, ob der Landesregierung Untersuchungen über den Umfang des erforderlichen Integrationsförderbedarfs vorliegen, musste die Landesregierung leider passen. Es gibt keine Vorstellungen und Untersuchungen, wie groß der Integrationsförderbedarf ist.
Meine Damen und Herren, die Leitstelle muss darüber hinaus kurzfristig umsetzbare Vorschläge entwickeln, um Zuwanderinnen besser in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt, in Kindergärten, Schulen, Hochschulen sowie in das allgemeine soziale Hilfesystem zu integrieren. Dazu gehört der Aufbau eines Netzes zur Koordinierung der neu zu schaffenden Integrationskurse und der Sprachförderkurse.
Meine Damen und Herren, wir wollen auch, dass im Parlament über das wichtige Thema „Integration“ regelmäßig debattiert wird. Darum soll die Leitstelle nach unseren Vorstellungen alle zwei Jahre einen Integrations- und Zuwanderungsbericht erstellen, der im Parlament debattiert werden kann.
Meine Damen und Herren, eine wichtige Aufgabe ist auch, dass Rechtsvorschriften im Hinblick auf diskriminierende und integrationshemmende Bestimmungen überprüft und die Ergebnisse dieser Überprüfung von der Leitstelle veröffentlicht werden. Vor allem muss auch vor dem Erlass von Gesetzen und Verordnungen die Leitstelle konsultiert werden. Ihre Vorstellungen darüber, ob die geplanten Regelungen mit den Zielen der rheinland-pfälzischen Integrations- und Zuwanderungspolitik übereinstimmen, müssen in das Gesetzesvorhaben einfließen.
Meine Damen und Herren, es ist eine Binsenweisheit, die Integration ist keine Einbahnstraße. Wir sehen die Aufgabe der Leitstelle auch darin, dass sie der deutschen Bevölkerung einen gleichberechtigten Umgang mit den Minderheiten näher bringt und dafür sorgt, dass in der deutschen Bevölkerung Anstrengungen der Integration unternommen werden. Wir können das nicht nur den Ausländerinnen und Ausländern überlassen.
Es gibt noch viele weitere wichtige Aufgaben, die zur Förderung der Integration mit aufgenommen werden müssen. In den nächsten Jahren werden es noch mehr werden, wenn die Integration auch von der Bundesebene als Aufgabe des Landes eingeleitet wird. Wir sind der Meinung, dass die jetzigen Strukturen nicht für eine effiziente Erfüllung reichen.
Meine Damen und Herren, weil die Integration eine Querschnittsaufgabe ist, muss die administrative Struktur neu gestaltet werden. Nur dann werden wir die Zukunftsaufgabe „Integration“ effektiv bewältigen können.
Herr Präsident, meinen Damen und Herren! Bei der Vorlage des Abschlussberichts der SüssmuthKommission hat die Vorsitzende im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass Integration eine Daueraufgabe in unserer Gesellschaft ist, sie uns nicht nur Aufgaben abverlangt, sondern uns auch bereichert. Das deckt sich auch mit dem, was die Bundesbeauftragte Maria-Luise Beck zu diesem Thema sagt, die auch erklärt, dass das ganze Thema der Integration eine gesellschaftliche Wechselaufgabe ist, bei der es ein Geben und Nehmen gibt. Das sehe ich so. Das gilt für beide Teile. Die, die die Ausländer aufnehmen, müssen bei der Integration nicht nur geben, sondern sie nehmen auch etwas, wenn die Integration gelingt, und die, die zu uns kommen, bekommen nicht nur etwas bei der Integration, sondern sie müssen auch eine Leistung erbringen, um entsprechend integriert zu werden.
Integration wird sicherlich durch das neue Zuwanderungsgesetz an Bedeutung für uns gewinnen. Mit Sicherheit haben wir uns noch nicht ausreichend parlamentarisch mit dem Thema beschäftigt. Wir hatten vor zwei Jahren eine Anhörung zu diesem Thema gehabt. Wir haben schon verschiedene Anträge in diesem Haus debattiert und haben sicherlich schon einiges in diesem Bereich beleuchtet, aber längst noch nicht alles. Es würde uns in der Tat nichts schaden – Frau Kollegin Grützmacher hat darauf hingewiesen –, wenn wir uns das eine oder andere außerhalb unserer Landesgrenzen noch anschauen würden.
