Protocol of the Session on February 12, 2020

Wir sollten durchaus darauf hinweisen, dass die Landesdatenschutzbeauftragte im Umsetzungsprozess beim nordrhein-westfälischen Datenschutzanpassungsgesetz klargemacht hat, dass zum Beispiel mit Blick auf die Videoüberwachung hier in NordrheinWestfalen europarechtlich fragwürdige Umsetzungsschritte gegangen wurden. Wir müssen schlicht und ergreifend sehen, dass eine Chance für einen stabilen Datenschutz in unserem Land durch die schwarzgelbe Landesregierung vergeben wurde.

Wir sehen genau die gleiche Entwicklung beim Polizeigesetz, das auch im Berichtszeitraum gelegen hat. Es gab eine erhebliche Ausweitung der polizeilichen Befugnisse. Die LDI hat erhebliche Zweifel formuliert, ob das Polizeigesetz den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts an den Grundrechtsschutz, an die Bestimmtheit und vor allem auch an die Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt.

Es ist eine dramatische Entwicklung in den Sicherheitsgesetzen, die sich bundesweit und auch mit die

sem freiheitsfeindlichen Gesetz hier bei uns in Nordrhein-Westfalen niedergeschlagen hat. Das ist im Bericht noch einmal hervorgehoben worden.

Vor allem wurde auf die Entwicklung bei der erheblichen Ausweitung der Videoüberwachung und bei der Einführung der Quellen-TKÜ hingewiesen. Dadurch wird der IT-Sicherheitsstandort Nordrhein-Westfalen riskiert und zugleich die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger massiv eingeschränkt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als dritten Punkt, der beim Datenschutz immer so ein bisschen hinten runter fällt, möchte ich die Informationsfreiheit erwähnen. Die LDI schreibt in Ihrem Bericht:

„Seit Jahren weise ich darauf hin, dass es an der Zeit ist, das bewährte IFG NRW in diesem Sinne endlich zu einem Transparenzgesetz weiterzuentwickeln.“

Genauso ist es, und da brauchen wir jetzt endlich ein mutiges Voranschreiten, mutige Schritte für mehr Transparenz, denn eine moderne Verwaltung kann sich in die Karten schauen lassen, sie muss transparent werden, und sie muss Bürgerinnen und Bürger einbeziehen.

Denn erst, wenn wir es geschafft haben, das Zeitalter des durchaus guten, aber an einigen Stellen immer noch komplizierten Informationsfreiheitsgesetzes mit teilweise hochschwelligen Verfahren – auch das war Thema im Bericht – und mit hohen Gebühren zu beenden, und dahin kommen, dass Behörden ihre Daten …

Ihre Redezeit.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE: … im Netz bereitstellen, dann sind wir auf dem Weg zu mehr Transparenz wirklich vorangekommen.

Wir wollen, dass die Holschuld der Bürgerinnen, die sich im IFG noch manifestiert, endlich in eine Bringschuld der Verwaltung umgewandelt wird. So ein Gesetz brauchen wir ganz dringend. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte-Richter. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Tritschler.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Datenschutz war und ist eine deutsche Stärke. Kollege Wolf hat es eben angesprochen: Schon 1970 gab es in Hessen das erste Datenschutzgesetz. 1977 trat das Bundesdatenschutzgesetz in Kraft.

2018 wurde das hoch entwickelte und gewachsene deutsche Datenschutzrecht durch die EU in Form der DSGVO verdrängt. Wenig überraschend haben wir in diesem Bereich nun massive Rechtsunsicherheit, mehr Bürokratie und nicht wirklich mehr Datenschutz.

Dieser Zustand spiegelt sich auch im Bericht der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit wider. So hat sich die Menge an Eingaben – das wurde schon erwähnt – seit Einführung der DSGVO verdreifacht. Die Nachfrage nach Beratungsdienstleistungen hat massiv zugenommen, und die wenigen zusätzlichen Stellen, die bisher geschaffen wurden, reichen beim besten Willen nicht aus, um den gewachsenen Anforderungen gerecht zu werden.

Trotzdem, Frau Landesbeauftragte, auch von unserer Fraktion herzlichen Dank für Ihre Arbeit.

(Beifall von der AfD)

Datenschutz ist in vielen Bereichen auch immer eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Im digitalen Zeitalter sind Daten ein ungeheuer wichtiger und wertvoller Rohstoff, und wir müssen darauf achten, dass wir uns hier nicht selber im Wege stehen.

Um im Bereich der Künstlichen Intelligenz weltweit wenigstens einigermaßen mithalten zu können, braucht die Forschung Zugriff auf gewisse Daten. Hier können wir uns der Kritik der LDI nicht vollumfänglich anschließen. Deutschland und NRW existieren nicht in einem Vakuum, und internationale Konkurrenzfähigkeit muss in ein sinnvolles Verhältnis zum Datenschutz gebracht werden.

