Protocol of the Session on September 15, 2017

Zweitens stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/613. Wer stimmt diesem Antrag zu? – CDU und FDP, was zu erwarten war. Wer stimmt dagegen? – Die SPD und die AfD-Fraktion stimmen dagegen. Wer enthält sich?

(Zurufe von Josefine Paul [GRÜNE] und Ve- rena Schäffer [GRÜNE])

Ich frage noch einmal: Wer stimmt dem Antrag zu? – CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne und AfD.

(Zurufe von der CDU: Ah!)

Gibt es Enthaltungen? – Es gibt keine Enthaltung.

Sie haben eine klare Entscheidung gefällt. Auch wenn drei Fraktionen so gestimmt haben, dass sie gegen den Entschließungsantrag sind, haben CDU und FDP gemeinsam die Mehrheit hier im Hohen Haus, offensichtlich auch von hier aus. Gibt es dagegen …? – Nein, das ist nicht der Fall. Einstimmig war es nicht, aber es war mit Mehrheit der Koalitionsfraktionen. Damit ist der Entschließungsantrag angenommen. – Herzlichen Dank.

Ich rufe auf:

6 Mit Hebammen und Entbindungspflegern

gut versorgt von Anfang an

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/535

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/614

Die Aussprache ist eröffnet, und an das Pult tritt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Josefine Paul.

Herr Präsident!

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bleiben Sie ruhig da, das ist jetzt ein wichtiges Thema. – Schwangerschaft, Geburt und die Gründung einer Familie sind eines der schönsten Abenteuer des Lebens. Mutter und Kind brauchen vor, während und nach der Geburt besondere Unterstützung, aber auch für Partnerinnen und Partner und Geschwisterkinder sind Schwangerschaft und Geburt eine neue Herausforderung und eine besondere Erfahrung.

Hebammen und Entbindungspfleger leisten einen wichtigen Beitrag bei der Begleitung von Mutter und Kind, aber auch bei der Begleitung von Partnerinnen und Partnern und eventuellen Geschwisterkindern. Werdende Eltern haben ein Recht auf die freie und informierte Wahl des Geburtsortes, doch die reale Situation in NRW sieht oftmals leider anders aus.

Für viele Schwangere ist es heute schwierig, eine Hebamme zu finden. Dabei sind Hebammen sowohl bei den Geburten in Kliniken als auch den Geburten in Geburtshäusern oder den ambulanten Geburten zu Hause sowie bei der Vor- und Nachsorge unerlässlich. Wir schließen jedoch Geburtsstationen, und vor allem haben wir ein Problem im ländlichen Raum. Überfüllte Kreißsäle und Mütter, die keine Hebamme finden – die freie Wahl des Geburtsortes nach dem SGB V droht unterlaufen zu werden.

In der vergangenen Legislaturperiode hat sich der runde Tisch Geburtshilfe, der von der früheren Gesundheitsministerin Barbara Steffens einberufen wurde, intensiv mit der Situation der Geburtshilfe in NRW befasst. Die Frage der steigenden Haftpflichtprämien, aber auch eine konstant hohe Kaiserschnittrate standen dabei im Zentrum der Beratungen. Insbesondere die steigenden Haftpflichtprämien haben die Rahmenbedingungen für Hebammen, aber auch für die Geburtshilfe allgemein massiv verschlechtert.

In den letzten 15 Jahren haben sich die Prämien verzehnfacht. Der Deutsche HebammenVerband

konnte zwar die Vereinbarung über die Gruppenhaftpflicht für freiberufliche Hebammen bis 2021 verlängern und damit überhaupt noch einen Versicherungsschutz für freiberufliche Hebammen sicherstellen, doch an dem Problem der jährlich steigenden

Prämien ändert das nichts. Es ändert auch nichts daran, dass sich viele Hebammen gezwungen sehen, aus der Begleitung von Geburten auszusteigen oder ihren Beruf ganz aufzugeben. Das ist eine Situation, die wir uns in Nordrhein-Westfalen nicht leisten können und auch nicht leisten wollen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der runde Tisch empfiehlt der Bundesregierung daher, eine langfristig tragbare Lösung für die Haftpflichtproblematik der Hebammen und Entbindungspfleger zu finden. Auch die Landesregierung muss sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass tragfähige Lösungen gefunden werden, die die Haftpflichtprämien senken und damit die Geburtshilfe in Nordrhein-Westfalen nachhaltig sichern.

