Protocol of the Session on September 15, 2005

Alle im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN konkret benannten Handlungsfelder von Bildung bis Wirtschaft werden landespolitisch gezielt und konsequent unter dem Aspekt der Vereinbarkeit bearbeitet.

(Beifall bei der SPD)

Das familienpolitische Aktionsprogramm „Viva Familia“ beinhaltet konkrete Ansätze, die sich auf Entwicklungen in der Arbeitswelt beziehen. Sie sind wichtig, innovativ und auf Nachhaltigkeit angelegt.

Sie beinhalten aber selbstverständlich nicht den gesamten Kontext der vereinbarkeitsrelevanten Aspekte. Sie liegen in einem breiten Querschnitt vielfältiger Aktivitäten der Ressorts der rheinland-pfälzischen Landesregierung.

Für die Frage der Vereinbarkeit sind zwei Pole von ganz besonderer Bedeutung, zum einen eine familienbewusste Arbeitswelt und zum anderen eine bedarfsgerechte soziale Infrastruktur, insbesondere für den Bereich Bildung und Betreuung.

Dass das vom Ministerrat beschlossene Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ einen zentralen Beitrag zu einer besseren Vereinbarkeit familiärer und beruflicher Aufgaben leistet, liegt auf der Hand. Der Gesetzentwurf der Landesregierung zum Ausbau der frühen Förderung ist eingebracht.

Dass wir die Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren erheblich erweitern und ab 2010 den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz auch für die Zweijährigen festschreiben, hat nicht nur eine enorme bildungspolitische Bedeutung, sondern trägt auch im hohem Maß dazu bei, Familie und Beruf besser miteinander in Einklang zu bringen.

Das gilt gleichermaßen für die konsequente Erweiterung der Ganztagsschulen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ein ganz anderes Feld ist die Arbeitswelt, die maßgeblich von privater- und tarifpartnerschaftlicher Verantwortung geprägt ist. Die Landesregierung hat engagiert alle bundesgesetzlichen Maßnahmen unterstützt, die positiv die Bedingungen für eine bessere Vereinbarkeit beeinflussen.

Dies gilt für die Neuregelung beim Erziehungsgeld, bei der Elternzeit sowie bei den Arbeitszeitregelungen durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz.

Ansonsten gibt es in Bezug auf die Arbeitswelt gegenüber den Betrieben nichts zu verordnen und fortzuschreiben. Umso wichtiger ist es, den Dialog zu suchen und mit der Wirtschaft zu reden.

Es kommt darauf an, für mehr Offenheit für die Anliegen der Familien zu werben und schließlich für eine entsprechende Entwicklung praktische Hilfestellungen zu geben.

Diese Hilfestellungen werden in einzelnen Maßnahmen durchgeführt: Im Audit „Beruf und Familie“, das schon dargestellt worden ist, in den lokalen Bündnissen für Familien, in denen erfolgreich Wirtschaft, Unternehmen und soziale Einrichtungen zusammenarbeiten, um die Möglichkeiten der Erwerbstätigkeiten der Familien zu verbessern, konkret vor Ort mit Perspektiven und mit großer Wirksamkeit.

(Beifall der SPD und der FDP – Kuhn, FDP: Jawohl!)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Ich gehe davon aus, dass Ausschussüberweisung beantragt wird. Ist das so? – Dann stimmen wir darüber ab.

Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/4467 – an den Sozialpolitischen Ausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung und an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe die Punkte 20 und 21 der Tagesordnung auf:

„Stalking“ unter Strafe stellen Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/4315 –

Stalking effektiv bekämpfen – Opfer wirksam schützen Antrag der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/4462 –

dazu: Ganzheitlicher Schutz für die Opfer von beharrlichen Nachstellungen (Stalking) Antrag (Alternativantrag) der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/4493 –

Die Fraktionen haben eine Redezeit von fünf Minuten vereinbart. Ich bitte um Wortmeldungen. –

Frau Abgeordnete Kohnle-Gros, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kommt nicht jeden Tag vor,

dass wir einen Antrag diskutieren, der mit einem Fremdwort oder zumindest mit einem englischsprachigen Wort übertitelt ist, Herr Präsident.

„Stalking“ wird nach einer englischen Vokabel genannt, die „Anpirschen“ bedeutet. Leider gibt es, wie manchmal in der deutschen Sprache, keinen adäquaten deutschen Begriff dafür, so ähnlich wie bei Spray oder Test. Da wüsste man heute auch nicht mehr, wie man das übersetzen sollte.

„Stalking“ ist wie „Mobbing“ eine Beziehungstat, eine relativ komplizierte Geschichte. Das gebe ich zu.

Sie ist in den letzten Jahren in den Medien häufig diskutiert worden. Meine Damen und Herren, Sie alle – egal welche Zeitungen Sie verfolgen – haben das bei Prominenten oder bei ganzen Ortschaften und in Beziehungsproblemen erleben können.

„Stalking“ – so wird es jedenfalls offiziell definiert – umfasst das vorsätzliche, böswillige und wiederholte Verfolgen oder die Belästigung einer Person.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen Antrag gestellt, um diesen Tatbestand – diese Tatbestände muss man eigentlich sagen – noch einmal in den Fokus der Öffentlichkeit und vor allem dieses Parlaments und der Landesregierung zu stellen.

