Protocol of the Session on December 13, 2001

Meine Damen und Herren, die Art des Applauses gestern und heute von den Regierungsfraktionen hat mich doch sehr an den Applaus bei dem letzten CDUParteitag erinnert. Ich hoffe, dass Sie das nicht aus den gleichen Gründen getan haben, meine Damen und Herren.

(Staatsminister Gerster: Waren Sie dabei? – Zuruf des Ministerpräsidenten Beck und weitere Zurufe von der CDU)

Aber auch das konnte man über PHOENIX verfolgen wie viele andere Parteitage in der letzten Zeit.

Meine Damen und Herren, das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die rotgelbe Landesregierung heute ihren x-ten Haushalt vorgestellt hat. Die Aufführung der SPD- und FDP-Koalition war noch nie so ein dürftiges Possenspiel wie im ersten Jahr dieses neuen Jahrtausends.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Ich will es einmal so zusammenfassen: Zu Weihnachten lassen Sie öffentlich Schummelpakete packen. Im Wahljahr an Sylvester lassen Sie ordentlich Raketen steigen und Versprechungskracher donnern. Jetzt verzieht sich so langsam der Pulverdampf. Dann tritt die landespolitische Tristesse wieder ein. Das haben wir heute erleben können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Kramer, CDU)

Wenn Sie sich die Situation der Regierungskoalition anschauen, sehen Sie, dass das Fundament bröckelt, und wie kann es in Mainz anders sein? Es geschieht bezeichnenderweise im elften Jahr. Die Risse kehren schneller zurück, als die Tünche nach gewonnener Landtagswahl getrocknet ist.

Herr Beck, Ihre Neigung, mit ruhiger Hand und Kontinuität regieren zu wollen, das heißt auch, auf die alternde Mannschaft zurückzugreifen, hat Sie verleitet, auf diesem Stand zu bleiben. Frau Martini hat als Erste erkannt, wohin die Reise geht. Dass es nur zu einem Opel-Cabrio gereicht hat, zeigt, wie groß die Sprünge sind, die man mit dem derzeitigen Mainzer Personal machen kann.

(Ministerpräsident Beck: Darauf bin ich stolz!)

Herr Kuhn, über Herrn Brüderle auf den Berliner Oppositionsbänken werden wir noch zu sprechen kommen.

Herr Beck, mit Ihren 44 % im Rücken wagen Sie sich endlich an die Heiligtümer Ihres Koalitionspartners. Aber Ihr Blick scheint getrübt zu sein; denn eigentlich wäre es dringend erforderlich, dass Sie sich für den notwendigen Umbau von Landwirtschaft und Weinbau einsetzen, weg

von den Interessen der Agrarlobby, hin zu mehr Umweltverträglichkeit und Verbraucherschutz, oder dass Rheinland-Pfalz endlich den Anschluss an einen ökologischen Energiemix aus Windenergie, Solarenergie, Biogasnutzung und Energiesparen findet, oder dass Sie wirklich eine Neuorientierung in der Bildungspolitik über das halb gare Ganztagsangebot hinaus oder einen tatsächlichen Qualitätssprung bei der Kindertagesbetreuung entwickeln.

Herr Beck, aber nein, Sie lassen sich von Ihrem jahrelangen, zugegebenermaßen leicht verständlichen oder nachvollziehbaren Ärger leiten und versuchen sich jetzt an der Justiz.

Der FDP-Justizminister und der SPD-Ministerpräsident haben diese Koalition in eine hausgemachte Krise geführt und kräftig Nahrung für bundesweiten Spott über das rotgelbe Mainzer Biotop geliefert.

(Vereinzelt Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall des Abg. Kramer, CDU)

Es geht aber nur vordergründig um die öffentlich ausgetragenen Personalquerelen zwischen Justizminister Mertin und dem SPD-Ministerpräsidenten. Das zeigt nur noch einmal die Isolation, in der sich der Justizminister im Kabinett und in seiner Fraktion befindet.

(Kuhn, FDP: Was?)

Herr Kuhn, die Tränen, die Sie im Zusammenhang mit der Frage „Justizministerium“ weinen, – –

(Zuruf aus dem Hause)

Da müssen Sie etwas leiser sein, dann verstehen Sie das auch besser.

sind doch nur Krokodilstränen. Es ist doch offensichtlich bekannt, dass Sie seit Jahren Parteipolitik bei der Besetzung von vielen Positionen betreiben. Ich sage nur: ISB-Besetzungen – von der Tochter bis oben in die Geschäftsführung. Ich führe die Neubesetzung an, die Sie für den Landesbetrieb planen, indem Sie den ehemaligen Staatssekretär Eggers einbringen wollen. Das ist alles FDP-Personalpolitik. Da brauchen Sie überhaupt keine Krokodilstränen zu weinen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber wenn ich von einer tief gehenden Koalitionskrise zwischen FDP und SPD rede, dann sage ich – – –

(Staatsminister Zuber: Das hätten Sie gern!)

Herr Zuber, das werde ich Ihnen noch belegen.

Wenn ich von Koalitionskrise spreche, dann sage ich: Das „Möchtegern-sozialliberale-Vorzeigemodell“ in Rheinland-Pfalz hat sich an vielen zentralen Entscheidungsfeldern auseinander gelebt. Nach zehn Jahren sozialliberaler Koalition ist der Lack erkennbar ab. Die Partner haben sich auseinander gelebt, und zutage treten die großen und kleinen „Nickeligkeiten“ – Sie

kennen das –, all das, was einen schon immer gestört hat.

