Protocol of the Session on January 20, 2006

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich in fünf Punkten noch einmal kurz darauf eingehen, worüber wir hier reden und wie sich das Ministerium bisher verhalten hat und wie es sich weiter verhalten wird.

Noch einmal zur Erinnerung. Worum geht es bei der Facharbeit? Wir haben mit dem Schuljahr 2004/2005 die Möglichkeit wieder eingeführt, eine Facharbeit zu schreiben. Wir haben mit dieser Regelung auf Wünsche von Lehrkräften, von Schülerinnen und Schülern, von Eltern, aber auch gesellschaftlicher Gruppen reagiert, neben der besonderen Lernleistung eine zweite Arbeitsform anzubieten, in der sich Schülerinnen und Schüler intensiv und über einen längeren Zeitraum mit einem Thema auseinander setzen können. Wir fördern damit selbstständiges wissenschaftliches Arbeiten, und wir tragen auch dazu bei, dass ein Ziel der Mainzer Studienstufe erreicht wird, nämlich zur Studierfähigkeit. Ich sage Ihnen dazu, diese Entscheidung war richtig, und sie ist ein Erfolg. Schätzungsweise 2.000 Schülerinnen und Schüler haben diese Chance genutzt, ein interessantes Thema in einem ihrer Leistungsfächer zu bearbeiten.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Ich will Ihnen auch bewusst einmal ein Beispiel geben, über was zum Bespiel gearbeitet wird. Es gibt zum Beispiel eine Facharbeit im Fach Physik zum Thema „Bau eines Interfaces zur computergestützten Bestimmung der Elementarladung“. Es geht also um hoch anspruchsvolle Themen, übrigens auch solche, die beim Wettbewerb „Jugend forscht“ eingereicht und auch prämiert wurden. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass es auch aus der Wirtschaft, auch von den forschenden Unternehmen die Forderung gab, die Facharbeit wieder einzuführen. Wir sind ihr gefolgt, und diese Entscheidung war richtig.

(Lelle, CDU: Das ist aber nicht unser Thema gewesen! Wir sind einer Meinung, dass wir diese Facharbeit haben!)

Genau vor diesem Hintergrund muss man diese Frage debattieren.

Jetzt komme ich zu dem zweiten Punkt. Wie wurden die Schulen über diese Neuregelung informiert? – Über die entsprechenden Änderungen der Abiturprüfungsordnung hat das Bildungsministerium die Schulen unverzüglich und über verschiedene Wege informiert. Jetzt führe ich Ihnen die Wege noch einmal an. Veröffentlichung im Gesetz- und Verordnungsblatt, Veröffentlichung im gemeinsamen Amtsblatt, mündliche Information der MSSLeiter, schriftliche Information aller Schulen per EPOS inklusive Austauschseiten, Veröffentlichung im Internet. Die Schulen wurden auf dieser Grundlage aufgefordert, die Schülerinnen und Schüler zu informieren. Das ist der übliche und seit vielen Jahren bewährte Weg des Informationsaustauschs, der im Übrigen auch vom Verwaltungsgericht Neustadt nicht kritisiert wurde.

(Beifall bei der SPD)

Damit komme ich zum dritten Punkt: Wie gehen wir mit Beschwerden um? Da uns allen klar ist, dass ungeachtet der bewährten Kommunikationswege zwischen Ministerium und Schulen dennoch Fehler oder besser gesagt Missverständnisse bei der konkreten Umsetzung vor Ort nie ganz auszuschließen sind, werden in meinem Ministerium – darauf lege ich Wert – Bitten oder Beschwerden, die zum Beispiel von Schülerinnen und Schülern vorgetragen werden, immer sehr ernst genommen und immer sehr intensiv geprüft. Dies galt und gilt zu jedem Zeitpunkt, um das sehr deutlich zu sagen.

