dann erzählen sie mir von anderen Qualitäten der Gewalt und Kriminalität an Schulen. Der Herr Kollege hat vorhin von Bandenkriminalität und Ausschreitungen berichtet. Mein Vater hat gesagt, er habe das Gymnasium deshalb ohne Abschluss verlassen, weil er sich bedroht fühlte von Waffenbesitz und Gewalttaten an der Schule, denen damals offensichtlich nicht effizient entgegengewirkt wurde. Das sind sehr authentische Sachen, bei denen man sieht, dass das offensichtlich kein neues Problem ist. Die Qualität ist mit Sicherheit heute eine andere.
Ob man dieses Thema vernünftig behandelt und dem gerecht wird, indem man aggressiv Zahlen und damit zusammenhängende Aussagen missdeutet, ist eine andere Frage. Eine Studie des BKA hat gezeigt, dass das nicht nur ein Thema ist, das uns dauerhaft beschäftigt, sondern auch ein Thema, das sehr komplex ist und sehr viele verschiedene Faktoren beinhaltet wie die Familie, die Persönlichkeitsstruktur von Tätern, soziale Kompetenz und Copingverhalten, aber auch äußere Faktoren wie Schullaufbahnen, etc. tragen zu Fehlentwicklungen bei.
Es muss schon einiges zusammenkommen, wenn es dann tatsächlich zu Straftaten kommt. Dem müssen wir mit Sicherheit gesellschaftlich entgegenwirken.
Wir haben zum einen ein rechtliches Instrumentarium. Das gilt für die Fälle, bei denen die Kriminalität bereits aufgefallen ist und stattgefunden hat. Das umfasst die Schulordnung, das Jugendstrafrecht, das Waffengesetz, das Betäubungsmittelgesetz etc. All das kennen Sie. Damit muss man angemessen umgehen. Auch dies wird meiner Meinung nach in unserem Land sehr sorgfältig und gut gehandhabt.
Wenn man sich die Zahlen ansieht – da möchte ich noch einmal auf die Meldung eingehen, aus der Frau KohnleGros zuvor zitiert hat –, kann man erkennen, dass insgesamt in Rheinland-Pfalz die Kinder- und Jugendkriminalität gesunken ist. In den Schulen ist sie gestiegen. Jetzt kann ich mir Gedanken darüber machen, weshalb das so ist. Es kann natürlich sein, dass die Kinder und Jugendlichen sagen: In der Schule geht das alles so einfach und ist da so klasse, und da bin ich völlig unbeobachtet. Also werde ich meine Straftaten dort verüben. – Ich halte das für eine relativ unwahrscheinliche Theorie.
Die Polizei sagt, seit sie sehr eng mit den Schulen zusammenarbeitet, hat sich das Anzeigeverhalten massiv verändert. Das ist eine glaubhafte Erklärung und eine Erklärung von Fachleuten für dieses statistische Phänomen. Diese Erklärung habe ich angeführt.
Meine Damen und Herren, wenn man sich die Liste der Präventionsmaßnahmen ansieht, die in der Antwort auf die Große Anfrage enthalten ist – auf die sind Sie übrigens relativ wenig eingegangen, da Sie sich lediglich eine Zahl willkürlich herausgegriffen haben –, was alles an den rheinland-pfälzischen Schulen im Bereich der Prävention geschieht, ist das beachtlich. Es gibt sehr viele verschiedene Projekte, die passgenau in den Schulen ausgestaltet werden. Zu nennen sind das Projekt „Erlebnis, Aktion, Spaß und Information (EASI)“, das Programm zur Primärprävention (PROPP) das Projekt „Ich, du, wir“, Gewaltprävention durch Streitschlichter, eine Kriseninterventionsarbeitsgruppe für die Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer etc. Ich könnte jetzt sehr lange über die verschiedenen Maßnahmen referieren.
Wir haben auch in diesem Haus gerade nach den Vorfällen in Erfurt darüber diskutiert und dann beschlossen, dass wir auch den Eltern volljähriger Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit geben, unterrichtet zu werden, wenn es besonders schwerwiegende Vorfälle in der Schule gibt.