Weiterhin kritisiert die LDI, dass Blogger und andere unabhängige Journalisten datenschutzrechtlich den Redakteuren großer Verlage und Rundfunkanstalten gleichgestellt sind. Das ist aus unserer Sicht zu begrüßen, und es ist auch zu begrüßen, dass die Landesregierung diese Auffassung teilt. Es darf nicht sein, dass gerade unabhängige Journalisten benachteiligt werden.

Schließlich teilen wir auch nicht die Kritik der LDI daran, dass sie keine Kontrollen bei beruflichen Geheimnisträgern wie Ärzten und Rechtsanwälten durchführen darf. Das Vertrauensverhältnis zwischen Mandanten und Patienten auf der einen Seite und ihren Ärzten und Anwälten auf der anderen Seite darf weder von Strafverfolgern noch von Datenschützern aufgeweicht werden, auch nicht, wenn dahinter die besten Absichten stehen.

(Beifall von der AfD)

Im Bereich der Informationsfreiheit, die laut Bundesverfassungsgericht Verfassungsrang genießt, aber in der Debatte gerade kaum eine Rolle gespielt hat, zeigt sich dagegen ein fundamentaler Dissens zwi

schen LDI und Landesregierung. Während die Landesbeauftragte ein umfassendes Informationsrecht der Bürger anmahnt, gibt sich die Landesregierung geheimniskrämerisch. Sie beharrt darauf, dass Informationen nur aus allgemein zugänglichen Quellen öffentlich gemacht werden müssen.

Das ist eine Denke, die wir auch hier im Parlament leider allzu oft erleben dürfen. An ihrem Herrschaftswissen lassen Herr Reul und Co. weder Abgeordnete noch Bürger gerne teilhaben, und sie scheuen sich dabei, wie wir vor einigen Tagen aus Münster bestätigt bekommen haben, auch nicht vor dem Verfassungsbruch, meine Damen und Herren.

Wir sind mit der Landesbeauftragten einig: Daten darf der Staat nur zurückhalten, wenn die überwiegenden Interessen Einzelner und/oder das Staatswohl gefährdet sind. Und wir sind uns mit dem Verfassungsgericht einig, dass solche Ausnahmen in jedem Einzelfall schlüssig begründet werden müssen.

Zusammenfassend kann man also festhalten, dass die DSGVO im Datenschutz nichts besser, aber vieles schlechter und komplizierter gemacht hat. Dieses Thema wird uns und insbesondere Kleinunternehmen, mittlere Unternehmen und Vereine noch viele Jahre beschäftigen, und es wird lange dauern, bis die Gerichte all die vielen Unsicherheiten, die jetzt aufgekommen sind, beseitigt haben.

Wir begrüßen den Bericht der LDI und unterstützen sie in vielen ihrer Forderungen; die wenigen Ausnahmen habe ich soeben dargestellt.

Im Bereich der Informationsfreiheit bleibt NRW leider ein Entwicklungsland, auch unter Schwarz-Gelb. Auch hier mussten und müssen vermutlich am Ende Gerichte in die Bresche springen und für mehr Offenheit und Transparenz sorgen. Wir jedenfalls werden sie dabei nach Kräften unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Tritschler. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Reul das Wort.

Frau Präsidentin! Frau Block! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ein geübtes Verfahren findet im Plenum heute den Abschluss. Der 24. Datenschutz- und Informationsfreiheitsbericht der Landesbeauftragten liegt vor, dazu auch die Stellungnahme der Landesregierung. Beides ist im Innenausschuss letzte Woche ausführlich besprochen worden. Ich will zwei Dinge vorwegschicken.

Erstens. Der Datenschutz hat für die Landesregierung gerade in den heutigen Zeiten eine erhebliche Bedeutung. Daran hat sich nichts geändert.

Zweitens. Das stellt man auch beim Abgleich des LDI-Berichts und der Stellungnahme der Landesregierung fest. Denn im Ergebnis gibt es keine grundlegenden Differenzen in der Beurteilung datenschutzrechtlicher Fragestellungen. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass es in Einzelfällen nicht auch unterschiedliche Auffassungen geben kann; auch das ist in den Papieren nachzulesen.

Mir ist wichtig, zu betonen, dass die Einschätzungen der LDI im Datenschutzrecht und im Bereich der Informationsfreiheit bei Entscheidungen der Landesregierung selbstverständlich Gewicht haben. Sie hat uns und auch mir persönlich in manchen dieser Fälle sehr geholfen. Für die sachkundigen Hinweise und die stets gute und konstruktive Zusammenarbeit in der Vergangenheit möchte ich mich noch einmal bei Frau Block und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich bedanken, und das erst recht, da, wie eben schon gesagt wurde, die Amtszeit in Kürze endet.

