Protocol of the Session on February 17, 2000

Herr Präsident, meine Damen und Herren! ln schöner Regelmäßigkeit beraten wir im rheinland-pfälzischen Landtag die Änderung des Rundfunkstaatsvertrags und die sich daraus ergebenden Bestimmungen für das Landesrundfunkgesetz. Ich gebe Herrn Kollegen Dr. Weiland insofern Recht, natürlich könnten wir beklagen, dass die Länderparlamente nur be

dingt in die Beratungen eingreifen können. Wir haben daher heute nur zu entscheiden, ob wir dem Staatsvertrag in Ganze zustimmen oder ob wir ihn ablehnen. Das ist der Preis des Föderalismus, von dem man allerdings sagen kann, dass ertrotz des schwierig zu lösenden Sachverhalts in diesem Politikfeld erstaunlich gut funktioniert. Herr Ministerpräsident, er ist sicherlich nicht vergnügungssteuerpflichtig, aber er funktioniert. So kommt es, dass wir uns heute eigentlich um den medienpolitischen Schnee von gestern kümmern, wobei hinter den Kulissen bereits um den Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag gerungen wird.

Meine Damen und Herren, die Bilanz aus mehr als 15 Jahren Privatfernsehen ist von einigen konservativen Politikern als Frontalangriff auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten missverstanden worden. Man will ihnen den Gebührenhahn zudrehen und den Werbekuchenanteil streichen, das heißt, sie tendenziell abschaffen. Man brauche sie nicht, das Kommerzfernsehen sei zur Grundversorgung fähig, sein Angebot qua

litativ ausreichend. Diese Argumente verfehlen aber den

wichtigsten Aspekt, nämlich das Publikum will Fernsehen, und zwar gutes Fernsehen.

(Kramer, CDU: Richtig!)

Meine Damen und Herren, die heutige Debatte um das Thema Menschenwürde, Programmgrundsätze und Rundfunk

freiheit im derzeit bundesweiten Fernsehprogramm hat für

mich jedenfalls die Erkenntnis gebracht, die man in einem leicht abgewandelten Werbespruch wie folgt zusammenfas

sen kann: Noch nie war das öffentlich-rechtliche Fernsehen so wertvoll wie heute.

(Beifall bei der SPD)

Die konsequente Ansteuerung der seichtesten Stelle im Medientümpel ist offenbar das erklärte Ziel mancher- nicht aller, muss ich sagen- kommerzieller Anbieter. Wir brauchen daher ein Regulativ. Der für mich und meine Fraktion wichtigste Aspekt für die Beurteilung des geänderten Rundfunkstaatsvertrags ist die Stärkung der öffentlich-rechtlichen Anstalten in der zukünftigen digitalen Welt. Di.e ARD darf dem

nach zwei analoge Fernsehkanäle mit Digitalprogrammen füllen, das ZDF einen. Da in einen analogen Kanal heute sechs bis acht, morgen vielleicht zehn bis zwölf Digitalprogramme passen, wird es den öffentlich-rechtlichen Anstalten an Digi

talkapazitäten zunächst nicht mangeln. Auch wenn mit den bisherigen Haupt-, Neben- und Drittprogrammen von ARD und ZDF schon gut die Hälfte des Digitalreservoirs ausge

schöpft sein wird, stärkt der Rundfunkstaatsvertrag zunächst einmal die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Dies wird ausdrücklich von uns begrüßt.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Gestützt wird der Digitalspielraum der öffentlich-rechtlichen Anstalten durch eine neue Kabelvorschrift. Die digitalen Pa

kete von ARD und ZDF müssen in die Netze eingespeist wer

den. Potenziell mehr als 20 Programme genügen vorerst für einen Markt, der ganz am Anfang steht.

