Protocol of the Session on April 24, 2002

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen zum Abschluss der heutigen Plenarsitzung über ein Thema, das an sich höchst erfreulich ist. Grundlage unseres Themas ist, dass die Menschen immer älter werden. So Gott will werden wir auch dazu gehören. Vielleicht gehören wir nicht zu jedem dritten über 80-Jährigen, der pflegebedürftig ist, sondern haben noch ein paar schöne Jährchen. Die Geschichte geht aber immer weiter. Es gibt die 90-Jährigen, und die 100Jährigen sind gar nicht mehr so rar.

Meine Damen und Herren, es gibt Familien, die außerordentlich viel für diese Alten tun, für die Alten, die nur zum Teil Hilfe benötigen. Nicht alle sind so dement, dass sie 24 Stunden am Tag betreut werden müssen. In der Diskussion wird das aber oft in einen Topf geworfen. Heute ist das erfreulicherweise von allen Fraktionen nicht gemacht worden. Es wurden Unterschiede gemacht.

Meine Damen und Herren, man muss aber auch auf die Familien verweisen, die ein eigentümliches Verständnis von der innerfamiliären Verantwortung und von der Subsidiarität haben, die es als selbstverständlich ansehen, als Erbengeneration in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten, aber die Verantwortung für diese Eltern am liebsten auf den Staat übertragen würden. Auch das ist zum Teil traurige Realität.

Meine Damen und Herren, wenn wir dieses Thema mit gutem Grund zum wiederholten Mal besprechen, dann muss klar sein, dass der Staat dieses Thema auf Dauer nicht in allen Details wird lösen können. Das ist ein Thema, das immer sehr stark bei den einzelnen Betroffenen und ihren Familien bleiben wird.

(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP)

Frau Thelen, der erste Antrag ist durch den Wunsch gekennzeichnet, illegale Beschäftigungsverhältnisse zu legalisieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, es würde mir inzwischen leicht fallen, diesem Antrag zuzustimmen; denn er hat sich aus der Sache heraus erledigt. Ich will nicht fundamentalistisch sein und sagen: Das geht nicht. Jetzt sind es die Polen, demnächst sind es die Ukrainer oder sonst wer.

Ich will diese Geschichte nicht noch einmal aufrollen, aber der Antrag zeigt, dass die Bedenken, die wir in den vergangenen Beratungen geäußert haben, durchaus ihre Berechtigung haben; denn die Antragszahlen sprechen leider Gottes eine traurige Sprache. Ich habe damals vermutet, dass das Herausführen aus der Illegalität genau der Punkt ist, weil diese Dinge gerade nur in der Illegalität funktionieren, da nur die Illegalität als eine besondere Form der internationalen Schwarzarbeit sicherstellt, dass das bezahlbar ist, sodass sich das viele Familien leisten können. Sobald wir versuchen, das gut gemeint politisch korrekt zu lösen, werden wir in Zukunft Schiffbruch erleiden. Ich bin gespannt, wohin die Diskussion uns führen wird. Dieser Diskussion gegenüber bin ich offen, Frau Thelen. Ich warne jedoch vor blauäugigem Optimismus.

Meine Damen und Herren, des Weiteren gibt es Dinge, die in dieser Diskussion bemerkenswert sind, in der es leicht ist, immer wieder nur Qualitätsargumente vorzuhalten, nur sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse hochzuhalten usw.

Ich bin auch sehr gespannt, wohin unsere Dienstleistungsagenturen kommen werden. Das sind meiner Meinung nach wirklich gute Versuche, die sich lohnen. Aber auch da werden wir die Sechs- oder Siebenstelligkeit so schnell nicht erreichen. Dies wohlwissend, dass es ein eigentümlicher Zustand ist, ausländische Nichtfachleute anzuwerben, – – –

(Mertes, SPD: Sie wissen, dass eine wichtige Macht mit 12 angefangen hat und heute nicht mehr wegzudenken ist?)

Herr Mertes, ich bin mit Ihnen von einem Grundoptimismus beseelt, der seinesgleichen sucht. Lassen wir uns aber doch überraschen.

Ich komme zurück auf meinen ursprünglichen Gedanken: Es ist schon ein eigentümlicher Zustand, dass wir bei – je nach Definition – 4 bis 6 Millionen Arbeitslosen in der Bundesrepublik nicht in der Lage sind, einfache Dienstleistungsarbeiten aus diesem Personenkreis heraus zu organisieren. Das muss uns weit über alle Fraktionen und Koalitionen hinaus zu denken geben.

Wenn ich dem noch einen winzig kleinen Punkt abschließend hinzufügen darf, dann den, dass wir auch die Attraktivität des Pflegeberufs nicht nur nicht weiter schmälern dürfen, sondern wir müssen sie aufbauen.