Wenn man sich dann noch andere Maßnahmen dazu betrachtet, wie in den vergangenen Jahren den massiven Ausbau der Schulsozialarbeit und den Ausbau der Ganztagsschulen etc., kann man sehen, dass mehr und mehr in der Schule die Möglichkeit besteht, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Es wird sich auch immer mehr und mehr mit dem Thema „Gewalt und Kriminalität in den Schulen“ beschäftigt. Es wird klar, dass dann, wenn sich mehr mit dem Thema beschäftigt wird – dies auch in einem Rahmen, der Vertrauen und ein Miteinander sowie einen Dialog ermöglicht –, natürlich die Sensi
bilität für dieses Thema bei den Lehrerinnen und Lehrern und auch bei den Eltern und den Schülerinnen und Schülern steigt. Das steht meiner Meinung nach sehr eng im Zusammenhang mit den Zahlen, über die wir sprechen. Das gilt auch für die Zahlen zum Anzeigeverhalten. Das ist meiner Meinung nach ein gutes Zeichen dafür, dass sich die Gesellschaft im Lebensraum Schule mit den Themen „Gewalt“ und „Kriminalität“ auseinander setzt und sich die Gruppen, die davon betroffen sind, auch verbünden. Wenn man Jugendlichen und jungen Menschen Partnerinnen und Partner sowie Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für diese Probleme zur Verfügung stellt, leistet man offensichtlich einen Beitrag dazu, eine Kultur des Vertrauens zu schaffen und ein Bündnis gegen Gewalt, gegen Drogen, gegen Kriminalität und auch gegen Auffälligkeiten im Lebensraum Schule zu schaffen.
Gerade die breit gefächerten Möglichkeiten, die Sie der Antwort auf die Große Anfrage entnehmen können – Sie sollten sich wirklich einmal genauer mit den Inhalten beschäftigen, die Ihnen dort dargeboten werden –, führen dazu, dass sehr viele junge Menschen offenbar auch einen Weg aus dieser Spirale hinausfinden. Ich hoffe, dass diese Entwicklung so weiter geht. Wir müssen weiter alles daransetzen, dass sich diese positive Entwicklung fortsetzt. Ich bin der Meinung, die regierungstragenden Fraktionen in diesem Haus sind bereit, diesen Weg gemeinsam weiterzugehen. Ich freue mich über die bisher erreichten Erfolge.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Es ist auf viele wichtige Aspekte hingewiesen worden. Viel von dem, was gesagt worden ist, teile ich ausdrücklich. Insofern kann ich mich relativ kurz fassen, indem ich auf einige, aus meiner Sicht wichtige Punkte noch eingehe.
Es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass die Landesregierung den Themen „Gewalt“ und „Kriminalität“ insgesamt allerhöchste Bedeutung zumisst. Sie tut das auch im Zusammenhang mit den Schulen.
Frau Abgeordnete Kohnle-Gros, da Sie Offensivität zu diesem Thema eingefordert haben, will ich schon noch auf ein paar Aspekte hinweisen.
Als wir 1994 ein großes Programm mit Maßnahmen zur Gewaltprävention in den Schulen auf den Weg gebracht
haben, war es tatsächlich noch so, dass in den Schulen diskutiert worden ist, ob man sich überhaupt an diesem Programm beteiligen soll, weil das sozusagen heißt, dass Schulen etwas mit Gewalt zu tun haben. Dieses Klima hat sich grundlegend verändert. Die Schulen sehen es heute als ihre Aufgabe an, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen und offensiv damit umzugehen. Das ist meiner Meinung nach ein ganz, ganz großer Erfolg.
Für dieses offensive Umgehen haben Sie aus dem Zuständigkeitsbereich des Kollegen Bruch selbst Beispiele geliefert. Wenn Sie sagen, in 17 oder 18 Kriminalpräventiven Räten steht das Thema „Gewalt an Schulen“ auf der Tagesordnung, ist das doch auch ein Verdienst derer, die in den vergangenen Jahren die Kriminalpräventiven Räte auf den Weg gebracht und unterstützt haben.
Auch der Kollege geht sehr offensiv mit dem Thema um. Ich darf Ihnen auch noch versichern, dass wir an dieser Stelle ebenfalls hervorragend zusammenarbeiten.
