Protocol of the Session on March 12, 2020

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegende Gesetzesbegründung zur Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen spricht von einem Paradigmenwechsel: Weg von der Holschuld der Bürger und hin zu einer Bringschuld der Verwaltung.

Einer Zugangserleichterung zu amtlichen Informationen stehen wir prinzipiell positiv gegenüber. Denn Transparenz ist eine demokratische Tugend. Sie fördert die aktive Teilnahme der Bevölkerung am öffentlichen Leben. Sie fördert die demokratische Meinungsbildung. Und: Transparenz erlaubt eine bessere Kontrolle und Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns.

Die Ausdehnung der Veröffentlichungspflicht folgt diesem Transparenzgedanken. Eine vereinfachte Bereitstellung maschinenlesbarer Daten unter Berücksichtigung der Open-Data-Kriterien ginge damit einher.

Das Ziel dieses Entwurfes, die Veröffentlichung vorhandener Daten auf einer einheitlichen Plattform, halten wir grundsätzlich für sinnvoll und begrüßenswert.

Nun gilt es zu untersuchen, wie dieser Entwurf praktikabel ausgestaltet werden kann. Wir müssen aber auch untersuchen, welche Risiken es zu vermeiden gilt. Denn das Gesetz ist sehr umfassend. Es betrifft Verträge, Gutachten, Studien, öffentliche Planungen, Stellen- und Aktenpläne, wesentliche Unternehmensdaten öffentlicher Beteiligungen und vieles mehr.

Hier muss geprüft werden, ob datenschutzrechtliche Aspekte berücksichtigt sind, ob die Funktionsfähigkeit der Verwaltung beeinträchtigt werden könnte und damit einhergehend: Wie muss eine Finanzierung aussehen? Denn insbesondere kommunale Behörden werden hier verpflichtet.

Eine Kostenbezifferung ist jedoch im vorliegenden Entwurf leider noch nicht enthalten. Es fehlt eine Kostenfolgeabschätzung für die Verwaltung. Wie könnte zum Beispiel ein Belastungsausgleich erfolgen?

Diese Fragen gilt es nun zu beantworten. Einer Anhörung zur Bewertung der Vorschläge blicken wir mit großem Interesse entgegen.

Ich komme auch schon zum Ende. Der Überweisung stimmen wir selbstverständlich zu. – Vielen lieben Dank und Glück auf.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Göddertz. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Brockmeier.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte erst einmal den Grünen für diesen Gesetzesentwurf und Matthi Bolte-Richter für seine Worte ausdrücklich danken, weil es wichtig ist, immer zu hinterfragen, wie wir noch mehr Vertrauen und Transparenz schaffen und den Rechtsstaat dadurch stärken können. – Ich finde es wichtig, dass wir genau über dieses Thema hier diskutieren.

Ich befürchte allerdings, dass genau dieser Gesetzesentwurf kein tauglicher Beitrag dazu ist. Denn wenn man sich das einmal genauer anschaut, führt das zu mehr Unübersichtlichkeit und zu längeren Prozessen in Verwaltungsabläufen. Der Gesetzesentwurf, so wie er uns vorliegt, macht das Ganze insgesamt nicht bürgerfreundlicher.

(Beifall von Marc Lürbke [FDP])

Beim Durcharbeiten des Gesetzesentwurfes sind konkrete Fragen entstanden, die ich hier gerne vortragen möchte und die wir im Rahmen der Ausschussarbeit diskutieren sollten.

Ich glaube, dass die Behörden und die Verwaltung auf der einen Seite insgesamt massiv gefordert werden, auf der anderen Seite aber kein zufriedenstellendes Ergebnis feststellbar sein wird. Das liegt daran, dass wir durch das Gesetz eine Flut an Daten schaffen würden, die aber nicht gleichzeitig verwertbar und nicht aufarbeitbar wären.

Matthi Bolte-Richter hat es gerade schon ausgeführt, dass die Daten nicht einfach so in den Raum geworfen werden sollten, denn sie müssen auch verwertbar sein, ansonsten man die Nadel im Heuhaufen suchen müsste.

In dieser Hinsicht ist das Informationszugangsgesetz sehr weit gefasst, übrigens weiter als in allen anderen Bundesländern.

Um das Ganze zu sortieren, wird in § 7 des Gesetzes ein Informationsregister gefordert, das rein theoretisch bis 2022 vorliegen müsste.

Das ist aus meiner Sicht nicht darstellbar und nicht realistisch, bedenkt man – das haben Sie in Ihrem Antrag auch geschrieben –, dass es in NordrheinWestfalen 396 Kommunen, 23 kreisfreie Städte, 31 Kreise, fünf Bezirksregierungen und zwei Landschaftsverbände gibt. Das alles unter einen Hut zu

bekommen, wird in dieser kurzen Zeit nicht möglich sein. Dann haben wir am Ende keinen strukturierten Prozess, sondern ein Wirrwarr an Daten, mit denen man nicht arbeiten kann.

