Protocol of the Session on March 12, 2020

Angriffe auf unbeteiligte Menschen mit Fäusten, mit Messern oder mit Autos häufen sich. Zu beklagen sind dabei Verletzte und Tote. Diese schrecklichen Taten sind aber nur die Spitze eines riesigen Eisbergs von verbaler und körperlicher Gewalt, die im öffentlichen Raum, auf der Straße und im Netz zum Ausbruch kommt und jedem vernünftigen Demokraten den Schweiß auf die Stirn treibt.

Da werden regelmäßig Parteiveranstaltungen von Gewalttätern verhindert, Wirte bedroht oder ihre Gaststätten verwüstet, wenn unliebsame Parteien dort ihre Versammlung abhalten. Da werden Politiker mit Beschimpfungen per Mail oder sogar mit Morddrohungen überzogen, oder man fackelt ihre Autos ab. Da redet ein Ministerpräsident davon, eine gegnerische Partei bis aufs Messer bekämpfen zu wollen, und ein berühmter Pianist spricht den Mitgliedern einer bestimmten Partei gar das Menschsein ab.

Unliebsame Meinungen werden mit dem Etikett des Unmoralischen versehen und mit den Gedanken und Taten ehemaliger verbrecherischer Regime und ihrer monströsen Verbrechen gleichgesetzt. Professoren können nicht mehr unterrichten oder vortragen, weil man deren wissenschaftliche Meinung einfach nicht mehr gelten lässt und ihre Auftritte durch Gewaltmaßnahmen zu verhindern weiß.

Ja, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Stimmung in unserem Land ist gespalten und zum Teil hasserfüllt. Dies beklage ich zutiefst, und zutiefst erschüttern mich Hetze, Verfolgung, Mord, Totschlag, die daraus resultieren.

(Michael Hübner [SPD]: Sie sind nicht Opfer, Sie sind Täter!)

Den Opfern und ihren Angehörigen gilt unser tiefes Mitgefühl. Sich über diese Situation Sorgen zu machen, ist mehr als berechtigt.

Auch bei den Regierenden ist die Ernsthaftigkeit dieser Situation bereits angekommen. Sowohl Ministerpräsident Laschet als auch Innenminister Reul gehen öffentlich in sich und stellen sich kopfschüttelnd die Frage, wo denn all der Hass herkomme.

(Michael Hübner [SPD]: Von Ihnen! – Stefan Kämmerling [SPD]: Unter anderem von Ihnen!)

Die vorliegenden Anträge und die Reden, die Sie dazu hier gehalten haben, tragen nichts dazu bei, dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Sie verschließen die Augen vor den eigentlichen Ursachen, legen falsche Fährten und machen es sich jetzt zu einfach, um von der eigenen Verantwortung abzulenken.

(Michael Hübner [SPD]: Nein, das tun wir nicht!)

Die Einreihung der schrecklichen Taten von Hanau in Aktivitäten rechtsextremistischer Terrorzellen ist nicht seriös, geht an den Tatsächlichkeiten vorbei und verfälscht die Ereignisse bis zur Unkenntlichkeit.

Sofern man den Zeitungsmeldungen glauben kann, litt der Täter von Hanau unter einer halluzinatorischparanoiden Schizophrenie. Die Wahnvorstellungen, die sich in diesem Zustand entwickeln und das Leben und Handeln dieser Menschen bestimmen, sind natürlich angereichert durch Wirklichkeiten, die sie wahllos in ihr Konstrukt hineinnehmen. Da gibt es Erkrankte, die glauben, dass der Fernsehmoderator sie sehen kann, dass Geister im Garten lauern, die beim Öffnen der Tür ins Haus hineinkommen.

Und es gibt unter ihnen eben auch Erkrankte, welche die Mordfantasien entwickeln, die der Täter von Hanau entwickelt hat. Er wollte neben verschiedenen Völkern eben auch die Hälfte des deutschen Volkes umbringen. Ja, das ähnelt der Vorgehensweise von Rassisten, aber es fehlt hier jede Zurechnungsfähigkeit, für die auch der Selbstmord spricht, den der

Täter verübt hat. Genauso eingestuft wurden zum Beispiel auch der Täter in Münster und der Täter vom Hauptbahnhof Frankfurt, der eine Mutter mit ihrem achtjährigen Kind vor den Zug geworfen hat.

Deshalb liegt bei diesen Tätern auch keine rechtsextreme Ideologie vor.

(Michael Hübner [SPD]: Nein, nein! Reden Sie sich das mal so ein! – Matthias Kerkhoff [CDU]: Das war alles Zufall!)

Sie stellen in Ihren Anträgen und in Ihren Reden den Täter von Hanau nonverbal in Verbindung zur AfD. Hier einen Zusammenhang herzustellen, halte ich einfach für infam.

Der Skandal in diesem Fall Hanau liegt eher in einem Behördenversagen, indem man einem psychisch schwerkranken Mann nicht den Waffenschein entzogen und ihm seine später als Mordinstrumente genutzten Waffen belassen hat. Und niemand käme auf die Idee, eine Verbindung eines Verbrechens mit Bündnis 90/Die Grünen herzustellen, nur weil der Vater des Täters angeblich für die Grünen politisch tätig war.

