Protocol of the Session on January 19, 2006

Er sagte nämlich gestern in einer anderen Debatte: Mit Halbwahrheiten kommen Sie nicht weit. Das sage ich heute auch: Mit Halbwahrheiten kommen Sie nicht weit. Herr Bauckhage, Sie haben uns heute viel Halbwahres und Halbgares in Ihrer Regierungserklärung serviert. Bevor ich aber dazu komme und auf einzelne Punkte eingehe, möchte ich drei grundsätzliche Äußerungen machen:

Ihre Wirtschaftspolitik, wie Sie sie in der Vergangenheit betrieben haben und wie Sie sie auch nach vorn entwickelt haben, richtet sich nicht auf Nachhaltigkeit und auch nicht auf den notwendigen ökologischen Strukturwandel aus. Sie verharren eher bei längst überholten Positionen. Da reicht es auch nicht aus, einmal von erneuerbarer Energie zu sprechen. Sie verharren eher bei längst überholten Positionen. Oft genug hören wir Ihre Fraktion, die Ökologie und Ökonomie gegeneinander stellt. Aber, meine Damen und Herren, das gehört in das Zeitalter der Dinosaurier.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Zeiten des Klimawandels, knapper Ressourcen und knapper Rohstoffe – es ist nicht nur Energie, sondern es ist zum Beispiel auch Stahl und viele andere Rohstoffe, die aufgrund der globalwirtschaftlichen Entwicklung knapp werden – ist eine ambitionierte Umweltpolitik Aufgabe der Wirtschaftspolitik. Sie wird sogar Antriebsmotor einer modernen Wirtschaftspolitik. Das ist das, worauf wir setzen wollen, wenn wir von moderner Wirtschaftspolitik in diesem Land sprechen: Strukturen und Anreize setzen, die Innovation beispielsweise für die drastische Senkung des Verbrauchs an Material, an Energie und an Fläche zu begünstigen.

Herr Bauckhage, davon war heute in Ihrer 50-minütigen Regierungserklärung kein Wort zu hören. Deshalb war sie auch so wenig inspirierend und so wenig mitreißend, meine Damen und Herren.

Ich halte lieber mit Leidenschaft und auch mit Verve dagegen: Ressourceneffizienz, erneuerbare Energien, die Nutzung nachwachsender Rohstoffe oder auch der Ersatz von fossilen Grundstoffen, das ist Kennzeichen einer modernen Wirtschaftspolitik, und das ist, wonach die Räder in Rheinland-Pfalz ausgerichtet werden müssen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen Innovation mit der notwendigen ökologischen Modernisierung zusammenführen, und dies muss sich in Förderprogrammen niederschlagen. Dies muss sich in der Art und Weise niederschlagen, wie wir Innovation durch Forschung und Entwicklung voranbringen. Wir wollen diesem Prozess eine Richtung geben und nicht in der Beliebigkeit dahinplätschern lassen, wie Sie dies

betreiben. Wir möchten eine klare Priorität und keine Gießkannenförderung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine zweite grundsätzliche Anmerkung: Ihre Wirtschaftspolitik und Ihre Erklärung war nach außen hin geschlechtsneutral. Aber Achtung, dies heißt eigentlich, dass sie immer nach den männlichen Bedürfnissen, nach den Teilnehmern des Wirtschafts- und Arbeitslebens, die das männliche Geschlecht tragen, ausgerichtet ist. Nicht ein Wort in Ihrer Erklärung zu einer modernen Wirtschaftspolitik war über Frauen in der Wirtschaft zu hören, ob sie nun Unternehmerinnen, Arbeitnehmerinnen, Auszubildende oder Wissenschaftlerinnen sind. Dies ist das Potenzial dieses Landes, und zwar ein bedeutendes Potenzial, aber das haben Sie einfach ausgeblendet. Sie klammern die Hälfte der Bevölkerung aus. Sie verlieren sie aus dem Blick und lassen sie außen vor. Lieber Herr Bauckhage, das ist nicht modern. Das ist nicht gerecht, und zukunftsfähig ist es schon einmal gar nicht!