Wir fordern aber beide in der Debatte ein, dass es immer zuerst eine Verständigung darüber gibt, worüber wir reden. Darauf haben wir auch im Zusammenhang mit der Großen Anfrage hingewiesen. Wir haben deutlich gemacht, dass die Überschrift „Kriminalität an Schulen“ zumindest – um es vorsichtig auszudrücken – missverständlich ist, weil es keine spezielle Kriminalität an Schulen gibt. Vielmehr geht es – das wird von den Lehrkräften und von der Polizei mit höchster Aufmerksamkeit verfolgt und nach Möglichkeit unterbunden – um strafrechtlich relevante Verstöße von Kindern und Jugendlichen, bei denen der Weg in die Schule eine Rolle spielt, bei denen der Weg von der Schule eine Rolle spielt und bei denen auch das Schulgelände als Tatort eine Rolle spielt.
Das, was als Kriminalität an Schulen fälschlicherweise bezeichnet wird, sind Ergebnisse einer durchgeführten Sondererhebung, in die genau all diese Kriterien eingeflossen sind. Dazu zählen eben bei dieser Sondererhebung Straftaten von Schülerinnen und Schülern innerhalb und außerhalb der Schulen einschließlich des Schulwegs,
aber auch Straftaten von nicht am Schulleben Beteiligten. Dazu zählt zum Beispiel auch der Fahrraddiebstahl an der Schule. Insofern verdient diese Statistik, dass man sie sehr genau betrachtet und sich darüber verständigt, worüber man redet. Ich könnte das auch anhand vieler anderer Beispiele belegen.
Frau Kohnle-Gros, ich diskutiere doch nicht mit Ihnen allein. Ich habe zu diesem Thema insgesamt etwas mitzuteilen.
Frau Abgeordnete, Sie haben von der Landesregierung Offensivität eingefordert. Ich sage, wir sind offensiv, aber wir legen auch sehr viel Wert – das muss neben der Offensivität das zweite Standbein sein – auf Sachlichkeit, indem wir sachlich darstellen, wie die Entwicklungen sind.
Es ist von vielen Rednerinnen und Rednern darauf hingewiesen worden, dass wir eine Veränderung beim Anzeigeverhalten haben. Die Veränderung beim Anzeigeverhalten – das haben auch Sie deutlich gemacht – ist ausdrücklich gut so, weil sie auch ein Vertrauensbeweis für die Lehrerinnen und Lehrer und vor allen Dingen für die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner bei der Polizei ist. Wir werden darum werben, dass dieses Vertrauen noch weiter steigt.
Wir wollen ihnen dabei helfen und sie unterstützen, auch wenn das in der Statistik zu einem Anstieg der Fallzahlen führt.
Ich möchte noch einmal den vierten Aspekt aufgreifen. Wenn man all das bewerten will, muss man sich auch mit der Tatsache auseinander setzen, dass der Anteil von ermittelten Tatverdächtigen im Alter zwischen acht Jahren und 18 Jahren an der Gesamtzahl der Kinder und Jugendlichen in diesem Alter zurückgeht und wir den niedrigsten Stand seit 1999 haben.
Dankenswerterweise hat in dem Fall Herr Wiechmann darauf hingewiesen, dass wir uns mit diesen Zahlen im unteren Drittel im bundesweiten Vergleich befinden. Das heißt nicht, dass wir nichts mehr tun müssen. Es gibt große Handlungsbedarfe. Diese Handlungsbedarfe betreffen – das halte ich für einen zentralen Punkt, für den ich gern Verantwortung übernehme – eine präventive Strategie in den Schulen. Ich will nicht all die Maßnahmen wieder aufführen, die im Einzelnen dargestellt worden sind.
Es heißt aber auch, ein guter Kontakt von Schulen zur Polizei. Auch an diesem Thema werden wir weiter arbeiten, weil das aus unserer Sicht die beste Gewährleistung dafür ist, einerseits die Prävention und andererseits auch vertrauensbildende Maßnahmen, die gegen Kriminalität wirken, weiter zu verstärken.
Die Landesregierung wird alle Projekte, die hierzu einen Beitrag leisten können, mit allem Nachdruck weiter fördern.