Das zeigt übrigens auch der Vergleich mit anderen Bundesländern. In Schleswig-Holstein wird auch ein Informationsregister aufgebaut, und auch dort wird es bis 2022 gefordert. Allerdings hat der Prozess dort viel früher begonnen.

Jedenfalls wäre der Zeitraum viel zu kurz, um das alles umzusetzen und die entsprechenden Strukturen zu schaffen. Auch mein Vorredner hat es bereits gesagt: Wir sind mit dem E-Government-Gesetz, das bereits gestern diskutiert wurde, dabei, diese Schritte zu gehen. In den kommenden Jahren werden dafür vom Land Investitionsmittel in Höhe von 1 Milliarde Euro bereitgestellt, um die Strukturen in NordrheinWestfalen aufzubauen und den Weg ins Open Data zu gehen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ohne die entsprechende Infrastruktur, die uns derzeit noch fehlt, bedeutete dies massive Verwaltungsprozesse. Sie sprechen von Beschleunigung, aber ich glaube vielmehr, dass wir die Prozesse verlangsamen würden. Schließlich müssten sich die Mitarbeiter immer fragen: Verstoße ich gegen Betriebsgeheimnisse? Ist das überhaupt veröffentlichungsfähig? Sprechen andere Gründe gegen eine Veröffentlichung? Es wäre also ein immens großer Aufwand für die Verwaltung, wenn nicht die entsprechende Software dahintersteht. Diese müssen wir zunächst einmal schaffen, bevor wir über den nächsten Schritt sprechen können.

Gleichzeitig sehen Sie in § 5 Abs. 3 vor, dass beispielsweise öffentlich-rechtliche Verträge ab einer bestimmten Summe erst einen Monat nach Veröffentlichung im Internet wirksam werden können. Das führt im Endeffekt auch dazu, dass Prozesse verlangsamt werden und auch das Verwaltungshandeln langsamer wird, weil man sich Fristen setzt, bevor die Verträge überhaupt wirksam werden.

Gleichzeitig beantworten Sie aber nicht die folgende Frage: Es gibt eine starre Frist, aber was passiert eigentlich, wenn es zu technischen Schwierigkeiten, Störungen oder anderen Ungereimtheiten kommt? Wie geht man damit um? Dann ist die Frist nämlich auf einmal zu kurz und zu starr. Hier ergeben sich für uns also noch weitere Fragen.

Neben diesen ganzen Prozessen stehen dann natürlich auch noch die Kosten im Raum. Diese haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf noch nicht richtig herausgearbeitet. Es ist auch schwer, das zu konkretisieren, weil damit viele weitere Fragen einhergehen. Das ist eine Frage, der wir uns im Rahmen der Ausschussarbeit stellen sollten.

Insgesamt finde ich den Ansatz richtig, für mehr Transparenz zu sorgen, aber Sie machen hier den dritten Schritt vor dem ersten, und das führt am Ende zu mehr Intransparenz. Auch das werden wir im Ausschuss diskutieren. Wir werden der Ausschussüberweisung selbstverständlich zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Danke schön, Herr Brockmeier. – Nun spricht Herr Wagner für die AfDFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der transparent agierende Staat, dem neben den verfassungsmäßigen Institutionen auch die eigenen Bürger kritisch auf die Finger schauen können, ist eine wichtige Errungenschaft der freiheitlichen Demokratie, die auch die AfD vertritt.

Mit dem, was in anderen Bundesländern „Transparenzgesetz“ genannt wird und was hier bei uns „Informationszugangsgesetz“ heißt, haben wir in Deutschland nun seit einigen Jahren Erfahrungswerte sammeln können, und zwar auch, um die richtige Balance zwischen totaler Offenheit und Geheimniskrämerei zu klären.

Mit dem heutigen Gesetzentwurf schießen die Grünen jedoch sehr deutlich über das Ziel hinaus. Wie so häufig finden die Grünen weder Maß noch Mitte, denn ein Staat muss ja nicht nur transparent sein, nein, er muss natürlich auch funktionsfähig bleiben und sich selbst und seine Bürger schützen. Das momentane, bereits bestehende Informationsfreiheitsgesetz gewährt ja schon den Zugang zu staatlichen Informationen – ja, nur auf Antrag, und ob das ausreicht, darüber kann man sprechen.

