Überdurchschnittlich stark legte dabei mit einem Plus von über 37 % der Versand- und Internethandel zu. Dagegen brachen die Umsätze im Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen beispielsweise um 13 % ein. Betroffen ist also alles das, was sich üblicherweise in den Zentren findet, sowohl bei Filialisten als auch in Fachgeschäften. Das ist ein bekannter Trend, der sich in den letzten Monaten durch Corona weiter verschärft hat.
Man könnte noch viele weitere Punkte aufführen, die über die reinen Umsatzzahlen des Einzelhandels hinausgehen.
Ganze Sortimente sind in den Innenstädten nicht mehr zu finden. Der mittlerweile viel zitierte TradingDown-Effekt führt nicht nur zu leer stehenden Ladenlokalen, sondern auch zu Schmuddelecken, weniger Gastronomie und weniger Dienstleistern. Es gibt weniger Angebot; es ist weniger los. Deswegen gibt es am Ende immer weniger Gründe, in die Innenstadt zu fahren.
Genau darum geht es heute auch in unserem Antrag. Genau da wollen wir ansetzen. Um Innenstädte attraktiv zu halten, braucht es einen attraktiven Einzelhandel, der wiederum auf ein attraktives Umfeld angewiesen ist. Dabei sind Städtebau, Sicherheit und Sauberkeit, aber auch die Erreichbarkeit durch die Kundschaft von den Städten und Gemeinden zu gewährleisten.
Die Kommunen müssen das komplette Paket anbieten. Deshalb müssen sie in die Lage versetzt werden, dieses komplette Paket auch anbieten zu können. Dafür braucht man Ideen und Gestaltungskraft. Dafür braucht man am Ende natürlich auch viel Geld; das darf man nicht vergessen.
Deswegen fordern wir heute mit unserem Antrag, einen Masterplan „Lebendige Innenstadt“ zu entwickeln. Wir wollen das Ganze mit 1 Milliarde Euro aus dem Rettungsschirm des Landes fördern. Dabei sollen insbesondere folgende Anforderungen berücksichtigt werden:
Wir brauchen eine enge Einbindung der Kommunen bei den Maßnahmen; denn – das ist eigentlich selbstverständlich – sie sind vor Ort und wissen am allerbesten, was zu tun ist, was benötigt wird und wo der Bedarf gegeben ist. Den Kommunen über eine Unterstützung die Möglichkeit zum Beispiel zum Ankauf von Immobilien zu geben, ist dabei ein sehr wichtiger Faktor. Die Kommunen müssen endlich selber der entscheidende Akteur ihrer Innenstadtentwicklung sein, anstatt nur vom Spielfeldrand zusehen zu können. Das ist ganz wichtig. Genau das ist unsere Forderung.
Bei diesem umfassenden Ansatz wollen wir auch weitere Aspekte nicht unerwähnt lassen. Wir wollen die innerstädtische Logistik einbeziehen. Außerdem wollen wir ein besonderes Augenmerk auf Sauberkeit und Sicherheit in der Innenstadt legen.
Unser Ansatz ist am Ende – das sieht man auch an der Debatte in den letzten Wochen – viel umfassender als das, was Sie bislang hier vorgelegt haben.
Für uns ist die gesamte Customer Journey, also die Reise des Kunden, wichtig, und zwar von der Anreise über die Aufenthaltsqualität bis hin zur Abreise. Alle diese Punkte müssen berücksichtigt werden. Wir gehen dabei viel weiter als Sie. Wir wollen nicht nur bestehende Maßnahmen fortführen, sondern wir wollen einen echten Paradigmenwechsel in der Innenstadtentwicklung und eine echte Unterstützung für unsere Städte, wenn sie ihre Zentren entwickeln.
