Protocol of the Session on December 15, 2000

der Landesregierung auf Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

- Drucksachen 13/5994/6287/6398/6530

Unterstützung des NPD-Verbots durch

den Landtag Rheinland-pfalz Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

- Entschließung- Drucksache 13/6593

Für Toleranz und ein friedliches Miteinander

-Gegen jede Form von politischem Extremismus Antrag der Fraktion_der CDU

-Entschließung

- Drucksache 13/6609

Für Demokratie und Menschenrechte

Gegen Gewalt und Fremdenhass Antrag der Fraktionen der SPD und F.D.P.

-Entschließung

- Drucksache 13/6610

Die Fraktionen haben eine Redezeit von bis zu zehn Minuten vereinbart. Ich bitte _um Wortmeldungen.

Ich erteile der Abgeordneten Frau Grützmacher das Wort.

Meine Damen und Herren! Seit.sechs Monaten- seit Sommer dieses Jahres - diskutieren wir in Deutschland sehr intensiv über das Problem ,.Re

(Beifall des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch in der Antwort auf unsere Große Anfrage zum Thema ,.Rechtsextremismus" in Rheinland-Pfalz zeigen sich Defizite und Versäumnisse auch hier in diesem Bereich. Auch in unserem Bundesland weiß die Landesregierung nicht, wie viel antisemitische und rechtsextremistische Straftaten von Tätern begangen wurden, die in rechten Parteien wie NPD, DVU usw. organisiert sind. Es gibt keine statistischen Erhebungen darüber, welche Straftaten von NPD- und DVU-Mit:gliedern begangen wurden.

Ebenso wenig werder, Straftaten von Tätern aus d_ern Umkrei~ rechtsextremistischer Skinheads gesondert erfasst. Es gibt keine Erfassung der Sicherstellung von rechtsextremen

CDs und Videos. Meine Damen und Herren, arn Gravierendsten finde ich, dass die Landesregierung auch die Frage, wie viel Personen durch rEChtsextreme Anschläge urid Überfälle verletzt wurden, nicht beantworten kann. Wir haben also nur lückenhafte Erkenntn-sse darüber, wie schwerwiegend das Problern ,.Rechtsextremismus" in Rheinland-Pfalz eigentlich ist.

Wir wissen aus anderen Bundesländern, dass selbst Straftaten von polizeibekannten Rechtsextremisten bisher nicht als rechtsextreme Taten erfasst wurden, wenn die Täter bei ihrer Vernehmung nichts zu den Motiven sagten. Auch in Mainz_

nimmt man es da offensichtlich nicht so genau. Vor zwei Monaten wurde bei polizeibekannten rechtsradikalen Skin--heads, die auf Weinfesten immer wieder durch Heii-Hitler

Rufe: und Schmierereien von Naziparolen aufgefallen sind, keine politische Motivation oder gar Organisation vom Leitenden Oberstaatsanwalt gesehen, sondern sie wurden unter die Rubrik ,.alkoholisierte Wirrköpfe" abgelegt. Meine Damen und Herren, das ist eine Verharmlosung. Das ist etwas, was wir uns in dieser Situation nicht leisten können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

_Ich e:rwarte von der Landesregierung, dass einheitlichere Kri

terie:n-bei der Erfassung rechtsextremer Straftaten und Straf

tätern eingeführt werden und die Opferzahlen genau erfasst werden, damit wir überhaupt ein nüchternes und realistisches Bild von der Lage in Rheinland-Pfalzbezüglich des Themas ,.Rech-tsextremismus" bekommen.

Meine Damen und Herren; natürlich geben die Zahlen von rechtsextremistischen Straftaten und -Straftätern noch lange kein umfassendes Bild über die Virulenz und das Ausmaß des Problems in unserem B_undesland.

(Staatsminister Zuber: Allerdings!)

Da muss man vor Ort gehen. Da muss man in die Kneipen gehen und auch einmal Taxi fahren. Herr Zuber, fahren Sie doch einmal mit dem Taxi vom lngelheimer Bahnhof an die LandesunterkJ,mft so wie ich letztens. Da bekommen Sie wirklich einen Einblick, \yie erschreckend weit rechtsextreme und rassistische Ideen und Einstellungen schon in die Mitte der Gesellschaft eingedrungen sind.

(Staatsminister Zuber: Das weiß ich, auch wenn ich nicht Taxi fahre!)

_Ich muss Ihnen ~agen, durch solche Einrichtungen wie das Abschiebegefängnis und die Landesunterkunft fühlen sich die Menschen, ganz normale Taxifahr~r und Taxifahrerinnen, natürlich in all ihren Vorurteilen bestätigt.

(Staatsminister Zuber: Da brauchen Sie- nur auf die Straße zu gehen!- Weitere Zurufe von der CDU und der F.D.P.)

Ich finde es sehr wichtig, wenn Sie sich auch diesen Sachen einmal öffnen würden, dass es nicht nur einen Rechtsextremismus in der Gesellschaft gibt, sondern dass auch institutio- _ nalisierte Diskriminierung von Ausländern und Ausländerinnen bei·uns dazu_beiträgt, dass sich diese Menschen dadurch bestätigt fühlim.

