Protocol of the Session on March 11, 2020

Meine Damen und Herren, den Steinkohlekraftwerken kommt, um einen linearen Ausstiegspfad zu erreichen, eine besondere Funktion zu; denn sie müssen die Flexibilität an den Tag legen.

(Marc Herter [SPD]: Aha!)

Aber dann müssen sie auch ausreichend entschädigt werden. Dies ist im derzeitigen Kohleausstiegsgesetz so nicht gegeben. Deshalb halte ich es auch für richtig, dass heute hier CDU, SPD und FDP, also die drei größten Fraktionen in diesem Hause mit mehr als drei Vierteln aller Abgeordneten, gemeinsam Nachbesserungen von Berlin einfordern.

Meine Damen und Herren, wenn Kraftwerksbetreiber, die in der Vergangenheit investiert haben, weil die Politik dies eingefordert hat, jetzt noch nicht einmal ihre Investitionskosten erstattet bekommen, dann wird hier leider wichtiges Vertrauen verspielt. Aber genau dieses Vertrauen brauchen wir, damit auch weiterhin investiert wird. Wir brauchen Kraftwerksbetreiber, die in immissionsärmere Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung investieren. Hierzu brauchen wir ihr Vertrauen, aber eben auch deutlich höhere Investitionsanreize zur Umrüstung, als dies bisher vorgesehen ist.

(Christian Loose [AfD]: Das ist auch richtig!)

Denn dies ist gerade sehr wichtig, um nicht nur die Stromversorgung in der Zukunft sicherzustellen, sondern auch, um die Wärmeversorgung für unsere Wärmenetze aufrechtzuerhalten.

Deshalb, meine Damen und Herren, danke ich allen von CDU, SPD und FDP, die dazu beigetragen haben, dass wir heute hier ein so deutliches Signal der Nachbesserung nach Berlin senden. Ich hoffe das im Sinne unserer Unternehmen. Viele dieser Unternehmen gehören auch den Kommunen. Somit setzen wir uns hier auch sehr stark für unsere kommunalen Anteilseigner ein.

Ich danke für Ihre Unterstützung und hoffe, dass unser gemeinsames Signal in Berlin auch Gehör findet. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Danke schön, Herr Brockes. – Jetzt spricht Herr Herter für die SPDFraktion.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Es kann eigentlich nur besser werden!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gelingende Energiewende, die wir alle miteinander – jedenfalls ein Großteil des Hauses – erreichen wollen, setzt voraus, dass wir in neue, in regenerative Energien einsteigen, Netze, Speicher und die Sektorenkopplung auf den Weg bringen und dass wir bis spätestens 2038 den Kohleausstieg bewältigen, und zwar auf der Grundlage der Braunkohle und auf der Grundlage der Steinkohle.

Letzteres setzt einen entsprechenden Ausstiegspfad voraus, und es setzt voraus, dass am Ende ein Strukturwandel ohne Brüche stattfinden kann, ohne Brüche im Bereich des Rheinischen Reviers stattfinden kann, aber auch ohne Brüche an den Standorten der Steinkohlekraftwerke stattfinden kann, insbesondere im Revier und in Ibbenbüren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Weg, den wir bis dahin beschreiben, ist für die Braunkohle vorgezeichnet. Manchmal kann man dieser Tage das Gefühl kriegen, dass die Steinkohlestandorte bisher ein bisschen stiefmütterlich behandelt worden sind. Das muss sich ändern. Deshalb ist es gut, dass wir hier gemeinsam die Initiative ergreifen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Für den Bereich Hamm und den Bereich Unna ist es immerhin 1 % der gesamten Wertschöpfung, die darauf entfallen. In allen anderen Bereichen sind es zumindest 0,2 % bzw. mehr als 0,2 % der Wertschöpfung. Das ist relevant.

Gerade ist vom Kollegen Brockes darauf hingewiesen worden, dass für einen linearen Ausstiegspfad gerade die Frage der Flexibilität der Steinkohlekraftwerke – und ich füge hinzu: der modernen Steinkohlekraftwerke – erforderlich ist, weil wir sie weiter im Markt brauchen und nicht aus dem Markt gehen sehen wollen, ebenso wie diejenigen Kraftwerke, die mit Kraft-Wärme-Kopplung arbeiten und damit die Wärmeversorgung insbesondere entlang der Fernwärmeschiene Ruhr herstellen.