Da gibt es nicht nur Holland, sondern da ist beispielsweise auch die Integration in Finnland ein lohnendes Projekt, das angesehen werden könnte. In Finnland gibt es beispielsweise Integrationsbücher für die Ausländer. Sie führen ein Integrationsbuch. Nur, wer seine Stationen in diesem Buch erfüllen kann, bleibt in der Integration mit der begleitenden finanziellen Förderung. Derjenige, der dieses Buch nur mit Lücken vorlegen kann, fällt unter Umständen aus der finanziellen Förderung heraus. Das ist im Grund genommen ein ganz vernünftiger Ansatz, damit dieses Geben und Nehmen, das ich am Beginn genannt habe, auch wirklich funktioniert.
Vor dem Hintergrund dieses neuen Zuwanderungsgesetzes ist es verdienstvoll, dass die GRÜNEN einen Antrag zur Integration vorlegen. Nur der Leitstelle, die Sie in diesem Antrag fordern, würde ich Bedenken entgegenbringen. Deswegen werden wir dem Antrag heute auch nicht zustimmen, sondern seiner Überweisung an den Ausschuss zustimmen.
Sinnvoll ist es gewiss, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen, Frau Kollegin Grützmacher. Schwierig ist aber, zum jetzigen Zeitpunkt schon die Festlegung vornehmen zu wollen, die Sie mit Ihrem Antrag beabsichtigen; denn Sie wissen genauso gut wie ich, auf Bundesebene fehlen noch einige Regelungen beim Thema „Zuwanderung“. Das hängt zum Teil an Bayern, das blockiert. Bayern blockiert ganz bewußt nach dem Motto: Wir sind jetzt in Karlsruhe, wir warten ab, ob Karlsruhe das Gesetz kippt. Kippt es, müssen wir uns sowieso
nicht mehr unterhalten. Kippt Karlsruhe das Gesetz nicht, dann können wir uns immer noch darüber unterhalten. – Dadurch fehlen wichtige Vorgaben des Bundes, die, denke ich, in die Landesentscheidung einfließen müssen.
Es fehlt aber auch noch die Umsetzung von EU-Recht, die bis zum nächsten Jahr zu erfolgen hat. Diese Umsetzung, die der Bund vorzunehmen hat, sollte ebenfalls in die Entscheidung einfließen, wie wir am Ende auf Länderebene mit den notwendigen Instrumenten der Integration umgehen.
Wir sollten, weil das noch fehlt, die Zeit nutzen, um uns woanders kundig zu machen. Ich habe das Stichwort „Finnland“ genannt. Um jetzt ein bisschen näher zu bleiben – wir müssen nicht immer ins Ausland schauen –, könnten wir auch in das Nachbarland NordrheinWestfalen gehen. Dort gibt es seit einigen Jahren ein Landeszentrum für Zuwanderungen. Das kommt vermutlich einem Teil dessen nah, was Sie mit Ihrer Leitstelle beabsichtigen. Das ist mit Sicherheit nicht deckungsgleich, aber auch dort können wir schauen, ob es sinnvolle Elemente sind, die wir in unsere Arbeit übernehmen können.
Frau Kollegin, Sie haben Recht, dass Integration eine Querschnittsaufgabe ist. Ob sie von der Ausländerbeauftragten in der Staatskanzlei sinnvoll geleistet werden kann, da hätte ich gewisse Zweifel. Es muss trotzdem nach wie vor im schulischen Bereich Gewisses geleistet werden, was nicht ohne weiteres von der Ausländerbeauftragten übernommen werden kann. Es muss im Bereich des Innenministeriums nach wie vor Wesentliches geleistet werden. Das gleiche gilt für das Sozialministerium und andere Ministerien. Ich glaube nicht, dass Ihr Ansatz unbedingt der richtige ist.