Neben der Haftpflichtproblematik stellt auch die Bezahlung ein Problem dar. Wie in anderen Gesundheitsberufen auch, werden die vornehmlich Frauen – es ist sozusagen wieder mal ein Equal-Pay-Problem – nicht entsprechend ihrer hohen fachlichen Kompetenz und ihrer gesellschaftlich verantwortlichen Tätigkeit entlohnt. Auch hier besteht dringender Handlungsbedarf bei einem so wichtigen Beruf wie dem der Hebammen und Entbindungspfleger.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der runde Tisch hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass die Datengrundlage zur Versorgung mit Hebammenhilfe in NRW nicht ausreichend ist. Das daraus resultierende Forschungsprojekt „Geburtshilfliche Versorgung durch Hebammen in NordrheinWestfalen“, auf das auch der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen hinweist, ist daher notwendig und wichtig. Eine Pilotstudie zur Hebammenversorgung in NRW wurde bereits während des runden Tisches in Auftrag gegeben.

Sie sehen, erste Schritte sind durch den runden Tisch initiiert worden, sind auf dem Weg. Das sind wichtige Schritte zur Verbesserung und zur nachhaltigen Sicherung der Geburtshilfe in Nordrhein-Westfalen, die durch Rot-Grün noch angestoßen worden sind. Unbestritten ist jedoch, dass es noch weiterer Schritte bedarf, dass noch weitere Schritte folgen müssen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der neue Gesundheitsminister hat unseren Antrag in den „Westfälischen Nachrichten“ als „Das ist Heldenmut nach Ladenschluss“ abkanzelt. Mich wundert das ehrlich gesagt schon; denn die vorliegenden Anträge zeigen, mit welcher Ernsthaftigkeit sich die Fraktionen mit diesem Thema auseinandersetzen und dass es sich nicht als Wahlkampfarena anbietet.

Wir begrüßen ausdrücklich die Einrichtung einer Projektgruppe, wie sie Minister Laumann im selben Zeitungsartikel angekündigt hat. Verbunden damit ist

auch unsere Hoffnung, dass diese Projektgruppe die Empfehlungen des runden Tisches weiter umsetzt.

Einiges ist bereits auf dem Weg, wie beispielsweise das Versorgungskonzept der Hebammenkreißsäle – sieben der bundesweit 17 befinden sich in NRW. Das ist ein Konzept, das sich bewährt hat. Es ist ein Konzept, das es nicht nur gilt, sicherzustellen, sondern auch auszubauen und weiterzuentwickeln. Wir setzen da auf Sie, Herr Minister, und auch auf die von Ihnen zu initiierende Projektgruppe, dass es hier eine Kontinuität auch über die Wahlen hinweg gibt.

Auch beim Thema „Kaiserschnittrate“ besteht weiter Handlungsbedarf. Fast jede dritte Frau entbindet in Nordrhein-Westfalen heute per Kaiserschnitt. Zum Vergleich: Die Empfehlungen der WHO liegen bei 15 %, und in unserem Nachbarland, den Niederlanden, liegt die Kaiserschnittrate sogar unter 15 %. Nun sind die Gründe für einen Kaiserschnitt vielschichtig, und natürlich kann eine solche Maßnahme auch medizinisch notwendig und geboten sein.

Trotzdem dürfen wir aber die Augen nicht davor verschließen, dass der massive Anstieg der Kaiserschnittrate in den letzten zwei Jahrzehnten bei Weitem nicht nur medizinische, sondern auch strukturelle, organisatorische und gar ökonomische Gründe hat, die diese Rate begünstigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die vorliegenden Anträge zeigen, dass uns allen die gute geburtshilfliche Versorgung in Nordrhein-Westfalen ein wichtiges Anliegen ist. Ich würde mich freuen, wenn sich durch die weiteren Beratungen im Ausschuss bzw. den Ausschüssen vielleicht sogar so viele Gemeinsamkeiten entwickeln lassen, dass wir gegebenenfalls sogar zu einer gemeinsamen parlamentarischen Initiative kommen. Ich glaube, das würde dem Thema der geburtshilflichen Versorgung in Nordrhein-Westfalen gerecht werden. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Paul. – Für die CDU-Fraktion tritt nun Frau Gebauer an das Redepult. Ich spreche den Namen so richtig aus, ja?

(Katharina Gebauer [CDU]: Ja!)

