Protocol of the Session on August 26, 2020

Wenn man die Arbeitsbedingungen, unter denen Kautschuk angebaut wird und unter denen die Reifen in Fernost teilweise auch für unseren Markt als Wegwerfreifen hergestellt werden, gesehen hat, kann man sich fragen, ob es nicht besser ist – und das ist im Zusammenhang mit runderneuerten Reifen nicht unwichtig –, heimische Arbeitsplätze mit guten sozialen Standards in Deutschland für die Runderneuerung zu erhalten.

Die Frage ist immer, was runderneuerte Reifen bringen und ob sie eine ähnliche Qualität wie Neureifen haben. Es wird immer wieder die Frage gestellt, ob man als Privatperson so einen Reifen fahren kann oder ob er nicht gefährlich ist. Mittlerweile wissen wir aber auch durch unabhängige Tests, dass diese runderneuerten Reifen sehr wohl eine gute Qualität haben.

Ich habe mir in einem Betrieb den Prozess der Herstellung von runderneuerten Reifen angeschaut; das kann ich jedem nur empfehlen. Spannend ist, dass sie am Ende genauso wie Neureifen hergestellt werden, nur dass die Karkassen gebraucht sind.

Diese Reifen werden insbesondere im Motorsport eingesetzt.

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucher- schutz: Aber nicht lange!)

Wenn man im Motorsport 250 km/h mit diesen Reifen fahren kann, wird man auch auf jeder Straße und Autobahn in Deutschland damit fahren können. Der

Hauptbereich, in dem Runderneuerte eingesetzt werden, sind Lkws. Wenn 40-Tonner das können, können Pkws das auch. Wenn sogar Großraumflugzeuge von Boeing oder Airbus das können, sollten wir das auch können.

Die Frage ist: Warum machen wir das? – Wir können mit runderneuerten Reifen erhebliche Mengen an Material einsparen. Wir können erhebliche Mengen an Energie einsparen. Am Ende können wir auch Kosten sparen; das ist für das Land Nordrhein-Westfalen nicht ganz uninteressant.

Wir ersparen uns außerdem Müllberge aus Altreifen, deren Entsorgung immer problematischer wird. Es gibt die Mitverbrennung in Zementwerken. Wir wissen alle, dass das problematisch ist. Daher ist jeder Autoreifen, der nicht in die Verbrennung geht, ein guter Autoreifen.

Außerdem wird ein solcher Reifen nicht permanent runderneuert, sondern genau einmal. Das geht auch nur mit Premium-Qualitäts-Reifen mit guten Karkassen. Was aus Fernost als Billigreifen angeboten wird, ist dafür überhaupt nicht tauglich und wandert sofort in die Verbrennung; das geht nicht anders.

Wir reden oft über Müllvermeidung, Abfallwirtschaft und Kreislaufwirtschaft. Damit müssen wir als Land NRW ernstmachen, das in unseren eigenen Betrieben vorleben und an unseren eigenen Fahrzeugen vormachen.

Ich will noch ein paar Zahlen nennen: Aus der Antwort auf die Kleine Anfrage ging hervor, dass das Land NRW ungefähr 2.800 Lkws und Busse besitzt. Würde man diese Lkw und Busse derartig ausstatten, wären wir in der Lage, jährlich 3.000 t CO2 und 2.000 Tonnen Material – Stahl, Textilgewebe und Gummi, von dem ein Teil Kautschuk ist – einzusparen. Außerdem würden wir 1.000 Tonnen Erdöl sparen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Weil diese Reifen günstiger sind, könnten wir darüber hinaus 300.000 Euro pro Jahr sparen. Ich finde, das wäre Anreiz genug, unserem Antrag nach der Beratung zu folgen …

Die Redezeit.

… und so ein kleines Pilotprojekt umzusetzen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rüße. – Als nächster Redner hat nun für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Schick das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen möchte ein Pilotprojekt mit runderneuerten Reifen im Fuhrpark des Landes starten.

Ich stelle die Bewertung des Antrags einfach mal vorab. Ihr Antrag und runderneuerte Reifen haben mit den gleichen Problemen zu kämpfen: Die Grundstruktur ist in Ordnung, im täglichen Einsatz zeigen sich dann allerdings die Tücken.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Richtig ist – Sie haben es gerade ausgeführt –, dass runderneuerte Reifen helfen, Rohmaterialien zu sparen. Es wird weniger Stahl gebraucht, der Gummi- bzw. Kautschukverbrauch geht zurück, und es werden weniger Rohöl, Wasser und Energie eingesetzt.

Es ist auch richtig, dass es etwa bei Nutzfahrzeugen und Landmaschinen einen Markt für runderneuerte Reifen gibt. Zum Automobilsport sage ich gleich noch etwas, denn daran wird auch das eigentliche Problem deutlich.

Die Idee, Marktanteile für runderneuerte Reifen zu steigern, ist nicht neu. Das gelingt aber nicht so sehr, weil es auch Nachteile gibt, auf die Sie gerade nicht eingegangen sind.

Zwei Beispiele seien hier genannt: Es gibt viele Initiativen, mit denen wir versuchen, den Lärmschutz zu verbessern. Dem steht der Einsatz von runderneuerten Reifen ein wenig entgegen, denn die sind nun einmal wesentlich lauter.

Aber wenn man um Ressourcenknappheit, um effektiven Ressourceneinsatz ringt, dann muss man das natürlich gegeneinanderstellen; deswegen lassen wir das einfach einmal dahingestellt. Es ist ein Argument dagegen, aber nicht das entscheidende.

