Protocol of the Session on March 14, 2002

(Beifall bei der SPD)

Der letzte Punkt, der immer wieder von vielen Rechtspolitikern als Monstranz vorneweg getragen wurde, verleitet natürlich bei oberflächlicher Betrachtungsweise dazu, anzunehmen, der Justiz müsse es finanziell relativ gut gehen, wenn sie 40 % ihrer Ausgaben als Einnahmen wieder hereinholt. Der Justizbereich könne deshalb doch nicht die Probleme haben, die andere Bereiche haben. Das ist aber ein Trugschluss.

Wenn wir den Justizhaushalt genau durchforsten, stellen wir fest, dass es eine Fülle von zusätzlichen Aufgaben im Lauf der vergangenen Jahre gegeben hat, die natürlich finanzielle Folgen haben. Daher sind wir in der Enge, in der wir uns im Moment befinden. Das leugnet keiner. Quer durch alle Fraktionen sind wir uns einig, dass wir gern mehr Geld bei der Justiz hätten. Der Herr Minister hätte vermutlich auch gern mehr Geld. Die Haushalte sind aber nicht so. Wir befinden uns nicht in Zeiten, in denen wir beliebig drauflegen können und uns wünschen können, was wir wollen, sondern die Situation ist die, dass wir leere Kassen auf allen öffentlichen Ebenen haben. Deswegen müssen wir zu einem guten Stück Mangel verwalten.

Da der Justizhaushalt ein klassischer Personal- und Verwaltungshaushalt ist, trifft es ihn besonders hart. Wenn in diesem Bereich gespart werden muss, geht es automatisch an das Personal. Das kann gar nicht anders gehen.

Herr Kollege Baldauf, es ist aller Ehren wert, dass Sie sich für alle Zweige der Gerichtsbarkeit personell einsetzen wollen. Die Quadratur des Kreises gelingt aber auch Ihnen nicht; denn auch Sie wissen nicht, wie Sie das Geld beiholen sollen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Die CDU-Fraktion ist im Übrigen schon einmal weiter gewesen als heute. Vor vier Jahren hat Herr Kollege Berg in seiner Haushaltsrede eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht, in welchen Bereichen der Justiz seiner Meinung nach gespart werden könnte.

Da ging es um strukturelle Dinge. Dieser Debatte werden wir uns auch noch einmal stellen müssen. Die Frage kann nicht abgebrochen werden, wo in der Justiz Sparpotenziale sind. Wir müssen uns nach wie vor der Frage einer Strukturreform im Justizbereich stellen, so wie sie der frühere Justizminister Caesar schon einmal in diesem Land begonnen hatte.

Wir werden die Verfahrensreform, die Frau DäublerGmelin eingeleitet hat, mit allem Nachdruck weiterverfolgen müssen. Das gilt nicht nur für den ZPO-Bereich, sondern auch für andere Verfahrensbereiche.

Man kann auch – das ist nicht meine Debatte, aber andere diskutieren darüber – über eine Privatisierung reden. Man muss auch sehen, wo es da Möglichkeiten gibt oder nicht.

Sinnvoller erscheint mir eher eine Debatte über die Auslagerung von Ausgaben zu sein, was nicht notwendigerweise in einer Privatisierung münden muss.

Man kann selbstverständlich auch über eine Änderung des Sanktionssystems reden, aber das ist eine Debatte, der sich Ihre Fraktion zumindest weitestgehend verweigert hat.

Die Crux bei all diesen Punkten ist, dass vieles Bundesrecht ist. Das können wir mit Landesentscheidungen überhaupt nicht beeinflussen, es sei denn, wir unternehmen die eine oder andere Bundesratsinitiative. So haben Sie auch einen Entschließungsantrag vorliegen.

Die Konfliktlinie, wenn wir dann aber beim Bund ankommen, verläuft in der Regel nicht zwischen den einzelnen Parteien – da mag es auch unterschiedliche Einschätzungen geben –, sondern die Konfliktlinie verläuft dort in aller Regel bei den Punkten, die ich jetzt aufgezählt habe, zwischen dem Bund auf der einen Seite und den Ländern auf der anderen Seite. Da verläuft die Konfliktlinie, und da gibt es dann eben die Probleme.

Wenn wir schon dabei sind, was geändert werden müsste und wo man Freiräume für künftige Sparmaßnahmen bekäme, sollten wir uns im Übrigen nichts vor

machen. Die Beteiligten an der Justiz – jetzt gehe ich wohlweislich über den reinen Justizverwaltungsbereich hinaus – zeichnen sich nicht unbedingt durch einen übermäßigen Veränderungswillen aus. Wenn ich die Debatte über die Reform der Zivilprozessordnung betrachte, war das schon gespenstisch. Wenn wir zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Debatte auf dem Höhepunkt befand, einen Haushalt zu verabschieden gehabt hätten, wäre die Justiz in einem hervorragenden Zustand gewesen. In der Phase, als das diskutiert wurde, habe ich überall nur gehört, wie toll es an den Gerichten läuft und weshalb nichts verändert werden muss.

