Protocol of the Session on September 15, 2005

Durch die Bundesratsinitiative soll ein neuer Straftatbestand geschaffen werden, der den Opfern nämlich im Zweifel nicht helfen kann, der den Opfern deshalb nicht helfen kann, weil er auch nach der Auffassung des Deutschen Richterbundes einer verfassungsmäßigen Überprüfung nicht standhalten wird, weil er viel zu unbestimmt gefasst ist.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Gehen Sie doch einmal auf das ein, was ich gesagt habe!)

Frau Kollegin, ich möchte das deutlich sagen, weil Sie das in Ihren Antrag hineingeschrieben haben.

(Glocke des Präsidenten – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Ein unbestimmter Paragraph hat eine andere Konsequenz. Er macht denen, die nach diesem Recht handeln und beurteilen müssen, die Umsetzung sehr schwierig.

Ich möchte des Weiteren auf die Problematik der Deeskalationshaft eingehen. Diesbezüglich haben wir in der Tat eine andere Auffassung als der Rechtsausschuss des Bundestages. Deshalb setzen die Fraktionen der SPD und FDP in ihrem Antrag auf den Weg, den Rheinland-Pfalz schon bisher in den Bundesratsberatungen gegangen ist, und auf die Initiative der Bundesregierung vom Sommer dieses Jahres. Das bedeutet, Ausweitung der Regelungen im Gewaltschutzgesetz sowie einen neuen Straftatbestand, der bestimmt ist und daher den Opfern auch wirklich helfen wird.

Die Initiative der Bundesregierung ist gerade kein Schnellschuss, sondern sie hat ausdrücklich geprüft, wie Stalking wirksam begegnet werden kann.

Ich möchte aber noch feststellen, dass nicht allein ein Straftatbestand die Opfer ausreichend schützen wird. Es gibt ein ganzes Maßnahmenbündel, was man gegen Stalking unternehmen kann. Sie haben in Ihrem Antrag

die Landesregierung aufgefordert, auch in diesem Bereich tätig zu werden, aber dort ist sie schon seit Jahren aktiv. Herr Kollege Lammert hat eine Kleine Anfrage gestellt und schon Antwort erhalten. Ich möchte mich deshalb kurz fassen:

Was ist schon alles geschehen? – Sensibilisierung der Polizeibeamten und -beamtinnen, beispielsweise im Landespräventionsrat. Es gibt ein Merkblatt des LKA. Es gibt einen Flyer des Justizministeriums. Das Thema wurde mit den Sexualdezernentinnen und -dezernenten bei den Staatsanwaltschaften diskutiert. Zu nennen ist auch die Arbeit der Gerichtshilfe. Hilfe kommt auch durch die Interventionsstellen gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen. All das passiert, und dazu brauchen wir Ihre Aufforderung in dem Antrag nicht.

(Beifall der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte abschließend zu dem Antrag der CDU-Fraktion sagen, Bürgerrechte beschneiden, Grundrechte nicht so ernst nehmen und den Betroffenen falsche Sicherheit vorgaukeln, das ist auch in diesem Fall konservative Rechtspolitik.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Frau Abgeordneter Kohnle-Gros das Wort.

Herr Präsident, ich möchte einfach noch einmal sagen, ich habe versucht, die aktuelle Situation und die Bundestagswahl mit in meine Rede einzubeziehen. Unser Antrag stammt vom Juni dieses Jahres. Aber wenn es gar keinen Wert hat, was man redet, wenn Sie gar nicht in der Lage sind, darauf einzugehen, dann können wir es lassen, Frau Kollegin.

(Dr. Gölter, CDU: Das hat sie sich nicht aufgeschrieben!)

Wenn Sie sich das vor sechs Wochen aufgeschrieben haben und es jetzt nur noch vorlesen, ist es einfach zu billig. Es tut mir furchtbar Leid! Das ist wirklich allerhand!

(Zurufe von der SPD – Beifall der CDU)

Dann sagen Sie doch wenigstens einen Satz zu dem, was hier geredet worden ist, und lesen Sie nicht einfach vor, was Sie sich aufgeschrieben haben. Das ist einfach nicht adäquat, das muss ich wirklich sagen.

Ich habe ausdrücklich gesagt, man kann über alles Mögliche reden. Aber jetzt so zu tun, als hätten Sie die Weisheit mit Löffeln gefressen, ist auch nicht richtig.

(Zurufe von der SPD: Aber Sie! Aber Sie!)

Nein, es geht doch gar nicht darum. Aber lassen Sie es uns doch diskutieren, sonst geben wir unsere Rede in Zukunft schriftlich ab.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Frau Kollegin Reich das Wort.

Frau Kollegin Kohnle-Gros, wir sind in einem Parlament. Wir haben zwei unterschiedliche Anträge, und wir haben beispielsweise auch Zuhörer und Zuhörerinnen. Ich meine schon, dass man das Recht hat, auch einmal auf die unterschiedlichen Anträge inhaltlich einzugehen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wenn Sie das nicht hören wollen, sondern lieber nach der Bundestagswahl die Initiative der Bundesregierung beraten wollen, hätten Sie Ihren Antrag gleich zurückziehen können. Ich bitte also darum, doch noch über Inhalte reden zu dürfen.

Herzlichen Dank!

(Zurufe von der SPD: Sehr gut! So ist das! – Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile Frau Abgeordneter Grützmacher das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um noch einmal wirklich auf das Thema zurückzukommen, wir müssen leider feststellen, dass beharrliche Nachstellungen, die einschneidend in das Leben der Opfer eingreifen, in der gesellschaftlichen Realität vermehrt zu beobachten sind. Der Ausdruck „beharrliche Nachstellung“ ist natürlich bekannter unter dem Begriff „Stalking“. Diese Verhaltensweise ist dadurch gekennzeichnet, dass einer anderen Person fortwährend nachgestellt wird, auf andere Weise aufgelauert, mit hoher Intensität Kontakt gesucht wird und in den individuellen Lebensbereich eingegriffen wird.

