Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Heute in dieser Debatte sollen die finanzpolitischen Konzepte und Gegenkonzepte deutlich werden. Liebe Frau Thomas, wenn Sie in den Raum gestellt haben, da müsse sich jemand schämen, dann werden wir zum Schluss abrechnen. Wir sehen dann, wer sich in diesem Hause für die eigenen finanzpolitischen Konzepte schämen muss.
Lieber Herr Kollege Böhr, einiges hat mich gewundert und einiges ein bisschen geärgert in Ihrem Beitrag. Am Beginn Ihrer Rede haben Sie es so aufgebaut, als würden wir, die Regierungsfraktionen, die Situation nicht erkennen, als würden wir versuchen, die finanzpolitische Situation, in der sich dieses Land befindet, zu verheimlichen und zu vertuschen. Darauf haben Sie Ihre Argumentation aufgebaut und uns nahe gelegt, endlich einmal Farbe zu bekennen. Ich glaube, die Rede von Herrn Kollegen Herrn Mertes hat gezeigt, dass dies mit Sicherheit nicht die Politik unserer Koalition ist. Vor einigen Monaten hatten wir die erste Debatte.
Wir legen offen dar, wie die Situation ist. Es wird nichts verheimlicht. Die Situation ist sehr kritisch. Das betonen wir selbst immer wieder. Wir müssen nach den Gründen fragen. Wir müssen unsere finanzpolitischen Konzepte hier und heute miteinander vergleichen. Dafür will ich mir etwas mehr Zeit nehmen. Bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geht das relativ schnell. Das ist in wenigen Sätzen getan. Beim Vorschlag der CDUFraktion über einen Stabilitätspakt mit der Regierung muss man etwas genauer hinsehen und feststellen, wie tragfähig Ihr Konzept ist. Davon wird abhängen, ob wir uns dieses großzügige Angebot zu Eigen machen.
Meine Damen und Herren, ich bleibe dabei, Vernunft und Perspektive sind die Leitmotive, die dem Konzept des Doppelhaushalts 2002/2003 zugrunde liegen.
Dieser Haushalt ist in der Tat vernünftig, weil er sich konsequent an den Steuerschätzungen vom November 2001 orientiert. Er muss die im Vergleich zum letzten Doppelhaushalt erheblichen Mindereinnahmen kons equent berücksichtigen. Dies gilt – im Übrigen auch heute schon dargestellt – auch für den Bund und auch für die anderen Bundesländer. Für die zu erwartenden Mindereinnahmen infolge der Steuerreform wurde gemäß der Finanzplanung in ausreichendem Maß Vorsorge geleistet.
Die Verschärfung der Einnahmensituation resultiert für das Land in erster Linie aus den Steuermindereinnahmen infolge der deutlichen konjunkturellen Schwäche in Deutschland. Da die Einnahmen von den Bundesländern fast oder überhaupt nicht zu beeinflussen sind, müssen wir – das ist so – dies leider so hinnehmen. Das ist die Problematik bei der Aufstellung von Länderhaushalten.
Auf der Ausgabenseite reduziert sich unser Spielraum auf die gestaltbaren Ausgaben, deren Anteil, wie bekannt, begrenzt ist.
Meine Damen und Herren, lieber Herr Kollege Böhr, Ausgabensteigerungen – jetzt nenne ich noch einmal die Zahlen – von 1,5 % im Jahr 2002 und 1,9 % im Jahr 2003 entsprechen den Empfehlungen des Finanzplanungsrats. Herr Kollege Böhr – ich weiß nicht, ob Herr Kollege Bracht das ausgerechnet hat –, das gilt für den ganzen Konzern. Das gilt für den gesamten Haushalt. Ich wette mit Ihnen um eine Kiste guten Weins. Wenn Sie das annehmen – ich weiß nicht, wer den bezahlt, Herr Bracht, der vielleicht gerechnet hat, oder Herr Böhr, der es heute gesagt hat –, wette ich mit Ihnen um eine Kiste guten Weins, dass diese Zahlen, die ich genannt habe, richtig sind und die ihrigen, die sich im doppelten Bereich bewegen – 3,5 % habe ich gehört –, falsch sind.
Nehmen Sie die Wette an, und dann werden wir leider nicht heute, aber später feststellen, wer Recht hat. Da geht es auch um die Frage, wie solide dieses Angebot für einen so genannten Stabilitätspakt ist.
Meine Damen und Herren, wir werden auch weiterhin belegen können, dass Ihre Berechnungsgrundlagen falsch sind. Wir werden belegen, dass das, was Sie machen wollen, zum Teil nicht geht und absurd ist.
Lieber Herr Kollege Bracht, dies muss heute auf den Tisch. Dann stellen wir uns die Frage: Können wir uns mit diesem Partner, der diese finanzpolitische Kompetenz ausstrahlt, auf ein solch sympathisches Angebot überhaupt einlassen?
Meine Damen und Herren, es ist sinnvoll und notwendig – darüber besteht auch Konsens in diesem Haus –, den Anstieg der Ausgaben deutlich unter dem mittelfristigen Einnahmenwachstum zu halten, um letztendlich zu einer finanziellen Konsolidierung zu kommen.
