Protocol of the Session on November 28, 2019

Und so sind wir angetreten. Deswegen haben wir das auch nicht isoliert betrachtet, sondern wir haben es in der Breite organisiert. Wir sind eines der wenigen Bundesländer, das eine Digitalstrategie in aller Breite mit der Bevölkerung und den Zielgruppen in der Rückkopplung entwickelt hat. Wir haben Handlungsfelder für Nordrhein-Westfalen beschrieben, die hier in dem Antrag zum Teil auch aufgerufen worden sind. Wir haben in der Digitalstrategie zu den zentralen Themen Bildung, Forschung, Arbeitswelt, Gesundheit und Verkehr deutlich gemacht, wie wir uns mit den Menschen in Nordrhein-Westfalen vorstellen, die Digitalisierung so voranzutreiben, dass sie den Menschen in den Mittelpunkt stellt, um seine Lebensbedingungen, seine Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessern zu können.

Wir haben uns in der Digitalstrategie darüber verständigt, was bislang jedenfalls so in NordrheinWestfalen auch nicht üblich war, dass wir in der Strategie Teilziele definiert haben – 44 Teilziele, die in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden sollen und die wir durch ein Monitoring abbilden. Ich hatte Ihnen, Herr Bolte-Richter, schon im Ausschuss dargelegt, dass wir nicht nach wenigen Monaten zu jedem Teilziel, das mit Jahreszahlen jeweils verbunden ist, schon Zwischenberichte vorlegen. Da bitte ich einfach um Verständnis.

Wir legen nach einem Jahr im nächsten Jahr ein Monitoring auf, in dem alle Teilziele zwischenevaluiert werden. Das dokumentieren wir auch gerne. Daraus wird deutlich, wie konsequent wir ans Werk gehen und wie sehr wir uns dort ambitionierte Ziele setzen und nicht nur, wie Sie meinen, Ankündigungen machen. Wir wollen uns konkret an dem messen lassen, was wir uns vorgenommen haben und dann erreichen.

Mir ist beim Thema „Bildung“ noch einmal sehr wichtig – ich muss das, mit Verlaub, auch hier sagen –: Wir haben hier eine Situation angetroffen, in der das Land noch nicht einmal wusste, wie viele Schulen es im Land gibt, geschweige denn, wie sie angeschlossen sind.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wie kann ich als Landesregierung sagen, wir wollen alle Schulen ans Gigabitnetz anschließen, wenn ich noch nicht einmal weiß, wie viele Schulen es im Land gibt und in welcher Qualität die angeschlossen sind?

(Nadja Lüders [SPD]: Das lässt aber tief bli- cken!)

Das muss man sich doch auch einmal fragen. Wenn man etwas ernsthaft betreiben will, muss man auch einmal die Ausgangsbasis analysieren und einen Prozess beschreiben, wie man dann Ziele erreichen will. Wir haben sie klar benannt: Bis 2022 wollen wir das erreichen.

Wir haben sehr systematisch die Daten erhoben. Wir wissen jetzt genau, welche Schulen schon angeschlossen sind, bei welchen die Maßnahme schon bewilligt oder im Bau ist, bei welchen sie in Planung ist und bei welchen Schulen noch keine Planung eingeleitet worden ist. Das können wir für die Gewerbegebiete ganz genauso darstellen. Das haben wir transparent gemacht.

Dann sieht man den Baufortschritt. Und wir können ganz gezielt schauen: Schaffen die das noch bis 2022 oder schaffen sie es nicht? Dort, wo wir sehen, dass es Gefahr läuft, nicht erreicht zu werden, steuern wir entsprechend nach, und zwar in enger Abstimmung mit den Beteiligten.

Herr Hafke hatte gesagt: der einzige Digitalminister. Er wollte sagen, es ist der erste Digitalminister in Deutschland, und das stimmt auch. Es gibt jetzt mehrere in den Ländern. Sie können sich damit befassen. Wir haben in einer netten Runde einmal ausgetauscht, wer sich womit beschäftigt. Ich glaube, wir können schon behaupten, dass wir das hier als Landesregierung sehr ernst nehmen und die Aufgaben sehr umfassend gebündelt haben.

Nichtsdestotrotz – das haben wir von Anfang deutlich gemacht – kann es nur gelingen, wenn alle Politikbereiche ihre digitalen Themen selbst definieren und in eigener Verantwortung mit umsetzen. Das machen wir in der Landesregierung, wie ich finde, in ganz hervorragender Weise.

Ich möchte auch das, was zu meinem Kollegen KarlJosef Laumann gesagt worden ist, absolut zurückweisen. Der Gesundheitsminister hat für 2020 den flächendeckenden Ausbau Telematik, Telemedizin in der Digitalstrategie festgeschrieben. Er hat das virtuelle Krankenhaus in Planung. Ich kann Ihnen jetzt schon ankündigen: All diese Themen, die sich KarlJosef Laumann als unser Gesundheitsminister im Bereich Digitalisierung vorgenommen hat, wird er punktgenau auch erfüllen,

(Beifall von der CDU und der FDP)

weil er an dem Thema mit der gleichen Leidenschaft arbeitet wie meine geschätzte Kollegin Frau Gebauer für den Bereich Schule. Hier muss man bitte noch

einmal zwei Punkte festhalten. Das übrigens eine Erfahrung, die ich im Bereich Verwaltung genauso habe machen können.