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Dritten möchte ich sagen: Nicht nur im Hinblick auf Umwelt und Ressourcen sowie auf Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen ist die rotgelbe Wirtschaftspolitik nicht zukunftsfähig. Sie erkaufen seit Jahren die ökonomische Zukunft dieses Landes durch eine immense Staatsverschuldung. Meine Damen und Herren, dies gilt für Investitionen in die von Ihnen gepriesene Infrastruktur, in die Wirtschaftsförderungsprogramme, in die Technologieförderung, in die Förderung von Messen und das Standortmarketing und so weiter. Dies alles kaufen und fördern Sie auf Pump. Das heißt, Sie verschulden sich, Sie verschulden eigentlich nicht sich, sondern die Bürger und die Bürgerinnen dieses Landes. Nach Ihrer eigenen Übersicht sind allein seit dem Jahr 2000 850 Millionen Euro allein in die Wirtschaftsförderung im engeren Sinn geflossen. Ich rede noch nicht von den Darlehensprogrammen, ich rede noch nicht von den Garantieprogrammen und nicht von den Beteiligungsprogrammen. Dies ist die Kehrseite der Medaille, die Sie uns zeigen wollten, meine Damen und Herren. Gemessen an der Schuldenentwicklung in diesem Land hätten die Menschen auf der Habenseite wahrlich mehr verdient.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme nun zu Ihren Halbwahrheiten und Schönfärbereien. Sich auf Studien zu beziehen, ist en vogue geworden. Dann muss man es aber richtig tun. Dann darf man nicht nur sagen, dass der rheinland-pfälzischen Wirtschaft in den Rankings eine gute Dynamik und Entwicklung bescheinigt wird, sondern dass man, wenn man auf die Beurteilung des Bestandes, also des Ausgangspunktes und des Volumens und einen Teil der Struktur geht, das Land eigentlich nur Mittelmaß ist.

Kein Wort von Ihnen dazu, Herr Minister. Ich glaube, man muss immer auf beide Seiten hinweisen. Es geht nicht, dass man sich nur die Schokoladenseiten heraussucht.

Ähnlich ist es bei dem Wirtschaftswachstum. Dynamisches Wirtschaftswachstum wird in den Studien dargestellt und auch zu Recht gut bewertet, aber es wird auch gleichzeitig darauf hingewiesen, dass das auf eine sehr hohe Exportquote zurückzuführen ist.

(Kuhn, FDP: Ist das etwas Böses?)

Es wird in Verbindung mit den Großunternehmen und der Chemiebranche gebracht. Im Wesentlichen muss sich die Wirtschaftspolitik aber auf die Belange der vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen ausrichten.

(Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Das führen Sie immer im Munde, Herr Creutzmann. Wenn es aber an die Umsetzung geht, sehen wir es noch nicht so.

Zur Erwerbstätigenquote hat der Vorredner einiges gesagt. Sie ist positiv, was die Arbeitslosenquote angeht, aber negativ, was die Beschäftigungsquote angeht. Da liegen wir trotz Zugewinnen nach wie vor im Ländervergleich auf dem zweitschlechtesten Platz. Das ist keine Erfindung der Opposition, sondern das heißt – zitiert in den zahlreichen Studien –, dass das Land nicht für seine Einwohner und Einwohnerinnen die Arbeitsplätze schaffen kann, sondern viele genötigt sind, über die Grenzen hinaus zu gehen. Es ist gut, dass sie dort Arbeit finden. Ich gönne ihnen auch diese Arbeitsstellen. Aber es ist in der Gesamtbewertung diesem Land auch negativ anzurechnen, dass wir das nicht schaffen.

