Protocol of the Session on March 11, 2020

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist die Maske der Verlogenheit, die wir – und damit meine ich CDU, FDP, SPD und Grüne – heute und immer wieder herunterreißen müssen.

(Christian Loose [AfD]: Reden Sie auch noch inhaltlich zum Antrag?)

Meine Damen und Herren, um es klipp und klar zu sagen: Es ist uns als Christdemokraten und als NRW-Koalition selbstverständlich ein Herzensanliegen – und unsere praktizierte Politik seit Jahrzehnten –, Eltern bei der Betreuung ihrer Kinder, ob gesund oder krank, zu stärken und zu unterstützen. Das ist im Übrigen auch das Markenzeichen der sozialen Marktwirtschaft, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Das gilt für alle Familienmodelle.

Genau deshalb ist es heute bereits so, dass der Arbeitgeber bei Krankheit eines Kindes gesetzlich zur Freistellung seiner Mitarbeiterin oder seines Mitarbeiters verpflichtet ist. Der Arbeitgeber muss in dieser Zeit das Entgelt fortzahlen, wenn der Arbeitsvertrag oder ein gültiger Tarifvertrag keine Modifikationen enthält. Ist der Anspruch ausgeschlossen, erfolgt die Zahlung des Krankengeldes durch die Krankenkasse.

Das sind sozialstaatliche Errungenschaften, die im Übrigen von den von Ihnen immer abschätzig als „Altparteien“ abgetanen Parteien für die Menschen umgesetzt werden.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Zahlen Sie das?)

Die Alternative, die Sie in Wirklichkeit anbieten, habe ich im Hinblick auf Ihr Malbuch gerade abgebildet.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu einem zweiten Punkt kommen: Wir werden auch mit diesem Antrag heute wieder Zeuge von parlamentarischem Wiederkäuertum. Warum Wiederkäuertum? Das erkläre ich Ihnen gerne: Der vorliegende AfD-Antrag ist ein Paradebeispiel für die familienpolitisch einfallslose Copy-and-paste-Politik, die Sie betreiben. Der Landtag von Nordrhein Westfalen ist nur eine weitere Station Ihrer hoffnungslosen Fahrt, Ihrer Antragstournee durch deutsche Landesparlamente, bei der Sie so tun, als ob Ihnen das Wohl unserer Kinder und von deren Familien am Herzen liege. Ich sage Ihnen: Das genaue Gegenteil ist der Fall.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Wenn die AfDFraktion hier vorgibt, sich für die Interessen von Eltern und deren kranken Kindern einzusetzen, ist sie in Wahrheit im Land unterwegs und verteilt Hetzpamphlete zum Ausmalen. Ich sage Ihnen ganz klar: Wir durchschauen Sie. Wir demaskieren Sie.

(Zurufe von Christian Loose [AfD] und Sven Werner Tritschler [AfD])

Da Ausschussarbeit sich nicht gut in den Echokammern der sozialen Medien verkaufen lässt, ist die einzig wirklich spannende Frage zu Ihrem Antrag, in welchem Bundesland er wohl als Nächstes auftauchen wird.

(Zurufe von Sven Werner Tritschler [AfD] und Helmut Seifen [AfD])

Der Überweisung werden wir gleichwohl zustimmen. – Danke sehr.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Helmut Sei- fen [AfD]: Jetzt sind Sie aber bestimmt stolz!)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Frau Kopp-Herr das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ein krankes Kind bzw. kranke Kinder stellen in der Vereinbarkeit und Organisation von Familie und Beruf eine besondere Herausforderung dar. Deshalb war es richtig, dass vor etlichen Jahren im SGB V ein Kinderkrankengeld über einen definierten Zeitraum festgeschrieben wurde.

Dennoch kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass der Titel des Antrags zur verbesserten Entgeltzahlung nur ein Deckmäntelchen für eine Rolle rückwärts mitten hinein in die 1950er-Jahre ist,

(Beifall von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD] und Dr. Dennis Maelzer [SPD])

so wie zur heutigen Zeit Tradwives die vermeintlich heile Welt der Hausfrau aus dieser Zeit aufzeigen.