Herr Kollege Dr. Weiland, reichlich Zündstoff- darauf sind Sie

auch eingegangen - birgt in diesem Zusammenhang § 53 Abs. 7 des Rundfunkstaatsvertrags Ober die Grundsätze der Zugangsfreiheit zu digitalen Diensten. Immer noch kann die in der Bundesrepublik fast ausschließlich genutzte D-Box mit der Software der Kirch-Tochter Beta-Research die digitalen Zusatzdienste- etwa die elektronischen Programmführer von ZDF und ARD, aber auch von RTL- nicht darstellen. Die Landesmedienanstalten werden eine entsprechende Satzung aber noch vor dem ln-Kraft-Treten des Rundfunkstaatsvertrags vorlegen können.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Kraft treten wird der Vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag im April. Neben vielen nicht mehr strittigen Punkten- genannt sei an dieser

Stelle die Liste von sportlichen Großereignissen, die im freien Fernsehen Obertragen werden müssen- erfolgt im Kern mit der Vierten Änderung eine Anpassung an die Fernsehrichtlinie der Europäischen Union. So ist die vom Europarat stammende Änderung des Europäischen Übereinkommens Ober das grenzüberschreitende Fernsehen, Ober das wir heute auch beraten, ebenfalls eine abgestimmte Anpassung an die Fernsehrichtlinie der Europäischen Union. Die leidige Frage der Werberegelung im privaten Fernsehen ist durch eine weitgehende Liberalisierung entschärft worden, ob zur Freude der Zuschauer, sei einmal dahingestellt. Die neuen Werb~ bestimmungensind offenbar mit der Absicht erstellt worden, dass Maß und Platzierung im renditeorientierten Wettbewerbssegment am besten durch den Souverän, nämlich die Fernbedienung, bestimmt werden sollen. Die Beratung im Medienpolitischen Ausschuss hat ergeben - Herr Ministerprä

sident, da stimmen wir mit Ihnen Oberein -, dass ein weitge

hender Verzicht auf einschlägige Regelungstatbestände Oberwiegend befürwortet wird. Man sollte sich daher auf wirklich essenzielle Bestimmungen beschränken. Jugendschutz, Menschenwürde, Rundfunkfreiheit bedürfen in die

sem Zusammenhang einer Erwähnung.

Im aktuellen Änderungsstaatsvertrag wird zum Beispiel versucht, Werbung zu definieren, um Eigenwerbung der Sender wie Programmhinweise, Trailer und Eigenpromotion zusätzlich zu ermöglichen. Die Grenzen sind aber fließend.

Im Übrigen gilt künftig das Bruttoprinzip bei der TV

Werbung. Teleshopping wird neu geregelt. Schleichwerbung wird neu definiert. Splitscreen ist nunmehr erlaubt, genauso wie virtuelle Werbung. ln Zukunft sollten nicht alle Details geregelt werden. Das wichtigste Kontrollinstrument ist und bleibt die Fernbedienung.

Deregulierung ist angesagt. Das gilt- Herr Dr. Weiland, ich gebe Ihnen Recht - natürlich zum Beispiel nicht für den Jugendschutz. Wir begrüßen ausdrücklich die Verbesserung auf diesem Gebiet und ermuntern die Landesmedienanstalten, insbesondere hier eine wachsame Medienaufsicht durchzuführen. Grundlage wird die Neufassung von § 3 Abs. 5 des Rundfunkstaatsvertrags sein, der nunmehr die Jugendschutz

bestimmungen auf die digital verbreiteten Programme ausdehnt. Hier wird der Anwendungsbereich bei der so genannte.n Vorsperre noch zu regeln sein. Eine Vorsperre im Sinne

des Rundfunkstaatsvertrags ist eine Vorkehrung, mittels derer der Veranstalter eines Programms einzelne Sendungen mit entsprechender Technik verschlüsselt und vorsperrt. Die Entsperrung erfolgt durch den Nutzer. Für die vorgesperrten Programme entfallen daher die Sendezeitbeschränkungen nach§ 3 Abs. 2 des Rundfunkänderungsstaatsvertrags.

