Protocol of the Session on August 27, 2020

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der FDP hat der Abgeordnete Haupt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der sogenannten Fleischsteuer debattieren wir heute ein auch für NRW sehr relevantes Thema. Dieses Thema verdient eine an der Sache orientierte und keine populistische Debatte.

(Beifall von der FDP)

Liebe Kollegen der AfD, daher muss ich Sie erst mal darauf hinweisen, dass es sich bei dem, was Sie in Ihrem Antrag zitieren, um eine sogenannte Tierwohlabgabe und nicht um eine Fleischsteuer handelt. Da muss man dann schon genau differenzieren.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Genau an dieser Differenzierung fehlt es bei der AfD, die hier erneut gefährliches Halbwissen und fehlende Sachkenntnis offenbart.

(Markus Wagner [AfD]: Wir geben dem einen schönen Namen, und dann wird es was ande- res!)

Kollegen der AfD, die Behauptung in Ihrem Antrag, dass durch die Tierwohlabgabe der Import von Billigfleisch erhöht wird, entbehrt jeglicher Grundlage. Tatsächlich wäre nämlich – wenn es denn so käme – allein der Verkaufsort maßgeblich; also würde auch nach Deutschland importiertes Fleisch einer solchen Abgabe unterliegen.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Dieser Trugschluss offenbart aber auch die eigentliche Intention Ihres Antrags, nämlich lediglich: Unruhe bei unseren Landwirten erzeugen.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Herr Kollege, erlauben Sie mir noch ein Wort zu den Statistiken, die Sie bemüht haben. Sie können doch nicht einfach aus verschiedenen Umfragen verschiedene Zahlen herauspicken, diese völlig beliebig ins Verhältnis zueinander setzen und dann sagen: Das ist unser Ergebnis. – Das ist kein angemessener Umgang mit diesem wichtigen Thema und getreu dem Motto „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.“

(Beifall von der FDP und der CDU)

Und die Welt gefällt der AfD nun mal nur, wenn sie schlecht ist. Also wird sie auch mal wieder in allen Fakten so dargestellt.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Ich möchte den Antrag aber nutzen, um unsere Sichtweise auf ein solches Instrument darzulegen.

Die Einführung einer zusätzlichen Steuer oder eine Abgabe führt natürlich nicht automatisch zu mehr Tierwohl oder besserem Klimaschutz. Da eine Steuer nicht zweckgebunden ist und dem allgemeinen Haushalt zufließt, ist eine solche auch nicht dazu geeignet, entsprechende Veränderungen umzusetzen. Die Kaffeesteuer hat ja auch nicht dazu beigetragen, den Kaffeeanbau fairer und nachhaltiger zu gestalten.

Auch die Einrichtung eines Fonds, in welchen die durch eine Abgabe erzielten Beiträge eingezahlt werden, um dann weitergeleitet zu werden, ist für uns ein ineffizientes, zielungenaues System, welches lediglich Reibungsverluste schafft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines müssen wir uns klarmachen: Mehr Tierschutz kostet auch mehr Geld. – Der Hebel liegt also an der Supermarktkasse. Es müssen dann auch Preise bezahlt werden, die den Landwirten ein auskömmliches Einkommen sichern und bei denen gute Haltungsbedingungen, Tierwohl und nachhaltige Bewirtschaftung eingepreist werden.

Lassen Sie mich eindeutig klarstellen: Der Landwirt ist nicht das Problem; denn die Landwirte produzieren das, was die Verbraucher zu den Rahmenbedingungen, welche wir als Politik vorgeben, nachfragen.

Es ist also ein Dreiklang zwischen Landwirtschaft, Politik und Verbraucher.

Der Handel muss seine Verantwortung wahrnehmen und auskömmliche und faire Preise an die Landwirte zahlen. Der Verbraucher muss bereit sein, diese Mehrkosten für Tierwohl und Nachhaltigkeit tatsächlich zu zahlen. Nur mit angemessenen Preisen und

nachhaltiger Planungssicherheit für die Landwirte werden diese in die Lage versetzt, notwendige Investitionen, beispielsweise in Ställe, überhaupt vorzunehmen.

Es wird Zeit, dass wir dabei wieder zu einem fairen Miteinander zwischen Landwirtschaft, Politik und Verbrauchern kommen.

(Vereinzelt Beifall von der FDP und der CDU)

Dieses Anliegen erfordert aber unsere Bereitschaft, sich ernsthaft mit den Herausforderungen der Landwirtschaft zu beschäftigen, liebe Kollegen der AfD. Ihr Antrag ist da wenig hilfreich. Wir würden uns aber sehr freuen, wenn die AfD in der Enquetekommission zur Zukunft der Landwirtschaft nun auch tatkräftig und konstruktiv-sachlich an Lösungen mitarbeiten würde.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD] – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das würde den Landwirten vielleicht helfen, nicht aber dieser populistische Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP, Josef Hovenjürgen [CDU] und Bianca Winkelmann [CDU])

Vielen Dank. – Für die Fraktion der Grünen hat der Abgeordnete Rüße das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir ging es ein bisschen so wie der Kollegin Watermann-Krass. Auch ich habe mich in der Tat gefragt, was man zu diesem Antrag sagen soll; denn etwas so Substanzloses erlebt man selten.