Im Übrigen, wenn Sie einmal nach Berlin schauen, dort gibt es schon lange, seit 1981, eine Ausländerbeauftragte, länger als in jedem anderen Land. Sicherlich ist das auch qualitativ sehr gut. Es ist in Berlin sicher nicht nur früh erkannt worden, sondern dort ist dieses Amt mit sehr vielen Aufgaben ausgefüllt worden. Trotzdem werden Sie feststellen müssen, dass auch in Berlin dieses Amt nicht das bündeln kann, was Sie gebündelt haben wollen. Es würde aber auch nicht schaden, wenn wir dort einmal genauer hinschauen.
Sie nennen mit Recht das Stichwort „.RIFI“, das für mich eine Art runder Tisch ist, wo vieles geleistet werden kann, was wiederum die Ausländerbeauftragte nicht leisten kann. Dort sind unter anderem die kommunalen Spitzenverbände vertreten, die wir zwingend bei diesem Thema brauchen.
Das, was Sie auf Länderebene an Integration machen wollen, greift auch tief in das ein, was die Kommunen zu leisten haben. Das berührt auch deren Rechte und nicht nur die finanziellen, die aber auch.
Daher glaube ich, dass dieses Projekt „RIFI“ eine sehr gute Adresse ist, um Dinge zu regeln, die Sie geregelt haben wollen.
Voll und ganz zustimmen kann ich Ihrer Forderung nach einem Bericht, der in periodischen Abständen immer wieder vorgelegt werden soll. Ob der dann erst schriftlich vorgelegt wird und wir ihn in diesem Haus oder wie auch immer debattieren, das soll egal sein.
Aber dass wir quasi eine Kontrolllampe über diesen Bericht haben, der alle zwei Jahre oder wann auch immer vorgelegt wird, das halte ich für sinnvoll, weil das eine Daueraufgabe sein wird. Da sind wir nicht in ein paar Jahren über dem Berg.
Sie sprechen in Ihrem Antrag – das sehe ich auch als Problem; nur müssen wir vorher ein paar Dinge regeln und ändern – die Aussiedler an. Die Aussiedler sind in der Tat ein großes Integrationsproblem. Das kann niemand wegleugnen, der mit Aussiedlern zu tun hat. Gerade in meinem Landkreis gibt es sehr viele Aussiedler als Folge des Truppenabbaus. Nur, sie kommen nach Deutschland und sind Deutsche. Das heißt, sie werden erst eingebürgert, und dann wird erst die Integration versucht. Bei anderen gehen wir genau umgekehrt vor, diese versuchen wir erst zu integrieren, und dann geben wir Ihnen die Chance zur Einbürgerung. Diese Aussiedler bekommen Sie kaum in eine Statistik hinein, weil Sie direkt als Deutsche geführt werden und nicht ein Sternchen oder sonst etwas am Namen haben. Sie tauchen in Dateien nicht mehr als Aussiedler auf. Sie gehen direkt in der Statistik verloren. Das erschwert uns die Integration. Wir müssen ernsthaft versuchen, irgendwelche Wege zu finden, um Aussiedler nicht zu diskriminieren, aber trotzdem kenntlich zu machen, um eine wirkungsvolle Integrationsarbeit bei ihnen zu leisten.
Ich muss nur auf den vergangenen Sonntag zurückgreifen. Mir ist aus vielen Wahllokalen berichtet worden, dass Aussiedler dort waren, die nur russisch gesprochen haben und überhaupt kein Wort Deutsch sprechen konnten. Es kann nicht sein, dass man bei uns die vollen Rechte in Anspruch nimmt und gleichzeitig aber kein Wort Deutsch spricht. Dort muss Integration ansetzen, dass diese Menschen über die Sprache den Zugang insgesamt in die Gesellschaft finden.
Frau Kollegin, bei all dem komme ich zu dem Fazit, dass die Diskussion Not tut bei diesem Thema. Insofern ist es wichtig, dass wir uns über diesen Antrag unterhalten können. Aber das, was in Ihrem Antrag enthalten ist, beinhaltet nicht die Lösung, die wir brauchen und die wir möglicherweise im Lauf des kommenden Jahres auch finden können. Deshalb stimmen wir, wie ich vorhin ausgeführt habe, einer Überweisung an den Ausschuss zu.