Protocol of the Session on August 27, 2020

Um zur zentralen Frage zu kommen: Sind denn Verbraucherinnen und Verbraucher bereit, mehr für tierwohlgerechtere Haltungsformen, also für mehr Platz, mehr Luft, mehr Stroh zu bezahlen?

Diese Frage treibt doch alle Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft in dieser Diskussion um, denn wenn wir erwarten, dass unsere tierischen Nahrungsmittel zukünftig nach den angestrebten Tierwohllabeln produziert werden, müssen wir uns so ehrlich machen, dass das eben nicht zu geringeren Preisen, sondern nur zu höheren Preisen geschehen kann.

Zwischen dem, was der Bürger denkt, und dem, wie er als Verbraucher handelt, liegt oftmals eine größere Differenz. Dieses sogenannte Consumer-CitizenGab hat beispielsweise eine Analyse der Uni Göttingen belegt. Das Papier geht darauf ein, dass sich die

Einstellung der Menschen oft nicht eins zu eins in ihrem Handeln widerspiegelt.

Wenn wir also auch zukünftig – und nur das kann ja wohl unser gemeinsames Ziel sein – Lebensmittel von den Landwirten in Deutschland und hier bei uns in Nordrhein-Westfalen produzieren lassen wollen, können wir unsere Landwirte in diesem Transformationsprozess nicht alleine lassen.

(Beifall von der CDU)

Wer heute als junger Landwirt einen Stallumbau oder einen -neubau plant, braucht Planungssicherheit, denn er muss doch wissen, dass der Stall, in den er viel Geld investiert, auch noch in 20 Jahren rechtskonform betrieben werden kann.

(Beifall von der CDU)

Die Planungssicherheit auf der einen Seite und die Wettbewerbsfähigkeit auf der anderen Seite sind es, die uns als politisch Verantwortliche umtreiben.

Die Frage der Finanzierbarkeit unserer Lebensmittel, die nicht nur gefühlt EU-weit die preiswertesten sind, ist auch immer eine soziale Frage. So ist es doch richtig, dass wir nun darüber diskutieren, ob eine Abgabe auf tierisch erzeugte Produkte die einzige Lösung ist, um unsere Landwirte in NRW bei der Umsetzung dieses Transformationsprozesses hin zu einer gesellschaftlich geforderten Umstellung der Nutztierhaltung zu unterstützen.

In jedem Fall empfiehlt die Borchert-Kommission im Falle eines solchen Instruments auch eine sozialpolitische Flankierung. Schauen wir noch ganz kurz auf die blanken Zahlen.

Die Landwirtschaftskammer NRW bzw. die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft kommt auf folgende Mehrkosten durch das staatliche Tierwohlkennzeichen – ich mache es am Beispiel der Ferkelerzeugung fest –:

Im Gegensatz zum gesetzlichen Standard lägen die Mehrkosten in Stufe eins bei 111 %, in Stufe zwei bei 117 %, in Stufe drei bei 159 %. Für den Verbraucher bedeutet dies ca. 35 Euro Mehrkosten für Lebensmittel pro Jahr.

Die CDU in Nordrhein-Westfalen treibt an, dass wir unsere landwirtschaftlichen Betriebe damit nicht alleine lassen wollen. Mit unserer Landwirtschaftsministerin Ulla Heinen-Esser, die heute auf einer Sondersitzung der Agrarministerkonferenz bundesweit erneut genau dieses Thema berät, haben wir die Frau mit im Boot, die es genauso sieht.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Ich bringe es noch einmal auf den Punkt: Umstellung der Tierhaltung? – Ja. Landwirte damit alleine lassen und es den Markt regeln lassen? – Nein.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Der Weg wird schwierig genug werden, die Finanzierbarkeit noch schwieriger; aber die CDU in Nordrhein-Westfalen wird die Landwirte im Land weiter begleiten und unterstützen. Wer glaubt, dass dies ohne eine Regelung gelingen kann, ist wie die antragstellende Partei schlichtweg auf dem Holzweg.

(Beifall von der CDU)

Unser politisches Handeln werden wir daher auch zukünftig an den Interessen und an dem Wohl der Branche orientieren, die durch ihre tägliche Arbeit – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr – dafür sorgt, dass wir mit gesunden und bezahlbaren Lebensmitteln versorgt werden,

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

denn wir wissen: Ihr macht uns satt. Danke dafür.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP – Christian Dahm [SPD]: Da hätte ich echt klatschen müssen! Das war gar nicht so schlecht! Wirklich!)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat nun die Abgeordnete Frau Watermann-Krass das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Blex, eigentlich lohnt es sich nicht, die Redezeit für Ihre Ausführungen zu nutzen,