Ich könnte über die Bereiche der Erwerbstätigenquote von Frauen weiterziehen. Ich könnte Ihnen das weiter über die Daten und Angaben zur Unternehmensgründung deklinieren. Da loben Sie sich über den grünen Klee, was die Zahl der Unternehmensgründungen angeht. Höre ich aber von Ihnen zum Beispiel, warum in Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr die Zahl der Unternehmensinsolvenzen so stark nach oben gegangen ist, während sie im bundesweiten Durchschnitt nach unten gegangen ist? Kein Wort von Ihnen, keine Erklärung, kein Anpacken und kein Zupacken.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass der grüne Weg, den wir in der Vergangenheit mehrfach angesprochen haben, dass wir nicht nur Existenzgründung fördern, sondern diese dann auch eine Zeit begleiten, damit sie es durchhalten, ein guter Weg ist. Zum Zweiten sollten wir ein besonderes Augenmerk auch auf die Frage von Betriebsübergängen legen, weil das Bestandssicherung und Bestandspflege ist. Das wäre erst komplett, wenn wir über die Frage der Wirtschaftsförderung in diesem Bereich reden.

Ich möchte noch einiges zur Wirtschaftsförderung sagen, weil ich der Meinung bin, die Art und Weise, wie Sie es betreiben, ist immer noch ein Gemischtwarenladen. Es krankt an mangelhafter Erfolgskontrolle. Es ist immer noch ein Förderdschungel. Wir sehen in jedem Jahr die aufgelistete Kritik in den Rechnungshofberichten. Die Prüfer legen dort ihre Finger in die Wunde. Sie sagen

ganz klar, mit weniger, aber mit klaren Richtlinien und Förderbedingungen kämen wir deutlich besser voran.

Herr Bauckhage, heute preisen Sie die Starterzentren für Unternehmensgründer, die von den Kammern überall im Land eingerichtet wurde. Ich kann mich noch an eine Debatte vor gut fünf Jahren erinnern, in der wir bei einer wirtschaftspolitischen Debatte vorgeschlagen haben, solche Starterzentren einzurichten und so etwas mit auf den Weg zu bringen und von der Landesebene mit anzustoßen.

(Creutzmann, FDP: Jetzt haben wir es gemacht!)

Ich kann mich noch gut daran erinnern, damals hatten Sie Spott und Hohn dafür. Ich sage, wir haben es geschafft, auch aus der Opposition heraus Akzente zu setzen und richtige Wege aufzuzeigen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben uns an vielen Stellen schon über die Verkehrspolitik gestritten. Ich möchte nur zu einem Punkt, den Sie genannt haben, Stellung beziehen, noch nicht einmal, was die Gewichtung von Straße und Schiene angeht. Ich glaube, da haben wir klare und auch voneinander abgesetzte Positionen. Sie haben aber in Ihrer Regierungserklärung gesagt, Rheinland-Pfalz sei ein moderner Logistikstandort. Das mag vielleicht für die Ballungsräume Rhein-Main und Ludwigshafen oder Rhein-Neckar gelten. Aber das mag für weite Teile in diesem Land nicht gelten.

Wie sieht denn die Bilanz der 15 Jahre FDP-Politik aus? Wie viel Containerterminals wurden in den letzten Jahren geschlossen? Fragen Sie einmal nach, Herr Kuhn. Mindestens in Kaiserslautern, also ganz kurz vor Ihrer Tür, außerdem Fischbach bei Idar-Oberstein und andere. Beides sind Konversionsregionen, wo wir eine solche Struktur gebraucht hätten. Wie viel Güterbahnhöfe wurden geschlossen? Wie viele Tarifpunkte der Deutschen Bahn wurden geschlossen?

Der Schienengüterverkehr in der Fläche wurde während Ihrer Regierungszeit förmlich abgewickelt. Natürlich brauchen wir, wenn wir von einem Logistikstandort reden, auch solche Programme und Projekte in der Fläche und nicht nur in den Zentren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beck, Ministerpräsident: Das Land ist öd und leer!)

Ich komme nun zu Ihren Äußerungen zur Technologieförderung, Herr Bauckhage. Auch da haben wir schon einige Sträußchen miteinander ausgefochten. Sie haben gesagt, Sie legen auch da im Wesentlichen Wert auf die Infrastruktur. Ich sage, dass das als Grundausrichtung ein Problem ist. Ich rede nicht von den Breitbandverbindungen, aber ich rede von dem, was Sie fortlaufend noch an Infrastruktur bauen und in diesem Land errichten, statt zu schauen, wie ich Technologieförderung wirklich über die Investitionen in Köpfe und nicht in Gebäude und Ähnliches betreibe.