Es gibt unterschiedliche Arten, wie das passiert. Häufiger gibt es Telefonanrufe zur Tag- und Nachtzeit, es werden E-Mails gesandt, SMS oder Briefe. Es werden Geschenke übersandt, auch manchmal Blumen in einer schrecklichen Form. Schließlich kommt es aber auch zum Auflauern vor der Wohnung, am Arbeitsplatz und zu Drohungen bis zu Zudringlichkeiten und tätlichen Angriffen.

Das Entscheidende ist, dass es durch die Häufigkeit und Kontinuität dieser Einzelhandlungen zu wirklich unzumutbaren Beeinträchtigungen und zu erzwungenen

Veränderungen der Lebensumstände der Opfer kommt. Das wurde hier schon sehr deutlich dargestellt.

In der letzten Zeit ist endlich über alle Fraktionen und gesellschaftlichen Gruppen hinweg das gesellschaftliche Bewusstsein gewachsen, dass unsere bestehenden Gesetze in diesem Bereich nicht mehr ausreichen und es Handlungsbedarf für den Gesetzgeber gibt.

Ich möchte als erstes noch einmal deutlich machen, wenn wir heute über eine gesetzliche Regelung zum Stalking reden, dann möchte ich schon erwähnen, dass es uns in erster Linie um den Opferschutz gehen muss und das natürlich weit über die Strafnorm hinausgeht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das haben wir in unserem Antrag auch dargestellt.

Es geht um einen umfassenden Opferschutz. Dazu gehört vor allem aber auch eine Bewusstseinsveränderung in ganz vielen Bereichen. Das fängt im privaten Umfeld des Opfers an, wo man oft das Ganze bagatellisiert. Das geht über die Behandlung von Stalking-Opfern durch die Polizei oder durch die Justiz weiter.

Dass in diesem Bereich das Phänomen oft noch nicht genügend ernst genommen wird, kann natürlich auch daran liegen, dass die meisten Opfer, nämlich 90 %, Frauen sind. Wir haben auch in anderen Bereichen leidvoll erfahren müssen, dass gerade dann, wenn Frauen die Opfer sind, die Schuld oft umgekehrt wird, also beim Opfer und nicht beim Täter gesucht wird.

Meine Damen und Herren, ich sagte es aber schon, inzwischen ist das Problem von allen Parteien erkannt worden, dass Handlungsbedarf besteht. Um es kurz zu machen, es gibt die etwas undurchsichtige Lage in den verschiedenen Bereichen im Bundesrat, im Bundestag und auch in den Ländern. Ich denke aber, es schälen sich vor allem zwei Wege heraus, um mit dem Stalking rechtlich umzugehen.

Wenn ich es richtig sehe, unterstützt der Antrag der Fraktionen der SPD und FDP vor allem den Weg, den das rheinland-pfälzische Gesetz ging, das im Bundestag eingebracht wurde, nämlich das Ganze im Gewaltschutzgesetz zu regeln. Hier sehen wir aber neben vielen anderen das Problem, dass dann das Opfer selbst in der Pflicht ist, für den eigenen Schutz tätig zu werden. Das Opfer trägt sozusagen im Zivilverfahren selbst die Beweislast.

Diese Lösung wurde auch im Bundesrat schon abgelehnt. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum Sie, meine Damen und Herren von der SPD, sich nicht eindeutig hinter den Vorschlag der rotgrünen Bundesregierung stellen. Sie lehnen diesen zwar auch nicht eindeutig in Ihrem Antrag ab, aber Sie begrüßen es weiterhin, das im Gewaltschutzgesetz zu regeln.

(Ramsauer, SPD: Lesen!)

Nein, ich habe das schon sehr genau gelesen. Ich gebe Frau Kohnle-Gros Recht, dass wir auf der Grundlage des SPD-Antrags, der nun versucht, beides mitein

ander zu verbinden, wirklich versuchen sollten, im Ausschuss zu einer vernünftigen Diskussion zu kommen.

Meine Damen und Herren, der rotgrüne Kabinettsentwurf geht jetzt einen anderen Weg. Der Tatbestand soll in einer eigenen Strafnorm geregelt werden. Das erscheint uns auch der bessere Weg. So kann zum Beispiel die Polizei die Ermittlungen auch dann aufnehmen, wenn der Stalker namentlich noch nicht bekannt ist. Ich finde es ganz wichtig, was von meinen Vorrednern auch schon betont wird, darüber hinaus kann die Schaffung einer Strafnorm „Stalking“ ein wichtiges Signal an die Opfer und an die Täter gleichermaßen sein, dass wir deutlich sagen, Stalking ist keine Lappalie.

Meine Damen und Herren, die CDU will zwar auch die eigene Strafnorm regeln, allerdings hat sie in vielen Bereichen sehr unbestimmte Formulierungen und Begriffe gebraucht. (Glocke des Präsidenten)

Ich komme gleich zum Ende, Herr Präsident. Wir glauben auch, dass die Deeskalationshaft nicht der richtige Weg ist; denn auch in diesem Bereich müssen die Bürgerrechte gewahrt bleiben. Darum tendieren wir auf jeden Fall dazu, den Gesetzentwurf der rotgrünen Bundesregierung zu unterstützen. Ich denke aber, es wird noch eine interessante Diskussion im Ausschuss geben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)