Jetzt haben wir diesen konjunkturellen Einbruch. Wir sind auf die Einnahmen, so wie sie vorhanden sind, angewiesen. Es bleibt aber dabei, natürlich müssen wir, wenn die Konjunktur wieder anziehen sollte – Herr Kollege Bracht und Herr Kollege Böhr, es gibt so etwas wie Zyklen –, reagieren. Wenn ich dann Ihr statisches Angebot höre oder Ihre Forderung, jedes Jahr 10 % herunter, ist das finanzpolitisch seriös? Stellen Sie sich einmal vor, die Konjunktur springt an. Dann würden wir uns mit 10 % gar nicht begnügen.
Natürlich. Wir müssen uns an den Zyklen der konjunkturellen Entwicklung orientieren. Statisch zu sagen, 10 % jedes Jahr“, entspricht auch nicht der wirtschaftli
chen Entwicklung in Deutschland. Das Ende der Neuverschuldung orientiert sich an einem Mittelwert zwischen Hochkonjunktur und konjunkturellen Schwächephasen. Es ist ein Mittelwert, der sich nicht nur an den Werten hoher Konjunktur orientiert.
Jetzt haben wir aus unserer Sicht unvermeidbar diese Einnahmensituation. Dann stehen wir vor der Frage: Sind wir in der Lage, diesem tiefen Einbruch mit massiven Ausgabenreduzierungen entgegenzuwirken? – Da haben die Oppositionsparteien Vorschläge gemacht, die sie aber netterweise immer mit neuen Ausgaben kompensieren. Das habe ich dann auch nicht verstanden. Kollege Böhr hat zunächst einmal gesagt – auf die Sparvorschläge werde ich noch zurückkommen –, es wird gespart, aber jeden Sparvorschlag will er mit einem neuen Ausgabenvorschlag kompensieren. Wie das zusammenpasst, verstehe ich auch noch nicht so ganz.
Meine Damen und Herren, die Konsolidierung ist kein finanzpolitischer Selbstzweck, sondern aus gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen notwendig. Die öffentliche Hand muss solide wirtschaften, um an den Kredit- und Kapitalmärkten ausreichende finanzielle Ressourcen auch für private Investitionen zur Verfügung zu stellen. Die Investitionskraft der privaten Wirtschaft ist der Dreh- und Angelpunkt für unser aller Wohlstand.
Darüber hinaus sind wir verpflichtet, unseren Beitrag zum Stabilitätspakt in Deutschland zu leisten, damit die Bundesrepublik als Ganzes ihrer Verpflichtung in der EU nachkommen kann. Das finanzpolitische Ziel einer schnellstmöglichen Reduzierung der Neuverschuldung in ganz Deutschland muss trotz der momentanen konjunkturellen Schwäche oberstes politisches Ziel bleiben. Die CDU-Opposition hat nun – ich habe das schon erwähnt – ein scheinbar freundliches Angebot gemacht, die Koalition bei ihren Sparbemühungen durch einen so genannten Stabilitätspakt in Rheinland-Pfalz zu unterstützen. Daran muss sich die CDU, was ihre Einsparvorschläge anbelangt, ganz konkret messen lassen.
Wenn man aber konkret wird und ins Detail geht, wenn man analysiert, was hier auf den Tisch gelegt wird, dann kommt man sehr schnell zur Einsicht, so geht es nicht.
Man kommt sehr schnell zu der Einsicht, von all dem, was hier auf dem Papier steht, bleibt nichts mehr übrig, zum einen, weil diese Vorschläge nicht umsetzbar sind, und zum anderen hat die Koalition aus guten Gründen, die ich auch darlegen werde, nachvollziehbar andere politische Schwerpunkte gesetzt.
Meine Damen und Herren, im Übrigen sollte nur der ein Stabilitätsangebot machen, der selbst auch über eine ausreichende Stabilität im Innern verfügt. Die Koalition
ist so standfest – sie steht auf zwei stabilen Beinen –, dass sie auf eine leicht zerbrechliche Krücke verzichten kann.
Jetzt gehe ich einmal auf die Einzelheiten ein. Herr Kramer, schauen Sie mir doch einmal ins Auge, Sie wissen doch genau, was ich meine. Die Forderung nach einem Personalabbau – jetzt komme ich einmal zu den einzelnen Punkten – auf den Stand von 1991, und zwar „hic et nunc“, ist Augenwischerei. Natürlich haben wir nichts gegen Personaleinsparungen einzuwenden. Genau deshalb schreibt die Koalition durch eine Selbstverpflichtung ihrer Regierung schon eine Effizienzrendite von 1,5 % pro Jahr vor. Der Einzelplan 04 basiert sogar auf einer Effizienzrendite von 2,1 % pro Jahr. Jeder Finanzpolitiker weiß oder sollte wissen – dies sollte eigentlich auch auf die CDU zutreffen –, dass eine solch abrupte Reduzierung – hier im Wert von 8,5 Millionen Euro – nur mit Maßnahmen möglich wäre, die an die Anwendung körperlicher Gewalt grenzen, die also strafrechtlich relevant wären. Das wollen wir nicht. Nur mit solchen Maßnahmen könnten Sie letztlich dieses Ziel so schnell erreichen. Das ist in sich unlogisch und nicht möglich.