Allerdings besteht kein Grund, meine Damen und Herren, nahezu alle Informationen umfassend zu veröffentlichen, obwohl erwartungsgemäß kein oder nur ein geringes berechtigtes Interesse daran besteht, denn laut Art. 5 unseres Grundgesetzes hat ohnehin jeder Bürger die Möglichkeit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren.

Würde der Gesetzentwurf der Grünen in dieser Form verabschiedet, hätten wir ein Problem mit der Funktionsfähigkeit des Staates. Somit müssten zunächst Heerscharen von Verwaltungsmitarbeitern neu eingestellt werden, um ein entsprechendes Informationsregister zu führen. Dieses Register müsste dann auch noch in einem fortlaufenden Prüfungsvorgang stets auf aktuellem Stand gehalten werden – angesichts der von Ihnen vorgesehenen, unangemessen kurzen Fristen ein ohnehin unrealistisches Ansinnen.

Sie schreiben in Ihrem eigenen Antrag, dass Sie eine valide Kostenkalkulation schuldig bleiben. Dabei ist

es doch offensichtlich, dass wir es hier mit einem erheblichen Mehraufwand und damit mit Mehrkosten zu tun haben.

De facto ist das, was Sie heute fordern, ein weiteres Bürokratiemonster, und das in unserem an Bürokratie ohnehin überversorgten Staat. Ob dies zur von den Grünen angedachten Erhöhung der Akzeptanz von staatlichen Entscheidungen führt, darf mehr als stark bezweifelt werden.

Abgesehen davon handelt es sich bei Ihrem unausgewogenen Vorschlag auch noch um einen massiven Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, der neben der zweifelhaften Einmischung in die Informationshoheit der Kommunen den ohnehin überlasteten kommunalen Haushalten zusätzliche Kosten aufbürdet.

Meine Damen und Herren, bei allem Verständnis für die aus freiheitlicher Sicht gebotene Transparenz des Staates hat auch ein Staat die Aufgabe, sich und seine Bürger zu schützen. Wenn der Staat, wie in § 6 dieses Entwurfs vorgesehen, die Gutachten externer Stellen veröffentlicht, so bleibt vom Urheberrechtsschutz nicht mehr viel übrig.

Auch Ihre Regelung in § 19 zu den Altverträgen ist rechtlich hochgradig bedenklich. Nach dieser Vorschrift können Geheimhaltungsklauseln für Altverträge, die nach dem 31. Dezember 2001 abgeschlossen wurden, dem jetzt erst implementierten Gesetz nicht – ich betone: nicht – entgegengehalten werden.

Auch die wesentlichen Daten von Unternehmen, an denen informationspflichtige staatliche Stellen beteiligt sind, einschließlich einer Darlegung der jährlichen Vergütungen und Nebenleistungen für die Leitungsebene, sind Informationen, die bisher aus gutem Grund nicht so öffentlich dargelegt werden, wie die Grünen es hier fordern.

Der völlig anonyme Zugriff auf alle möglichen staatlichen und auch halbstaatlichen Daten öffnet der Kriminalität Tür und Tor, und dies nicht nur zulasten von privaten Bürgern, sondern auch zulasten des Staates.

Bereits jetzt wird von anderen Staaten wie beispielsweise China gezielt versucht, an wirtschaftlich ausnutzbare Daten unserer Volkswirtschaft zu gelangen. Denn Daten und Informationen sind die wertvolle Ressource unserer Zeit, an der nicht nur der mündige Bürger unseres Staates ein für ihn berechtigtes Interesse hat, sondern auch Gruppen und Regierungen mit deutlich weniger hehren Absichten.

Meine Damen und Herren, damit der Staat gut funktionieren kann, benötigt er Gestaltungsspielräume, die zwischen einer totalen Informationsfreiheit und der im Einzelfall notwendigen Zurückhaltung von Daten liegen. Unsere eigenen Bürger sollten selbstverständlich bei einem berechtigten persönlichen

Interesse die Möglichkeit haben, staatliche Daten abzufragen.

Dass wir diese Daten jedoch für jeden Anonymen und möglicherweise Unlauteren zugänglich machen, ist verantwortungslos. Wir müssen die Interessenabwägung zwischen Transparenz und Schutz unserer Daten zum Wohle unseres Gemeinwesens vollziehen. Dies tun die Grünen mit diesem Gesetzentwurf definitiv nicht. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Wagner. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Reul das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Zum Gesetzentwurf einige Anmerkungen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2002 ein im Grundsatz bewährtes Informationsfreiheitsgesetz, das die öffentlichen Stellen zur Auskunft auf Antrag, aber auch zu einzelnen Veröffentlichungen verpflichtet. Mit dem neuen Informationszugangsgesetz beabsichtigen Sie die Schaffung eines zweiten allgemeinen Gesetzes zur Gewährung von Transparenz.