Protocol of the Session on March 11, 2020

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Bitte unterstützen Sie unseren Antrag, damit wir ein deutliches und sichtbares Signal an die Menschen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind, senden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmitz. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Schneider.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Obdachlosigkeit ist ein zunehmendes Problem. In Nordrhein-Westfalen waren Mitte 2018 mehr als 44.000 Personen als wohnungslos gemeldet. Insbesondere in den letzten Jahren war ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen.

Dabei ist der Verlust des eigenen Wohnraums einer der härtesten Einschnitte im Leben. Der private Schutzraum und ein vertrautes soziales Umfeld gehen damit verloren. Es ist ein Schicksal, das wohl kein Mensch erleben möchte. Ein menschenwürdiges Leben ist ohne Wohnung nicht möglich.

Deshalb hat die NRW-Koalition von FDP und CDU den Kampf gegen die Wohnungslosigkeit zu einem Schwerpunkt ihrer Sozialpolitik gemacht.

Das zeigt sich auch im Haushalt. Im letzten Haushalt von Rot-Grün für 2017 war lediglich 1 Million Euro für diesen Bereich vorgesehen. Wir haben die inhaltlich

für die Bekämpfung der Wohnungslosigkeit vorgesehenen Mittel in mehreren Schritten und gerade auch mithilfe von mehreren Haushaltsanträgen der Fraktionen der NRW-Koalition auf in diesem Jahr insgesamt 7,1 Millionen Euro erhöht. Mit diesen Mitteln konnten wir die Landesinitiative „Endlich ein ZUHAUSE!“ starten. Keine Schulden und gute Sozialpolitik sind für uns also kein Widerspruch.

Wer Wohnungslosigkeit bekämpfen will, muss an die Ursachen heran. Das können Verschuldung, schwierige familiäre Verhältnisse, Trennung oder Scheidung, häusliche Gewalt, gesundheitliche Probleme, psychische Belastungen, Abhängigkeit, aber auch einfach fehlender Wohnraum sein. Deshalb ist es wichtig, nicht nur den Wohnungsverlust zu betrachten, sondern auch die individuellen Ursachen der Wohnungslosigkeit anzugehen.

Generell stehen für uns präventive Angebote im Vordergrund, um Wohnungsverluste – zum Beispiel bei Mietschulden – zu vermeiden oder um Wohnraum speziell für wohnungslose Menschen zur Verfügung zu stellen.

Mit der Landesinitiative „Endlich ein ZUHAUSE!“ werden in den 20 besonders von Wohnungslosigkeit betroffenen Städten und Kreisen in sogenannten Kümmerer-Projekten wohnungslose Menschen von mehr als 50 Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und Immobilienkaufleuten betreut. Das ist praktische Hilfe!

Dabei wollen wir die Umsetzung gemeinsam mit den unterschiedlichen Akteuren aus Kommunen, Jobcentern, Wohnungswirtschaft, Wohlfahrtspflege und Zivilgesellschaft erreichen.

Wir haben ein ganzes Bündel an Unterstützungsangeboten auf den Weg gebracht, die nun in lokale Handlungskonzepte und aufeinander abgestimmte Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenslage wohnungsloser Menschen umgesetzt werden müssen.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Kümmerer-Projekte sind derzeit bis Ende 2020 bewilligt.

Ziel der NRW-Koalition ist, dass wir die Landesinitiative „Endlich ein ZUHAUSE!“ und insbesondere die Kümmerer-Projekte über 2020 hinaus verstetigen. Das ist die Kernaussage unseres Antrags.

Zudem wollen wir uns noch stärker auf besondere Zielgruppen wie wohnungslose Frauen oder wohnungslose Jugendliche fokussieren. Diese Zielgruppen benötigen eine gezielte Ansprache und spezifische Beratungsangebote. So haben wir zum Beispiel mit dem Haushaltsantrag über 250.000 Euro für Projekte für wohnungslose Jugendliche bereits einen Schwerpunkt gesetzt. Diesen Weg wollen wir fortsetzen und die Landesinitiative „Endlich ein ZUHAUSE!“ entsprechend weiterentwickeln.

Dies zeigt: Die NRW-Koalition wird sich noch intensiver dafür einsetzen, Wohnungslosigkeit zu bekämpfen und ihr vorzubeugen. Denn sowohl für die Union als auch für meine FDP-Landtagsfraktion ist das ein Herzensthema. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Butschkau.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Bei der Lektüre des Antrags war ich mir ehrlich gesagt etwas unschlüssig, was das jetzt eigentlich ist: ein Antrag oder eine Ausschussbericht? Ein wirkliches politisches Handeln ergibt sich mir aus dem Antrag nämlich nicht, allenfalls die Kernaussage „Wir machen alles toll, und das machen wir so weiter“.

(Marco Schmitz [CDU]: Das ist doch schon mal eine Aussage!)

So ganz toll finde ich das Ergebnis allerdings nicht. Sie nennen eine Reihe von Gründen für Wohnungslosigkeit.

(Marco Schmitz [CDU]: Wir machen es we- nigstens!)