Dem ist durch die Dinge, die in Berlin vereinbart worden sind, bisher nicht zur Genüge Rechnung getragen worden. Ich würde sogar noch weiter gehen: Wir haben Fehlanreize im System, was den Ausstieg angeht; denn gerade die sehr teuren Kraftwerke könnten darauf angewiesen sein – wie das Regular es im Moment vorgibt –, vorzeitig aus dem Netz zu gehen. Sie, und da wiederhole ich mich, wollen wir aber weiterhin im Netz sehen.

Deshalb sind drei Dinge richtig und wichtig, die hier heute dem nordrhein-westfälischen Landtag von den drei antragstellenden Fraktionen vorgelegt werden:

Erstens. Wir müssen die Bedingungen für die Umstellung auf Gas durch den sogenannten Kohleersatzbonus, der an sich eine gute Regulierung ist, verbessern. Den Kohleersatzbonus werden wir entsprechend erhöhen müssen, um die Fernwärmeversorgung im Ruhrgebiet hinterher gasbasiert für die Übergangszeit herstellen zu können.

Das Zweite sind die Stilllegungsprämien, die auch nach dem Jahr 2026 – wir schlagen vor, bis zum Jahr 2030 – gezahlt werden sollen, um auch die jüngeren und effizienten Kraftwerke in den Blick zu nehmen und dafür zu sorgen, dass dort auskömmliche Zahlungen – auskömmliche Zahlungen, keine Überzahlungen, das ist gerade schon angesprochen worden – geleistet werden können.

Mir ist ein dritter Punkt wichtig, nämlich dass entsprechende Zahlungen hier nicht leistungslos gewährt werden. Wenn wir die Stilllegungsprämien erhöhen, dann ist das Mindeste, was die Kraftwerksbetreiber tun können, am Ende die Kraftwerkstandorte nicht so zu übergeben, wie sie stehen und liegen, also mit aufstehenden Gebäuden und Kraftwerken, sondern den Rückbau selbst finanziell zu verantworten. Das gilt übrigens für Steinkohlekraftwerke wie für Braunkohlekraftwerke, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Strukturmittel – und der Kollege Duda aus Herne hat dankenswerterweise für die kommunale Familie darauf hingewiesen – sind nämlich dazu da, neue Arbeitsplätze, neues Wachstum, neue Wirtschaftskraft in den betroffenen Gebieten zu finanzieren und zu ermöglichen. Sie sind nicht dafür da, die Kraftwerke erst mal zurückbauen zu müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe mit den beiden Kollegen zusammen, dass wir damit ein starkes Signal nach Berlin senden können. Im parlamentarischen Verfahren gilt ja bekanntlich das alte Struck’sche Gesetz, nämlich: Kein Gesetz geht so raus, wie es reingekommen ist. – Deshalb bin ich eigentlich guter Hoffnung, dass wir das auch gemeinsam hinbekommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Herter. – Nun spricht für die Grünenfraktion Frau Brems.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! CDU und FDP sowie nachträglich auch noch die SPD haben sich hier einen kleinen Teil des Kohleausstiegsgesetzes herausgegriffen, den wir heute diskutieren.

Ich möchte aber festhalten, dass ich es etwas kurios finde, dass CDU, FDP und ergänzend die SPD in ihrem Antrag das Grundproblem erst mal richtig beschreiben. Dazu möchte ich aus dem Antrag zitieren, denn wenn darin richtige Sachen stehen, kann ich das gerne auch mal tun:

(Dietmar Brockes [FDP]: Stimmen Sie auch zu?)

„Die WSB-Kommission empfiehlt in ihrem Abschlussbericht einen stetigen Ausstiegspfad für Kohlekraftwerke. Da der im Gesetzentwurf vorgesehene Stilllegungspfad der Braunkohlekraftwerke nicht linear verläuft, kommt den Steinkohlekraftwerken in diesem Zusammenhang eine besondere Funktion zu.“

(Marc Herter [SPD]: So ist es!)

„Denn diese werden als Nachsteuerung für die Abschaltpläne der Braunkohlekraftwerke eingesetzt, damit dann in Summe ein stetiger Ausstiegspfad erreicht werden kann. Das bedeutet für die Steinkohlekraftwerke, dass ihr Ausstiegspfad im Vergleich zur Braunkohle wesentlich steiler verläuft und somit ein hoher wirtschaftlicher Druck entsteht.“

So weit, so richtig.

(Dietmar Brockes [FDP]: Gute Rede bisher!)

