Protocol of the Session on August 27, 2020

Verantwortung ist für die Grünen ein Fremdwort. 2016 entschieden die Grünen selbst, dass die Dörfer im Tagebau abgerissen werden. Nur vier Jahre später stehen sie jedoch nicht mehr zu ihrer Verantwortung.

Dorfleben ist für die Grünen ein Fremdwort. Jetzt, da die Dörfer zu Geisterdörfern geworden sind, interessieren sie sich plötzlich dafür. Vorher ging es ihnen nur um die Bechsteinfledermaus und den Erhalt des Hambacher Forstes. Jetzt wollen sie plötzlich die größtenteils verlassenen Dörfer retten. Doch man erkennt schnell, dass sie die eigentliche Rettung des Dorflebens nur dafür nutzen wollen, um einen Aufhänger für ihren Antrag zu bekommen.

In Ihrem Antrag sprechen sie vom Ende des Braunkohletagebaus, von bestimmten Abbaumengen, von klimapolitischen Verpflichtungen und vom CO2Emissionshandel. Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt des Antrags, sondern der sogenannte Klimaschutz. Aus Sicht der Grünen ist die Antwort einfach: Der Mensch hat sich dem sogenannten Klimaschutz unterzuordnen.

Was der sogenannte Klimaschutz ist, wollen die Grünen bestimmen. So muss auf der einen Seite der Wald natürlich vor dem Tagebau geschützt werden, während er auf der anderen Seite für den Ausbau der Windindustrieanlagen ordentlich abgeholzt wird.

Doch gerade die Menschen in den Weilern, die Menschen vor Ort haben erkannt, dass Sie ein falsches Spiel treiben; denn die Menschen vor Ort haben zunächst ihre Häuser und nun noch ihren Job beim größten Arbeitgeber der Region verloren oder werden ihn bald verlieren.

Diese Menschen wissen auch ganz genau, dass sich die Grünen nur vordergründig für den Erhalt eines ungedämmten Hauses mit einer Ölheizung aus den 60er-Jahren interessieren; denn so sehen die Häuser dort aus, weil sich über Jahrzehnte in den Weilern nahe des Tagebaus ein Investitionsstau ergeben hat. Die Menschen haben nicht mehr in die Modernisierung ihres Hauses investiert, weil der Abriss ohnehin unvermeidbar war.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Mit dem Wegzug der Nachbarn begann sich in diesen Geisterdörfern die traditionelle soziale Dorfstruktur langsam aufzulösen. Die Dorfgemeinschaft in diesen Geisterdörfern ist bereits jetzt nicht mehr die gleiche, wie sie es vorher war.

Geisterdörfer: Ganze Straßenzüge ohne menschliches Leben. An den Hausfassaden aber Schmierereien mit Sprüchen der Antifa. Leer stehende Häuser, von grünen Partisanen als Freizeitdomizil besetzt. Ackerflächen, die als Durchmarschgebiet für den sogenannten Klimaprotest missbraucht werden. – In diesen Dörfern zeigt sich der ideologische Kampf der Grünen gegen RWE und auch gegen die Bevölkerung.

Die Grünen verharren in ihrem Kampf gegen den sogenannten Klimawandel, während sich die Menschen vor Ort bereits weiterentwickelt haben. Die Menschen vor Ort blicken in die Zukunft, und die Zukunft bietet auch eine neue Heimat. Die Zukunft bietet ein neues Dorfleben. Die Zukunft bietet mehr für ihre Kinder.

Mit der Ansiedlung der Dörfer zum Beispiel bei Erkelenz, einer größeren Stadt, gibt es auch eine bessere Infrastruktur für die Kinder – eine geregelte Kinderbetreuung, eine erstklassige Schulbildung. Deswegen reagieren viele Menschen vor Ort nicht nur höchst irritiert, sondern auch schockiert über die Ereignisse in ihren Heimatdörfern.

Ein Beispiel dafür ist Immerath. In Immerath fand am 13. Oktober 2013 die letzte Messe statt. Für die Einwohner war das ein sehr emotionaler Moment. Nach ihrer Entwidmung wurde die Dorfkirche an den Tagebaubetreiber verkauft. Als die katholische Kirche am 8. Januar 2018 abgerissen wurde, hat „DIE ZEIT“ darüber berichtet. Daraus möchte ich jetzt zitieren.

„Ortspfarrer … rechnet nach eigenen Worten nicht damit, dass viele Immerather den Abriss der Kirche mit ansehen würden. Vielmehr seien hauptsachlich Fremde da. Die Emotionen seien nicht mehr so groß wie beim Entwidmungsgottesdienst vor drei Jahren, betonte er. Die Immerather hätten mit der Aktion weitgehend abgeschlossen und blickten nach vorn.“

Die Immerather blickten nach vorne; aber wer ist dann noch vor Ort? Es sind die Fremden, welche die Heimatgeschichte gar nicht kennen. Es sind die Fremden, die jetzt Stimmung gegen den Tagebau machen. Es sind die Fremden, die jetzt zur Rettung der Weiler aufrufen; Fremde, aus denen dann Partisanen werden, die sich in den leeren Häusern verschanzen. Es sind fremde Klimaaktivisten, die aus ganz Europa kommen und sich nur so lange mit der Pilgerstätte identifizieren, wie es um den Kampf

gegen Braunkohle oder den Kapitalismus geht – nicht mehr und nicht weniger.

