Tatsächlich bereitet das MKFFI seine Unterbringungskapazitäten gerade auf einen künftig erheblich höheren Migrationsdruck vor. Durch Corona ist der regelmäßige Selbsteintritt von Menschen, die meist ohne Papiere kommen und hier Asyl beantragen, aktuell ins Stocken geraten. Nur 677 Personen wurden in der LEA in den letzten sechs Wochen neu registriert, während Rückführungen allerdings nahezu ganz ausgesetzt wurden.
In NRW kümmern wir uns derzeit um fast 3.700 minderjährige Alleinreisende und an die 2.900 junge Volljährige, die genauso wie Minderjährige behandelt werden; alle bekanntermaßen ohne sichere Altersfeststellung. Da kommt es offensichtlich auf ein paar Hundert mehr oder weniger gar nicht an.
Jeder unbegleitete Jugendliche ist ein Ankerkind, das von seiner Familie auf den Weg geschickt wurde, um absehbar Familiennachzug zu ermöglichen. Eines ist sicher: Die kleinen Mädchen, von denen immer die Rede ist, sind die Letzten, die hier ankommen.
Überhaupt schaffen es die Bedürftigsten dieser Welt nicht bis nach Griechenland und auch nicht bis zu uns.
Aus den unter 14-Jährigen wurden letzte Woche im Ausschuss bei Herrn Stamp unter 15-Jährige, und von alleinreisenden Mädchen ist gar nicht mehr die Rede. „Der Wahrheit Schritt für Schritt oder Jahr für Jahr näherkommen“ nennt man das wohl.
Wenn in den griechischen Unterkünften Kinder sind, die dringend medizinische Hilfe benötigen, welche
auch mit finanzieller Unterstützung nicht in Griechenland zu bewerkstelligen ist, dann holen Sie diese Kinder. Holen Sie die Kinder mit ihren Eltern und ihren Geschwistern. Aber lassen Sie sich doch nicht vor den Karren der NGOs und der türkischen Regierung spannen, indem Sie weiter vermeintlich Minderjährige, in Wahrheit aber zum Teil junge Männer ins Land holen, die vielen anderen das Signal senden, ihre Heimat und ihre Familie zu verlassen.
Das war die Abgeordnete Walger-Demolsky. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Hoppe-Biermeyer das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da liegt uns mal wieder ein typischer AfD-Antrag vor. Egal, um was es gerade geht:
Es wird ein aktuelles Thema missbraucht, um gegen Flüchtlinge Stimmung zu machen. Die Stilmittel sind im Grunde genommen immer die gleichen: Tatsachen verdrehen, Bundes- und Landesangelegenheiten vermischen und Themen unsäglich verquicken.
Heute also nutzen Sie die Coronakrise, um gegen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu hetzen. Man fragt sich unwillkürlich, was Sie sich als Nächstes einfallen lassen, um gegen die Aufnahme von schutzbedürftigen Menschen zu argumentieren. Dafür ist Ihnen offensichtlich jedes Mittel recht; zum Beispiel die böswillige Fehlinterpretation von zweifelsfrei gut gemeinten und auch tatsächlich wirksamen Hilfsangeboten.
Sie zitieren in Ihrem Antrag Minister Joachim Stamp mit einer Aussage zum Elend auf den griechischen Inseln. Daraus abzuleiten, dass er unseren griechischen Freunden misstraut, mehr noch, ihnen sogar unterstellt, nicht willens zu sein, die Flüchtlinge in Griechenland ordentlich zu betreuen, ist schlicht und ergreifend eine Frechheit. Ich weiß gar nicht, wie man auf eine solche Idee kommen kann.
Das Gegenteil ist der Fall: Wir wollen helfen, und wir helfen. Das hat Minister Stamp in der Sitzung des Integrationsausschusses am 22. April 2020, also letzte Woche, ausführlich dargelegt.
Ich fasse noch einmal kurz zusammen: Die Bundesregierung hat am 8. April 2020 entschieden, dass Deutschland kurzfristig 50 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufnimmt. 47 Personen sind mittlerweile in Deutschland angekommen und befinden sich aktuell in Niedersachsen in Quarantäne.
Im nächsten Schritt werden die jungen Asylsuchenden nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Bei einer anschließenden Umverteilung innerhalb Nordrhein-Westfalens wird die Aufnahmebereitschaft der Kommunen berücksichtigt. Das ist eine gelungene Zusammenarbeit von Europa, Bund, Ländern und Kommunen.
Außerdem ist vorgesehen, dass der Bund weitere Kontingente aus dem jetzt gestarteten europäischen Umverteilungsprozess aufnimmt. Denn er hat einer europäischen Lösung bereits im März 2020 zugestimmt. Der Bund hat dazu allerdings noch keine konkreten Zeitpläne bekannt gegeben.
Wir als Land Nordrhein-Westfalen werden uns aktiv beteiligen, sobald der Bund weitere Maßnahmen beschließt. Denn wir haben unsere Hilfe zugesagt, und wir stehen zu unserem Wort.
Solidarität sollte aber auch oder sogar gerade in Zeiten der Krise funktionieren. Heute benötigen diese jungen Menschen mehr denn je Hilfe. Wer, wenn nicht ein Land wie Deutschland, soll ihnen in dieser Zeit Hilfe und Schutz bieten?