Wir müssen beim Thema „Zentrenentwicklung“, beim Thema „Innenstadt“ aber weg von der reinen Konzentration auf Steine und bauliche Maßnahmen. Wenn wir über Städtebauförderung reden, müssen wir uns auch die Frage stellen, wie es uns gelingt, diese Maßnahmen auf Dauer attraktiv zu gestalten und diese ganzen Programme zu verstetigen. Da müssen wir noch einmal genauer hinschauen. Denn es darf nicht sein, dass wir viele Fußgängerzonen haben, die zwar schön gemacht worden sind, aber am Ende leer sind. Das ist nicht der Sinn und Zweck der Übung. Da muss man gut aufpassen.
Noch einige Sätze zu Ihrem Antrag, den wir heute mit beraten bzw. abschließend abstimmen: Man könnte es kurz machen und sagen, dass das, wenn man ihn einmal durchliest, am Ende ganz viel dünne Suppe ist.
Besonders ist noch Folgendes: Der Antrag dümpelt jetzt seit über einem Jahr hier im Parlament herum. Wir haben darauf gewartet, dass er verbessert wird. Leider ist er in der ganzen Zeit aber nicht besser geworden, auch nicht mit dem lange angekündigten und jetzt endlich vorliegenden Änderungsantrag.
Bemerkenswert und vielleicht sogar schon ein wenig albern ist auch, dass Ihr Antrag auf das Programm „Zukunft des Handels“ Bezug nimmt. Dieses Programm wurde von der Landesregierung in den letzten Haushaltsberatungen aber sogar gekürzt. Was das also in Ihrem Antrag zu suchen hat, versteht kein Mensch – und Sie wahrscheinlich am allerwenigsten.
Wir wollen deutlich machen: Lebendige Innenstädte müssen mehr sein als nur die Summe von zu Konsumzwecken frequentierten Ladenlokalen. Innenstädte müssen für uns das Sinnbild einer vitalen Stadt sein. Innenstädte verkörpern die Attraktivität und die Lebensqualität einer gesamten Stadt, des gesamten Stadtteils. Sie sind Treffpunkt und Marktplatz und damit für alle, die dort leben, eine Kommunikationsplattform mit einer ganz wichtigen Funktion.
Wir wollen deutlich machen, dass es mehr braucht als das, was bislang vorliegt. Wir wollen mehr finanzielle Unterstützung für unsere Kommunen, und zwar auch für diejenigen, die keine üppig gefüllten Stadtkassen haben. Wir wollen weg von der Förderung in Steine und hin zu einem Ansatz, bei dem vor allen Dingen auch die weichen Standortfaktoren berücksichtigt werden.
Außerdem gilt es, die Maßnahmen einzubeziehen, die die Menschen nicht nur als Kunden in einzelnen Geschäften begreifen, sondern als Kunden in der
Dafür werben wir heute. Dafür brauchen wir diesen Antrag. Wir freuen uns auf die Diskussion. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Philipp. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Kollege Kehrl das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Philipp, dass Sie unseren Antrag jetzt „dünne Suppe“ nennen, ist natürlich
Denn Ihr Antrag besteht in Wirklichkeit aus der dünnsten Suppe. Sie fordern nämlich einfach einmal 1 Milliarde Euro, und der Rest ist ein bisschen weiße Salbe.
Da geht unser Antrag deutlich mehr in die Tiefe. Ich werde Ihnen jetzt auch erzählen, in welche Richtung das geht.
Dieser Antrag, für dessen Inhalt und aktuelle Änderungen wir sehr gekämpft haben, beleuchtet die nahezu symbiotische Beziehung des Einzelhandels mit unseren Innenstädten. Der Antrag zeigt Lösungswege und innovative Ideen auf. Was wir aber vor allem brauchen, sind Leidenschaft, Herzblut und das Engagement aller Beteiligten in den Städten.
Corona hat die schwierige Zukunft unserer Städte noch einmal wie durch das Brennglas aufgezeigt. Sterben Handel und Städte, geht für die Menschen ein Stück Heimat verloren. Gerade die starke Konkurrenz des Onlinehandels mit seiner jederzeit absoluten Warenverfügbarkeit, den unbegrenzten Öffnungszeiten und dem Service der kostenlosen Retouren raubt unseren Innenstädten Kaufkraft und Frequenzen.