Das haben Sie dann schon mal mit Ihrer Namensvetterin gemein. Ich freue mich, dass Sie an das Redepult treten. Es ist Ihre erste Rede. Toi, toi, toi!

Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Jährlich werden in Nordrhein-Westfalen 150.000 Kinder geboren. Die neuesten Zahlen zeigen, dass die Tendenz steigend ist. Diese Zahlen sind mehr als erfreulich, vor allem, wenn wir daran zurückdenken, dass

wir uns in der Vergangenheit eher um sinkende Geburtenzahlen Sorgen gemacht haben.

Aus diesem Grund ist es wichtig, sich dem Thema anzunehmen, wer Sorge dafür trägt, dass sich Familien vor, während und nach der Geburt gut versorgt fühlen. Vor noch nicht allzu langer Zeit habe ich selber mein erstes Kind bekommen. Ich weiß noch ganz genau, welche Fragen ich mir selbst gestellt habe. Ich hatte Glück, von Beginn meiner Schwangerschaft an eine Hebamme an meiner Seite zu wissen. Ich kenne aber auch viele Frauen, die vor der großen Herausforderung standen, eine Hebamme zu finden, besonders dann, wenn die Geburt für den 24. Dezember ausgerechnet war.

Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass Hebammen einen enormen Beitrag dafür leisten, dass Familien gut in die „Zukunft Familie“ starten können. Ohne die Hingabe und die Überzeugung, die hinter ihrer Arbeit steht, würden sich viele Familien in manchen Situationen überfordert fühlen. Es beginnt mit kleinen Dingen, zum Beispiel mit dem ersten Schnupfen bis hin zum ersten Fieber. Aber auch die Begleitung in der Schwangerschaftsvorsorge, in der sie der werdenden Mutter Ängste nehmen kann, und die Grundversorgung sind wichtige Aufgaben der Hebamme.

Dennoch müssen sich Hebammen Gedanken machen, wie sie ihren Lebensunterhalt finanzieren. Nun kennen wir alle die Problematik der Versicherungsprämien, die sich in diesem Fall nicht an der Schadenshäufigkeit orientieren, sondern an den kalkulierten Schadenshöhen, die sich wiederum aus der längeren Lebenserwartung eines Menschen, einer sich verändernden Rechtsprechung über die Zuerkennung von Ansprüchen und den Regressen der Sozialversicherungsträger errechnet. Das bedeutet in Zahlen ausgedrückt, dass die Versicherungsprämie für die Risikoabdeckung von rund 400 € im Jahr 2000 auf über 7.600 € im Jahre 2017 anstieg. Das ist ein Anstieg um fast das 20-fache.

2016 handelte die Bundesregierung, indem sie einen Sicherstellungszuschlag einrichtete. Er ist eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt einer flächendeckenden Versorgung für die Hebammenhilfe. Des Weiteren wurde mit dem GKV-Versorgungsgesetz nicht nur die Hebammenvergütung geregelt, sondern auch, dass die Kranken- und Pflegekassen in bestimmten Fällen keine Regressansprüche gegenüber der freiberuflichen Hebamme haben. Zusätzlich ist es auf Bundesebene gelungen, dass eine Verlängerung des Gruppenversicherungsvertrages bis Mitte 2018 gesichert ist.

Wenn Geburten überwiegend in Krankenhäusern durchgeführt werden, müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir freiberuflich tätige Hebammen in der Vor- und Nachsorge stärken. Nebenbei bemerkt, ist eine flächendeckende Geburtshilfe in

Nordrhein-Westfalen heute schon schwierig, da sich kleine Krankenhäuser die Frage der Wirtschaftlichkeit stellen müssen. Dieses Problem gibt es jedoch nicht erst seit dem 14. Mai 2017, sondern schon deutlich länger.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Das heutige Thema ist nicht neu hier im Landtag. Die Fraktionen der CDU und der FDP haben hierzu in der vergangenen Legislaturperiode schon einige Anträge gestellt. Es gab auch schon einige runde Tische mit den Spitzenverbänden der Hebammen und zahlreiche Gespräche. Doch leider fielen die Inhalte bei der alten Landesregierung nicht auf fruchtbaren Boden.

Dass es Handlungsbedarf gibt, hat die neue Koalition schon in ihrem Koalitionsvertrag weit deutlich vor Ihrem Antrag thematisiert: Das Berufsbild der Hebamme und ihre wichtige Bedeutung für Eltern muss gestärkt werden. Wir werden uns für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Hebammen einsetzen.

(Beifall von der CDU)