Da war ja alles so schön gemütlich und heimelig. Internationaler Frauentag, Equal Pay Day, Equal Care Day spielten keine Rolle. Ich muss doch nicht für meine Rechte eintreten, sondern stattdessen kümmert sich die Frau um Frühstück, Mittagessen, Abendbrot. Die Wäsche ist gewaschen, gebügelt und liegt eingeräumt für alle Familienmitglieder wohlgeordnet im Schrank.

Das mag für die eine oder den anderen eine erstrebenswerte Welt sein. Aber was in Ihrem Antrag mitschwingt, ist Folgendes: Vordergründig schreiben Sie „Entgeltfortzahlung“, hintergründig geht es jedoch um die sorgende Mutter, die sich alleine um

Kinder und Haushalt kümmert, während der Mann ins Berufsleben geht. Diese Vorstellung der sogenannten klassischen Beziehung ist eine Erfindung der 1950er-Jahre und damit weniger traditionell als angenommen. Frauen haben jedoch in der Tradition der Menschheit Verantwortung durch Erwerbs- und Familienarbeit übernommen.

Ulrich Beck sagt:

„Ohne Trennung von Frauen- und Männerrolle keine traditionelle Kleinfamilie. Ohne Kleinfamilie keine Industriegesellschaft in der Schematik von Arbeit und Leben.“

Fazit: Der Rückzug ins Private war politisch und auch wirtschaftlich gewollt. Mit ihrem Antrag transportiert die AfD ihr rückwärtsgewandtes Familien- und Frauenbild. Das ist am Montag deutlich geworden während der Landtagsveranstaltung zum Internationalen Frauentag durch die Äußerungen der Abgeordneten Frau Dworeck-Danielowski.

Ginge es der AfD tatsächlich um eine verbesserte Entgeltfortzahlung, hätte sie den Antrag federführend an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales überwiesen und nicht an den Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie. Ginge es der AfD um Gleichberechtigung und Gleichstellung, hätte sie den Antrag zur Mitberatung an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauen überwiesen. Es geht Ihnen jedoch wohl um Ihr tradiertes Rollenbild. Angesichts des Zeitpunkts der Einbringung ist das ganz besonders bedauerlich. Wir stimmen der Überweisung zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP hat der Abgeordnete Hafke das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist aus meiner Sicht eine Errungenschaft unserer Gesellschaft, dass wir in einem Staat leben, der auf Ausgleich und Augenhöhe zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern bedacht ist. Es ist eine Errungenschaft der sozialen Marktwirtschaft, dass wir in einem Land leben dürfen, in dem Wachstum und Wohlstand auf der einen und soziale Absicherung und rechtliche Sicherheiten auf der anderen Seite existieren.

Kern unserer Gesellschaft ist dabei auch und gerade im 21. Jahrhundert die Familie, und zwar jede Form von Familie. Familie bedeutet für die allermeisten Menschen Sicherheit, Zukunft, Entwicklung und Verlässlichkeit, und das ist auch gut so.

Insofern greift der vorliegende Antrag ein Thema auf, das durchaus bewegt, dem sich viele Familien mit Kindern gegenübersehen. Was ist, wenn mein Kind

krank ist? Was ist mit meiner Arbeit? Welche finanziellen Sicherheiten, welche Rechte und Pflichten habe ich eigentlich? Dieses Thema berührt eine der zentralen Fragen moderner Familienpolitik, nämlich die der Vereinbarkeit, von Familie und Beruf.

Die NRW-Koalition hat sich hier auf den Weg gemacht, um an vielen Stellen, beispielsweise aktuell bei den Familienzentren, Verbesserungen gerade auch für Alleinerziehende zu schaffen.

Nun kritisieren Sie in Ihrem Antrag, dass der Anspruch auf Lohnfortzahlung im eigenen Krankheitsfall bisher nicht bei der Erkrankung des eigenen Kindes gelte. Die Forderung lautet in der Folge, dass analog zu der Erkrankung eines Arbeitnehmers das vollständige Entgelt im Krankheitsfall des eigenen Kindes für bis zu sechs Wochen weiterbezahlt werden soll. Das klingt natürlich auf den ersten Blick charmant. Doch machen Sie zwei Fehler – ob unbewusst oder bewusst, sei mal dahingestellt.