Meine Damen und Herren, Herr Kuhn, das ist wahrhaftig keineswegs die beste Empfehlung für einen Werbefeldzug für sozialliberal in Berlin.

(Zurufe aus dem Hause)

Wir reden darüber.

Herr Kuhn, aber nicht nur wir, auch hervorragende Kenner Ihres Binnenverhältnisses zwischen den beiden Parteien reden darüber. Ich zitiere nur Herrn Dieckvoß, der am vergangenen Wochenende in der „Rheinpfalz“ zitiert wurde und sagte, „die Herzensangelegenheiten sind abgearbeitet“.

Herr Kuhn, so schön hätte ich das gar nicht formulieren können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Er war Ihr Vorgänger in dieser Position. Er kann in der Koalitionsvereinbarung, in dem, was fünf Jahre vor Ihnen liegt, noch nicht einmal irgendein großes Thema entdecken. Das sagt Ihr Vorgänger über Ihre Koalition.

(Kuhn, FDP: Vorvorgänger!)

Herr Kuhn, auch das hätte ich gar nicht schöner sagen können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wird Ihnen noch nicht einmal acht Monate nach der Neuauflage der Regierung in das Stammbuch geschrieben. Herr Ministerpräsident, unter dieser Diktion der derzeitigen Konstellation erscheint der Satz von Ihnen in Ihrer Regierungserklärung vom Mai, in der Sie erklärt haben, die Faustregeln von gestern seien eben nicht immer hilfreich bei den Aufgaben von heute und morgen, im besonderen Licht. Nur, Sie scheinen neue Faustregeln für Ihre Koalition noch nicht gefunden zu haben; denn aus dem ehrlichen Kampf um die bessere Politik – darum ringt der Koalitionspartner Bauckhage immer– wird der K.-o.-Schlag für den Justizminister.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in einer so schwierigen Zeit – ich glaube, es hat heute keiner außen vor gelassen, dass die Situation wirklich schwierig ist –, in der dieses Land steckt, in der entscheidende Weichenstellungen für eine wahrhaftig nachhaltige Entwicklung einer Bildungspolitik, die mit den gerade konstatierten und gravierenden Mängeln aufräumen kann, die diese überwindet, und eine der Umwelt und Beschäftigung verpflichtete Wirtschaftspolitik vorgenommen werden müssen, zerreibt sich die Landesregierung an ihren internen Querelen und verharrt in Krisenstimmung.

Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, das ist alles andere als Verantwortung für dieses Land, alles

andere als das, was Herr Beck in seiner Regierungserklärung im Mai angekündigt hatte.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Doppelhaushaltsentwurf ist ein Abbild Ihrer Krise. Er signalisiert Erschöpfung statt einem Aufbruchsignal. Er genügt nicht den Anforderungen der Zeit, genauso wenig, wie er den Anforderungen der Verfassung genügt. Sie entfernen sich von dem notwendigen Konsolidierungskurs und zielen auf eine Rekordverschuldung von 1,1 Milliarden Euro, nachdem nach zehn Jahren Regierungstätigkeit von Ihnen die Verschuldung des Landes mehr als verdoppelt wurde, aktuell auf einen Stand von 38,2 Milliarden DM. Auf die Schulter jedes Einwohners und jeder Einwohnerin wird die Schuldenlast von 8.700 DM gepackt. Aber dazu später mehr.

Mit diesem Schuldenstand ist es Ihnen nicht genug. Diesmal will die FDP mehr, mehr Schulden; denn nicht nur die CDU, Herr Mittler, wie Sie gestern verkündet haben und die Sie attackiert haben, will ein Vorziehen der Stufen der Steuerreform. Sie müssen gar nicht so weit schauen. Sie brauchen quasi nur über den Kabinettstisch schauen, wenn Sie über diese Vorschläge Ihren Spott und Ihren Hohn ausschütten. Sie müssen sich nur an Herrn Bauckhage richten; denn der plädiert in sechstausendfacher Auflage und sicherlich auch bei seinen vielen Vorwahlkampfterminen doch genau dafür, nämlich den Tabubruch zu überwinden, also zu vollziehen und die nächste Stufe der Steuerreform vorzuziehen.

(Dr. Altherr, CDU: Recht hat er!)

Herr Bauckhage, Sie wissen sehr wohl, was das für das Land bedeutet, nämlich 94 Millionen Euro an zusätzlichen Ausfällen und 67 Millionen Euro Minus für die Kommunen.

Meine Damen und Herren, noch am Montag hat Herr Brüderle in der „Welt“ unter dem Titel „Mehr Reagan, weniger Brüning“ erneut Steuerschecks für die Bürger gefordert.

Herr Mittler, ich frage Sie, wie würde es Ihnen gefallen, wenn Ihre Finanzämter statt Steuermittel für gemeins ame öffentliche Belange, nämlich für gute Schulen, öffentliche und bessere Kinderbetreuung, Forschungsförderung usw., einzunehmen, ab Januar Steuerschecks rausschicken würden, und das sozusagen auf ihre Kosten. Ich finde, über diese Fragen sollten Sie sich mit Herrn Brüderle, Herrn Bauckhage und mit Ihren Koalitionspartnern auseinander setzen und nicht mit der Opposition.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kramer, CDU: Sehr gut!)