Protocol of the Session on January 21, 2000

,Zuruf der Abg. Frau Pepper, SPDZurufdesAbg. Kt.Jhn, F.D.P.)

Ich sage Ihnen, die Herstellung dieses Zusammenhangs suggeriert das zumindest unterschwellig, meine Damen und Herren. Das habe ich gesagt, und das haben Sie gehört. Damit fördern Sie Neidkomplexe, wie sie an Stammtischen gängig sind. Das schmerzt viele Betroffene in hohem Maße, die u-nfreiwillig Opfer struktureller Arbeitslosigkeit sind.

Beif~ll des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zurüfdes.Abg. Kuhn, F.D.P.)

Ich muss natürlich zur- Kenntnis nehmen, dass das Bündnis für Arbeit das Mainzer Modell in seine Modellüberlegungen mit einbeziehen möchte. Sie sind stolz daraaf,

{Frau Pepper, SPD: Mit Recht!)

aber ich bin äußerst skeptisch. Das Modell wfrd ohne Zweifel vor allem Frauen betreffen; denn sie sind es, die in den unter"

sten Lohngruppen zu findem sind. Aber nicht die diskriminierende Bezahlung von Verkäuferinnen oder Kassiererinnen wirdzum Beispiel mit Ihrer Politik bekämpft, sondern im Prinzip wird die schlechte- Lohngruppierung subventioniert. Wir halten es deshalb für richtiger, solche Modellüberlegungen wenigstens mit der Forderung nach Mindeststundenlöhnen zu koppeln. Dann können zum Beispiel auch allein erziehen

_de Mütter mit Teilzeitstellen einigermaßen über die Runden kommen.

Apropos Verkäuferinnen und Kassiererinnen. Herr Minister, zum Ladenschluss sollten Sie auch auf der Seite der Beschäftigten stehen uncl denen nicht.mit Ihren Forderungen in den Rücken fallen.

Ich komme wieder zurück zum Mainzer' Modell. Gegenüber dem Vor!äufermodel! ist sicherlich nachgebessert worden, dass nicht ausdrücklich Leichtlohngruppen eingerichtet werden. Sehr Wohl könnte sich aber eine nicht zu wünschende, gezielte Ausrichtung von Arbeitgebern auf das Lohnniveau dieses ProgTamms ergeben.-Das ist das Problem, dass di'e Löhne in diesem Bereich rutschen, wenn 'das so gemacht wird. Machen wir uns nichts vor, die Probleme der 63_0-DM-Jobs können nicht durch Lohnsubventionen gelöst werden. Vielmehr sind Reformen der Beitragssysteme der Sozialversicherung nötig, ganz vorneweg die Einführung einer steuerfi~an

zierten, bedarfsorientierten Grundsicherung.

Herr Gerster, ich möchte ein weiteres Beispiel für meine Analyse nennen. Sie loben die Kommunen, weil sie weniger für die Sozialhilfe ausgeben, obwohl Sie wissen müssten, dass bundesweit Milliardenbeträge von Sozialhilfeberechtigten nitht beansprucht werden, dies aus Unkenntnis, Scham, mangelnder Aufklärung_ und mangelnder Hilfsbereitschaft der Behörden heraus. Wer Sparsamkeit lobt, macht das an der falschen Stelle und fördert so auch Armut und Wohnungslosigkeit. Ihre Aufgabe aber als Sozialminister ist es, Armut vorzube-ugen.

Sie wissen, dass die Schere zwisclien Arm und Reich in der Ära Kohl inimer größer geworden ist. Das gilt auch für RheinlandPfalz. Die neue Bundesregierung ist sicherlich erste -Schritte durch eine die niedrigen Einkommensgruppen entlastende Steuerreform und durch erhöhtes Ki~dergeld gegangen. Dadurch ist allerdings die soziale Symmetrie längst nicht hergestellt, das wissen wir alle. Das ist übrigens ein Grund, warum von unserem Landesverband BUNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Rheinleind-Pfalz nach wie vor die Forderung nach Wiedereinführung der Vermögensteuer besteht.

Trotz großem Bedarf an Sanierung von sozialen Brennpunk

-ten und der Tatsache, dass nach wie vor barackenartige Notunterkünfte in unserem Land existieren

(Zurufe von der SPD)

- das ist so, auch wenn Sie sie vielleicht nicht mehr kennen-, und trotz des Bedarfs von Sozialarbeit vor Ort geschieht zur A!mutsbekämpfung einfach viel zu wenig. Mit den im Haushalt Vorgesehenen Mitteln wird höchstens der. Status quo erhalten, aber keinesfalls Not und Elend Schritt für Schritt be~

seitigt. Die Folgeprobleme im gesundheitlichen Bereich, die Defizite in Bildung und die Verfügbarkeit für aen Arbeitsmarkt, teilweise auch erhöhte Kriminalität im Milieu der Ar~ mut sind nur einige der teuren Folgelasten versäumter Armutsbekämpfung. Es_ sind dann zwar andere Kassen, die zahlen, die aber letztendlich immer die Gemeinschaft schultern muss.