Meine Damen und Herren, im Übrigen zeigt eine nähere Analyse, dass die Summe der Zahlfälle im Landeshaushalt seit der Einführung der Personalbudgetierung ab dem Haushaltsjahr 1997 weitestgehend konstant geblieben ist. Vergleicht man darüber hinaus die rheinlandpfälzischen Zahlen mit denen anderer Bundesländer, muss man – das tun Sie nicht – berücksichtigen, dass diese Zuführungen an den Pensionsfonds für Beamte enthalten, die es sonst nirgendwo gibt.
Auch das muss in die Berechnung hinein. Das haben Sie auch nicht getan. Ihre Berechnungen stimmen dann wieder nicht.
Darüber hinaus stehen die direkten Finanzhilfen für Unternehmen – heute Thema des Kollegen Böhr – im Mittelpunkt der Oppositionskritik, insbesondere jene, welche Mittel aus dem Europäischen Strukturfonds um mehr als die gleiche Summe ergänzen. Das wird von Ihnen thematisiert. Der Einsatz von Steuergeldern, sagen Sie, würde nicht den gewünschten Erfolg zeigen. Hier wollen Sie 17 Millionen Euro sparen. Meine Damen und Herren, dazu haben wir eine andere Position.
Der so genannte Subventionsabbau, wie dieser ab und zu so formuliert vor uns hergetragen wird, ist in der Tat auch weitgehend eine populistische Forderung. Was die direkten Finanzhilfen an Unternehmen in RheinlandPfalz anbetrifft, so favorisiert die FDP die Vergabe an kleine und mittlere Unternehmen. Der Einzelplan 08 sieht dementsprechend auch eine Offensive für den Mittelstand vor. Dies wird von der Union begrüßt, weil sie sehr wohl weiß, dass 80 % aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer außerhalb des öffentli
Zudem schafft jede Unternehmensneugründung im Durchschnitt vier neue Arbeitsplätze. Neugründungen benötigen jedoch auch aufgrund ihrer normalerweise knappen Kapitaldecke einen gewissen Anschub, um sich am Markt etablieren zu können. Direkte Finanzhilfen an Unternehmen dürfen damit nicht pauschal – so wird es gesagt – als verlorene Zuschüsse für unrentable Branchen oder für unrettbar verlorene Arbeitsplätze eingestuft werden. Das ist falsch. So, wie Sie es erzählen, ist es falsch.
Dass die Politik des Landes nicht so verfehlt sein kann, wie die Union es glauben machen möchte, zeigt sich daran, dass Rheinland-Pfalz mit seiner Exportquote von 40 % an der Spitze aller Bundesländer liegt. Das darf man doch einmal sagen. Die langjährige Förderung von technologisch innovativen Unternehmen zahlt sich also aus.
In dieselbe Richtung weist auch die Umsatzentwicklung der heimischen Wirtschaft. In den letzten zwanzig Jahren haben sich die Erlöse um das Doppelte erhöht, und das in einem Land, das historisch gesehen mit einigen Regionen zu den strukturschwachen in der Bundesrepublik gehörte.
Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau geht davon aus, dass durch die EUProgramme, genannt Ziel-Programme, in den begünstigten Gebieten Westpfalz, Eifel, Hunsrück 5.800 neue Arbeitsplätze geschaffen und weitere 650 gesichert werden können.
Die Mittel werden entsprechend der Vorschriften der EU eingesetzt. Einen überproportionalen Landesanteil gibt es hierbei nicht. Bei dem laufenden Ziel-2-Programm ist es allerdings vonseiten der EU – dies muss man wissen – zu Verzögerungen gekommen. Die Mittel für die Programmperiode 2000 – 2006 wurden erst 2001 bewilligt, sodass die vorgesehenen Projekte nun in einem verkürzten Zeitraum realisiert werden müssen. Die Komplementärmittel des Landes entfallen deshalb schwerpunktmäßig auf die nächsten vier Jahre. Insofern nehmen die Mittel, die das Land im Doppelhaushalt 2002/2003 für die Gegenfinanzierung von EUProgrammen einstellt, tatsächlich signifikant zu. Das ist richtig. Das ist in Ordnung. Das haben Sie eben in diesem Zusammenhang nicht erkannt.
Alles in allem kann von einer unterdurchschnittlichen Wirtschaftsentwicklung in Rheinland-Pfalz keine Rede sein. Mit einer Rate von 3,1 % erzielte die hiesige Wirtschaft im Jahr 2000 das höchste Wirtschaftswachstum seit der Wiedervereinigung und lag damit über dem Durchschnitt aller Bundesländer, der bei 3 % liegt.
Meine Damen und Herren, in Sachen Arbeitslosigkeit – das ist der entscheidende Faktor; da geht es um die