Protocol of the Session on August 27, 2020

Das entspricht nicht der Wahrheit. Wir haben fast alle grünen Bundesländer überholt.

Herr Kollege Hübner, der Wirtschaftsminister hat hier fast jeden Punkt, der von Ihrem Fraktionsvorsitzenden und von Herrn Bolte-Richter gekommen war, abgearbeitet. Herr Kutschaty hat so gut wie nicht über Wasserstoff gesprochen. Minister Pinkwart musste die Redezeit etwas überziehen, weshalb er nicht auf Wasserstoff eingegangen ist. Da Sie das hier beklagen, muss ich eines sagen: Loben Sie bitte nicht Ihre Bundeswirtschaftsministerin. Sie hat im Gegensatz zu Ihnen …

(Michael Hübner [SPD]: Das ist nicht unsere Bundeswirtschaftsministerin, sondern Ihr Bun- deswirtschaftsminister!)

Bundesumweltministerin. Entschuldigung, wenn ich mich versprochen habe. Ich meine die Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Es kommt vielleicht nicht alles hinter der Plexiglasscheibe an.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Herr Kollege Hübner, Sie loben hier Bundesumweltministerin Schulze. Das ist meines Erachtens völlig deplatziert; denn sie hat auf die Frage, was denn mit blauem Wasserstoff ist, geantwortet:

„Warum sollten wir in Zukunft blauen Wasserstoff nutzen, wenn die Klimabilanz schlecht ist und die Kosten zur Herstellung so hoch sind?“

In dem von Ihnen als Grundlage für die heutige Debatte genommenen Interview mit dem Stahlchef von thyssenkrupp hat er deutlich gemacht, dass wir blauen Wasserstoff für den Übergang benötigen. Genau das hat die NRW-Koalition letzte Woche in einem Antrag vorgelegt, dem auch Sie zugestimmt haben.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD]: Er meinte braunen!)

Wir brauchen den blauen Wasserstoff, meine Damen und Herren,

(Zuruf von Michael Hübner [SPD]: Braunen!)

um den Übergang hinzubekommen. Wir brauchen endlich Mengen an Wasserstoff. Deshalb ist in der Übergangsphase blauer Wasserstoff notwendig. Erklären Sie das bitte Ihrer Bundesumweltministerin, damit wir beim Wasserstoff endlich aus dieser Henne-Ei-Debatte herauskommen. Wir brauchen große Mengen für die Anwendungen. Es wird keine Anwendungen geben, wenn wir nicht ausreichend Wasserstoff haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Loose.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle sagen, Sie zerstören die konventionelle Industrie, um etwas gegen den Klimawandel zu tun. Schauen wir uns einmal an, worum es dabei geht. Sie wollen CO2 reduzieren.

Doch was passiert aktuell auf der Welt? 95 % der Emissionen machen bei Ihrem Plan gar nicht mit. Das ist nämlich die Natur.

Und die restlichen, von den Menschen emittierten, 5 % werden jedes Jahr erhöht. Denn die größten Emittenten – China, Indien, USA und Russland – machen bei Ihren Plänen nicht mit. Selbst im Pariser Klimaabkommen sind China und Indien ausgenommen, weil sie Entwicklungsländer sind. Sie dürfen bis zum Jahr 2030 so viele Kohlekraftwerke bauen, wie sie wollen. Das tun sie auch. Die USA und Russland machen ohnehin nicht mit. Somit steigen aktuell jedes Jahr bereits 55 % der menschlichen Emissionen.

Der Kollege von den Grünen hat gesagt, thyssenkrupp habe daran doch einen so großen Anteil. – Rechnen wir es doch einmal auf die weltweiten Emissionen um. Dann hat thyssenkrupp einen Anteil von 0,002 % an den weltweiten Emissionen. Sie wollen jetzt Milliarden Euro verschwenden, um diesen minimalen Anteil zu reduzieren. Das geschieht am Ende auf Kosten der Arbeiter und auf Kosten der Bürger, die das Ganze bezahlen – entweder mit Geld oder die Arbeiter durch Verlust ihres Arbeitsplatzes.

So zerstören Sie systematisch die deutsche Industrie – aktuell die deutsche Automobilindustrie. Und wenn die deutsche Automobilindustrie zerstört wird, wird damit auch ein Teil von thyssenkrupp zerstört.

SPD und CDU gehören übrigens in der EU zu den stärksten Gruppierungen und haben dadurch massiven Einfluss. Zudem zahlt Deutschland die höchsten Beiträge. Dennoch tun Sie immer so, als könnten Sie als Landespolitiker für die ganzen EU-Regelungen nichts. Sie wälzen die Verantwortung einfach ab, als könnten Sie nichts dafür.