(Unruhe – Glocke)

Es ist doch das eine, dass man sich etwas vornimmt zu tun; das andere ist, dass man das zu einer konkreten Umsetzung führt. Dann kann ich ein Pilotprojekt machen und kann so manches testen; auch das ist eine Phase, die wichtig ist. Aber das ist noch nicht der Praxistest. Der Praxistest ist, dass ich dann eine Software entwickelt habe, die wirklich in der Breite eingesetzt werden kann. Und das ist wahrlich eine große Herausforderung. Das hat auch die Vorgängerregierung feststellen müssen, weil im Bereich Bildung die dort geplante Software eben nicht funktioniert hat.

Wenn dann eine neue Ministerin ins Amt kommt, muss sie sich erst einmal damit auseinandersetzen, dass sie etwas tun möchte, wozu die Grundlagen fehlen. Diese müssen dann also erst einmal erarbeitet werden. Ich meine, die Fairness der Opposition, die zuvor in der Verantwortung war, würde es gebieten, anzuerkennen, dass nicht die Voraussetzung da war, es flächendeckend sofort ausrollen zu können, was wir sicherlich gerne gemacht hätten und Frau Gebauer allen voran gerne gemacht hätte.

Vielmehr mussten erst mal die Voraussetzungen erarbeitet werden, um das bei 200.000 Lehrerinnen und Lehrern flächendeckend ausrollen zu können.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Zum DigitalPakt Schule haben Sie sich differenzierter geäußert. Das war auch notwendig. Natürlich können wir nur dann Hand in Hand mit dem Bund handeln, wenn er in der Frage auch bereit ist, in eine Mitverantwortung zu gehen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: So wie bei den Altschulden!)

Wenn mehr Zeit dafür vertan wird, ist das nicht unsere Verantwortung.

Aber umso wichtiger ist, dass dort, wo man handeln kann, konsequent gehandelt wird. Das geschieht in der Schule ganz systematisch, was die Kompetenzentwicklung bei den Lehrern und die Lehrerausbildung anbetrifft. Das Fach Informatik wird eingeführt. All das hätte sich Nordrhein-Westfalen sicherlich schon früher gewünscht. Frau Gebauer macht es jetzt möglich. Das ist der Unterschied zwischen dieser Regierung und der Vorgängerregierung.

(Beifall von der FDP und Petra Vogt [CDU] – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Lassen Sie mich noch etwas zum Thema „Glasfaser“ sagen, lieber Herr Bolte-Richter. Wir waren der Meinung, wenn der Steuerzahler schon mit seinem kost

baren Geld bereitsteht, um Infrastruktur für die Zukunft, für das 21. Jahrhundert auszubauen, dann sollte er nicht mehr – wie noch bei Ihnen – in Kupfer investieren, sondern in Glasfaser. Das haben wir als Erste umgesetzt. Der Bund ist uns jetzt gefolgt. Darüber freuen wir uns sehr.

Die Zielrichtung, die wir uns vorgenommen haben, ist aber die Gigabit-Fähigkeit. Das haben wir in der Koalitionsvereinbarung deutlich gemacht. Das ist auch das Ziel für die Bundesrepublik Deutschland. Das wissen Sie auch. Genau an diesem Ziel – bis 2025 flächendeckend – arbeiten wir.

Beim Mobilfunkpakt haben wir uns vorgenommen, bis Ende dieses Jahres mindestens durch einen Anbieter eine Abdeckung von 99 % zu erreichen. Wir hatten schon im Januar eine Abdeckung von 99,3 %. Das gibt es in keinem anderen Bundesland in Deutschland.

Sie sagen, wir kündigten nur an. Ich sage: Wir kündigen nicht nur an, wir halten das Angekündigte auch. Wir sind ambitioniert und verlässlich. Und wir freuen uns immer wieder darüber, wenn wir das auch in statistisch verbrieften Daten zum Ausdruck bringen können. – Vielen Dank für die Gelegenheit.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Kehrl das Wort.

Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich über den heutigen Antrag der SPD natürlich nicht gewundert. Ich folge der geschätzten Kollegin Kampmann täglich auf Twitter, und dort wurde dieser Antrag schon marketingtechnisch sehr gut angeteasert.

(Heiterkeit von Christina Kampmann [SPD])

Wie viel Marketing und wie viel Inhalt darin steckt, wollen wir uns kurz anschauen.

Ich wundere mich schon sehr über den Inhalt des Antrags und darüber, dass sich die Digitalpolitiker der SPD offensichtlich nur sehr unzureichend mit den bisherigen Erkenntnissen unserer Enquetekommission „Digitale Transformation der Arbeitswelt in Nordrhein-Westfalen“ befasst haben.