Erstens verwechseln Sie den Entgeltfortzahlungsanspruch mit dem sozialversicherungsrechtlichen Krankengeldanspruch gegenüber der Krankenkasse. In den ersten sechs Wochen zahlt der Arbeitgeber, danach erst die Krankenkasse.

Zweitens fordern Sie, dass dem Arbeitgeber durch die entsprechende Gleichstellung keine Mehrbelastungen entstehen dürfen. Das ist natürlich eine Milchmädchenrechnung. Sonderlich viel Mühe, diesen offensichtlichen Widerspruch aufzulösen, machen Sie sich hier leider auch nicht.

Natürlich würde es zu einer Mehrbelastung für den Arbeitgeber kommen, wenn er künftig auch im Krankheitsfall des Kindes eines Arbeitnehmers den Lohn fortzahlen müsste. Aber ich glaube nicht, dass ich Ihnen damit etwas Neues sage. Im Übrigen stünde zu befürchten, dass die ersten, die von einer solchen vermeintlichen Verbesserung betroffen wären, genau die alleinerziehenden Mütter und Väter wären, die Sie ja vor den Karren spannen. Denn die wären die Ersten, die gar nicht mehr eingestellt würden.

Unabhängig davon gibt es bereits heute eine ganze Reihe von Maßnahmen, die Härten abfedern und Familien davor schützen, unverschuldet durchs Netz zu fallen. Ich möchte an dieser Stelle nur die kurzfristige und unbürokratische Freistellung nennen. Herr Minister Laumann wird sicher gleich noch einige Punkte mehr anführen.

Abschließend will ich noch festhalten, dass ich es schon etwas ärgerlich und auch irritierend finde, dass Sie das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ so uninspiriert anführen, als gefährdet betrachten, aber am lautesten schreien, wenn hier politische Maßnahmen und Ziele diskutiert werden, die genau diese Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Blick nehmen. Der Überweisung an den Ausschuss

werden wir natürlich zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Grünen hat die Abgeordnete Frau Paul das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon einigermaßen erstaunlich, dass ausgerechnet die AfD-Fraktion mit diesem Antrag den Blick auf die Lebensrealität der modernen Familienvielfalt richtet.

(Zuruf von Iris Dworeck-Danielowski [AfD])

Das ist ja sonst nicht Ihre ganz starke Seite.

(Beifall von den GRÜNEN)

Und dass das auch nicht Ihre Kernkompetenz ist, merkt man dann, wenn man sich diesen Antrag anschaut. Denn er ist in der Tat relativ „dünne Suppe“. Kollege Hafke hat gerade ausgeführt, dass an vielen Stellen auch gewisse Unschärfen darin sind.

In Ihrem Forderungskatalog verwechseln Sie in der Tat – Marcel Hafke hat darauf hingewiesen – die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall mit dem Krankengeld, vermischen das mit dem Krankenkindergeld, und dabei kommt dann irgendwie nicht so richtig etwas heraus, womit man hier ernsthaft arbeiten könnte.

Das zeigt sehr deutlich, dass es Ihnen vermutlich nicht darum geht, hier substanziell etwas an einer Fragestellung zu tun, die in der Tat wichtig ist. Denn ja, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt ohnedies für viele Familien eine Herausforderung dar. Im Fall von kranken Kindern ist das in besonderem Maße so.

Da gibt es eine ganze Reihe von Herausforderungen. Aber zum einen richten sich die nicht rein an den Staat, denn der Arbeitgeber ist durchaus in der Lage und gesetzlich auch erst einmal dazu angehalten, im Krankheitsfall von Kindern seiner Verpflichtung zur Freistellung nachzukommen. In diesem Fall wird der Lohn auch in voller Höhe fortgezahlt. Jeder Arbeitgeber kann das im Übrigen für sich so weit auslegen, wie er das für richtig hält.