Aber Ihre Kollegen können etwas dafür. Die EU zerstört unter ihrer Verantwortung mit irren Vorgaben für den Benzinverbrauch von Autos den kompletten Automarkt. Der Vertreter von Ford sagte bei einer Anhörung hier im Landtag, dass sein Unternehmen Milliarden an Strafen zahlen müsse, wenn es ihm nicht gelinge, den Spritverbrauch seiner Fahrzeuge auf 3,6 Liter Diesel pro 100 km zu drücken. 2030 muss sogar die Grenze von 2,3 Litern Diesel eingehalten werden.

Jeder Techniker sagt Ihnen, dass das überhaupt nicht möglich ist. Denken Sie nur an Luftwiderstände und Reifenwiderstände. Die physikalischen Grundregeln schreiben Ihnen vor, dass es technisch nicht leistbar ist. Auch die Grünen oder Greenpeace haben es nie geschafft, ein vollwertiges 3-Liter-Auto zu bauen.

Natürlich gibt es immer wieder Verschwörungstheoretiker, die sagen, die böse Automobilindustrie wolle so ein Auto gar nicht bauen und auch die Öllobby würde das verhindern. Aber ganz ehrlich: Glauben Sie, dass in einem globalisierten Markt mit Amazon, Google und anderen großen Firmen nicht jemand auf die Idee käme, einfach einmal ein 3-Liter-Auto zu bauen? Die machen es aber nicht, weil es technisch nicht machbar ist.

Deshalb ist die Forderung nach einem Auto mit einem Verbrauch von 2,3 Litern Diesel mit einem Berufsverbot oder Produktionsverbot gleichzusetzen. Die Firmen dürfen nur arbeiten und Autos bauen, wenn sie die Vorgaben erfüllen. Ansonsten drohen Milliardenstrafen durch die EU – durch Ihre Politiker, die als Freunde von Ihnen dort sitzen.

Technisch ist es nicht möglich. Deshalb kommt das, wie gesagt, einem Berufsverbot gleich. Außerdem gibt es Strafzahlungen für Ford von mehreren Milliarden Euro; VW prognostiziert 4,5 Milliarden Euro. Und Sie wundern sich jetzt ernsthaft, dass die Automobilindustrie in Deutschland am Boden liegt? Wielpütz, Kostal, jetzt trifft es den Automobilzulieferer Hundhausen, Ford – Tausende von Arbeitern verlieren ihren Job; Tausende von Familien bangen um ihre Existenz. Und das sind nur die Firmen in NRW.

In Baden-Württemberg sieht es doch nicht besser aus. Denken Sie zum Beispiel an Eisenmann und MAHLE.

Die Probleme sind seit Jahren bekannt und durch Ihre Politik erst entstanden. So bricht der Automobilmarkt weg – und damit eine wichtige Säule von thyssenkrupp. Der Automobilmarkt ist neben der Kraftwerksäule die zweite wichtige Säule des Unternehmens.

VW kündigte schon an, keine Fabriken für Verbrennerautos mehr in Deutschland zu bauen. Im Umkehrschluss heißt das, dass sie ins Ausland gehen. Niemand wird sich freiwillig dem EU-Diktat unterwerfen,

wenn er es verhindern kann. Der größte Teil der Automobilexporte geht inzwischen ohnehin in Nicht-EULänder. Da ist es doch nur logisch, sich von den Fesseln der EU zu befreien und direkt im Ausland zu produzieren.

Aber, liebe Kollegen, wenn die Fabriken erst einmal weg sind, sind auch die Arbeitsplätze weg – die Arbeitsplätze an den Bändern, die Arbeitsplätze bei den Zulieferern, die Arbeitsplätze bei thyssenkrupp. All das haben Sie über Jahre ignoriert.

Nun kommen Sie mit alten Ideen aus dem 19. Jahrhundert um die Ecke. Wasserstoff ist doch so 1838! E-Autos sind so 1888! Einige fantasieren sogar davon, dass man Strom in Wasserstoff umwandeln und schließlich wieder mit einer Brennstoffzelle in E-Autos einsetzen soll – trotz Umwandlungsverlusten von 70 %. Das ist nicht nur Irrsinn, sondern auch eine wahnsinnige Ressourcenverschwendung.

Bei solchen Entscheidungen können die Manager in Deutschland doch nur noch glauben, dass die Politiker den Verstand verloren haben. Die Folge davon ist ganz klar – die Unternehmen sind relativ einfach dabei; so würde ich es auch machen –: Überall, wo man im Wettbewerb stehen will, geht man auch in den Wettbewerb. Das gilt insbesondere für das Ausland. Und in Deutschland greift man so lange, wie es geht, all die Subventionen ab. Das macht E.ON inzwischen, das macht RWE so, und das macht thyssenkrupp demnächst. So wurde es bereits angekündigt; thyssenkrupp war ja hier bei der Anhörung.