Dort ist ganz klar die wichtigste Erkenntnis, dass Beschäftigung durch Digitalisierung und Automatisierung nicht weniger wird. Darin sind sich alle Experten, die wir bisher gehört haben – auch Ihre eigenen – einig. Es werden natürlich Jobs wegfallen, aber an anderer Stelle werden jede Menge neue Arbeitsplätze entstehen. Rund um die Automatisierung

entstehen neue Berufsbilder. Wichtig für uns als Politik ist, dass wir dafür den Rahmen schaffen müssen.

Die zunächst von der Opposition mit Beginn der Enquetekommission in den Raum gestellten Befürchtungen, die Arbeitswelt der Zukunft werde nur noch aus Clickworking, digitalem Prekariat und Auflösung betrieblicher Beziehungen bestehen, wurde von allen Experten verneint.

Aber natürlich brauchen wir in der neuen Arbeitswelt klare Prinzipien. Die neuen Technologien – das klang hier eben auch schon an – dürfen niemals Selbstzweck sein, sondern müssen immer den Menschen dienen. Im digitalen Wandel liegen sehr viele neue Chancen gerade für die Beschäftigten, auf die wir uns konzentrieren müssen. Arbeitszeiten und Arbeitsplätze können auf Wunsch flexibler werden. Digitalisierung wird von allen Sachverständigen als Möglichkeit gesehen, Arbeit zu modernisieren, neu zu organisieren und damit leichter und erträglicher zu machen. Das gilt am Bau, in der Fabrik aber auch in Pflegeberufen.

Zur Wahrheit gehört auch, dass mit dem gesellschaftlichen Wandel und der damit einhergehenden Individualisierung die Bindekraft der großen Sozialpartner und der Betriebsräte stark gesunken ist. Das wird auch so weitergehen.

Beschäftigung und Arbeitsverhältnisse werden also räumlich und zeitlich flexibler. Der Bedarf an Homeoffice wird steigen, entweder um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können oder wegen des Wunsches nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. Aber – auch das haben wir herausgefunden – wir brauchen keinen Gewerkschaftsfunktionär, der im häuslichen Schlafzimmer die Arbeitsbedingungen kontrolliert.

Aktuellste Studien sagen uns, dass weder Arbeitgeber noch Beschäftigte eine Entbetrieblichung oder die totale Individualisierung wünschen. Betriebsstätten, an denen hauptsächlich gearbeitet wird, bleiben als sozialer Raum zentral wichtig. Homeoffice sorgt gerade bei Frauen für höhere Löhne und mehr Zufriedenheit mit der Arbeit. Genauso richtig ist, dass wir Arbeitszeiten digital und sorgfältig erfassen und Mitarbeiter vor zu hohen Belastungen durch digitale Geräte schützen müssen.

„Digitaler Fortschritt für alle“ heißt der Antrag. Für uns ist von zentraler Bedeutung, dass auch im digitalen Wandel die soziale Marktwirtschaft nicht das Problem, sondern die Lösung ist. Auch sie kann in der Transformation der Arbeitswelt nämlich einen Ordnungsrahmen, sozialen Ausgleich und vielfältige Möglichkeiten an Mitbestimmung und Mitbeteiligung für die Beschäftigten bieten.

Nun, liebe SPD, kommt eine Überraschung: Daraus folgen unserer Meinung nach auch moderne Formen der Beteiligung an Unternehmen, als Chance, am

wirtschaftlichen Erfolg einer Firma teilzuhaben – etwa in Form einer digitalen Dividende – und somit auch Beiträge zur besseren eigenen Altersvorsorge leisten zu können. Hier müssen wir noch tiefer in Möglichkeiten einsteigen, die Arbeitgeber und Mitarbeiter zufriedenstellen können.

Wesentlich für soziale Balance und Fairness ist aber ein anderer Punkt. Einerseits wird der Faktor Arbeit mit der Digitalisierung immer produktiver, andererseits steigen die Einkünfte aus Kapitalvermögen global wesentlich schneller als die Löhne. Weil wir Menschen darüber hinaus zum Glück immer älter werden, werden sich die Probleme der Altersvorsorge in der gesetzlichen Rentenversicherung in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Auch vor diesem Hintergrund sollten wir über neue Entlohnungsmodelle und Vermögensbildungen für die Mittelschicht diskutieren, denn die soziale Marktwirtschaft wird nur dann als unser Wirtschaftsmodell akzeptiert,

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

wenn die hart arbeitenden Menschen daran teilhaben und deren Löhne stärker steigen als die Inflation. Dafür müssen wir Modelle schaffen, die zu den Menschen passen und sie dort, wo das möglich ist, am unternehmerischen Erfolg beteiligen und sie gleichzeitig für das Alter zusätzlich und besser schützen.

(Andreas Kossiski [SPD]: Dafür brauchen wir Gewerkschaften!)