Nein, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in Ihrem Antrag konstruieren Sie Zusammenhänge, die einzig den Zweck haben, die AfD als politischen Gegner mit Verleumdungen und haltlosen Verdächtigungen zu diffamieren, weil Sie keine Argumente haben, um die AfD politisch stellen zu können.

Das kann man ja noch ertragen. Aber schlimmer als diese Ihre Hintertriebenheit in dieser ernsten Sache ist der Schaden für unser Land,

(Michael Hübner [SPD]: Zum Glück ist es nicht Ihr Land!)

den Sie mit dieser Betrachtungsweise anrichten. Sie betreiben nicht Ursachensuche, sondern konstruieren einen Sündenbock, den Sie der Bevölkerung präsentieren können. Damit beseitigen Sie aber nicht die Zerrissenheit in unserem Land und den Hass, der mittlerweile beängstigende Formen annimmt und den auch wir hier im Parlament immer wieder spüren.

Wenn Sie ihn beseitigen wollen, müssen Sie sich mit den eigentlichen Ursachen beschäftigen. Diese Ursachen liegen in Ihrer Politik im Bund und in den Ländern, einer Politik, die selbstherrlich gesinnungsethisch verankerte Moralvorstellungen in Politik umsetzt, ohne Rücksicht auf Recht, ohne Rücksicht auf die Ressourcen des Landes und ohne Rücksicht auf die Belastbarkeit und Kraft der Menschen, die das leisten sollen, was Sie ihnen verordnen.

(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Das ist un- fassbar!)

Es bleibt jetzt keine Zeit mehr, all die politischen Themen anzusprechen, die in unserem Land strittig sind und die einer umfassenden Debatte bedürften. Aber

jede Meinungsäußerung, die sich der überbordenden Fremdverfügung unseres Landes und seiner Bewohnung widersetzt

(Michael Hübner [SPD]: Überbordende Fremd- verfügung?)

und den Aspekt der Selbstbehauptung entgegenstellt, wird von Ihnen, von den Politikern der regierenden Parteien, und von zahlreichen Medienvertretern mit dem Etikett „faschistisch“ und „rassistisch“ versehen.

(Michael Hübner [SPD]: Weil es so ist!)

Damit wollen Sie den öffentlich so notwendigen Diskurs um wichtige Themen unterbinden.

(Michael Hübner [SPD]: Natürlich!)

Sie machen die Menschen sprachlos, welche die vorherrschende Meinung nicht teilen, dass dieses Land, dieses Deutschland, sich eben aufgeben soll. Sie wollen die einzige politische Kraft, die diesem Bevölkerungsteil eine Stimme gibt, nämlich die AfD, ausschalten,

(Zuruf von der SPD: Welche Wortwahl!)

indem Sie sie kriminalisieren und zur Hatz gegen sie aufrufen. Diese Form der subtilen Meinungsunterdrückung führt dann bei vielen Menschen zur Hilflosigkeit und zu einem Gefühl des Ausgeliefertseins und der Ohnmacht.

(Michael Hübner [SPD]: Ich bin froh, dass Sie als Schulleiter nicht mehr im Beruf sind!)

Dieses Gefühl führt bei den einen zu Resignation und Anpassung – vielleicht hat der eine oder andere noch so viel Bildung,

(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Unverschämt- heit!)

dass er die Biedermeierzeit kennt –

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Und Sie sind Ge- schichtslehrer!)

und bei den anderen zu Aggression und Auflehnung und eben leider auch zu Hassgefühlen; vielleicht erinnern Sie sich an Büchners „Hessischen Landboten“: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ –

(Marc Herter [SPD]: Nehmen Sie bitte keine Sozialisten für sich in Anspruch!)

die gleiche Situation. Und diese Hassgefühle breiten sich flächendeckend aus, toben sich auf allen Seiten verbal aus, und auf allen Seiten führen sie zu Gewalttätigkeit. Das ist eine zutiefst besorgniserregende Situation.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Sie sind auch be- sorgniserregend!)

Ich persönlich und meine Parteifreunde aus der AfD bedauern das zutiefst und wünschen uns ein Ende dieses geistigen Bürgerkriegs in unserem Land. Aber dazu müssten Sie, sehr geehrte Kollegen

(Vizepräsidentin Angela Freimuth weist auf das Ende der Redezeit hin.)

ich bin sofort fertig –, zur Besinnung kommen. Aber Sie erinnern mich eher an Figuren aus den griechischen Tragödien. Dazu passt auch ein Aperçu aus dieser Zeit – Zitat –:

„Wen die Götter verderben wollen, den schlagen sie mit Blindheit.“

Ich würde mir sehr, sehr wünschen, dass Sie sehend werden, damit der Hass aus unserem Gemeinwesen verschwindet.

(Beifall von der AfD)

Das war der Abgeordnete Seifen für die Fraktion der AfD. – Jetzt hat für die Landesregierung Herr Minister Reul das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Vorbemerkung: Ich bin sehr sicher, dass die Parteien, die in den letzten Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland Regierungsverantwortung übernommen haben, nicht immer alles richtig gemacht haben. Ich glaube auch, dass manche Fehler, die Politiker und Parteien begangen haben, dazu geführt haben, dass Menschen mit der Politik und mit dem, was politische Systeme ausmachen, nicht mehr zufrieden sind.