Ich möchte auch noch feststellen, dass es natürlich nicht der Rechtssicherheit hilft, wenn man Kraftwerke, die deutlich vor dem Ende des Abschreibungszeitraum stehen, kurzfristig entschädigungslos abschaltet. Die Frage ist jedoch, welche Konsequenz man daraus zieht.

Ihre Konsequenz ist, dass man noch mehr Geld gibt. Herr Brockes hat es eben gesagt. Es ist sowieso schon teuer, was hier passiert. Aber Sie wollen die Probleme lösen, indem Sie immer noch mehr Geld obendrauf geben. Das führt zu der Gefahr, dass es eine geringere Zustimmung zum Kohleausstieg und zur Energiewende gibt. Dabei müsste die Konsequenz ja genau umgekehrt sein und endlich einen wirklich kontinuierlichen Ausbaupfad bei der Braunkohle ergeben, wie es die Kohlekommission ganz klar empfohlen hat.

(Beifall von den GRÜNEN – Marc Herter [SPD]: Das ist Preistreiberei? Das erstaunt mich!)

Ich möchte ganz klar feststellen: Das ist das, was von der Kohlekommission vereinbart und vorgeschlagen wurde. Wenn an vielen Stellen immer gesagt wird, wir setzen das doch eins zu eins um, muss ich Ihnen entgegnen, dass das eben nicht der Fall ist. Das zeigt dies hier wieder ganz klar. Dann müsste auch die Steinkohle nicht so massiv einspringen, wie das hier dargestellt wurde.

Ich möchte gerne noch zwei Aspekte an die SPD richten, Herr Herter, weil Sie eben schon dazwischengerufen haben.

Frau Kollegin, gestatten Sie ihm eine Zwischenfrage, bevor Sie das sagen?

Nein.

Nicht. Gut.

(Marc Herter [SPD]: Dann muss ich weiter da- zwischenrufen! Das tut mir leid!)

Können wir gerne machen. – Herr Herter, ich möchte gerne auf ihre Aussage von eben, dass Sie finden, die Kraftwerksbetreiber seien dafür verantwortlich, später ihre Flächen auch zur Verfügung zu stellen, zu sprechen kommen. – Ja, das sehe ich auch so. Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit. Man kann Selbstverständlichkeiten gerne auch wiederholen; aber im Umkehrschluss mehr Geld zu fordern, kann ich nicht nachvollziehen.

(Marc Herter [SPD]: Das müssen Sie verein- baren, Frau Brems!)

Einen Punkt finde ich sehr enttäuschend, und zwar sowohl im Antrag als auch in Ihrer Rede. An vielen Stellen, wenn es um Kohleausstieg, um Energiewende ging, hat die SPD in den letzten Wochen und Monaten sehr stark betont, wie wichtig es doch sei, die erneuerbaren Energien im Allgemeinen und die Windenergie im Speziellen auszubauen. – Natürlich, dieser Meinung bin ich auch. Aber mit was für einem Antrag haben wir es hier zu tun? Wenn auf einmal die Steinkohle wieder ruft, ist die SPD wieder schnell zur Stelle, und die erneuerbaren Energien sind vergessen. Ich finde, dass das an dieser Stelle wirklich ein Armutszeugnis ist und in diesem Antrag auch fehlt.

(Beifall von den GRÜNEN – Marc Herter [SPD]: Das hat überhaupt nichts damit zu tun!)

Wir Grüne haben in unserem Entschließungsantrag festgehalten, dass im Kohleausstiegsgesetz mehr nachgesteuert werden muss, als nur eine kleine Nachjustierung bei den Steinkohlekraftwerken vorzunehmen. Aus unserer Sicht muss der Kohlekompromiss, wie es die Kohlekommission vorgeschlagen hat, eins zu eins umgesetzt werden. Dazu gehört unter anderem – die Punkte haben wir noch einmal festgelegt – die stetige Abschaltung der Braunkohlekraftwerke und dass auf Bundesebene nicht festgehalten wird, dass der Tagebau Garzweiler energiewirtschaftlich notwendig ist.

(Henning Rehbaum [CDU]: Das ist 2016 so festgelegt worden!)

Es ist ein Unding, dass das an dieser Stelle auf einmal passiert. Natürlich sind wir auch weiterhin dafür, dass, wie die Kohlekommission es angeregt hat, Datteln 4 nicht in Betrieb genommen wird.