Wir haben in diesen Fragen eine öffentliche Debatte geführt, wie man diesem Phänomen begegnen kann und wie Polizei und Justiz diesem Phänomen begegnen. Wir haben inzwischen auch parlamentarische Initiativen erlebt. Durch die vorgezogene Bundestagswahl hat sich nun natürlich das Gesetzgebungsverfahren erledigt, aber ich denke, wenn ich die Anträge lese, die wir gestellt haben – wir debattieren derzeit über drei Anträge –, sind wir in der Sache nicht weit voneinander entfernt.

Sogar auf Bundesebene haben CDU/CSU den Gesetzentwurf von Frau Justizministerin Zypries gelobt. Sie haben gesagt, es kommt ein bisschen spät, und wir haben die Anregung dazu gegeben. Aber letztendlich wollte man sich in diesen Fragen etwas annähern und wäre auch zufrieden gewesen, wenn das Vorhaben über die Bühne gegangen wäre.

Meine Damen und Herren, der Sachverhalt hat zwei Dimensionen: Es geht zum einen darum, dass wir als rheinland-pfälzischer Landtag den Opfern des Stalking – des Nachstellens durch eine andere Person – ein Signal geben, dass wir ihnen bei ihren Problemen, die sie in diesen Fällen haben und die über das Belästigen mit Telefonanrufen, Bestellungen, Anzeigen in den Zeitungen etc. hinausgehen und zu psychischen, manchmal sogar existenziellen Nöten führen, helfen wollen. Es gibt Menschen, die ihre Telefonnummer und ihren Namen wechseln müssen, die in andere Städte ziehen und die so versuchen, dem Peiniger zu entkommen. Dadurch werden ganze Lebenssituationen zerstört, berufliche Existenzen gefährdet, und vom Geld möchte ich an dieser Stelle überhaupt nicht sprechen.

Es ist wichtig, den Opfern dieses Signal zu geben. Es ist aber auch wichtig, den Tätern ein Signal zu senden, dass ihre Tat nicht nur über die einzelnen, schon jetzt vorhandenen Straftatbestände strafbar ist, sondern als Stalking insgesamt erheblich mit Freiheitsstrafe zu bestrafen sein wird. Wir sehen zusammen mit den Experten aus der Polizei und auch aus sozialen Verbänden augenblicklich keine andere Möglichkeit, diesem Phänomen zu begegnen als durch eine erhebliche Androhung von Strafe.

(Beifall der CDU)

Der Rechtsausschuss im Deutschen Bundestag hat sich mit dem Problem befasst und auch parteiübergreifend Deeskalationshaft, also das Einsperren von solchen Personen, die man anders nicht behandeln kann, unterstützt, meine Damen und Herren. Die SPD, die FDP und – ich glaube – auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen das in diesem Land nicht. Aber das sind Details, über die man reden kann. Ich glaube, wir sollten heute in der Situation, in der wir uns vor der Bundestagswahl befinden, das Signal aussenden, dass wir gemeinsam an den Opfern interessiert sind und ihnen helfen wollen und eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene im Strafgesetzbuch etablieren wollen. Über die Details ist an anderer Stelle zu reden.

Ich möchte noch einmal unterstreichen, die Problematik ist schwierig. Wir haben auch die eine oder andere Rechtsproblematik zu erläutern. Aber es geht insgesamt darum, Menschen in einer wirklich schwierigen Notsituation zu helfen, und dies können nur Polizei und Justiz. Wir wollen nicht, dass dies dem Einzelnen überlassen wird.

Ich bitte, die Debatte in diesem Sinne fortzuführen und das Anliegen zu unterstützen.

(Beifall der CDU)

Frau Kollegin Reich hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident, ich gehe davon aus, dass der Antrag der Fraktionen der SPD und der FDP ebenfalls mit aufgerufen ist.

Ich möchte voranstellen, dass es gerade die sozialdemokratische Bundesregierung war, die erstmals durch das Gewaltschutzgesetz überhaupt eine Möglichkeit des Vorgehens gegen Stalker verankert hat. Dies gab es nämlich bisher nicht.

(Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stalking, also das beharrliche Nachstellen und Hineindrängen auch in die privatesten Lebensbereiche von Menschen, hat viele Facetten und unterschiedlichste

Opfergruppen. Hauptsächlich betroffen – das möchte ich noch einmal ganz klar sagen – sind Frauen nach der Trennung vom Partner, aber genauso betroffen hat es auch Prominente oder Menschen, die Probleme in Geschäftsbeziehungen oder gar mit Nachbarn hatten.

(Unruhe im Hause)

E-Mails, eine vielfältige Telefonie und Fototechnik geben diesen Bedrängungen mittlerweile eine neue Dimension.

Die Opfer solcher Verhaltensweisen – darüber ist man sich mittlerweile einig – sind nicht ausreichend durch unsere bisherigen Regelungen geschützt. Es gibt eine Lücke, die es zu schließen gilt, Frau Kollegin. Insofern sind wir uns sicherlich einig.

Nicht einig sind wir uns – aber das zeigen auch die Anträge – über den Weg. Ich lese beispielsweise in dem CDU-Antrag, dass die Landesregierung aufgefordert wird, „tätig zu werden, damit Stalking gemäß der Bundesratsinitiative strafrechtlich sanktioniert wird.“ – Was heißt das konkret?

Durch die Bundesratsinitiative soll ein neuer Straftatbestand geschaffen werden, der den Opfern nämlich im Zweifel nicht helfen kann, der den Opfern deshalb nicht helfen kann, weil er auch nach der Auffassung des Deutschen Richterbundes einer verfassungsmäßigen Überprüfung nicht standhalten wird, weil er viel zu unbestimmt gefasst ist.