Das hat massive Auswirkungen auf unsere Innenstädte. Genau hier müssen wir heute anpacken. Das tun wir bereits. Mit der Initiative „Zukunft. Innenstadt. Nordrhein-Westfalen.“ arbeiten wir bereits seit
Längerem mit allen Akteuren daran, die Innenstädte attraktiv zu gestalten und fit für die Zukunft zu machen. Mit der Einführung der Digitalcoaches durch das Land stehen für den stationären Einzelhandel Experten für Digitalisierungsprojekte vor Ort zur Verfügung.
Ich bin überzeugt: Der stationäre Handel wird stark von neuen Multi-Channel-Angeboten profitieren. Dies fördern wir bereits mit dem Programm „Digitalen und stationären Einzelhandel zusammendenken“, das wir gerade mit einem zusätzlichen Förderaufruf ergänzt und bis zum 15. September 2020 verlängert haben. So schaffen wir mit enormen Haushaltsmitteln ein zusätzliches Beratungs- und Förderangebot für Handel und Kommunen. Besonders wichtig war uns dabei, dass wir den Eigenanteil der Geschäftsleute für diese innovativen Projekte wesentlich reduziert haben, damit diese Programme auch wirklich abgerufen werden können.
Neben Förderprogrammen sind aber sicher auch neue Wege und Konzepte nötig. So haben wir letzte Woche das Projekt des Handelskümmerers, den wir in Köln zusammen mit der IHK, IGs und der Stadt erfolgreich etablieren konnten, mit der Gründung eines Dachverbandes aller Interessengemeinschaften in Köln weiter gestärkt.
Es geht hier – wie auch im ganzen Land – um die Bündelung der Kräfte sowie die Professionalisierung und Digitalisierung der Geschäftsleute vor Ort. Es ist aber auch eine Aufgabe – da bin ich natürlich ganz bei Ihnen, Kollegin Philipps – der ganzen Gesellschaft, wie es mit unseren Städten weitergeht. Wir müssen Ideen prüfen, wo wir sinnvoll Einkaufsstraßen verkürzen, umstrukturieren und mittelfristig umbauen werden. Das Wichtigste ist aber, dass alle beteiligten Akteure – von der Stadt über das Citymanagement und die Einzelhändler bis hin zu den Vermietern – ehrlich und ernsthaft an einem Strang ziehen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Wie in unserem Antrag formuliert, bedarf es hier eines Bündels an konkreten Maßnahmen.
Wir müssen die Verantwortung für den Mieterbesatz, die Mieterstrukturen und das Leerstandsmanagement als städtische Aufgabe begreifen. So, wie es bei Industrieansiedlungen immer üblich war, muss sich die Stadt mit darum kümmern, was in den Innenstädten passiert. Die Kommunen sollen und müssen sich stärker einmischen und mitmischen.
Wir brauchen also ein professionelles Citymanagement. Eine Idee dafür ist, dieses Berufsbild zu stärken und einen Ausbildungsweg zu einem zertifizierten Citymanager zu beschreiben. Wir müssen leer stehende Kaufhäuser und Flächen neu nutzen. Wir brauchen neue Mischnutzung aus Handel, Handwerk, Showrooming, Gastronomie oder auch kleinteiliger Produktion.
Ich bin ganz explizit auch für temporäre Zwischennutzungen mit kurzfristigen Verträgen. Hierfür kann die kommunale Wirtschaftsförderung bürgen oder kurze Zeit die Miete übernehmen, damit wir dort spannende, innovative Mieter, Pop-up-Stores oder auch Co-Working-Spaces bekommen.
Ich bin besonders dankbar dafür, dass die Ministerin Ina Scharrenbach im Sofortprogramm Innenstadt allein für dieses Jahr 70 Millionen Euro für solche Maßnahmen zur Belebung der Innenstädte bereitgestellt hat.