In einem Fall ist das Verwaltungsgericht Neustadt in einem Beschluss vom 30. November des vergangenen Jahres zu der Auffassung gekommen, dass am EuropaGymnasium in Wörth vor Ort nicht ausreichend und widerspruchsfrei informiert worden sei. Wir haben diese Entscheidung ohne Einlegung von Rechtsmitteln im einstweiligen Verfahren akzeptiert und eine Regelung zugunsten des klagenden Schülers getroffen. Im Sinn der Gleichbehandlung, Herr Abgeordneter Keller, haben wir auch sofort entschieden, dass allen Schülerinnen und Schülern am Gymnasium in Wörth, die keine Facharbeit geschrieben haben, ebenfalls die Möglichkeit eingeräumt wird, ihr Abitur nach der bis zum 31. Juli 2003 geltenden Prüfungsordnung abzulegen.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Diejenigen Schülerinnen und Schüler, die eine Facharbeit geschrieben haben, können zwischen der alten und der neuen Prüfungsordnung wählen.

Ich komme zu meinem vierten Punkt: Wie gehen wir mit weiteren Beschwerden um? Jeder Einzelfall wird sorgfältig geprüft. Maßgeblich sind dabei die Anforderungen, wie sie das Verwaltungsgericht Neustadt formuliert hat. Insgesamt liegen uns von den über 150 Schulen mit gymnasialer Oberstufe aktuell aus elf Schulen Beschwerden vor, in denen die Anwendung der alten Abiturprüfungsordnung eingefordert wird. Am Max-PlanckGymnasium in Ludwigshafen – darauf ist bereits hingewiesen worden – wurde nach Prüfung entschieden, auch an dieser Schule die gleiche Regelung wie in Wörth anzuwenden. In fünf Fällen haben wir nach Vorlage und

Prüfung der Unterlagen vonseiten der Schulen entsprechende Anträge abgelehnt, weil nach unserer Auffassung keine Informationsdefizite vorliegen. In einem Fall hat eine betroffene Schülerin zwischenzeitlich Klage und Antrag auf einstweilige Anordnung beim Verwaltungsgericht Neustadt gestellt. Eine weitere ist angekündigt. Über den Antrag wurde noch nicht entschieden. Über die übrigen fünf Fälle wird das Ministerium nach Auswertung der Stellungnahme in Kürze entscheiden.

Jetzt komme ich zu dem entscheidenden Punkt: Warum haben wir uns für eine Einzelfallprüfung entschieden? – Weil die Einzelfallprüfung aus unserer Sicht der einzig mögliche Weg ist, den Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden, und zwar sowohl den Schülerinnen und Schülern, die keine Facharbeit geschrieben haben, als auch jenen, die die intensive Arbeit auf sich genommen haben – das sind aufs Land gesehen schätzungsweise 2.000 Schülerinnen und Schüler. Die Forderung nach genereller Wahlfreiheit zwischen alter und neuer Abiturprüfungsordnung ist eben gerade nicht gerecht; denn sie nimmt die Gruppe derer, die eine Facharbeit geschrieben haben, nicht in den Blick. Auf dieses Problem haben wir von Anfang an auch im Schriftverkehr mit dem Gericht hingewiesen.

Mittlerweile liegen uns gerade aus dieser Gruppe mit Facharbeit mehrere Beschwerden von Schülerinnen und Schülern und deren Eltern vor. Ich habe für diese Sichtweise durchaus Verständnis; denn an den beiden Schulen, in denen wir die alte Abiturprüfungsordnung für anwendbar erklärt haben, haben die Schülerinnen und Schüler, die eine Facharbeit geschrieben haben, in der Regel keinen Vorteil mehr gegenüber ihren Mitschülerinnen und Mitschülern.

Ihnen diesen Vorteil wieder zu verschaffen, dazu fehlt uns die Möglichkeit, eine Rechtsgrundlage zu schaffen. Gerade unsere Einzelfallregelung aber führt dazu, dass sie ihren Vorteil behalten im Vergleich zu allen anderen Schülerinnen und Schülern der übrigen rund 150 Schulen mit gymnasialer Oberstufe, die keine Facharbeit geschrieben haben. Ich denke, wenn man das alles in den Blick nimmt, dann ist sehr wohl verständlich und nachvollziehbar, warum wir uns für den Weg der Einzelfallregelung entschieden haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich gehe davon aus, Ihnen verdeutlicht zu haben, dass unser Verhalten stets davon geprägt war und geprägt bleiben wird, Beschwerden von Schülerinnen und Schülern ernst zu nehmen, immer aber auch die Seite der zuständigen Schule zu hören und nach gerechten Wegen zu suchen, um mit Konflikten umzugehen. An dieser Richtschnur werden wir uns auch weiterhin orientieren.