Ganz aktuell nehme ich den Bericht des Rechnungshofs und seine äußerst klare Kritik an den Technologiezentren. Es wird deutlich, dass da Mittel fehlgeleitet werden. Ich muss nur einmal nach Koblenz und zu den neuen Planungen für das nächste Technologiezentrum schauen. Ich schaue nach Koblenz und weiß, wie viel Freiflächen dort sind. Ich frage mich, was wir statt Investition in ein Gebäude in diesem Bereich tatsächlich über Beratung und Begleitung von Gründern, von Technologieunternehmen und anderen leisten könnten. Aber nein, auch da setzen Sie wieder auf den Bau eines Gebäudes, auf die Zusammenführung, statt auf virtuelles Netzwerk und gute Beratungstätigkeit. Das ist meiner Meinung nach der Weg und nicht der, den Sie beschreiten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht nur, dass wir die Technologiezentren alle in den Oberzentren mit Beteiligung des Landes haben, sondern Sie haben dieses Programm in den ganzen Mittelzentren fortgesetzt. Ich habe das eine oder andere Technologiezentrum besucht, ob es nun in Kaisersesch, in Sinzig oder anderswo war. Ich weiß, wie hoch die Leerstände waren. Überlegen Sie einmal, wie lange es gedauert hat, bis Sie jetzt überhaupt einen Mieter für Sinzig hatten. Das ist aber kein Existenzgründer, sondern das ist ein gestandenes Unternehmen aus Andernach, das sich ausweiten soll. Dafür haben wir dann Geld in die Hand genommen, um für diesen das Gebäude zu bauen. Super, sage ich, sehr gut geleitete Mittel.

Ich gehe nach Kaisersesch, und wen finde ich da? Türen- und Fensterbauer und Ähnliche in den Innovationszentren.

(Mertes, SPD: Ohne Risiko würden Sie das alles schaffen!)

Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn sie dort sitzen. Aber sie brauche ich doch nicht in dieser Form zu fördern, sondern das kann ich tatsächlich der lokalen Wirtschaftsförderung überlassen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Mertes, SPD)

Sie können gleich noch einmal in die Debatte eingreifen. Ich höre Sie einfach nicht. Ich rede gerade selbst ziemlich laut.

Es gibt auch enorme Defizite im Technologietransfer dieses Landes. Die Teilauflösung der IMG, also der Innovations- und Managementgesellschaft, einer Tochter der Investitions- und Strukturbank, die eigentlich diesen Auftrag hatte und das jahrelang bewältigen sollte, spricht Bände und zeigt, dass Ihre Instrumente und Mittel nicht funktionieren. Ich habe erfahren, dass sich das Ministerium mittlerweile anderer Agenturen bedient, um diese Art der Dienstleistung für Unternehmen zu bringen.

Wenn Sie im Land unterwegs sind und mit Unternehmerinnen und Unternehmern aus kleinen und mittelständischen Betrieben reden, dann wissen Sie, wie viel von Ihrem organisierten Technologietransfer dort ankommt.

Wenn sie nicht beste Verbindung zur nächsten Fachhochschule haben, dann fühlen sie sich oft abgehängt, und vieles klappt in dem Bereich nicht.

(Glocke des Präsidenten)

Das Thema „IMM“ werden wir noch anderweitig ansprechen.

Ich möchte abschließend sagen, wer Zukunft in Rheinland-Pfalz entwickeln möchte, braucht mehr als eine Aneinanderreihung des gesamten Instrumentenkastens einer überholten Wirtschaftspolitik. Er muss vorneweg auf die Entwicklung der Hochschul- und Forschungslandschaft setzen. Das muss ausgebaut werden. Das ist eine beste Investition, wenn man Wirtschaft nach vorn entwickeln will und wenn man die Gesellschaft nicht abhängen möchte.