In dem Artikel „Das alte Immerath ist ein Geisterdorf geworden“, schilderte „DIE WELT“ die Situation in den Geisterstädten für die Anwohner, die geblieben sind, wie folgt:

„Vorige Nacht sind sie wach geworden. Ein Geschepper war das. Nicht auf ihrem Hof, aber ganz in der Nähe. Richtig unheimlich. Am leerstehenden Nachbarhaus wurden Rohre geklaut. Die Diebe haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, leise zu sein.“

Das neue Immerath liegt nur acht Kilometer vom alten Standort entfernt. Liebe Grüne, die Traditionsvereine von Immerath, die Schützenbruderschaft, die Karnevalsgesellschaft und der Sportverein sind die Säulen der neuen Dorfgemeinschaft und bestehen im neuen Immerath fort. Sie haben auch die Ideen für die Bronzestatuen auf dem Dorfplatz gegeben, die an das alte Immerath erinnern sollen – Zukunft auch mit Erinnerung an die Herkunft.

Das neue Immerath ist keine typische Neubausiedlung. Hier haben sich die Nachbarn schon vorher gefunden. So wird Heimat mit neuem Leben gefüllt. Doch die Grünen verstehen Heimat nicht. Um Natur und Heimat zu schützen fordern die Grünen jetzt, wo es längst zu spät ist, ein Moratorium.

Doch wo sind sie, wenn Windindustrieanlagen die Kulturlandschaften zerstören, Dörfer einkesseln und Anwohner mit gesundheitsschädigendem Infraschall gefährden? – Dann schweigen die Grünen. Die Politik der Grünen ist eine Politik ohne Identität, ohne Heimat und ohne Seele. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Loose. – Jetzt hat die Landesregierung das Wort. Es spricht Herr Minister Prof. Dr. Pinkwart.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bundestag und Bundesrat haben am 3. Juli diesen Jahres das Kohleausstiegsgesetz verabschiedet.

Die Umsetzung stellt das Rheinische Revier vor große Herausforderungen. Der vorgezogene Kohleausstieg führt jetzt zu schnelleren Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur des Reviers. Ebenso ist auch das räumliche Umfeld der Tagebaue betroffen, wo Pläne für die Wiedernutzbarmachung und Rekultivierung angepasst werden müssen.

Nordrhein-Westfalen wird durch die Entscheidung des Kohleausstiegsgesetzes Vorreiter beim Kohleausstieg

in Deutschland. Bis einschließlich 2029 übernimmt Nordrhein-Westfalen ca. 70 % der zu reduzierenden Braunkohlekapazitäten. Bis 2030 folgt daraus auch der bei Weitem größte Beitrag zur CO2-Einsparung. Die CO2-Emissionen für Braunkohleverstromung werden entsprechend des Stilllegungspfads des Kohleausstiegsgesetzes massiv zurückgehen. Bis Ende des Jahrzehnts werden sie um etwa 70 % vermindert.

Gegenüber der Leitentscheidung 2016 – wenn ich das in Richtung Ihrer Fraktion, Frau Düker, sagen darf –, in der Sie eine Einschränkung der Braunkohleaktivitäten in der Größenordnung von 400 Millionen Tonnen bewirken konnten, dürfen jetzt insgesamt mindestens ca. 1,2 Milliarden Tonnen Braunkohle zusätzlich unter der Erde bleiben und nicht mehr energetisch genutzt werden. So werden in etwa auch 1,2 Milliarden Tonnen CO2 eingespart. Spätestens Ende des Jahres 2038 – möglichst auch schon im Jahre 2035 – wird die letzte Tonne Braunkohle zur Verstromung in der Region genutzt.

Bis wir dies erreicht haben, sind wir allerdings für eine sichere Energieversorgung von Bevölkerung und Industrie weiterhin auf die Verstromung von Braunkohle angewiesen – wenn auch mit abnehmender Bedeutung.

Denn eins wird uns allen klar sein: Der Strombedarf wird in der Zukunft weiter zunehmen. Wir werden die Sektorenkopplung weiter vorantreiben.

Die Energieversorgungssicherheit Deutschlands

wird sich im globalen Umfeld aber nicht unbedingt verbessern. Die jederzeit sichere Energieversorgung von Deutschland sowie von einem dichtbesiedelten Industrieland wie Nordrhein-Westfalen bleibt ein wichtiger Standortfaktor und ein herausragendes Gut der Daseinsfürsorge. Ich erinnere an die Debatte, die wir vorhin zu thyssenkrupp und den energieintensiven Unternehmen geführt haben.