-Meine Damen und Herren, nicht nur in der Ökologie, auch in der Sozialpolitik muss stärk~r über dje Nachhaltigkeit von Po

litik nachgedacht werden. Was wir heute zur Armutsbekämp~

fung nicht auszugeben bereit sind, kostet uns morgen ein Vielfaches.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN- Rösch, SPD: Eben haben Sie noch das Gegenteil gesagt, Geld sei hicht alles!)

-Da bringen Sie mich gerade auf das richtige Stichwort. Weil Geld nicht alles ist, Herr Rösch, fehlt ein integriertes Konzept dieser Landesregierung zum Beispiel zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit. Übe~ viele Jahre hinweg haben sich in anderen Bundesländern zentrale Fachstellen gegen Woh

. nungslosigkeit bewährt. Das wurde dort landesweit vorgegeben und koordiniert. Für die Kommunen. rechnet es sich, ein System frühzeitiger Hilfe aufzubauen, um Wohnungslosigkeit zu vermeiden und damit den sozialen Abstieg von Men

schen in Armut und Arbeitslosigkeit zu verhindern. Solche

_ kommunalen Fachstellen gibt es mittlerweile fast in allen

Bundesländern, in den Städten, aber auch in den ländlichen Gebieten. Nur in Rheinland-Pfalz gibt es da ·Fehlanzeige. Nordrhein-Westfalen, wo diese Fachstellen am längsten und erfolgreichsten arbeiten, gibt für diese Aufgabe allein 12 Millionen DM an Landeszuschüssen. Es wird in einer Begleitstudie aufgezeigt, dass sich das rechnet, Herr Minister und Herr Staatssekretär.

Bei diesem Thema ärgert es mich besonders- das haben_ wir

· neulich auch im Ausschuss festgestellt-, mit welcher Ignoranz Sie damit umgehen. Dies ist nun wirklicli nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern das ist ein ganz pragmatisches Er

folgsmodell, zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen. Ich schlage Ihnen vor, besorgen Sie sich einmal die ausführli_che Doku

mentation, und redeh Sie einmal mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Liga der Wohlfahrtsverbände darOber.

Wie heißt es so schön? Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Dr. Trabert ist hier in Mainz mitseinem Mainzer Modell

der gesundheitlichen Versorgung- das ist im Übrigen das originäre Mainzer Modell fOr Arme- national und international anerkannt. Staatsminister Gerster lobt dieses ~rojekt in Fest

reden sicherlich, auch im Armutsbericht wird sich damit ge

schmü.ckt. Allerdings·lässt er diesem ehrenamtlich aufgebauten Projekt keine_ Förderung zukommen. Dabei wäre es an der Zeit, dafOr Sorge zu tragen, dass die beispielhafte gesundheitliche \/ersorguhg Obdachloser in Mainz auch in anderen Städten Schule macht. Wir hatten dies schon im letzten Haushalt gefordert.

. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die·Ge'sundheitspolitik der Landesregierung betrachten wir mit einer gewissen Ambivalenz.

(ltzek, SPD: Über welches.Land wird geredet?)

Bekanntlich war Staatsminister Gerster im vergangenen Jahr Vorsitzender der Gesunciheitsministerkonferenz. Wir haben uns ·gefreut, dass er der Gesundheitsreform von Andrea Fi~

scher aufgeschlossen gegenüberstand und diese sogar unterstützt hat. Allerdings hat er die Landesregierung nicht davon ·

Oberzeugen können- wohlgemerkt seine Landesregierung·-, im Bundesrat dieser Reform zuzustimmen.

(Dr: Altherr, CDU: Zum Glück, muss man sagen!)

Die Landesregierung ist daqurch natürlich auch mit verant

wortlich dafür, dass wichtige Elemente der Gesundheitsreform zurückgestellt wurden.

Für den Krankenhausbereich bleibt es auf absehbare Zeit auch in finanzieller Hinsicht bei der Verantwortuhg des Landes für die Investitionen. Das ist das, was dabei herausgekommen ist. Wir haben es deshalb far richtig gehalten, in unseren Haushaltsvorschlä,gen KOrzungen für den Bereich der Be

schaffung von medizinischen Großgeräten zu beantragen. Es

mehren· sich die Hinweise, dass es in einigen Gebieten bereits Überkapazitäten gibt, insbesondere dann, wenn außerhalb der Krankenhäuser noch zusätzlich im Bereich der niederge

Jassenen Ärzte zum Beispiel so etwas wie Kernspinternographen angeschafft werden. Ich erinnere mich an einen Fall in Landau, der uns auch noch im Ausschuss beschäftigen wird. Sie alle kennen die Tendenz, dass einmal beschaffte Geräte dann auch in ihrer Kapazität genutzt werden, ob es notwen

. dig ist oder nicht.. Das treibt die Kosten in die Höhe, was wir..

vermeiden sollten.