(Beifall bei SPD und FDP)

Bevor wir in die zweite Runde einsteigen, begrüße ich auf der Zuschauertribüne Schülerinnen und Schüler der Klasse 10 b des Gymnasiums am Römerkastel Bad Kreuznach sowie Schülerinnen und Schüler des Ge

schwister-Scholl-Gymnasiums Ludwigshafen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Keller.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin, wer ist denn für das Chaos bei der diesjährigen Abiturprüfung verantwortlich?

(Beifall der CDU – Zurufe von SPD und FDP – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Sie, Herr Keller! Sie, die Sie die Schüler verrückt machen!)

Das sind doch Sie, weil Sie, vom Gericht attestiert, nur mangelhaft informiert haben.

Ich sage es noch einmal, dass Sie jetzt die Schülerinnen und Schüler, die ihr Recht suchen, in die Einzelfallprüfung treiben, ist wirklich abscheulich für eine Jugendministerin. (Beifall der CDU – Zurufe von SPD und FDP) – Ja.

Wir haben eine Enquete-Kommission „Jugend und Politik“ gehabt, in der Sie die Vorsitzende gewesen sind, Frau Brede-Hoffmann. Was im Bericht steht, ist – das zeigt sich jetzt – Theorie; in der Praxis handeln Sie gerade anders, gegen die Jugendlichen.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Jetzt setzt es aber ganz aus!)

Es ist schon unerträglich, muss ich wirklich sagen, wie auf Schüler Druck ausgeübt wird, die ihr Recht suchen wollen. Druck wird ausgeübt, entweder den Mund zu halten, oder – –

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Beweisen Sie das einmal! Wo?)

Hören Sie zu, ich sage es gleich.

es wird ihnen verbal oder nonverbal zu verstehen gegeben, dass ihre Proteste zu möglichen negativen Konsequenzen im Hinblick auf ihre Abiturnote führen.

Dieser Eindruck herrscht sogar an einer Schulart vor, – – –

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Was? Jetzt wird es aber ungeheuerlich! Das ist üble Nachrede! – Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Jetzt hören Sie doch einmal endlich zu. Das ist ja unerhört.

(Beifall der CDU)

Ich zitiere es gleich. Es ist doch nicht zu fassen. Jetzt setzt man sich für die Interessen der Jugendlichen – – – Liebe Leute da oben, das ist die SPD, dass Sie es wissen.

(Zurufe aus dem Hause – Glocke der Präsidentin)

Bitte die Uhr anhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht sollten wir uns darauf einigen, dass der Redner am Rednerpult redet und die anderen zuhören. Jeder hat nachher die Möglichkeit, ihm am Rednerpult zu antworten. Ich bitte Sie darum.

Das Wort hat Herr Kollege Keller.

Wer den Redner unterbricht, hat meistens Unrecht.

Es wird Druck ausgeübt. Dieser Eindruck herrscht sogar an einer Schulart vor, die das soziale Lernen und das besondere Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern ganz oben hinstellt und als Verpflichtung sieht, nämlich an einer Integrierten Gesamtschule.

Am 19. Januar war es in der „Rheinpfalz“ zu lesen. Integrierte Gesamtschule in Mutterstadt: Dort haben ca. 25 Schüler im Dezember an die Ministerin geschrieben. Jetzt kommt das wörtliche Zitat aus der „Rheinpfalz“ vom 19. Januar: „Die Unterstützer des Schreibens, Teile der insgesamt 64 Oberstufenschüler hatten die Aktion auch aus Furcht vor möglichen negativen Konsequenzen für ihre Abiturnote abgelehnt.“ –

Es herrscht Angst an unseren Schulen.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von SPD und FDP – Glocke der Präsidentin)

Die Schüler haben Angst, für ihre Interessen einzutreten. Das ist keine Erfindung von mir. Das können Sie nachlesen.

Dafür sind Sie verantwortlich.

(Beifall der CDU – Dr. Weiland, CDU: So ist es!)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Brede-Hoffmann.