Das ist auch der Grund, warum der Bund dem Tagebau Garzweiler II in seinem Kohleausstiegsgesetz eine besondere Stellung zugedacht und ihn für energiepolitisch sowie energiewirtschaftlich erforderlich erklärt hat.

Mit den Gesetzen zu Kohleausstieg und Strukturstärkung folgt der Bund den Empfehlungen der WSBKommission.

Die Menschen erwarten jetzt von uns, dass wir die Gesetze hier vor Ort bestmöglich umsetzen. Sie erwarten einen klaren Fahrplan für die Zukunft.

Für den Strukturwandel im Revier liegt der mit dem von der Region und der Zukunftsagentur Rheinisches Revier im engen Einvernehmen mit der Landesregierung entwickelten Wirtschafts- und Strukturprogramm 1.0 als inhaltliche Leitperspektive für die zukünftige Förderung nach dem Strukturstärkungsgesetz bereits vor.

Jetzt wird es nach 2016 auch wieder eine neue Leitentscheidung der Landesregierung geben. Mit ihr werden wir das Kohleausstiegsgesetz in eine räumliche Perspektive für das Rheinische Revier übersetzen und damit den erforderlichen Rahmen für die anstehenden Veränderungen in den Tagebauen schaffen.

Gleichzeitig legen wir die Basis für eine anspruchsvolle Raumentwicklung in der Zukunft. Das Wirtschafts- und Strukturprogramm sowie die neue Leitentscheidung bilden zusammen das Fundament für eine gute Zukunft des Rheinischen Reviers. Mit beiden übernehmen wir als Landesregierung unseren Teil der gesellschafts- und strukturpolitischen Verantwortung dafür, dass Kohleausstieg und Strukturwandel im Interesse der Menschen, der Kommunen und der Unternehmen erfolgen können.

Die Forderung von Bündnis 90/Die Grünen hingegen laufen darauf hinaus, den gefundenen Kompromiss aufzukündigen, den wir uns in den letzten zwei Jahren in Deutschland erarbeitet haben. Sie schaffen eben keine verlässliche Perspektive. Lösungen für die Herausforderungen im Revier finden sich in dem Antrag nicht. Der Antrag arbeitet sich hingegen an gesellschaftlich errungenen Kompromissen ab und packt lediglich bekannte Forderungen zusammen.

Der derzeit laufende Abbaubetrieb in den Tagebauen einschließlich der begleitenden Maßnahmen erfolgt aber im Rahmen längst erteilter Zulassungen und Genehmigungen. In einem Rechtsstaat ist es üblich, dass sie gültig bleiben, wenn sie nicht von einem Gericht verworfen werden.

Der Antrag der Grünen verschweigt Folgendes – das hat die Debatte schon beleuchtet –: Hätte man an den rechtlichen Grundlagen etwas ändern wollen, Frau Düker, dann hätte man dies bereits zu Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung ändern müssen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Denn alles, was derzeit im Rheinischen Revier durch RWE stattfindet – ein Unternehmen, das von Ihnen ja auch immer sehr stark attackiert wird, mit dem Sie aber damals verhandelt und die Leitentscheidung getroffen haben –, ist durch die Leitentscheidung legitimiert. Frau Düker, mit Hinweis auf Ihre Kurzintervention empfehle ich Ihnen sehr – ich habe das parallel gemacht –, noch einmal den Originaltext Ihrer Leitentscheidung zu lesen.

(Zuruf von der CDU: Auf jeden Fall!)

Da heißt es nämlich sinngemäß, dass die Leitentscheidungen, die Vorläufer waren, nicht hinreichend gewesen seien, um jetzt die Braunkohleplanungen aktuell vornehmen zu können. Dafür habe es eben auch dieser Leitentscheidung bedurft.

Die letzte Entscheidung war von 1991. In dieser Leitentscheidung heißt es dann, dass Sie – ich zitiere –:

die Erforderlichkeit der Umsiedlung der Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich und Berverath bestätigen. – Sie bestätigen diese Umsiedlung mit der Leitentscheidung.

(Beifall von der CDU und der FDP – Monika Düker [GRÜNE]: Das reicht doch jetzt nicht mehr!)

Das haben Sie auch als Landesregierung 2015 für die Braunkohlenplanung so zum Ausdruck gebracht. Das ist die rechtliche Grundlage, auf der jetzt die bisherigen Aktivitäten stattfinden.

Der Bundestag und der Bundesrat haben nun – darauf aufsetzend – mit dem Kohleausstiegsgesetz für sehr klare Verhältnisse gesorgt.

Für das Kohleausstiegsgesetz wurden die maßgeblichen energiepolitischen und wirtschaftlichen Entscheidungen auf Bundesebene abgewogen und getroffen. Die Erforderlichkeit des Tagebaus Garzweiler II wird dort in den Grenzen der rot-grünen Leitentscheidung von 2016 zur Gewährleistung einer sicheren und zuverlässigen Energieversorgung festgestellt.