Ich weiß nicht, ob wir uns nicht teutonisch versteigen, wenn wir in immer kompliziertere Dokumentationsmodelle gehen und nachher eine Strichliste überprüfbar ist, wie oft die Oma hätte gedreht werden müssen, um der Druckstelle vorzubeugen, aber niemand kontrolliert, ob diese Strichliste geführt wird und die Oma vorher tatsächlich gedreht wurde. Wenn der Medizinische Dienst auf eine Abteilung geht oder einen Patienten sieht, bei dem eine Dekubitusprophylaxe nicht durchgeführt wurde, benötigt er keine Strichliste, sondern das riecht er manchmal sogar. Deshalb warne ich davor, an alle Bereiche mit einer übertriebenen Professionalisierung heranzugehen und einfache Dienstleistungsbereiche aus dem Auge zu verlieren.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und der SPD)

Ich erteile Frau Sozialministerin Dreyer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich habe das große Glück, bei meiner ersten Rede im Parlament zu einem Thema zu sprechen, über das es doch überwiegend Einigkeit gibt. Das ist sehr erleichternd. Wenn ich auf die Tagesordnung für morgen sehe, habe ich zwar nicht die Hoffnung, dass dies dauerhaft so bleibt, dennoch bin ich heute sehr froh darüber.

Die Hintergründe zum Thema sind hinlänglich in der Debatte aufgezeigt worden. Deshalb werde ich davon absehen, dazu noch etwas zu sagen.

Vielleicht noch ein Wort zur Situation der Betroffenen: In Rheinland-Pfalz gibt es 92.000 Pflegebedürftige, von denen allein 50.000 von ihren Familienangehörigen betreut werden. Mir ist die schwierige Lage von Ehepartnern, von Familien bewusst, die ihren pflegebedürftigen Angehörigen mit großer Aufopferung im häuslichen Umfeld betreuen. Das gilt bei körperlich Pflegebedürftigen; in ganz besonderem Maß aber auch in den Fällen, wo geistige Kräfte nachlassen. Dies ist ein nicht hoch genug einzuschätzendes persönliches und soziales Engagement, das gesellschaftlich unverzichtbar ist. Dies muss unbedingt in der Debatte immer wieder gesagt

werden. Es liegt meiner Meinung nach in unserer aller Verantwortung, diese Haushalte zu unterstützen.

(Beifall im Hause)

Vielleicht noch ein kleiner Einwand zu dem, was Herr Abgeordneter Dr. Schmitz zu den Hilfskräften gesagt hat: Es fehlt in dem Bereich, über den wir im Moment sprechen, nicht an deutschen Hilfskräften für die Pflege, die Hauswirtschaft und die Betreuung. Kaum jemandem ist es aber zuzumuten, zusätzlich zu der Aufgabe in der Pflege im Haushalt des pflegebedürftigen Menschen zu leben. Genau um diese Sache geht es aber, wenn wir über die illegale Beschäftigung in privaten Haushalten sprechen.

Einiges hat sich seit der Antragstellung getan. Deshalb ist es auch schön, darüber zu sprechen. Natürlich ist es unser aller Aufgabe, daran weiterzuarbeiten.

Im Oktober 2001 wurde auf Vorschlag der Staatskanzlei eine interministerielle offene Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Pflegekassen, der kommunalen Spitzenverbände sowie der Einrichtungsträger gegründet. Schon damals ist die Arbeitsgruppe zu der Einschätzung gelangt, dass die besonderen Fälle der ausländischen Hilfskräfte, die im Haushalt der pflegebedürftigen Person leben, legalisiert werden sollten.

Es wurde erwähnt, dass auf Initiative von Bundesarbeitsminister Riester inzwischen entsprechende Vorschriften geändert worden sind, die der Beschäftigung von osteuropäischen Arbeitskräften im Haushalt pflegebedürftiger Menschen tatsächlich entgegenstanden.

Seit Anfang Februar 2002 können Ausländerinnen und Ausländer aus den fünf osteuropäischen EUBeitrittsländern als Hilfskräfte für hauswirtschaftliche und eben nicht für pflegerische Tätigkeiten in Haushalten von Pflegebedürftigen eingesetzt werden.

Knackpunkt wird es in Zukunft natürlich in der Tat sein, die Gratwanderung zwischen Pflege und Hauswirtschaft gut zu lösen. Ich sage ganz ehrlich, das ist im Moment auch ein Stück weit offen. Deshalb begleitet das Land Rheinland-Pfalz die Riester-Offensive ganz bewusst auch mit einer Arbeitsgruppe, um zu beobachten, wie sich in diesem Bereich die Dinge entwickeln.

Wir haben die Hoffnung, dass wir über die Zusammenarbeit mit Sozialstationen, die in diesen Haushalten auch tätig sind, über die Ärzte und auch über die Angehörigen einen entsprechenden Einblick zu bekommen, inwieweit eine hauswirtschaftliche oder pflegerische Tätigkeit im Haushalt stattfindet.