Sie vier hier sind die Totengräber der versorgungssicheren, günstigen Stromversorgung. Sie vier hier sind die Totengräber unserer sozialen Marktwirtschaft, die vom Leitgedanken des Wettbewerbs und nicht von Subventionen getrieben ist. Sie vier hier sind die Totengräber unserer Industrie. Wir werden das den Menschen dort draußen immer wieder offenbaren. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Loose. – Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Minister für die Landesregierung.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch auf den Beitrag von Herrn Hübner eingehen.

Die Aktuelle Stunde, die die SPD-Fraktion beantragt hat, bezieht sich auf thyssenkrupp. Genau dazu hat Herr Kutschaty auch sehr ausführlich gesprochen. Natürlich können wir auch über all die anderen Themen sprechen. Ich habe ja auch versucht, es einzuordnen. Aber dann müssen wir das im Rahmen der Tagesordnung aufrufen. Dann können sich alle damit auseinandersetzen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir werden das seitens der Landesregierung sicherlich gerne tun. Auch die sie tragenden Fraktionen haben dazu in den letzten Monaten vielfältige Anträge eingebracht.

Wir sehen in dem Thema „Wasserstoff“ eine ganz strategische Positionierung. Das haben wir auch deutlich gemacht, indem wir mit IN4climate eine Initiative eingeleitet haben, in der wir schon seit zwei Jahren mit genau den Firmen, die Sie genannt haben, Herr Hübner, sprechen. Natürlich reden wir mit BP, mit Thyssengas, mit thyssenkrupp usw. – auch aus der Metropole Ruhr. Aber auch mit Shell, Evonik, LANXESS und all den anderen Unternehmen sprechen wir.

Wir sprechen auch mit der Zementindustrie, mit der Textilindustrie, mit all diesen Branchen, die energieintensiv sind. Das müssen wir auch tun; denn wir wollen aus der Kohleverstromung Schritt für Schritt aussteigen, und wir wollen diese sichere und bezahlbare Energie durch Erneuerbare ersetzen.

Dieser Transformationsprozess, diese Energiewende, ist die eine große Herausforderung für Nordrhein-Westfalen. Parallel gilt es auch noch, diese energieintensive Industrie selbst klimaneutral zu machen.

Dazu haben wir vielfältige Projekte, viele Modelle insbesondere hier in Nordrhein-Westfalen – beispielsweise bei der Papierindustrie, wo wir jetzt ein entsprechendes Technikum errichten. Wie kann Papier in Zukunft energieärmer und klimaneutraler hergestellt werden? Das gilt natürlich auch für den Stahl und die chemische Industrie.

Lieber Herr Hübner, wir wären ja dankbar gewesen, wenn die Bundesregierung ihre schon für das erste Quartal dieses Jahres angekündigte Wasserstoffstrategie auch bis zum Ende des ersten Quartals hätte vorlegen können. Das war aber nicht möglich, weil es einen Konflikt zwischen Ihrer Bundesumweltministerin und dem anderen Teil der Bundesregierung gab, weil Ihre Umweltministerin meinte, eine Wasserstoffstrategie für Deutschland als wichtigstem Industrieland könne nur gelingen, wenn man ausschließlich mit grünem Wasserstoff arbeite.

Gott sei Dank hat sich durchgesetzt, dass auch der blaue Wasserstoff in Zukunft …

Was wir nach zweijähriger intensiver Arbeit mit der Industrie wissen, ist nämlich: Wenn wir den blauen Wasserstoff nicht als Übergangstechnologie einbeziehen, dann werden wir den Wasserstoff mit unserer Industrie nicht so entwickeln können, dass wir tatsächlich wettbewerbsfähig sein werden und die Wasserstoffindustrie auch infrastrukturell wirklich vernünftig vorantreiben können.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Das zeigt wieder: Wir brauchen in der Debatte keine Ideologie, sondern vernunftgeleitetes Handeln; denn sonst werden wir diesen Transformationsprozess nicht schaffen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Programme dazu werden wir Ihnen vorlegen. Wir arbeiten an den entsprechenden Konzepten – aufsetzend auf der Strategie des Bundes, die jetzt Gott sei Dank vorliegt. Die Europäische Kommission hat ihre Strategie ebenfalls vorgelegt.

Wir werden das, was wir uns in den letzten zwei Jahren erarbeitet haben, passgenau so einbinden, dass unsere Industrie genau diese Möglichkeiten am Standort Nordrhein-Westfalen nutzen kann.

Hierzu arbeiten wir strategisch nicht nur mit den Bundesländern und dem Bund zusammen, sondern auch mit Mitgliedern der Europäischen Kommission – vor allem mit unseren geschätzten Nachbarn in den Niederlanden und Belgien, mit denen wir die Gespräche zu dem Thema schon seit Jahren führen.