Es gibt nämlich einen weiteren Bereich, bei dem wir in der Vergangenheit keine Abstriche gemacht haben und auch keine Abstriche machen dürfen: die Sicherheit. Hier sehen wir entsprechende Nachteile.

Sie haben gerade gesagt: Wenn ein Automobilsportfahrzeug mit 250 km/h fährt, kann das doch im Alltagseinsatz auch nicht so problematisch sein. Wir müssen aber sehen, dass wir im Automobilsport einen einzigen Reifenhersteller haben, der beispielsweise ein Team ausstattet. Diese Karkasse wird immer wieder verwendet, sodass man also auf dem immer gleichen Prinzip aufbaut, auf immer der gleichen Karkasse.

Das ist nicht sichergestellt, wenn Sie normale runderneuerte Reifen kaufen. Dort haben Sie unterschiedliche Hersteller, auf denen dann entsprechend aufgebaut wird. Dann sind die Fahreigenschaften nun einmal unterschiedlich, und das kann zu Situationen führen, in denen nicht nur Fahranfänger, sondern eben auch erfahrene Personen Probleme

bekommen, und zwar nicht nur in Extremsituationen. Daher haben wir es hier auch mit einem Problem zu tun.

Wenn wir diese Reifen dann in Landesbehörden einsetzen, passiert das automatisch bei Poolfahrzeugen, mit denen Personen eben nicht so häufig unterwegs sind, sodass sich entsprechende Gefahren potenzieren.

Die meisten Fahrzeuge im Landesbesitz sind Einsatzfahrzeuge etwa der Polizei, die in Extremsituationen unterwegs sind, schon einmal mit etwas höherer Geschwindigkeit auf dem Weg zum Einsatz, bei Nässe, bei Glätte. Gerade diese Personen und ihre Beifahrer höheren Gefahren auszusetzen, kann ja wohl nicht das entsprechende Ziel sein.

Sie merken: Das Profil Ihres Antrags ist etwas flach. Der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir zu. Sie haben dann noch genügend Zeit für eine Runderneuerung; dann können wir uns mit dem Thema noch einmal beschäftigen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Schick. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Kollege Löcker das Wort.

Werte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Runderneuerte Reifen sind ein wichtiger Beitrag zur Ressourcenschonung; davon war gerade schon die Rede.

Tatsächlich ist das ein guter Ansatz, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Gegenüber neu produzierten Reifen werden bei der Wiederverwendung von runderneuerten Reifen etwa 80 % Erdöl und 70 % Energie gespart. Man kann also sagen: Das Rollen Ihres Antrags ist erkennbar, aber eine echte Antwort auf die Fragen der Zukunft stellen diese runderneuerten Reifen aus unserer Sicht sowieso nicht dar.

Das Grundproblem des Reifenabriebs, nämlich Feinstaub, und das massenhafte Einbringen von Mikroplastik in unseren Abwässern wird auch durch diese Debatte sicher nicht gelöst.

Ich glaube, damit müssen wir uns in Zukunft viel stärker auseinandersetzen. Das muss man nicht heute Abend lösen, denn wir wissen, dass das eine lange Strecke ist, aber es muss klar sein, dass das im Fokus steht.

Unabhängig davon halten wir dieses Thema auch als Zwischenschritt für vernünftig und wertvoll, aber es muss klar sein, dass wir bessere Alternativen in die

Reifenproduktion einbringen müssen als runderneuerte Reifen.

Mein Fazit lautet: Wir müssen über Ihren Antrag im Ausschuss vertieft sprechen. Wir sehen dem Antrag mit Sympathie entgegen. Der Überweisung stimmen wir zu. – Glück auf!

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Löcker. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Kollege Terhaag das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf den ersten Blick scheint der Antrag der Grünen einen zielführenden Weg aufzuzeigen, wie eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft für die Reifenindustrie machbar ist. Gegen Kreislaufwirtschaft und Recycling kann man ja auch nichts einwenden.

Ressourcen zu schonen, ist aus ökologischer und ökonomischer Sicht sinnvoll; auch der Reifenmarkt kann hier einen wichtigen Beitrag leisten. Insofern teilen wir die Intention des Antrags, aber den von den Grünen vorgeschlagenen Weg halten wir nicht für sinnvoll.

Der im Antrag aufgestellte Forderungskatalog klingt im Sinne einer langfristigen ökologischen Umstellung der Industrie zunächst durchaus plausibel. Beachten wir aber einmal die aktuelle Lage:

Runderneuerte Reifen gibt es schon lange auf dem Markt. Deren Produktion ist vor allem im Lkw-Bereich eine bewährte Technik, die EU-genormt und in Deutschland auch mit Qualitätsstandards versehen ist. Diese Eigenschaften sind also hinlänglich bekannt.

Jedoch sind runderneuerte Autoreifen vor allem im Pkw-Bereich nicht völlig unumstritten; das haben wir gerade schon gehört. So wird von weniger Fahrkomfort vor allem durch höhere Geräuschentwicklung bis hin zu Sicherheitsbedenken berichtet, also durchaus nicht zu vernachlässigende Kritikpunkte.

Gerade die Sicherheitsbedenken werden aufgrund schlechterer Fahreigenschaften begründet. Runderneuerte Autoreifen können auf unterschiedlichen Karkassen, also den Unterbauten, aufgebaut sein. Kauft ein Kunde also einen runderneuerten Reifensatz, so ist nicht garantiert, dass alle vier Reifen auf einer identischen Karkasse aufgebaut sind. Das Profil ist zwar identisch, aber der Unterbau stammt möglicherweise von verschiedenen Herstellern.

Dadurch kann jedes Rad unterschiedliche Fahreigenschaften aufweisen, was in Gefahrensituationen