Herr Dr. Blex, wenn Sie sich an die Landwirtschaft wenden, dann müssen Sie, so meine ich, in den Beschlusspunkten eines Antrags doch auch mal einen Weg aufzeigen, wie es gehen könnte. Alles, was Sie können, ist, zu sagen: Das wollen wir nicht.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Da sind Sie aber an einer Stelle von vor ungefähr 30 Jahren. Sie haben die gesamte Debatte der letzten 20 oder 30 Jahre anscheinend nicht mitbekommen. Sie verweigern sich und sind nicht in der Lage, auch nur ansatzweise Lösungen anzubieten.

Das Problem ist auch, dass Sie überhaupt nichts verstanden haben.

Sie haben nicht verstanden, warum die Ministerin heute nicht hier ist – nämlich, weil es eine Sonderagrarministerkonferenz gibt.

Sie haben nicht verstanden, dass diese Fleischsteuer – da muss ich den Kollegen Herrn Haupt ein bisschen korrigieren – nach der Borchert-Kommission noch

überhaupt nicht feststeht. Es ist nicht klar, was genau passieren soll, also ob es eine Steuer oder eine Abgabe werden soll. Darüber wird noch debattiert; das wissen wir noch gar nicht. Auch die Bundesregierung hat der FDP-Fraktion im Bundestag klar geantwortet, dass man sich noch im Prozess befinde und genau nachdenke, wie man das ausgestalten wolle.

Klar ist aber sehr wohl – und da führt dieser AfD-Antrag ja total hinter die Fichte –, dass das, was dort eingenommen werden soll, genau dazu dienen soll, den Teil abzudecken, der jetzt an Mehrkosten für die Landwirtschaft entsteht, an der Ladentheke von den Verbraucherinnen und Verbrauchern aber nicht zu erreichen ist. Das ist von Frau Winkelmann richtig angesprochen worden. Es gibt eine Lücke zwischen Käuferwünschen und Käuferhandeln. Diese muss man schließen. Genau dazu wird das jetzt gemacht.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Sie nehmen anscheinend nichts wahr. Wenn Politik so handeln würde, wie Sie es wollen, und nichts tun, sondern „irgendwie ist doch alles gut“ sagen würde, dann müssten Sie leider auch irgendwie die Gerichte negieren. Wir haben Gerichtsurteile. Jedes Jahr kommt eines, etwa das Kastenstandsurteil, und stellt fest: Es geht so nicht mehr; es muss anders werden. Wir werden sicherlich irgendwann etwas im Bereich „Milchkuhhaltung, ganzjährige Anbindehaltung“ bekommen. Da wird eins nach dem andern kommen; wir hatten schon das Urteil zu den Käfigen in der Legehennenhaltung.

Wenn man das negiert und wir als Politik immer einem Gerichtsurteil nach dem anderen hinterherhinken, dann entsteht doch genau dadurch die Unsicherheit, die in der Landwirtschaft herrscht, nämlich, dass man nicht weiß, ob der Stall, den man jetzt gebaut hat, noch 20 Jahre zu nutzen ist oder nicht.

2015 haben wir – das ist jetzt auch schon wieder fünf Jahre her – das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats bekommen. Spannend für mich: Damals hat sich der zuständige Bundeslandwirtschaftsminister nicht dazu in der Lage gesehen, dieses Gutachten entgegenzunehmen.

Es ist eigentlich gute Praxis, dass man das macht, dass man so ein Gutachten entgegennimmt. Das hat Christian Schmidt damals nicht gemacht, weil er dieses Gutachten abgelehnt hat. Er wusste natürlich, was kommen würde. Dieses Gutachten hat schon ganz klar den Weg beschrieben, den wir jetzt endlich gehen werden.

Im Prinzip hat die Borchert-Kommission all das noch einmal aufgegriffen und hat – das finde ich sehr lobenswert – einen wirklich guten Zeitplan aufgestellt. Aus grüner Sicht könnte der vielleicht noch ein bisschen ambitionierter sein in seinen Zielen – aber diesen Zeitplan aufzustellen, das ist sehr wohl ein Verdienst. Es ist lobenswert, das zu tun.

Da finde ich, dass wir alle miteinander – mit Ausnahme von ganz rechts – wirklich jetzt ein erhebliches Stück weiter sind. Dieser Antrag bringt uns jedoch keinen Millimeter weiter.

In der Enquetekommission werden wir gemeinsam konstruktiv etwas erarbeiten. Ich vermute, dass Sie auch daran nicht wirklich konstruktiv mitwirken werden. Sie versuchen bloß, Ängste zu schüren vor der Verteuerung von Fleisch. Sie versuchen, Ängste bei Bäuerinnen und Bauern zu schüren.

Das ist eine Art von Politik, wie wir sie als Grüne ablehnen. Wir werden diesen Prozess weiter konstruktiv begleiten und hoffentlich dann gemeinsam mit allen anderen zu einem positiven Ende führen.

2040 werde ich 74 Jahre alt sein. Ich hoffe, dass ich das noch erlebe, wenn wir dann in der Endausbaustufe sind und dann tatsächlich – das ist ja auch ein Ziel – gute Haltungsbedingungen für Tiere und eine Befriedung in dieser Gesellschaft haben, dass nämlich alle sagen: Jawohl, diese Tierhaltung, so wie sie jetzt ist, tragen wir als Gesellschaft mit. Das ist ein guter Konsens gewesen, den wir insofern ab dem Jahr 2020 beschritten haben. Von daher: Lassen Sie uns uns auf den Weg machen. Dann, glaube ich, wird es auch gut.

Ihren Antrag braucht es dazu nicht. – Vielen Dank.