Ich will nur auf einen Punkt näher eingehen, weil er uns alle – Einzelpersonen, Fraktionen, Regierung – beschäftigt. Ich meine das Thema „Facebook“. Die Debatte dazu hat in den letzten Wochen ein wenig an Fahrt aufgenommen, aber eigentlich ist das Thema – und darauf haben sowohl die LDI als auch wir im letzten Innenausschuss schon hingewiesen – nicht neu, sondern ein Dauerbrenner. Bereits im Jahre 2013 ist dieses Thema im Bericht der LDI aufgetaucht, also vor sieben Jahren. Das ist im digitalen Zeitalter eine Ewigkeit.

Was ist seitdem alles passiert? – Neue Netzwerke sind seitdem entstanden, Besitzer haben ihre Zuständigkeiten verändert und anderes mehr.

Ich möchte nur aufzeigen, wie schnelllebig die digitale Welt ist und wie groß aufgrund all dieser Veränderungen die Herausforderungen werden, auch für den Datenschutz. Dabei standen und stehen alle Betroffenen in öffentlichen Verwaltungen in ihrer Verpflichtung zur Information der Öffentlichkeit vor einer wichtigen Frage: Wie bekommt man das Spannungsverhältnis zwischen Transparenzanspruch einerseits und Datenschutz andererseits gut gelöst? Das ist nicht ganz einfach.

Dabei ist eigentlich klar, dass die Landesregierung in einer digitalisierten Welt nicht mehr ausschließlich auf Druckerschwärze zurückgreifen kann. Öffentlichkeitsarbeit findet natürlich zu Recht zusätzlich über andere Wege statt, sei es über Internetseiten oder eben über die digitalen sozialen Netzwerke. Das erwarten die Menschen auch von uns. Schließlich tummeln sich heute 89 % der Bevölkerung durchschnittlich etwa drei Stunden am Tag im Internet – je jünger, je länger.

Käme es also zu einer Abschaltung von FacebookFanpages, hätte das weitreichende Konsequenzen

für die Kommunikation mit insbesondere jungen Bürgerinnen und Bürgern. Viele dieser Menschen würden wir nicht mehr erreichen. Übrigens wäre das auch schlecht, wenn es um ganz praktische Fragen wie Nachwuchsgewinnung von Menschen für den öffentlichen Dienst geht. Natürlich informiert die Landesregierung aber nach wie vor auch über konventionelle Wege wie Flyer, Plakate, Pressemitteilungen, Pressekonferenzen usw.

Aber was ist jetzt in Sachen Facebook zu tun? – Darauf gibt es keine einfache Antwort, und – hier muss ich Herrn Wolf widersprechen – darauf wird es auch keine zügige Antwort geben, weil es verdammt kompliziert ist und ganz viele unterschiedliche Player dabei eine Rolle spielen.

Wir werden als Landesregierung die Nutzung von Facebook unter Einschaltung einer Taskforce prüfen. Das habe ich hier schon einmal vorgetragen, ebenso im Innenausschuss. In der Staatskanzlei gibt es eine entsprechende Zusammenkunft. Hier gilt der Grundsatz „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“. Im Übrigen ist auch noch der Ausgang eines Prozesses vor dem OVG Schleswig-Holstein abzuwarten.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einen weiteren Aspekt ansprechen. Die mehrheitlich von diesem Landtag begrüßte Harmonisierung des europäischen Datenschutzrechts bedeutet in der Umsetzung erstens gleiche Rechtsvorschriften, zweitens europaweit handlungsfähige Aufsichtsbehörden und drittens die einheitliche Anwendung der Rechtsvorschriften.

Zurück zu Facebook. Ohne einem Ergebnis über den künftigen Umgang mit sozialen Netzwerken vorzugreifen, wäre es schon wünschenswert, eigentlich notwendig, wenn es hier eine Einheitlichkeit unter den Aufsichtsbehörden in Europa gäbe. Deutsche oder gar NRW-Sonderwege sind dabei nicht hilfreich. Das macht keinen Sinn. Darin sind sich Landesregierung und LDI auch einig. Deswegen ist eine zügige Antwort auch so schwer.

Schaut man sich allein an, wie lange auf Bundesratsebene die Institutionen, die Datenschutzbeauftragten – Stichwort: sieben Jahre – daran gearbeitet haben, wird klar, dass eine einfache Antwort schwer möglich ist, auch wenn wir eine solche brauchen. Hier ist die europäische Ebene sehr stark gefordert, um bei einer Ergebnisfindung zu helfen. Immerhin basiert die Ausgangslage auch auf einer europarechtlichen Vorschrift, die uns jetzt in diese Schwierigkeiten bringt.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Herzlichen Dank an Frau Block sowie natürlich an die Mitarbeiter und auf alles Gute in Zukunft!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Weitere Wortmeldungen sind nicht angezeigt. Deshalb kann ich an dieser Stelle die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 8 schließen.