Jetzt sind wir ein bisschen weiter. Die Entscheidungen in Berlin sind gefallen, und jetzt können wir wieder darüber jammern, was alles so schlecht an der Justiz ist. Eine sonderlich ehrliche Diskussion ist das nicht, aber so wird sie nun einmal geführt.

Mich ärgert an dem, was seit gestern Morgen in diesem Haus abläuft – das haben Sie für Ihre Fraktion auch fortsetzen müssen, Herr Kollege Baldauf –, der peinliche Spagat zwischen dem Stabilitätspakt, den Herr Böhr anbietet, und all dem, was Sie enorm draufsatteln wollen.

(Schneiders, CDU: Sie haben nicht zugehört, Herr Kollege!)

Wenn Sie Ihren Entschließungsantrag – Drucksache 14/820 – nehmen und den einmal Ziffer für Ziffer durchgehen – insgesamt sind es neun Ziffern –, kommen Sie reihenweise zu Maßnahmen, die zwangsläufig enorme Mehrkosten auslösen müssen.

Sie wollen in allen Gerichtszweigen die Verfahrensdauer verkürzen. Das geht nur mit mehr Personal oder mit erheblich mehr Technik.

(Baldauf, CDU: Das geht mit E-Mail – Hartloff, SPD: Urteile per E-Mail! Das ist eine enorme Beschleunigung!)

Sie wollen Stellenstreichungen im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Fachgerichte wegfallen lassen. Sie wollen eine spürbare Entlastung im Bereich der Rechtspflege herbeiführen. Mit anderen Worten, dort wollen Sie mehr Stellen haben.

Sie wollen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wesentlich beschleunigen. Also wollen Sie mehr Staatsanwälte. Das ist doch gar keine Frage.

Sie verlangen eine Verbesserung bei den Gerichtsvollziehern, den Bewährungshelfern und beim Landessozialgericht. Dazu liegen auch entsprechende Anträge von Ihnen vor. Die Folge sind Mehrausgaben.

So geht das quer durch. Man könnte da noch weitere Punkte nennen. Das geht nicht. Man kann nicht sagen, wir sparen, wir machen sogar einen Stabilitätspakt, aber es müssen bei der Justiz etliche Millionen Euro mehr auf den Tisch gelegt werden. Das zieht sich wie ein roter

Faden durch alle anderen Haushalte auch durch. Da wollen Sie auch mehr draufpacken. Das geht nicht.

(Beifall des Abg. Schweitzer, SPD)

Entweder sparen oder draufpacken. Beides zusammen ist unehrlich. Oder Sie müssten wirklich eine umfassende Umschichtungsdiskussion führen. Da gibt es aber nur kleine Tüpfelchen, die bei weitem nicht das aufwiegen, was Sie draufsatteln wollen. Daher ist es eine sehr unfaire Debatte, die da geführt wird. Das ist eben ein gut Stück Geheuchel.

Da wird auch einfach Gefälligkeitspolitik betrieben. Man redet mit den Sozialrichtern und sagt: Okay, man braucht mehr Sozialrichter. – Dann redet man mit den Gerichtsvollziehern und sagt: Ja, wir brauchen mehr Gerichtsvollzieher. – Man redet mit den Bewährungshelfern – dito; man redet mit dem mittleren Dienst – dito; man redet mit den Rechtspflegern – das gleiche Ergebnis wieder; man redet mit den Vertretern der Justizvollzugsanstalten – das Ergebnis ist ebenso. Man redet mit der Staatsanwaltschaft und kommt wieder zu dem Ergebnis. Das ist Gefälligkeitspolitik.

Wir reden auch mit all diesen Gruppen, aber wir sagen nicht jeder Gruppe: Klar, ihr habt vollkommen Recht. Deshalb wird etwas draufgepackt.

(Hartloff, SPD: Man kann nicht jeden Gefallen erfüllen!)

Wir übernehmen den schwierigen Part und sagen, was zusammengeführt werden muss, wo der finanzielle Rahmen liegt, wo die Grenzen sind, was geht und was nicht geht. Die Position, jedem alles geben und niemandem etwas nehmen, kann leider Gottes im Haushalt nicht durchgehalten werden.

Wir setzen auf Umschichtungen. Im Rahmen dieser Umschichtungen gehen wir davon aus, dass wir generell Personaleinsparungen zu akzeptieren haben, aber wir bilden Schwerpunkte und Ausnahmen. Sie haben einen Schwerpunkt genannt, die Justizvollzugsanstalten. Dazu wird Herr Kollege Dröscher nachher noch mehr sagen.