Die illegalen Beschäftigungsverhältnisse in der häuslichen Pflege wurden zwischenzeitlich also legalisiert und damit der Problemdruck – so hoffen wir – für die Zukunft etwas reduziert.

Nach drei Monaten reduzieren sich allmählich die Anlaufschwierigkeiten. Der aktuelle Stand am 22. April ist der, dass bundesweit 239 Anträge bewilligt worden sind. Davon entfallen 16 auf Rheinland-Pfalz. Wir gehen derzeit noch davon aus, dass die Zurückhaltung maßgeb

lich mit den Anlaufschwierigkeiten zu tun hat. Das Verfahren ist nicht unkompliziert; denn die Arbeitskräfte müssen über das Arbeitsamt in Deutschland und in Absprache mit den Herkunftsländern vermittelt werden. Das ist wohl ein Punkt, der auch verfahrensrechtlich nicht ganz einfach zu lösen ist.

Die Arbeitsgruppe „Illegale Beschäftigung ausländischer Hilfskräfte in der häuslichen Pflege“ hat sich deshalb auch dazu geäußert und empfiehlt, dass das neue Instrument besser in der Öffentlichkeit verbreitet und darüber besser informiert wird. Dazu wird es in der nächsten Zeit Gespräche mit dem Landesarbeitsamt und den Trägern der Sozialstationen geben.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ein weiteres Angebot für Haushalte mit Pflegebedürftigen, die einen hohen Hilfe- und Betreuungsaufwand haben, ist die bundesweite Ausweitung des Mainzer Modells. Ich erwähne das an dieser Stelle noch einmal ganz bewusst; denn das Mainzer Modell schafft die Möglichkeit, Hilfstätigkeiten in Haushalten von Pflegebedürftigen dadurch kostengünstiger realisieren zu können, dass die Beschäftigten Zuschüsse zur Sozialversicherung und zum Teil auch zum Kindergeld erhalten können.

Ich nenne gern auch das Pflegeleistungsergänzungsgesetz, das inzwischen verabschiedet worden ist, das ebenfalls zusätzliche Hilfen für Haushalte vor allem mit demenzkranken Menschen vorhält und zur Verfügung stellt. Haushalte, die eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung gewährleisten müssen, können diese Regelung nutzen.

Das Land Rheinland-Pfalz – das ist vorhin auch schon angesprochen worden – hat vor dem Hintergrund des großen Bedarfs an hauswirtschaftlicher Beschäftigung und der derzeit überwiegend illegalen Beschäftigung dieser Haushaltshilfen eine Bundesratsinitiative zur Beschäftigungsförderung in Privathaushalten auf den Weg gebracht. Allen Haushalten, die reguläre Haushaltshilfen beschäftigen, soll eine Förderung zugute kommen. Damit sollen sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neue Perspektiven der Beschäftigung eröffnet werden.

Gerade Haushalte, die Pflegebedürftige mit hohem Pflege- und Betreuungsbedarf haben und versorgen, könnten von dieser Regelung profitieren. Zur Erprobung dieses Gesetzes wurde in Mainz – das ist von Frau Abgeordneter Thelen zuvor schon angesprochen worden – das Modellprojekt MANPOWER/HOMEPOWER initiiert. Das Modell läuft seit wenigen Wochen und stößt auf ein außerordentlich hohes Interesse, weil es ganz eindeutig auf den Bedarf abgestellt ist.

Zusammenfassend bleibt mir an der Stelle nur zu sagen, dass sehr schnell neue Instrumente zur Unterstützung von Haushalten mit Pflegebedürftigen geschaffen wurden. Wir nehmen die Anträge zum Anlass, auch in Zukunft an diesem Thema weiterzuarbeiten. Selbstverständlich sind wir gern bereit, im Rahmen des gewünschten Berichts an den Landtag hierzu weitere Ausführungen zu machen und Sie auch über die Ent

wicklungen in unseren Begleitprojekten weiter zu unterrichten.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir stimmen über beide Anträge ab. Die Beschlussempfehlungen empfehlen jeweils die unveränderte Annahme.

Dann stimmen wir zunächst über den Antrag der Fraktion der CDU „Einsatz ausländischer Hilfs- und Betreuungskräfte“ – Drucksache 14/177 – ab. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen der SPD, der CDU und

der FDP bei Stimmenthaltung des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Alternativantrag der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/198 –, da die Beschlussempfehlung die unveränderte Annahme empfiehlt. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Der Alternativantrag ist mit den Stimmen der SPD, der CDU und der FDP bei Stimmenthaltung des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich lade Sie zur nächsten Sitzung morgen früh, 9:30 Uhr, ein.

Die heutige Sitzung ist geschlossen.