Unabhängig von einer etwaigen Vorsperre dürfen natürlich Sendungen, die ganz oder im Wesentlichen mit Schriften inhaltsgleich sind, die in der Liste von jugendgefährdenden Schriften und Medieninhalten aufgenommen sind, nur mit einer Ausnahmegenehmigung der zuständigen Landesmedienanstalt gesendet werden.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich noch erwähnen, dass eine neue Bestimmung im Staatsvertrag Ober den Südwestrundfunk eingefügt wird, die dem Südwestrundfunk die analoge terrestrische Abstrahlung von Programmen ermöglicht, um digitale Hörfunkangebote zu unterstützen. Stichwort DASDING. Dies begrüßen wir ausdrücklich.

(Beifall des Abg. Dr. Schiffmann, SPD)

Darüber werden wir aber vielleicht noch bei den Punkten 17 und 18 der Tagesordnung zu reden haben. Ich weiß nicht, ob sie heute noch behandelt werden, ansonsten in der nächsten Plenarsitzung.

Meine Damen und Herren, unser Fazit ist: Die privaten, aber auch die öffentlich-rechtlichen Veranstalter können sich über den neuen Rundfunkstaatsvertrag wahrlich nicht beklagen.

Das duale Rundfunksystem in der Bundesrepublik Deutschland hat sich bewährt und bleibt stabil. Wir werden beiden Gesetzentwarfen zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und F.D.P.} Vizepräsident Heinz: Meine Damen und Herren, ich möchte Gäste im rheinland- pfälzischen Landtag begrüßen, und zwar Schülerinnen und Schaler der Realschule Kusel sowie Regionalsprecher des nördlichen Rheinland-P1alz für Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter der Werkstätten für Behinderte. Seien Sie herzlich will- kommen im Landtag Rheinland-Pfalz! (Beifall im Hause)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Rieth das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Alle Jahre wieder

kommentieren wir als Parlament die Arbeit der Staatskanzleien in Sachen Rundfunkfragen. So auch in diesem Jahr.

Das Entscheidende vorweg, gleich zu Beginn meiner Ausführungen: Der vorliegende Staatsvertrag wird von unserer Fraktion nicht mitgetragen. Wir hatten uns im Ausschuss noch der Stimme enthalten, haben das Thema aber noch einmal intensiv in der Fraktion diskutiert. Ich werde Ihnen nachher ausführen, warum wir diesen Staatsvertrag nicht mittragen können.

Den Gesetzentwurf über das grenzOberschreitende Ferns~ hen werden wir mittragen, dem werden wir also zustimmen. Insofern ist Ihnen unsere Abstimmungslinie schon t>ekannt.

Meine Damen und Herren, es gibt einige Punkte in diesem Vertrag, die wir positiv begrüßen oder die wir zumindest für tolerabel halten. Andere halten wir für nicht akzeptabel und nicht tolerabel und lehnen deshalb insgesamt diesen Staatsvertrag ab, weil wir als Parlament nicht die Möglichkeit haben, in das Verfahren mit einzugreifen. Dies bemängeln wir seit langem, auch hier zum wiederholten Mal.

Wir bedauern, dass die Parlamente und dieser Landtag immer nur im Nachhinein die Möglichkeit haben, Ja oder Nein

zu sagen. Es wäre sicherlich notwendig, dass Ober Änderungen so nachgedacht wird, dass das Parlament in die Entscheidungsfindung, in die Gestaltung des Staatsvertrags mit einbezogen werden kann. Ich denke, das macht auch diese Diskussion über den Staatsvertrag heute ein Stück weit zu einer Mecker- oder Jubeldebatte, je nachdem, wo man zwangsläufig steht. Von daher bleibt uns auch nicht mehr, als zu kommentieren und unsere Kritik an diesem Staatsvertrag anzubringen, was ich an einigen Punkten tun will.

(Dr. Mertes, SPD: Was machen die GRÜNEN in NRW und Schleswig-Holstein?)

-Ach, Herr Mertes.