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Dr. Ralf Nolten [CDU] – Zuruf von Dr. Chris- tian Blex [AfD])

denn Sie schüren nur Ängste. Sie wollen vermeintlich die Landwirte einfangen. Sie bieten mit dem, was Sie hier vorgetragen haben, aber überhaupt keine konstruktive Idee und schon gar keine Alternative.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Da geht es um das Höfesterben, Billigfleisch aus dem Ausland und darum, dass die Fleischproduktion nicht aus dem Supermarkt verbannt werden darf. Das ist Ihr Wording im Antrag.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Ein ernst zu nehmender Antrag zur Tierhaltung sieht für mich anders aus, und ich hoffe – Herr Blex, Sie sind ja auch in der Enquetekommission –, dass Sie in der Enquetekommission auch etwas von dem, was wir dort wollen, verstehen und mitnehmen, damit wir eine zukunftsfeste Landwirtschaft auf den Weg bringen können.

(Beifall von der SPD – Christian Dahm [SPD]: Ich glaube, du wirst enttäuscht!)

Ich komme zu den Herausforderungen. Frau Winkelmann hat es ja schon gesagt: Heute findet die außerordentliche Agrarministerkonferenz statt. Da geht es natürlich auch um die Nutztierhaltung und darum, wie es mit ihr vorangehen soll.

Kurz zur Historie: 2017 hat das Bundeslandwirtschaftsministerium die Nutztierstrategie vorgestellt. Ziel war die spürbare Verbesserung des Tierwohls in der Nutztierhaltung und die Verminderung der negativen Wirkung auf die Umwelt. Das sind doch alles Dinge, die jetzt da sind.

Dann hat man im April 2019 die Borchert-Kommission eingerichtet. Dieses Kompetenznetzwerk weist darauf hin, dass für eine breite gesellschaftliche Akzeptanz zwingend nötig ist, dass wir eine erfolgreiche Nutztierhaltung garantieren, aber auch, dass die Landwirte darüber ihr Einkommen generieren können.

Deswegen ist ganz klar: Wir brauchen erst einmal ein Label. Da kann ich nur sagen, Frau Winkelmann: Seit 2004 ist dieses Ministerium in der Hand von CDU/CSU.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: So ist das!)

Sie haben in all den Jahren keine Kennzeichnung hinbekommen, und auch jetzt ist es wieder nur freiwillig und nur für das Schwein.

Wir brauchen auch klare Zielbilder und Zeitpläne: Wann soll was und wie viel zu welchem Tierwohl umgesetzt werden? Wir brauchen auch eine Finanzierungsstrategie. Das alles steht doch in diesem Konzept.

Ziel ist ein Gesellschaftsvertrag. Was das heißt? – Die Landwirte halten ihre Nutztiere mit einem hohen Tierwohlniveau und erhalten als Gegenleistung mehr Geld sowie eine höhere Akzeptanz in der Gesellschaft.

Die demokratischen Parteien sind sich einig, dass dieser Weg beschritten werden muss. Landwirte brauchen Verlässlichkeit. Sie brauchen eine langfristige Planung, wohin es mit der Nutztierhaltung in Zukunft gehen soll.

In der Borchert-Kommission werden etliche Finanzierungsmöglichkeiten vorgestellt. Man hat sich jetzt darauf geeinigt: Eine Abgabe auf tierische Produkte scheint aus klima- und umweltpolitischen Überlegungen am sinnvollsten. Das Ganze soll dann auch sozialpolitisch flankiert werden, Herr Blex; auch darüber hat man sich Gedanken gemacht.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Das Tierwohl in der Nutztierhaltung kostet Geld; das ist ganz klar. Passiert aber nichts, verliert der Sektor immer mehr Akzeptanz. Tierwohl würde wie beim

Magdeburger Urteil vor Gericht erstritten. Unsere Landwirte wären letztlich nicht wettbewerbsfähig.

Deshalb unterstützen wir sowohl landes- als auch bundesseitig die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung und hoffen darauf, dass es jetzt auch wirklich mal umgesetzt wird.

Die Ministerin ist heute nicht da. Die Aufforderung an die CDU lautet, dass sie es auf Bundesebene wirklich so ernst meint, dass das Thema jetzt möglichst bald angepackt und auf den Weg gebracht wird.

(Zuruf von Bianca Winkelmann [CDU])

Was wir nicht brauchen, ist schon wieder eine Zukunftskommission, denn die Fakten liegen alle auf dem Tisch – sowohl von der Borchert-Kommission als auch von der Studie des Wissenschaftlichen Beirats zur nachhaltigen Ernährung, die ich sehr empfehlen kann.

Wir lehnen Ihren Antrag ab, und ich hoffe, dass wir in der Sache wirklich weiterkommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)