Wichtige Ursachen – vielleicht hören Sie mir einfach mal zu – verschweigen Sie allerdings. Sie verschwiegen, dass es Menschen in unserem Land gibt, die sich Wohnen überhaupt nicht mehr leisten können, dass es Gegenden in Nordrhein-Westfalen gibt, in denen Mieten für Neuvermietungen unbezahlbar sind, dass es vielerorts an bezahlbarem Wohnraum fehlt. Sie verschweigen, dass die soziale Wohnungsbaupolitik der schwarz-gelben Landesregierung gescheitert ist.

(Beifall von der SPD)

Aber kommen wir zur Selbstbeweihräucherung der Koalitionsparteien in Ihrem aktuellen Antrag zurück. Wir befürworten es, dass Sie die Landesinitiative aufgestockt haben. Zusätzliches Geld ist durchaus positiv. Schließlich sind wir im sozialen Bereich eher Streichkonzerte und Kürzungsorgien der Landesregierung gewöhnt. Dass diese Maßnahme von Ihnen jetzt aber für die parteipolitische Auseinandersetzung genutzt wird, halte ich aufgrund des sensiblen Themas für wenig angemessen.

Wir haben heute eine ganz andere wohnungspolitische Lage als noch vor über drei Jahren. Das gerade genannte Problem des fehlenden bezahlbaren Wohnraums hat sich enorm verschärft, und das wis

sen wir alle. Insofern ist der Bedarf an sozialpolitischen Maßnahmen heute weitaus größer als noch unter Rot-Grün.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will die Instrumente der Landesinitiative nicht kritisieren. Das sind Maßnahmen und Projekte, die sich bewährt haben. Viele Ansätze gehen auf Modellprojekte unter RotGrün zurück; auch das gehört zur Wahrheit dazu. Und wenn dadurch mehr Menschen vor Wohnungslosigkeit bewahrt werden, dann ist das gut.

Es findet allerdings von Ihrer Seite keine Reflexion darüber statt, ob wir mit dem Programm alle erreichen, die unsere Hilfe und Solidarität benötigen, und dies sowohl qualitativ als auch quantitativ. 3 Millionen Euro für Kümmerer-Projekte hören sich erst einmal gut an. Davon können Sie aber bei Lohnkosten von ca. 50.000 Euro inklusive Lohnnebenkosten gerade mal ca. 60 Sozialarbeiterinnenstellen schaffen – landesweit. Für ein großes Land wie Nordrhein-Westfalen, in dem es viele Großstädte gibt, ist das leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Ihre eigene Wohnungslosenstatistik sagt aus, dass Wohnungslosigkeit gerade junge Menschen trifft. Mit 250.000 Euro kommen Sie bei der Bekämpfung von Wohnungslosigkeit unter Jugendlichen wirklich nicht weit.

Wir haben hier diskutiert, dass wohnungslose Frauen ganz andere Ansprachen, Zugänge und Hilfsangebote brauchen als Männer. In Ihrer Landesinitiative sind Frauenprojekte nicht explizit mit Finanzmitteln hinterlegt, aber nach den letzten Diskussionen zum Thema „Wohnungslosigkeit“ in diesem Haus wäre dies angemessen gewesen.

Eine Zielgruppe, die komplett durchs soziale Netz fällt, sind Obdachlose ohne Anspruch auf Sozialleistungen, zum Beispiel EU-Ausländer. Für diese Menschen brauchen wir ein Notfallprogramm, wenn wir nicht wollen, dass sie vor unseren Augen verelenden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist traurig, dass in einem reichen Land wie Nordrhein-Westfalen das Thema „Wohnungslosigkeit“ so häufig im Plenum diskutiert werden muss. Mit dem Antrag der Grünen, den wir gleich noch debattieren werden, liegt ein ganzheitliches Konzept vor, mit dem wir diese sozialen Herausforderungen hätten angehen können. Dagegen bringt uns dieser WischiwaschiAntrag nichts. Er enthält richtige Forderungen, ist für eine Regierungskoalition aber leider sehr unkonkret. Schade.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Butschkau. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Klocke.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Butschkau von der SPD, Sie haben unseren umfassenden Antrag angesprochen. Ich bin zwar nicht der Parlamentarische Geschäftsführer, aber man hätte durchaus beide Anträge in verbundener Debatte diskutieren können. Denn dann hätte man auf der einen Seite ein umfassendes Grünen-Konzept und auf der anderen Seite diesen doch – wie soll ich sagen? – überschaubaren Antrag der Regierungsfraktionen in einer gemeinsamen Debatte diskutieren und bewerten und auch entsprechende Schlüsse aus den Anträgen ziehen können.

Liebe Kolleginnen aus den Regierungsfraktionen, Sie haben mit den entsprechenden Förderinstrumenten wichtige Instrumente, die aus grüner Zeit stammen, fortgeführt, zum Beispiel das Aktionsprogramm gegen Wohnungslosigkeit oder die Wohnungsnotfallhilfen, die Sie auch mit Geldern aufgestockt haben. Das ist begrüßenswert.