Bei den Bewährungshelfern packen wir fünf Stellen drauf. Es ist klar, dass Sie dann kontern müssen und sagen: Fünf sind zu wenig; wir wollen zehn. – Das ist das Recht der Opposition und ihre Freiheit.

Wir nehmen die Gerichtsvollzieher von der Kürzung aus, und wir nehmen die Referendare von der Kürzung aus. Übrigens haben wir uns den Freiraum dafür vor einigen Jahren dadurch geschaffen, dass wir den Status der Referendare geändert haben. Das macht Hessen mittlerweile nach. Sie sind dagegen Sturm gelaufen, aber Hessen macht es mittlerweile nach.

Bei der Sachausstattung wird ebenfalls ein Schwerpunkt gebildet. Die Modernisierung der Justiz schreitet voran. Man kann sagen, dass müsste noch schneller gehen – mir wäre es auch lieber, wenn das schneller ging –, aber es kann nicht angezweifelt werden, dass sie voranschreitet.

Nehmen Sie die ordentliche Gerichtsbarkeit. Bei den Geschäftsstellen und in den Schreibdiensten ist der PC seit Ende 1999 flächendeckend eingeführt. Wenn Sie die Richter nehmen, sieht es da ein bisschen anders aus. Bei den Amtsgerichten sind ungefähr 40 % der Richter mit einem PC ausgestattet. Bei den Landgerichten und den Oberlandesgerichten sind es jeweils ca. 20 %.

Wenn man genauer hinsieht, hat das möglicherweise auch etwas mit der Generationen- und Altersfrage zu tun. Die älteren Herrschaften, die um die 60 sind, sehen nicht mehr unbedingt ein, dass sie sich noch die Fähigkeit für einen PC aneignen müssen. Der 30-Jährige geht da eher heran. Ich will das nicht pauschalieren, sondern ich will nur sagen, das kann damit etwas zu tun haben.

Wenn Sie die Familienrichter nehmen, sind die auch stärker als andere mit einem PC ausgestattet. Das zeigt dann gute Ergebnisse bei dem Zugewinnausgleich, dem Versorgungsausgleich, bei den Unterhaltsberechnungen usw.

Wenn Sie die Insolvenzabteilungen nehmen, können Sie feststellen, dass wir an allen 22 Insolvenzgerichten im Land eine entsprechende Ausstattung mit Schnittstellen zu den Schuldnerberatungen und zu den Insolvenzverwaltern haben.

Beim Grundbuch geht es vorwärts. Ihnen reicht das nicht aus und Sie hätten das gern schneller, aber es geht vorwärts. Wir haben immerhin 47 Grundbuchämter zu bedienen.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Zu dem Hinweis, dass Sie vier Monate warten mussten, kann ich nur sagen, dass Sie das kürzer haben können, wenn Sie Einsicht nehmen. Die Einsicht verwehrt Ihnen niemand, egal wie die Einführung der elektronischen Grundbücher läuft.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Über das automatisierte gerichtliche Mahnverfahren reden wir im Übrigen gar nicht mehr. Es ist fast ein Jahrzehnt her, dass wir das in Mayen zentralisiert und dort umgesetzt haben. Da sind wir bundesweit vorbildlich gewesen.

Wenn Sie die Fachgerichte nehmen – jetzt immer über die Geschäftsstellen und Schreibdienste hinaus, die überall bedient worden sind –, müssen Sie sehen, dass wir bei den Verwaltungsgerichten und bei den Finanzgerichten eine hundertprozentige Ausstattung der Richter mit einem PC haben. Das ist auch nicht gerade wenig.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Dabei verkenne ich natürlich nicht, dass es bei den Arbeits- und Sozialgerichten nicht so schön aussieht. Das wird ein Punkt sein, auf den wir in den nächsten Jahren mehr unser Augenmerk richten müssen, damit sie nicht das Gefühl bekommen, bei der Einführung des Rechtspflegeministeriums sind sie Stiefkinder geworden, als sie da quasi adoptiert oder zugeordnet worden sind.

Da müssen wir hinsehen, und darauf werden wir in den nächsten Jahren sicherlich auch ein Augenmerk richten.

Bei den Staatsanwaltschaften haben wir übrigens das Programm „CUST“ – Computerunterstützte Staatsanwaltschaften –. Da können Sie sich mittlerweile als Staatsanwalt – nicht nur als Schreibdienst und Geschäftsstelle, sondern als Dezernent – über den Verfahrensstand eines Ermittlungsverfahrens kundig machen, ohne dass Sie die Akte beiziehen müssen.