(Dr. Schiffmann, SPD: Das jetzt so zusammenzubringen, das ist unerhört!)

Meine Damen und Herren, auch Schulen und Jugendzentren haben ver.stärkt mit rechtsextremen Verhaltensweisen und Provokationen zu kämpfen. Es gibt"in der Antwort auf die Große Anfrage eine Auflistung von 17 rechtsextremistischen Vorfällen an Schulen. Wir wissen alle, das ist nur die Spitze des Eisbergs. So gibt es zum Beispiel Untersuchungen, die sa- gen, dass rund 47 % deutscher Schülerinnen nicht neben einem ausländisch-en Mitschüler oder einer Mitschülerin sitzen - wollen. Nach meinen eigenen Erfahrungen besonders aus Ge_sprächen mit Schüleri_nnen und Schülern sind rechtsextremistische Parolen und Hakenkreuzschmierereien an Schulen vie-l zu häufig. Aber sie werden von Schulleiter11 und Lehrerinnen möglichst nicht publik gemacht, weil man u~ den Ruf der Schule fürchtet. Auch die Landesregierung hat in ihrer Ant

wortdie Namen der Schulen, an denen solche Vorfälle stattgefunden haben, nicht genannt. Sie möchte - das ist sicher das erklärte Ziel - dadurch, dass sie die Namen nicht nennt, diese Schulen und Orte nicht abstempeln.

Meine Damen und Herren, ich halte diese Strategie aber in dieser Situation nicht für die richtige Strategie. Ich-finde, es ist höchste Zeit, dass wir den Mut haben, offen vorzugehen, die Sachen beim Namen zu nennen, auch die Orte und die Schulen beim Namen zu nennen. Das Verschweigen nützt nur den Tätern, aber es hindert diejenigen, die bereit sind, etwas zu tun, offensiv mit dem Thema an der eigenen Schule oder im eigenen Ort vorzugehen.

Meine Damen und Herren, wir wissen alle, wie ungeheuer schwer es ist, sich gegen den bedenklichen Rechtsruck in unserer Gesellschaft eben auch bei Erwachsenen und bei Jugendlichen -zu stemmen. Die Regierungsfraktionen haben jetzt zu unserer Großen Anfrage einen Antrag vorgelegt, in dem sie sehr viele unterschiedliche Maßnahmen gegen

- Rechtsextremismus feststellen und fordern. Vieles von dem,

was in dem Antrag steht, ist sicher unterstützenswert und kann hilfreich gegen rechte Gesinnung und Gewalt sein. Darum werden wir auch nicht gegen diesen Antrag stimmen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, aber das Problem ist doch, dass wir viel zu wenig wissen. Was ist wirklich gegen Rechtsextremismus und Rassismus in unserer Gesellschaft wirksam? Die Fachleute sind sich einig. Auch zehn Jahre nach dem deutlichen Anstieg fremdenfeindlicher Ausschreitungen in Deutschland steht die Erforschung der Ursachen noch ganz am Anfang.

Meine Damen und Her-ren von der F.D.P., darum frage ich Sie, müssen wir uns als Gesetzgeber nicht erst einmal schlau ma- chen, was die Erfahrungen in anderen Bundesländern sind, welche Untersuchungen es von Wisser1schaftlern gibt, welches die wirksamsten Methoden sind, um extremistische Tendenzen zu bekämpfen.

Zuruf von der F.D.P.)

Natürlich müssen Jugendliche über die Nazizeit informiert werden. Oas wird auch viel getan. Aber eine Aufklärung über NS-Verbrechen bewirkt zwangsläufig nicht eine Veränderung_ der Einstellung und des Verhaltens. Lehrerinnen fühlen sich meist völlig sich selbst überlassen bei der Frage, ·welche didaktischen Methoden sich am besten für das schwierige Thema eignen. Man stochert da noch sehr im Nebel meinen die Lehrerinnen und Lehrer.

-Meine Damen und Herren, mit das schwierigste Problem bei·

dem Thema.. Fremdenfeindlichkeit" ist die schleichende Vereinnahmung der Jugendlichen-Musikszene durch rechte Bands und Konzerte. Leider kommt dieses Thema im Antrag

der beiden Regierungsfraktionen überhaupt nicht vor. Dabei wissen wir doch aus Erfahrung- das zeigt auch die Große Anfrage-, dass gerade die rechte Musik ein leider viel zu belieb

tes Rekrutierungsmittel der rechten Szene ist. Über die Musik kommen viele Jugendliche zum ersten Mal mit dieser Szene in Kontakt. Auch die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zeigt deutlich, dass die Teilnehmerzahlen bei rechten Konzerten- zum Beispiel in Warmsroth- von Jahr zu Jahr von 60 Personen 1997 auf 800 Personen1999 zugenommen haben. Die Polizei ging ebenso wenig wie die Gemeinde trotz hoher Besucherzahlen undtrotzdes Eintrittspreises von 35 DM dagegen vor, weil es eine Veranstaltung privaten Charakters war, obwohl man auch wusste, dass hier Musikgruppen spielen, deren CDs indiziert sind, also auf dem Verbotsindex stehen.

Meine Damen und Herren, gerade die Thematik der rechten Musikszene ist bisher noch nicht einmal in Ansätzen erfasst.