Humanitäre Hilfe lässt sich nicht auf die Frage des Geldes reduzieren. Sie ist eine Frage des Prinzips. Mit dieser Aktion setzen wir ein konkretes Zeichen der europäischen Solidarität. Ich hoffe, dass die europäischen Partner genauso wie wir ihre Zusagen umsetzen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoppe-Biermeyer. – Für die SPDFraktion hat nun Herr Abgeordneter Kollege Yetim das Wort.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Kollegen von der AfD, Frau WalgerDemolsky, ich habe gerade nicht verstanden, was dieser Antrag und die Kinder, die wir aus den Flüchtlingslagern herausholen müssen, mit verschobenen Operationen, mit den Kirchenöffnungen oder auch mit Senioreneinrichtungen zu tun haben sollen.
Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Die, die Sie angesprochen haben, sind diejenigen, die sich kümmern. Denen ist völlig egal, woher jemand kommt. Denen
ist völlig egal, ob das ein Flüchtlingskind oder ein Mensch ohne Migrationshintergrund ist. Sie kümmern sich. Ich glaube, sie würden sich dagegen verwahren, wenn sie heute hier gehört hätten, wie Sie sie als Zeugen für Ihren Antrag nehmen wollen.
Denen ist es genauso wie dem größten Teil dieses Parlaments – Sie ausgenommen – völlig egal, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Es ist ein Kind, das Hilfe braucht.
Kolleginnen und Kollegen, wir hatten hier im März noch vor Corona eine Debatte zur Situation der Flüchtlingskinder in Griechenland. An dem Leid der Kinder auf den griechischen Inseln hat sich bis heute nichts geändert. Die Sorgen sind sogar größer geworden.
Dass wir uns jetzt in der Zeit der Coronapandemie, in der wir sehr viele wichtige Themen zu diskutieren haben, hier über einen solchen Antrag austauschen müssen, ist für mich fast unverständlich.
Kolleginnen und Kollegen, die Coronakrise entbindet uns nicht von unserer humanitären Verantwortung. Ich nenne beispielhaft das Lager Moria, das sicher jeder aus den Medien kennt. Dort leben 20.000 Menschen in einem Camp, das für 3.000 Personen ausgelegt ist. Circa 40 % davon sind Kinder. Es gibt dort fast keine ärztliche Versorgung und kaum Wasser, um überhaupt ein kleines bisschen Hygiene für sich in Anspruch nehmen zu können. Das ist dort alles nicht vorhanden.
Deswegen ist das auch völlig richtig. Herr Minister Stamp, wir sind uns ja nicht in allen Fragen einig. Aber in dieser Frage steht die SPD dahinter, dass Sie sich darum kümmern wollen, dass wir unserer Verantwortung als größtes Bundesland hier auch gerecht werden. Dabei haben Sie unsere volle Unterstützung.
Den Städten und Gemeinden aus Nordrhein-Westfalen, die Kinder aufnehmen wollen, müssen wir aber helfen. Das Stichwort ist „Seebrücke“. Herr Minister Stamp, wir müssen auch als Land Nordrhein-Westfalen noch einmal deutlich signalisieren, dass wir sie dabei unterstützen wollen. Herr Hoppe-Biermeyer hat es gerade angesprochen. Wenn jetzt die ersten 47 Kinder verteilt werden, bin ich sicher, dass die Kommunen, die zugesagt haben, Flüchtlingskinder aufnehmen zu wollen, das auch sofort machen, obwohl auch bei ihnen die Situation im Moment sehr angespannt ist und sehr anstrengend ist. Sie werden sich ihrer Verantwortung nicht entziehen, so wie das die AfD tut.
Eines will ich Ihnen auch noch einmal sagen, Kollegen von der AfD: Wir sind den NGOs, aber auch den Kommunen sehr dankbar dafür, dass sie in dieser Situation so deutlich Stellung beziehen und immer wieder aufzeigen, wie die Situation dieser Kinder gerade in Griechenland ist.
der so etwas von kalt ist. Gerade, als Sie hier gesprochen haben, Frau Walger-Demolsky, ist das noch einmal sehr deutlich geworden. Der Raum ist kälter geworden. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man so herzlos sein kann, wenn man weiß, dass in Griechenland Kinder verrecken. Das interessiert Sie überhaupt nicht.
(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN – Gabriele Walger-Demolsky [AfD]: In Afrika auch! – Christian Loose [AfD]: In Afrika auch! Alle acht Sekunden stirbt ein Kind an Hunger! Das interessiert Sie doch nicht!)
Wir reden im Moment über 47 Kinder. Das ist für Deutschland nun wirklich keine große Zahl – für Nordrhein-Westfalen sowieso nicht.
In Ihrem Antrag reden Sie davon, was wir dort betreiben, was auch die Landesregierung hier in Nordrhein-Westfalen betreibt, sei Symbolpolitik und eine Beruhigung des eigenen Gewissens.
Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Die SPD, aber auch die anderen Parteien sind Parteien der internationalen Solidarität. Wann, wenn nicht jetzt, ist diese Solidarität angezeigt