Und obwohl es jetzt dieses Geld und auch die entsprechenden Verteilmechanismen gibt – Frau Kollegin Schneider von der FDP hat es eben angesprochen –, verzeichnen wir in Nordrhein-Westfalen eine steigende Wohnungslosigkeit. Das muss man in den letzten Jahren konstatieren.

Das ist eine schwierige Situation, insbesondere für die Kommunalverwaltungen. Man kann sich fragen, ob unter anderem die Ankündigung der schwarz-gelben Landesregierung im Koalitionsvertrag, alle wohnungspolitischen Steuerungsinstrumente, die in rotgrüner Regierungszeit auf den Weg gebracht worden sind – wir diskutieren gleich noch über die Umwandlungsverordnung, aber natürlich auch über Instrumente wie die Mietpreisbremse und andere –, zurückzuführen, nicht auch einen Beitrag dazu geleistet hat, dass Menschen immer mehr in prekäre Situationen rutschen oder sich die Wohnungslosigkeit sozusagen entwickelt und ausbreitet.

Ich meine jedenfalls, es wäre auf jeden Fall wünschens- und begrüßenswert, wenn Sie, Frau Ministerin, endlich einmal ankündigen würden, dass die wohnungspolitischen Steuerungsinstrumente aus rot-grüner Zeit, wenn auch gern evaluiert, auf jeden Fall fortgeschrieben werden müssen. Das ist die beste Sozialpolitik, die man für dieses Land machen kann. Natürlich brauchen wir Markt in der Wohnungspolitik, aber es braucht auch Steuerungsinstrumente, damit Auswüchse des Marktes entsprechend begrenzt werden können.

(Beifall von Johannes Remmel [GRÜNE])

Das ist ein wirksames Instrument gegen Wohnungslosigkeit, das verhindern würde, dass Menschen abrutschen, vor verschlossener Tür stehen und auf Wohnungssuche gehen müssen.

Wir hatten eine große Anhörung zu unserem Grünen-Antrag zur Wohnungslosigkeit. Dazu gab es zahlreiche Stellungnahmen.

Was mir in Ihrem Antrag fehlt, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, sind insbesondere Aspekte der starken Wohnungslosigkeit von Frauen. Ich möchte aus dem Anhörungsprotokoll zum Beispiel den Sozialdienst Katholischer Frauen zitieren.

Frau Kleine, eine Anzuhörende in der eben angesprochenen Anhörung, gab den Hinweis, die Landesstatistik besage, der Anteil der Frauen bei den Wohnungslosen liege bei über 30 %. Köln habe als einzige Stadt in Nordrhein-Westfalen einen Wohnungsnotfallbericht speziell für Frauen aufgelegt. – Es wäre begrüßenswert, wenn andere Kommunen einen solchen Bericht ebenfalls herausgeben und erstellen könnten. – Dieser Bericht sei gerade in der Endrevision. Es werde ausgewiesen, dass sich der Anteil der Frauen bezogen auf die verschiedenen Altersgruppen in Städten wie Köln stärker entwickle und dass in den nächsten Jahren von einer stärkeren Wohnungslosigkeit insbesondere von Frauen ausgegangen werden könne.

Meine Frage an die Regierungsfraktionen, insbesondere an die Kollegin Frau Schneider, die eben gesprochen hat, ist in dem Zusammenhang: Haben Sie eine konkrete Differenzierung in der Frage der Wohnungslosigkeit von Frauen? Geht es um Frauen, die von Gewalt betroffen sind? Welche Hilfsangebote sind da notwendig? Geht es um Frauen mit Kindern? Geht es um wohnungslose Paare, um ältere Frauen?

All das ist in Ihrem Antrag, der doch recht knapp gehalten ist, nicht ausgeführt. Wir stellen fest, dass die Frage der Wohnungslosigkeit von Frauen ein ganz spezielles Thema ist, welches eine große Gruppe betrifft, für die es spezielle Förder- und Beratungsprogramme gibt. Ein gutes Programm wurde in Köln aufgelegt. Wir würden uns wünschen, dass Sie das in Ihren Antrag und Ihre Förderinstrumente übernehmen. Damit könnte man viel Wohnungslosigkeit verhindern und den Entwicklungen der letzten Jahre entgegenwirken.

Der zweite Punkt betrifft die steigende Zahl der älteren Wohnungslosen. Es besteht die Gefahr, dass sich für ältere Menschen keine Angebote finden und sie in Pflegeheime eingewiesen werden. Bei den entsprechenden Angeboten in diesem Bereich stellt sich sehr häufig die Frage von Zugänglichkeit und Barrierefreiheit.

Gibt es entsprechende Landesförderprogramme? Gibt es Statistiken? Gibt es einen Nachhalt, was die Bedarfe angeht? Auch hier würden wir uns wünschen, dass Sie nachbessern oder zumindest in Ihrem Antrag transparent machen, ob entsprechende Fördermechanismen aufgelegt werden, damit Wohnungslosigkeit insbesondere bei älteren Menschen stärker bekämpft werden kann.